BT-Drucksache 18/3314

Deutsche Beteiligung an der EU-Polizeimission in der Ukraine beenden

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3314
18. Wahlperiode 25.11.2014
Antrag
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Deutsche Beteiligung an der - oli ei ission in der Ukraine beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, sich mit bis zu 20 zivilen Ex-
pertinnen und Experten sowie Polizistinnen und Polizisten des Bundes und der
Länder an einer Polizeimission der Europäischen Union in der Ukraine zu be-
teiligen (EUAM UKR).

2. Mit der Mission werden deutsche Polizistinnen und Polizisten in eine militäri-
sche Auseinandersetzung hineingezogen. Sie werden Teil einer Bürgerkriegs-
partei, die im Kampf gegen eine andere steht. Das gehört jedoch nicht zu den
Aufgaben deutscher Polizeivollzugskräfte und steht dem Prinzip der Trennung
militärischer und polizeilicher Aufgaben entgegen.

3. Insbesondere die paramilitärisch organisierte Nationalgarde, die zu den Adres-
saten der EU-Mission gehört, setzt sich zu einem erheblichen Teil aus rechtsext-
remen Aktivisten der Maidan-Proteste zusammen. Das gilt auch für andere, ir-
reguläre militärische Verbände, die bei den Kämpfen gegen die Aufständischen
in der Ostukraine eingesetzt werden. Der Deutsche Bundestag ist nicht bereit
hinzunehmen, dass deutsche Polizistinnen und Polizisten Anleitung und Bera-
tung für Organisationen leisten, die von Faschisten durchsetzt sind, auch nicht
für eine Regierung, die sich wenigstens teilweise auf faschistische Milizen
stützt.

4. Das Krisenmanagementkonzept der Europäischen Union, das der Mission zu-
grunde liegt, warnt vor einem mittel- bis langfristigen „Risiko von Ernüchte-
rung, Protest und sozialen Unruhen“ in der ukrainischen Bevölkerung. Die Er-
tüchtigung der ukrainischen Sicherheitsbehörden läuft damit auch darauf hinaus,
diese auf die Niederschlagung sozialer Unruhen vorzubereiten. Auch dies darf
nicht zu den Aufgaben der deutschen Polizei gehören.

5. Der Bürgerkrieg in der Ukraine hat historische, politische und soziale Ursachen.
An der friedlichen Beilegung des Konfliktes sollte sich die Bundesregierung ge-
meinsam mit der Ukraine, der Russischen Föderation, der EU und anderen Part-
nern beteiligen. Das gebietet aber ein Mindestmaß an Neutralität, das die Bun-
desregierung im bisherigen Konfliktverlauf nicht gezeigt hat. Sie hat damit zur
Eskalation beigetragen. Auch die EU-Mission ist getragen von einer einseitigen
Schuldzuweisung an die Aufständischen, ohne Verantwortlichkeiten auf Seiten
der Regierung in Kiew zu benennen, deren Kräfte nach Einschätzung zahlrei-
cher Beobachter für Kriegsverbrechen verantwortlich sind.

Drucksache 18/3314 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sämtliche im Rahmen der EU-Mission EUAM Ukraine eingesetzten Angehöri-
gen der Bundespolizei sofort aus der Ukraine abzuziehen;

2. keine weiteren Bundespolizistinnen und Bundespolizisten in der Mission einzu-
setzen;

3. jegliche materielle, logistische, personelle, finanzielle und politische Unterstüt-
zung für die EU-Mission einzustellen und

4. sich auf EU-Ebene für ein Ende der Mission einzusetzen.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Der Deutsche Bundestag kann nach § 8 Absatz 1 Satz 5 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) durch Beschluss
verlangen, dass die Verwendung von Angehörigen der Bundespolizei in einer internationalen Mission beendet
wird.

