BT-Drucksache 18/3456

Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zur Enttarnung verdeckter Ermittlungen von Polizeien und Geheimdiensten

Vom 2. Dezember 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3456
18. Wahlperiode 02.12.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger, Ulla
Jelpke, Kerstin Kassner, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Martina Renner,
Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zur Enttarnung verdeckter Ermittlungen
von Polizeien und Geheimdiensten

Verdeckt eingesetzte Angehörige von Polizeien und Geheimdiensten stehen vor
dem Problem, dass Ausweisdokumente mit falschen Identitäten biometrische
Daten enthalten, die den Klarnamen zugeordnet werden können. Bei einem
Grenzübertritt kann es also passieren, dass eine Software der Grenzpolizei die
richtige Identität erkennt und einen Alarm ausgibt, weil das vorgezeigte Doku-
ment auf einen anderen Namen lautet. Ähnliches gilt für Profile in sozialen
Netzwerken: Haben verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler oder Agentinnen
und Agenten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit Facebook oder andere soziale Netz-
werke genutzt, sind dort vermutlich auch Fotos von ihnen zu sehen, die den
Klarnamen zugeordnet sind. Mit frei benutzbarer Gesichtserkennungssoftware
können diese früheren Postings gefunden und die Betroffenen mithin identifiziert
werden. Vor drei Jahren hatte die australische Polizei eine Studie zum Thema
beauftragt (TechWorld vom 25. August 2011). 90 Prozent der Polizistinnen und
81 Prozent der Polizisten gaben an, soziale Netzwerke zu nutzen. 85 Prozent der
Betroffenen erklärten überdies, dass befreundete Personen bereits Bilder von
ihnen online gestellt hätten. Ein früherer hoher Mitarbeiter der Polizei Austra-
liens argwöhnt, dass es mit der verdeckten Polizeiarbeit in einigen Jahren vorbei
sein könnte.
Mehrmals haben sich deshalb bereits internationale Polizeinetzwerke mit dem
Phänomen befasst. Eine weltweit aktive Arbeitsgruppe arbeitet seit 25 Jahren an
der Erleichterung grenzüberschreitender verdeckter Einsätze. Eine „European
Cooperation Group on Undercover Activities“ (ECG) beschäftigte sich bereits
mit einer nicht näher bezeichneten „Entwicklung im Bereich biometrischer
Daten“ bzw. „Entwicklung im Bereich biometrischer Anwendungen“, Details
bleiben aber unter Verschluss (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/7567, 17/9844).
Letztes Jahr lotete die European Police Chiefs Convention in einer Konferenz
„moderne Technologien“ für die heutige Polizeiarbeit aus (Mitteilung des Euro-
päischen Polizeiamtes Europol vom 12. September 2013). Eine der Arbeitsgrup-
pen widmete sich „Zeugenschutz und Führung von Informanten“. Dabei ging es
unter anderem um die Verbreitung biometrischer Verfahren, wodurch auch die
mit anderer Identität ausgestatteten Zeuginnen und Zeugen gefährdet werden
könnten. Delegierte kamen aus 41 Ländern, darunter Kolumbien, Island, Israel,
Australien, Kanada, Mexiko, Russland, USA und Türkei. Auch die internatio-
nale Polizeiorganisation Interpol war zugegen.
In Deutschland will nun der Bundesnachrichtendienst (BND) 100 000 Euro aus-
geben, um eine Software zu entwickeln die Passfotos verfremdet (ZEIT ONLINE

Drucksache 18/3456 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
vom 13. November 2014). Im Jahr 2015 ist eine Machbarkeitsstudie geplant. Ziel
ist es laut den Berichten, „heimliche Hintertüren in biometrische Fotos“ einzu-
bauen. Das Vorhaben trägt demnach den Titel „Schutz vor Identitätsaufklärung
durch Bildmanipulation/-verfremdung“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung das Phänomen, dass verdeckt eingesetzte

Angehörige von Geheimdiensten oder Polizeien zwar mit anderen Identitäten
ausgestattet sind, die mitgeführten gefälschten Ausweisdokumente aber
biometrische Daten enthalten, die bei geheimdienstlichen, polizeilichen oder
grenzpolizeilichen Maßnahmen anderer Länder Rückschlüsse auf Klarnamen
zulassen?

2. Welche Anstrengungen im Bereich Forschung, Entwicklung, Ausbildung
bzw. sonstigen Bereichen hat die Bundesregierung bereits unternommen, um
die Gefahr einer Enttarnung der mit falscher Identität und gefälschten Aus-
weisdokumenten eingesetzten Angehörigen von Geheimdiensten oder Poli-
zeien zu minimieren?

3. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Konferenzen oder sonstiger Zusam-
menarbeitsformen haben Bundesbehörden das Thema bereits auf nationaler
Ebene behandelt, und wer nahm daran teil?
a) Welche Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung

daraus?
b) Welche eigenen Beiträge haben welche Bundesbehörden dort erbracht?

4. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Konferenzen oder sonstiger Zusam-
menarbeitsformen haben Bundesbehörden das Thema bereits auf internatio-
naler Ebene behandelt, und wer nahm daran teil?
a) Welche Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung

daraus?
b) Welche eigenen Beiträge haben welche Bundesbehörden dort erbracht?

5. Welche Praxis existiert bei Bundesbehörden, die Gefahr einer Enttarnung der
mit falscher Identität eingesetzten Angehörigen von Geheimdiensten oder
Polizeien bei Grenzkontrollen durch die Kontrolle biometrischer Daten zu
minimieren?

6. Wie bewertet die Bundesregierung das Phänomen, dass verdeckt eingesetzte
Angehörige von Geheimdiensten oder Polizeien zwar mit anderen Identitäten
ausgestattet sind, frühere Aufnahmen aber weiterhin unter ihrem Klarnamen
im Internet kursieren und ein Abgleich der gefälschten Bilder und Profile
mittels Einsatz von Gesichtserkennungssoftware Rückschlüsse auf Klar-
namen oder auch Angehörige und Freundinnen und Freunde zulassen?

7. Welche Anstrengungen im Bereich Forschung, Entwicklung, Ausbildung
bzw. sonstigen Bereichen hat die Bundesregierung bereits unternommen, die
Gefahr einer Enttarnung der mit falscher Identität eingesetzten Angehörigen
von Geheimdiensten oder Polizeien durch den Einsatz von Gesichtserken-
nungssoftware zu minimieren?

8. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Konferenzen oder sonstiger Zusam-
menarbeitsformen haben Bundesbehörden das Thema bereits auf nationaler
Ebene behandelt, und wer nahm daran teil?
a) Welche Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung

daraus?
b) Welche eigenen Beiträge haben welche Bundesbehörden dort erbracht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3456
9. Im Rahmen welcher Arbeitsgruppen, Konferenzen oder sonstiger Zusam-
menarbeitsformen haben Bundesbehörden das Thema bereits auf internatio-
naler Ebene behandelt, und wer nahm daran teil?
a) Welche Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung

daraus?
b) Welche eigenen Beiträge haben welche Bundesbehörden dort erbracht?

10. Welche Praxis existiert bei Bundesbehörden, die Gefahr einer Enttarnung
der mit falscher Identität eingesetzten Angehörigen von Geheimdiensten
oder Polizeien durch den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zu mini-
mieren?

11. Was ist der Bundesregierung über Studien bekannt, die sich mit gefälschten
Identitäten und „echten“ biometrischen Daten bzw. gefälschten Identitäten
und „echten“ Profilen in sozialen Netzwerken befassen?
a) Wo und von wem wurden die Studien vorgestellt?
b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

12. In welchem Umfang legen die unter falscher Identität eingesetzten Angehö-
rigen von Geheimdiensten oder Polizeien selbst gefälschte Profile in sozia-
len Netzwerken oder auch Blogs und Webseiten an, etwa um ihre Tarniden-
tität glaubwürdiger zu machen (bitte möglichst mit Zahlen für die Jahre
2011 bis 2014 belegen)?

13. Inwiefern treffen Berichte zu, wonach der BND 100 000 Euro ausgeben
will, um eine Software zu entwickeln, die Passfotos verfremdet?
a) Wer ist hierzu mit Studien beauftragt?
b) Inwiefern sollen die Ergebnisse dieser Studie auch anderen Bundes-

behörden zugänglich gemacht werden?
14. Welche weiteren ebenfalls auf Biometrie basierenden Projekte hat der BND

im Rahmen seiner „Strategischen Initiative Technik“ geplant, worin beste-
hen diese, und wer ist mit der Umsetzung beauftragt bzw. daran nach Kennt-
nis der Bundesregierung beteiligt?

15. Inwieweit setzen Geheimdienste des Bundes selbst Gesichtserkennungs-
software ein, um verdeckte Ermittlungen oder Tätigkeiten von Agentinnen
und Agenten ausländischer Behörden zu enttarnen?

Berlin, den 2. Dezember 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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