BT-Drucksache 18/3354

Neue Fragen zur Sicherheit der Atomanlagen in der Ukraine

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3354
18. Wahlperiode 25.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Matthias Gastel,
Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neue Fragen zur Sicherheit der Atomanlagen in der Ukraine

Das hohe Risiko für einen Reaktorunfall in der Ukraine hat sich in den letzten
Monaten nicht verändert. Durch den andauernden Konflikt ist die Gefahr perma-
nent gegeben. Ein absichtlich oder unabsichtlich herbeigeführter Reaktorunfall
hätte auch direkte Folgen für die Bundesrepublik Deutschland.
Die Ukraine bat bereits im März 2014 die Internationale Atomenergie-Organi-
sation (IAEO), die Frage der nuklearen Sicherheit mit den russischen Behörden
zu besprechen. Auch die USA, die Europäische Union und die Nordatlantikpakt-
Organisation (NATO) wurden um Unterstützung beim Schutz der ukrainischen
Atomanlagen gebeten – ein Expertenteam wurde im Mai 2014 entsandt. In
einem Antwortschreiben vom 26. August 2014 an den Fraktionsvorsitzenden
Dr. Anton Hofreiter und die atompolitische Sprecherin Sylvia Kotting-Uhl der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärten die Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, und der
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, dass die Ukraine
um eine Ausweitung der Zusammenarbeit bei der Anlagensicherung gebeten
hat. Diese Bitte umschließt auch die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor-
sicherheit (GRS) mbH, die ein Büro in Kiew hat. In dem Schreiben kündigte die
Bundesregierung eine Prüfung für Unterstützungsmöglichkeiten an.
Darüber hinaus wurde bekannt, dass es ein Finanzierungsdefizit von 615 Mio.
Euro für den im Bau befindlichen Sarkophag in Tschernobyl gibt. Deutschland
sollte während seiner G7-Präsidentschaft die Finanzierung und damit Fertigstel-
lung des Sarkophags in den Vordergrund stellen (www.sueddeutsche.de vom
16. September 2014 „Tschernobyl-Sarkophag droht Baustopp“).
Zum anderen beschäftigt die Fragesteller weiterhin der Einsatz amerikanischer
Brennelemente in ukrainischen Atomkraftwerken (AKW) mit Reaktoren russi-
scher Bauart, bei dem es zur Verbiegung der Brennelemente kommt, dem so-
genannten Bananen-Effekt. Die Verbiegung kann dazu führen, dass bei einem
Reaktorunfall Steuerstäbe nicht einwandfrei eingeführt werden können. Trotz
dieses Sicherheitsrisikos hat die ukrainische Atomaufsichtsbehörde einen neuen
Vertrag mit der US-Firma Westinghouse abgeschlossen (www.tagesschau.de
vom 28. Mai 2014 „Wie sicher sind die Atomkraftwerke in der Ukraine“).
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ging der Thematik Sicherheit an den
ukrainischen Atomstandorten, dem Finanzierungsdefizit in Tschernobyl sowie
der Frage nach den Brennelementen bereits in diversen parlamentarischen Anfra-
gen nach, um einen öffentlich zugänglichen Überblick zu schaffen. Aufgrund der
andauernden Krisensituation in der Ukraine und neuer Entwicklungen, wie der

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angekündigten Überprüfung von Unterstützungsmöglichkeiten durch die Bun-
desregierung, ist für die Fragesteller eine erneute Abfrage relevant.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Unterstützungsmöglichkeiten seitens Deutschlands zur Sicherung

der ukrainischen Atomanlagen haben sich bei der Prüfung durch die Bundes-
regierung ergeben (vgl. Antwortschreiben von der Bundesministerin für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks,
und dem Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier,
vom 26. August 2014), und wird die Bundesregierung davon Gebrauch
machen (bitte Erläuterung zu einzelnen möglichen Handlungsoptionen)?

2. Welche genauen Sicherheitsmaßnahmen wurden laut Kenntnis der Bundes-
regierung oder der GRS an den ukrainischen Atomstandorten seit Beginn
des Konflikts getroffen?

3. Welche Entwicklungen haben sich seit der Entsendung des NATO-Exper-
tenteams in diesem Jahr laut Kenntnis der Bundesregierung an den ukraini-
schen Atomanlagen ergeben, und wurden seitdem weitere Sicherheits-
vorkehrungen vorgenommen?

