BT-Drucksache 18/3286

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2823, 18/2824, 18/2825- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 25. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3286
18. Wahlperiode 25.11.2014
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2823, 18/2824, 18/2825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015)

hier: Einzelplan 23

Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die zunehmende Kooperation mit Privatunternehmen im Rahmen der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit (EZ), insbesondere in den Bereichen Landwirt-
schaft und Hungerbekämpfung, ist kritisch zu hinterfragen. Der entwicklungspo-
litische Nutzen von Public-Privat-Partnerships (PPPs) darf nicht vorausgesetzt,
sondern muss vor der Weiterführung solcher Initiativen klar belegt werden.
PPPs dürfen nicht zu Lasten von genuinen Aufgaben der EZ wie der Armutsbe-
kämpfung oder der Stärkung von öffentlichen Strukturen gehen, die insbesonde-
re auch marginalisierten Bevölkerungsgruppen zugutekommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

a) sicherzustellen, dass Armuts- und Hungerbekämpfung und nicht die Ge-
schäftsinteressen von Unternehmen das Agieren der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit anleiten;

b) völlige Transparenz bei PPPs herzustellen und detailliert offenzulegen, wel-
che Privatunternehmen im PPP-Bereich in welchem Umfang Mittel der EZ
erhalten und umsetzen;

c) laufende und zukünftige PPPs im Bereich ländliche Entwicklung und Ernäh-
rungssicherung auf ihren entwicklungspolitischen Nutzen sowie im Hinblick
auf ihre soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu evaluieren und dabei
insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

Drucksache 18/3286 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

– Wird das Recht auf Nahrung durch die Projekte gestärkt?
– Erhöhen die Projekte den Gestaltungsspielraum der beteiligten Klein-

bäuerinnen und Kleinbauern oder führen sie zu neuen Abhängigkeiten?
– Werden durch die Projekte öffentliche Strukturen (in der Forschung, in

der Vermarktung etc.) gestärkt oder exklusive, private (Parallel-)Struk-
turen aufgebaut?

– Wie viele gute Arbeitsplätze werden durch das jeweilige Projekt ge-
schaffen, wie viele (informelle) Arbeitsplätze werden dadurch aber auch
bedroht?

– Kommen in den Projekten die Freiwilligen Leitlinien zur Landnutzung
zur Anwendung?

– Werden in den Projekten explizit agrarökologische Anbaumethoden ge-
fördert, die eine nachhaltige und ressourcenschonende Landwirtschaft
möglich machen (indem sie etwa den Einsatz externer Inputs radikal ver-
ringern, die Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit erhöhen und die Resi-
lienz gegenüber den Folgen des Klimawandels steigern)?

d) keine weiteren PPP-Projekte in der öffentlichen Daseinsvorsorge, insbeson-
dere beim Aufbau sozialer Sicherungssysteme, im Gesundheits- und im Bil-
dungsbereich sowie in der Energie- und Wasserversorgung, vorzusehen und
stattdessen den Aufbau staatlicher Strukturen in diesen Bereichen zu ver-
stärken;

e) die Bewilligung von 20 Mio. Euro an die internationale Agrarforschung
(Kapitel 23 03, Titel 687 03) an die Bedingung zu knüpfen, dass die For-
schungsgelder zum Wohle der breiten Öffentlichkeit verwendet werden, und
damit sicherzustellen, dass es zu keiner weiteren Privatisierung der Agrar-
forschung kommt;

f) die Bewilligung von 1 Mio. Euro für das Scaling up Nutrition Movement
Secretariat (SUN) (Kapitel 23 03, Titel 687 01) an die Bedingung zu knüp-
fen, dass im Rahmen der SUN-Initiative lokale Lösungen zur Bekämpfung
von Mangelernährung entwickelt werden, anstatt die Vergabe von Nah-
rungsergänzungsmitteln zu forcieren;

g) bei den im Rahmen der Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ geplan-
ten Grünen Innovationszentren (Kapitel 23 10, Titel 896 31) nicht die Zu-
sammenarbeit mit der deutschen Agrarwirtschaft, sondern die spezifischen
lokalen Bedürfnisse der Produzentinnen und Produzenten in den Bereichen
Forschung, Verarbeitung und Vermarktung ins Zentrum zu stellen;

