BT-Drucksache 18/326

Reisetätigkeit von Djihadisten aus Deutschland nach Syrien (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/147)

Vom 17. Januar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/326
18. Wahlperiode 17.01.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Reisetätigkeit von Djihadisten aus Deutschland nach Syrien
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/147)

Türkische Sicherheitskräfte sollen im Jahr 2013 rund 1100 Europäerinnen und
Europäer, die sich Al-Qaida-Kampfverbänden in Syrien anschließen wollten,
festgenommen und in ihre Heimatländer abgeschoben haben. Ein Bericht da-
rüber habe Ankara an die Regierungen Deutschlands, Belgiens, Frankreichs und
der Niederlande geschickt, berichtete die regierungsnahe türkische Tageszeitung
„HABERTÜRK“ am 1. Dezember 2013. Der Großteil der Kämpfer stamme aus
diesen Ländern. So will die türkische Regierung Vorwürfe entkräften, sie ver-
schließe die Augen vor der Aktivität der djihadistischen Gruppen in ihrem
Grenzgebiet oder unterstütze diese sogar aktiv (www.welt.de/politik/ausland/
article122491512/Tuerkei-schickt-Dschihadisten-nach-Europa-zurueck.html).
Die Anzahl der nach Deutschland zurückgekehrten Djihadisten, die sich zuvor
in Syrien an Kämpfen beteiligt hatten, beläuft sich nach Angaben der Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/147 derzeit auf eine
einstellige Zahl. „SPIEGEL ONLINE“ meldete dagegen unter Berufung auf das
Bundesministerium des Innern die Zahl von etwa 50 aus Syrien zurückgekehrten
Männern, von denen 17 dort an Kampfhandlungen beteiligt gewesen sein sollen
(www.spiegel.de/politik/deutschland/islamismus-bundesanwaltschaft-ermittelt-
gegen-syrien-rueckkehrer-a-938495.html).
Gegen sechs Syrien-Rückkehrer hat die Bundesanwaltschaft nach Angaben des
Generalbundesanwalts Harald Range Ermittlungen aufgenommen. Zwar lägen
„keine belastbaren Angaben für Anschlagspläne in Deutschland“ vor, doch er
sehe hier eine „neue Gefahr“ heraufziehen (www.spiegel.de/politik/deutschland/
islamismus-bundesanwaltschaft-ermittelt-gegen-syrien-rueckkehrer-a-938495.
html). Zudem wurde bereits Mitte November 2013 die Ausreise von zwei aus
Stuttgart und Mönchengladbach stammenden Djihadisten aus Deutschland ver-
hindert, die frei erhältliche militärische Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte, Tarn-
kleidung und Verbandsmaterial sowie einen fünfstelligen Geldbetrag mit sich
führten (www.welt.de/regionales/stuttgart/article122792034/Polizei-verhindert-
Ausreise-von-zwei-Salafisten.html).
Laut einem Bericht des Magazins „FOCUS“ müssen Djihadisten aus Deutsch-
land, die sich Al-Qaida in Syrien anschließen, dort ihre deutsche Reisepässe
abgeben. Im Austausch bekämen sie syrische Papiere. Die deutschen Pässe wür-
den für Al-Qaida-Mitglieder zur Verfügung gestellt, die den Passinhabern ähnlich
sehen und für Anschläge in Europa ausgewählt worden seien (www.focus.de/
politik/ausland/islamisten-tauschen-papiere-aus-al-qaida-missbraucht-deutsche-
paesse-fuer-attentate_id_3464483.html).

Drucksache 18/326 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Hans-Georg Maaßen,
hat die Türkei aufgefordert, mehr gegen Djhadisten zu unternehmen und eine
mangelnde Kooperation der türkischen Behörden beklagt (www.zeit.de/news/
2013-12/04/d-tuerkei-syrien-sicherheit-verfassungsschutz-draengt-tuerkei-zu-
mehr-kooperation-bei-islamisten-04123806).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Maßnahmen im Einzelnen hat die türkische Regierung wann genau

seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges nach Kenntnis der Bundes-
regierung eingeleitet, um die Durchreise von djihadistischen Kämpfern durch
die Türkei nach Syrien und ihre Versorgung mit Waffen, Munition und Logis-
tik zu verhindern?
a) Inwieweit hält die Bundesregierung die bislang von der Türkei eingeleite-

ten Maßnahmen für ausreichend, um ein weiteres Eindringen djihadis-
tischer Kämpfer von türkischem Territorium aus nach Syrien zu verhin-
dern?

b) Welche darüber hinausgehenden Maßnahmen wären aus Sicht der Bun-
desregierung seitens der Türkei in diesem Zusammenhang zielführend?

c) Inwiefern treffen nach Kenntnis der Bundesregierung unter Bezug auf die
Beobachtung kurdischer Rebellengruppen verbreitete Meldungen zu, wo-
nach die Türkei seit Mitte Oktober 2013 keine ausländischen Kämpfer
mehr über ihre Grenze nach Nordsyrien lässt (www.fr-online.de/syrien/
syrien-konflikt-tuerkei-schickt-dschihadisten-heim,24136514,
25503150.html)?

2. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine auch in der deut-
schen Presse wiedergegebene Meldung der Zeitung „HABERTÜRK“ zu,
wonach im Jahr 2013 rund 1100 europäische Djihadisten in der Türkei fest-
genommen und nach Europa abgeschoben wurden (www.welt.de/politik/
ausland/article122491512/Tuerkei-schickt-Dschihadisten-nach-Europa-
zurueck.html)?
a) Wann bzw. bei welchen Gelegenheiten (Einreise in die Türkei aus der EU

bzw. aus Syrien, Versuch des Grenzübertritts nach Syrien, Polizeikontrol-
len oder Razzien in Ausbildungscamps etc.) wurden die Djihadisten nach
Kenntnis der Bundesregierung aufgegriffen?

b) Was wurde den Djihadisten bei ihrer Festnahme nach Kenntnis der Bun-
desregierung vorgeworfen, und wie wurde ihre Abschiebung in ihre Her-
kunftsstaaten begründet?

c) Aus welchen Staaten stammten jeweils wie viele der aufgegriffenen
Djihadisten nach Kenntnis der Bundesregierung?

d) Inwieweit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Regierungen
bzw. Sicherheitsbehörden der Herkunftsstaaten der dahin zurückgeschick-
ten Djihadisten von Seiten der Türkei über die Rückführung informiert?

e) Wie viele deutsche bzw. aus Deutschland stammende Djihadisten wurden
bislang nach Kenntnis der Bundesregierung von türkischen Behörden
nach Deutschland abgeschoben?

f) Inwieweit wurden die Bundesbehörden von Seiten der türkischen Behör-
den vor der Rückführung der deutschen bzw. aus Deutschland stammen-
den Djihadisten über die anstehende Abschiebung informiert?

g) Sind die aus der Türkei nach Deutschland zurückgeschickten Djihadisten
in der in der Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/147 genannten ein-
stelligen Zahl von zurückgekehrten ehemaligen Kampfteilnehmern bzw.
in der von „SPIEGEL ONLINE“ unter Berufung auf das Bundesinnen-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/326
ministerium genannten Zahl von 50 Rückkehrern (von denen nur rund ein
Drittel an Kämpfen teilgenommen haben soll) bereits enthalten?

h) Inwieweit und in wie vielen Fällen haben deutsche Behörden Informatio-
nen an türkische Behörden weitergeleitet, die dann zur Festnahme und
Rückführung von deutschen oder aus Deutschland stammenden Djihadis-
ten geführt haben?

3. Hat die Bundesregierung einen von der Zeitung „HABERTÜRK“ erwähnten
Bericht der türkischen Regierung oder türkischer Sicherheitsbehörden über
deren Maßnahmen gegen Al-Qaida einschließlich der Rückführung von
deutschen oder aus Deutschland stammenden Djihadisten in ihre Heimat
bekommen?
a) Welche türkische Regierungsstelle oder Behörde hat wann an welche

deutsche Regierungsstelle diesen Bericht geschickt?
b) Welche Inhalte hat dieser Bericht?
c) Inwieweit gedenkt die Bundesregierung, diesen Bericht dem Deutschen

Bundestag zur Verfügung zu stellen?
d) Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung die Angaben der tür-

kischen Regierung in diesem Bericht?
e) Gab es bereits eine Antwort der Bundesregierung oder deutscher Behör-

den auf den Bericht aus Ankara, und wenn ja, wann, durch wen und mit
welchem Inhalt?

4. Gegen wie viele aus Syrien nach Deutschland zurückgekehrte bzw. von der
Türkei nach Deutschland zurückgeführte Djihadisten sind seit wann Ermitt-
lungsverfahren aufgrund welcher Straftatbestände anhängig?

5. In wie vielen Fällen wurde bislang mit welcher rechtlichen Begründung die
Ausreise von Djihadisten aus Deutschland, die sich djihadistischen Gruppie-
rungen in Syrien anschließen wollten, verhindert?
a) Inwieweit laufen Ermittlungsverfahren gegen diese an der Ausreise gehin-

derten Djihadisten?
b) Bei wie vielen dieser an der Ausreise aus Deutschland gehinderten Djiha-

disten wurden militärische Ausrüstungsgegenstände festgestellt (Gegen-
stände bitte benennen und angeben, ob es sich um prinzipiell legale oder
nach dem Waffengesetz illegale Gegenstände handelt)?

