BT-Drucksache 18/3249

Bieterverfahren zum Verkauf der Urananreicherungsanlagen der Firma URENCO und Risiken der Weiterverbreitung von Atomwaffen-Technologie

Vom 17. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3249
18. Wahlperiode 17.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay,
Ralph Lenkert, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Bieterverfahren zum Verkauf der Urananreicherungsanlagen der Firma URENCO
und Risiken der Weiterverbreitung von Atomwaffen-Technologie

Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) vom 31. Oktober 2014 fin-
det derzeit ein Bieterverfahren über den Anteilserwerb bei der Firma URENCO
statt (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/2.220/uranfirma-urenco-bieterkampf-um-
den-schluessel-zur-atombombe-1.2198276).
Die URENCO betreibt als internationales Unternehmen Urananreicherungsan-
lagen in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA. Die
Anlagen unterliegen dem Vertrag von Almelo sowie mehreren seither abge-
schlossenen Staatsverträgen. Da die Urananreicherung in Gaszentrifugen grund-
sätzlich auch die Möglichkeit der Herstellung von waffentauglichem Uran-235
eröffnet, regelt der Vertrag Grundlagen und Rahmenbedingungen dafür, dass die
Anlagen lediglich zur Herstellung von angereichertem Uran-235 zum Einsatz in
kommerziellen Atomkraftwerken eingesetzt werden dürfen.
URENCO besitzt zusammen mit Areva jeweils die Hälfte der Anteile an der
Enrichment Technology Company (ETC), die für die Erforschung, Entwicklung
und den Bau der Gaszentrifugen verantwortlich ist und darüber hinaus auch neue
Urananreicherungsanlagen errichtet, u. a. in Frankreich und den USA. In
Deutschland ist ETC vor allem in Jülich ansässig. Mit dem geplanten Verkauf
der URENCO erhält ein neuer Eigentümer grundsätzlich auch den hälftigen An-
teil an der ETC.
Dem Bericht der „SZ“ zufolge ist beim Verkauf der URENCO neben einem Er-
werb von Anteilen durch Unternehmen auch eine Beteiligung von Investment-
fonds sowie ein Verkauf über die Börse derzeit als Option vorgesehen.
Nach Auskunft des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie Rainer Baake sind der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungs-
schutz mit Blick auf möglicherweise vorliegende Erkenntnisse über potenzielle
Anteilserwerber an den Sondierungen zum Verkauf beteiligt.
Zitiert wird in dem „SZ“-Artikel auch Michael Sailer, der Mitglied der Reaktor-
sicherheitskommission und Vorsitzender der Entsorgungskommission der Bun-
desregierung ist: „Zum Verkauf steht der einfachste Weg zur Atombombe. Ich
finde es unverantwortlich, eine Technologie mit solcher Zerstörungskraft dem
Markt zu überlassen.“ Die „SZ“ schreibt weiter: „Besonders große Sorgen
bereitet Kritikern der Verkaufspläne ein möglicher Börsengang von URENCO.
Denn dann, warnen Experten, könnte sich praktisch jeder – und sei es über
Strohfirmen – die Anteile an der Zentrifugenfirma sichern.“ Und weiter heißt es
in der „SZ“: „ ,Das Problem ist möglicherweise nicht der nächste, sondern der

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übernächste Eigentümer‘, sagt Regierungsberater Michael Sailer. ,Wir wissen
nicht, was in 20 Jahren aus der Firma wird. Wer wird sie dann gekauft haben
oder betreiben?‘ “
Laut „SZ“-Artikel sollen Kaufinteressenten für URENCO bis zum Jahresende
Kaufgebote einreichen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es zu, dass für den geplanten Verkauf der URENCO derzeit ein Bie-

terverfahren läuft?
Wenn ja, seit wann, und bis wann?

2. Welche sachlichen Aspekte sind im Vorfeld des Bieterverfahrens zwischen
den Eigentümern der URENCO und den Regierungen des Vertrags von
Almelo im Einzelnen diskutiert, und in welcher Weise entschieden worden?