4. Ist der Bundesregierung mittlerweile bekannt, ob die IAEO der Bitte der
Ukraine nachgekommen ist und Gespräche zur Sicherheitslage ihrer Atom-
standorte mit den russischen Behörden aufgenommen hat (vgl. Antwort zu
Frage 5, Bundestagsdrucksache 18/2109), und wenn ja, mit welchem Ergeb-
nis?

5. Wurde inzwischen bei den Abstimmungen zwischen der Bundesregierung
und ihren Partnern bzgl. der Deeskalation des russisch-ukrainischen Kon-
flikts auch die Sicherheitslage an den Atomanlagen thematisiert (vgl. Ant-
wort auf die Kleine Anfrage zu den Fragen 6 und 7, Bundestagsdrucksache
18/2109), und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

6. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung in der momentanen Kri-
sensituation die abgebrannten Brennelemente geschützt, die im Freien auf
dem Gelände des AKW Saporoschje lagern, und hält die Bundesregierung
die Lagerung für angemessen?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob im August 2014 ein Transport mit ab-
gebrannten Brennelementen aus Ungarn über die Ukraine nach Russland
stattgefunden hat, und wenn ja, welche Details kann sie dazu mitteilen?

8. Sieht die Bunderegierung eine erhöhte Gefahr bei Nukleartransporten durch
die Krisengebiete, und wenn nein, warum nicht?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den möglichen Luft-
transport von Nuklearmaterial (neue und gebrauchte Brennelemente) aus
der bzw. über die Ukraine?

10. Wurden laut Kenntnis der Bundesregierung seit dem letzten Jahr Verbesse-
rungen an den ukrainischen Atomanlagen vorgenommen (bitte mit Angabe
zu Standort, Reaktor, Art der Verbesserung, Kosten etc.)?

11. Welche Sicherheitsdefizite können laut Kenntnis der Bundesregierung
durch die Verbiegung von Brennelementen entstehen, und wie schätzt die
Bundesregierung diese Gefahren ein?

12. Welche Änderungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung an den
Reaktoren 2 und 3 des AKW Süd-Ukraine nach dem Verbot der ukraini-
schen Atomaufsicht (SNRIU) zum Weiterbetrieb mit Brennelementen der
Firma Westinghouse vorgenommen (April 2012), und sind diese nach An-
sicht der Bundesregierung ausreichend?

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13. Ist der GRS die Problematik um amerikanische Brennelemente im AKW
Süd-Ukraine bekannt, und wenn ja, wie schätzt sie die Sicherheitslage ein?

14. Hat die GRS im Zusammenhang mit der Brennelemente-Problematik ge-
genüber deutschen oder ukrainischen Behörden Sicherheitsmaßnahmen
vorgeschlagen, und wenn ja, welche?

15. Ist der Bundesregierung bekannt, ob auch im tschechischen Atomkraftwerk
Temelín Brennelemente der Firma Westinghouse eingesetzt worden sind,
die eine technische Anpassung benötigten, und wenn ja, welche Details
kann sie dazu mitteilen?

16. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es trotz dieser technischen Anpassung
zu weiteren Sicherheitsproblemen kam und infolgedessen wieder ein Ver-
trag mit dem russischen Produzenten abgeschlossen wurde, und wenn ja,
welche Details kann sie dazu mitteilen?

17. Sieht die Bundesregierung bezüglich dieser Sicherheitsprobleme ähnliche
Gefahren für das AKW Süd-Ukraine (wenn nein, bitte mit Begründung)?

18. Welche genauen Pläne hat die Bundesregierung, um zusätzliche Finanz-
mittel für die Fertigstellung des Sarkophags in Tschernobyl zu bekommen?

19. Für wann und mit welchem Inhalt sind im vierten Quartal 2014 und im
ersten Quartal 2015 Besprechungen mit den G7-Partnern, der Europäischen
Kommission und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwick-
lung (EBWE) zu dieser Problematik geplant (bitte mit Angabe von Daten,
Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmern und Tagesordnung)?

20. Gefährdet eine (weitere) Verzögerung bei der Fertigstellung des neuen
Sarkophags nach Erkenntnissen der Bundesregierung die nukleare Sicher-
heit in der Region und darüber hinaus?

21. Von welchem konkreten Gefahrenpotenzial geht die Bundesregierung bei
einem Störfall in einem ukrainischen Atomreaktor für die Bundesrepublik
Deutschland aus, und welche Konsequenzen zieht sie aus diesem Gefahren-
potenzial?

Berlin, den 25. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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