6. Wie viele der derzeit, d. h. Ende 2013, nach Angaben des Generalbundesan-
walts rund 200 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitglied-
schaft in einer terroristischen Vereinigung geführten Verfahren beziehen sich
auf im syrischen Bürgerkrieg engagierte Vereinigungen (www.spiegel.de/
politik/deutschland/islamismus-bundesanwaltschaft-ermittelt-gegen-syrien-
rueckkehrer-a-938495.html)?

7. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung eine Meldung des Maga-
zins „FOCUS“ zu, wonach Al-Qaida deutschen Djihadisten in Syrien die
Pässe abnimmt, um diese bei Anschlagsplanungen in Europa zu verwenden
(www.focus.de/politik/ausland/islamisten-tauschen-papiere-aus-al-qaida-
missbraucht-deutsche-paesse-fuer-attentate_id_3464483.html)?
a) Welche Informationen über die mögliche Verwendung deutscher Pässe

durch Al-Qaida für Anschlagspläne in Europa hat die Bundesregierung,
und aus welcher Quelle stammen diese Informationen?

b) Inwiefern und bei welcher Gelegenheit wurden bislang bei mutmaß-
lichen Al-Qaida-Mitgliedern deutsche Pässe gefunden, die von im syri-
schen Bürgerkrieg engagierten deutschen Djihadisten stammten?

Drucksache 18/326 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
8. In welchen Bereichen bezüglich der Bekämpfung der Reisebewegungen
von Djihadisten aus Europa über die Türkei nach Syrien sieht die Bundes-
regierung eine vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
Dr. Hans-Georg Maaßen, bemängelte unzureichende Kooperation zwischen
deutschen und türkischen Behörden (www.zeit.de/news/2013-12/04/d-
tuerkei-syrien-sicherheit-verfassungsschutz-draengt-tuerkei-zu-mehr-
kooperation-bei-islamisten-04123806)?

9. Sieht die Bundesregierung das Staatswohl dadurch gefährdet, dass der
schleswig-holsteinischen Innenminister Andreas Breitner die Zahl von min-
destens zwei in Syrien getöteten Djihadisten aus seinem Bundesland offen
benennt (www.schleswig-holstein.de/IM/DE/Service/Presse/PI/2013/
131218_im_islamisten.html)?
a) Wenn ja, welche Schritte gedenkt sie gegen Andreas Breitner wegen der

Gefährdung des Staatswohls einzuleiten?
b) Wenn nein, warum ist die Bundesregierung dann der Auffassung, es

würde das Staatswohl gefährden, wenn sie die Zahl der in Syrien getöte-
ten aus Deutschland stammenden Djihadisten auf die diesbezügliche
Frage 2c auf Bundestagsdrucksache 18/147 nicht offen beantwortet und
diesbezügliche Erkenntnisse als in der Geheimschutzstelle des Deut-
schen Bundestages einzusehende Verschlusssache „GEHEIM“ einge-
stuft werden?

c) Sollte die Bundesregierung inzwischen der Ansicht sein, die öffentliche
Benennung ihrer Kenntnisse über die bislang in Syrien getöteten deut-
schen oder aus Deutschland stammenden Djhadisten gefährde nicht mehr
das Staatswohl, wie hoch ist diese Zahl?

10. Inwieweit und warum gefährden die auf Bundestagsdrucksache 18/147 ab-
gefragten Angaben zu einem BKA-Plakat, das vor Anschlägen des mutmaß-
lich in Syrien in den Reihen von Al-Qaida aktiven Berliner Djihadisten
Denis Cuspert „gegen westliche Einrichtungen und Interessen“ warnt, nach
Meinung der Bundesregierung ein laufendes Ermittlungsverfahren und
können darum nicht beantwortet werden?
a) Ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, es gefährde ein lau-

fendes Verfahren, wenn sie in ihrer Antwort auf Frage 16h auf Bundes-
tagsdrucksache 18/147 angibt, an welchen Stellen im In- und Ausland
das BKA-Plakat aufgehängt wird?
Wenn nein, wo überall wurde dieses Plakat aufgehängt?

b) Ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung, es gefährde ein lau-
fendes Verfahren, wenn sie in ihrer Antwort auf Frage 16e auf Bundes-
tagsdrucksache 18/147 angibt, was sie genau unter den auf dem Plakat
genannten „westliche[n] Interessen“ versteht?
Wenn nein, was genau versteht sie unter den auf dem Plakat genannten
„westliche[n] Interessen“, gegen die sich mutmaßliche Anschläge von
Denis Cuspert richten könnten?

11. Inwiefern ist das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) im Zu-
sammenhang mit den Reisebewegungen djihadistischer Kämpfer aktiv, und
inwiefern hat es zu deren Erfassung konkrete Beiträge geleistet?

12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über konkrete Maßnahmen,
mit denen andere EU-Staaten in diesem Zusammenhang aktiv werden?

Berlin, den 16. Januar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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