h) von dem Ansatz, transnationale Wertschöpfungsketten im Nahrungsmittel-
sektor und Vertragslandwirtschaft aufzubauen, abzurücken und stattdessen
lokale Verarbeitungs- und Vertriebsstrukturen zu fördern;

i) die German Food Partnerhip (GFP) umgehend zu beenden;
j) die neue Allianz für Ernährungssicherung der G7 zu beenden oder radikal

zu verändern, wobei
– eine völlige Transparenz der Initiative, insbesondere auch eine Veröf-

fentlichung der Absichtserklärungen von Unternehmen, gesichert,
– eine Überprüfung und Revision der Politikreformen unter Beteiligung

von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bzw. deren Organisationen vor-
genommen sowie

– großflächige Landvergaben an Agrarunternehmen ebenso wie eine Ver-
änderung der Saatgutgesetzgebung zuungunsten der Rechte von Klein-
bäuerinnen und Kleinbauern verhindert werden müssen.

Berlin, den 24. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3286

Begründung

Die ländliche Entwicklungspolitik der Bundesregierung hat in den letzten Jahren einen grundlegenden Wandel
vollzogen. Statt einer öffentlichen Entwicklungsfinanzierung, die unmittelbar auf Armutsbekämpfung abzielt,
wird zunehmend auf Konzerne der Agrar- und Ernährungsindustrie als Hauptinvestoren gesetzt, die die Bun-
desregierung über Public-Private-Partnerships (PPPs) für die Hungerbekämpfung und ländliche Entwicklung
gewinnen will. Auch bei den Unternehmen ist das Interesse für solche Kooperationen gestiegen, sei es, um das
eigene Geschäftsmodell in Entwicklungsländern abzusichern, oder um die eigenen Geschäfte auf neue Produk-
tionsgebiete und Märkte auszuweiten.

Bundesregierung und Unternehmen versuchen, PPPs als Win-Win-Situation für alle Beteiligten zu verkaufen.
Allerdings wird der entwicklungspolitische Nutzen solcher Projekte bisher vielfach vorausgesetzt, anstatt ihn
mit empirischen Belegen nachzuweisen.

In der letzten Zeit haben NGOs mehrere kritische Studien zu PPPs im Bereich der ländlichen Entwicklung
vorgelegt. Häufige Probleme von PPPs, die in diesen Studien benannt werden, sind:

1. Geschäftsinteressen von Unternehmen, nicht entwicklungspolitische Zielsetzungen stehen im Zentrum der
Projekte. So berichtet die Studie „Gefährliche Partnerschaften“ von OXFAM davon, dass Bayer Schulun-
gen in Afrika im Rahmen eines develoPPP.de-Projekts als Werbeveranstaltung für eigene Pestizide nutzte.

2. Statt die Ursachen für das Fortbestehen von Armut und Hunger zu beseitigen, wird vielfach Symptombe-
kämpfung betrieben. Dies zeigt sich aktuell etwa im Kampf gegen Mangelernährung, dem sich das Scaling
up Nutrion Movement (SUN) verschrieben hat. SUN wird insbesondere von Unternehmen der Nahrungs-
mittelindustrie vorangetrieben, die den Hunger der Welt als Geschäftsfeld entdeckt haben und diesen mit
von ihnen vertriebenen Nahrungsergänzungsmitteln („fortified food“) bekämpfen wollen.

3. PPPs binden immer mehr öffentliche Mittel, wodurch der eigenständige politische Gestaltungsspielraum
schwindet. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Agrarforschung. Hier hat die staatlich finanzierte, internatio-
nale Consultive Group on International Agricultural Research (CGIAR) in den letzten Jahrzehnten die Pri-
vatisierung der Agrarforschung vorangetrieben und als Türöffner für den Einsatz von genveränderten Or-
ganismen (GMOs) in Entwicklungsländern fungiert.

Vor diesem Hintergrund ist es zentral, das Primat der Politik in der Entwicklungszusammenarbeit und dem
Bereich der ländlichen Entwicklung zurückzugewinnen.
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