Die Mission EUAM Ukraine soll ein Konzept zur Reform und Umstrukturierung der ukrainischen Sicherheits-
kräfte erarbeiten und die ukrainischen Behörden bei dessen Umsetzung unterstützen. Sie zielt damit auf die
vollständige Wiederherstellung des Gewaltmonopols der ukrainischen Regierung über das ganze Territorium
der Ukraine und auf die Schaffung (regierungs-)loyaler Sicherheitskräfte. Trotz ihrer Bezeichnung als Mission
zur Reform des „zivilen“ Sicherheitssektors richtet sich die Mission „an die Sicherheitsbehörden in der Ukraine
in ihrer Gesamtheit“, wie die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
mitteilte (Bundestagsdrucksache 18/2327). Darin soll unter anderem auch die Nationalgarde eingeschlossen
sein. Das geht auch daraus hervor, dass an einer Informationsveranstaltung des Missionsleiters Kálmán Miszei
am 26. September 2014 in Kiew auch hochrangige Vertreter der Nationalgarde anwesend waren. Zu dieser
Einheit führt das EU-Krisenmanagementkonzept vom 19. Juni 2014 aus, ihre Gründung diene dazu, „diejeni-
gen, die auf dem Maidan gekämpft haben, irgendwie zu beschäftigen“ und von unkontrollierten Gewalttaten
abzuhalten.

Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Situation in der Ostukraine bedeutet die Mission faktisch eine einseitige
Unterstützung einer Bürgerkriegspartei. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. (18/2327) nicht ausschließen wollen, dass sich das Beratungsangebot der eingesetzten
deutschen Polizistinnen und Polizisten auch auf konkrete militärische Einsätze der Nationalgarde bezieht. Da-
mit werden deutsche Polizistinnen und Polizisten in einen militärischen Konflikt hineingezogen, was dem Ge-
bot der Trennung militärischer und polizeilicher Aufgaben entgegensteht.

Die ukrainischen Behörden haben seit dem Sturz des früheren Präsidenten Janukowitsch im Februar 2014 und
der Einsetzung einer neuen Regierung nicht darlegen können, dass sie ernsthaft am Aufbau eines demokrati-
schen Rechtsstaates interessiert sind. So sind die näheren Umstände der Todesschüsse von Januar und Februar
2014 auf dem Maidan in Kiew nach wie vor nicht aufgeklärt, eine Expertengruppe des Europarates beklagte
sich Ende September 2014, die ukrainischen Behörden würden erbetene Auskünfte nicht oder nur schleppend
erteilen. Auch die Hintergründe des Massenmordes an Gegnern der Kiewer Regierung in Odessa am 2. Mai
2014 sind bis heute nicht aufgeklärt. Zudem stützt sich die ukrainische Regierung auch auf faschistische Poli-
tikerinnen und Politiker. Gleich nach dem Sturz Janukowitschs war in Gestalt der Partei Swoboda eine faschis-
tische Organisation an der Regierung beteiligt worden, deren Aktivisten – bis hin zum Vorsitzenden – wieder-
holt durch rassistische und antisemitische Äußerungen aufgefallen sind und sich öffentlich zur faschistischen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3314
Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) bekennen, die im Zweiten Weltkrieg Massenmorde an polni-
schen Zivilistinnen und Zivilisten verübte und auch jüdische Flüchtlinge ermordete. Auch Angehörige anderer
sogenannter prowestlicher Parteien ehren diese Organisation. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2014 ka-
men über die Wahllisten vor allem der „Volksfront“ von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk mehrere Kandi-
datinnen und Kandidaten ins Parlament, die sich zuvor bei faschistischen Organisationen wie der UNA-UNSO
engagiert oder sich auf Seiten des faschistischen Bataillons Asow am Bürgerkrieg beteiligt haben. Die ukrai-
nische Regierung hat zudem rechtsextreme Kämpfer des Maidan in die offiziellen Sicherheitsstrukturen über-
nommen, wie etwa in der Nationalgarde, oder kooperiert mit diesen, wie mit den Bataillonen Asow, Donbass,
Aidar und anderen, denen Menschenrechtsorganisationen Kriegsverbrechen vorwerfen. Insbesondere das Ba-
taillon Asow ist bekannt geworden durch die Verwendung faschistischer Symbole wie dem Hakenkreuz und
SS-Runen. Jegliche Unterstützung durch deutsche Polizistinnen und Polizisten für eine Regierung, die mit sol-
chen Kräften kooperiert bzw. sich gar auf sie stützt, muss ausgeschlossen sein.

Deutschland kann durch politische Vermittlungsbemühungen seinen – zivilen und friedlichen – Beitrag zur
Lösung der Krise in der Ukraine leisten. Dazu gehören die Einbindung Russlands und das Drängen auf Auflö-
sung und Entwaffnung der von Faschisten durchsetzten (para-)militärischen Organisationen in der Ukraine,
nicht aber deren Stärkung.
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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