3. Ist im Bieterverfahren für den Verkauf der URENCO das gesamte Unter-
nehmen (100 Prozent) oder auch ein Teilverkauf (z. B. 49 oder 51 Prozent)
angeboten worden?
Welcher Umfang einer Beteiligung ist im Falle eines Teilverkaufs jeweils
angeboten worden?
Wie würden sich bei einem Teilverkauf die verbleibenden Anteile von
E.ON bzw. RWE, Großbritannien und Niederlande jeweils verändern, die
heute jeweils mit einem Drittel am Unternehmen beteiligt sind?

4. Wann, und von wem wurde das Bieterverfahren für den Verkauf der
URENCO-Anteile angekündigt, und auf welchem Weg erfolgte diese An-
kündigung?

5. Mit welchem Text bzw. Inhalt wurde diese Bekanntmachung der Einleitung
eines Bieterverfahrens vorgenommen?

6. An wen haben sich die möglichen Bieter mit einem Gebot zu wenden?
7. In welcher Weise ist die Bundesregierung an dem Bieterverfahren beteiligt,

bzw. in welchem Umfang hat sie die Möglichkeit, jederzeit Einblick in das
Verfahren zu nehmen?

8. Zu welchen Fragen und Anforderungen sollen sich die jeweils interessierten
Bieter im Einzelnen jeweils äußern?

9. Werden politische, materielle oder sonstige Anforderungen an die jeweili-
gen Bieter gestellt?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Unterlagen haben die interessierten Bieter über URENCO in wel-
cher Weise erhalten (bitte detailliert auflisten, welche Schriftstücke dies im
Einzelnen waren und welche wesentlichen Inhalte diese hatten, bzw. diese
der Antwort zur Kenntnisnahme beifügen)?

11. Wurde für mögliche Kaufinteressenten ein Mindestpreis für Gebote festge-
legt?
Wenn ja, in welcher Höhe?
Wenn nein, warum nicht?

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12. Wie viele Bieter haben bislang
a) ihr Interesse bekundet,
b) weitere Daten erhalten und
c) bis jetzt ein Gebot abgegeben, und welche Unternehmen sind dies bis-

lang?
13. Welche weiteren Verfahrensschritte auf dem Weg zu einem Verkauf der

URENCO sind nach Abschluss des jetzigen Bieterverfahrens vorgesehen?
14. Wie beurteilt die Bundesregierung eine Übernahme der URENCO oder

Teile des Unternehmens durch Investmentfonds oder einen Verkauf über die
Börse jeweils im Vergleich zu einer Übernahme durch ein Unternehmen
(bitte detailliert darstellen, auf welcher Basis diese Beurteilung zustande ge-
kommen ist)?

15. Ist es vorgesehen, mit denjenigen Staaten, in denen die möglichen Käufer
der URENCO angesiedelt sind, Staatsverträge analog denen von Almelo,
Cardiff, Washington und Paris, abzuschließen?
Wenn nein, warum nicht?

16. Ist es vorgesehen, Festlegungen bei dem jetzt anstehenden Verkauf in die
Verträge mit neuen Eigentümern einzubauen, die einen späteren Weiterver-
kauf durch die neuen Eigentümer verhindern bzw. nur mit Zustimmung der
heutigen Almelo-Staaten ermöglichen?
Wenn ja, in welcher Weise?
Wenn nein, warum nicht?

17. Haben Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder des Bun-
desnachrichtendienstes bereits dazu geführt, dass bestimmte Bieter ausge-
schlossen oder als kritisch bewertet wurden?

18. Bedeutet die Einschaltung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass es
auch inländische Interessenten an URENCO gibt, bzw. rechnet die Bundes-
regierung mit einer solchen Beteiligung?
Wenn nein, was für Informationen kann der Verfassungsschutz sonst über
ausländische Bewerber liefern?

19. Ist den möglichen Kaufinteressenten bekanntgemacht worden, dass sie ggf.
von bundesdeutschen Geheimdiensten durchleuchtet werden?

20. Gibt es grundsätzliche Überlegungen, Bieter aus bestimmten Ländern oder
Regionen von der Beteiligung vom Bieterverfahren oder einem späteren
Kauf aus sicherheitsrelevanten Gründen auszuschließen?
Wenn ja, welche Gründe gibt es, und welche Länder und Regionen sind
das?
Wenn nein, warum nicht?

21. Hat es Diskussionen und Beschlüsse oder Festlegungen im Vorfeld des Bie-
terverfahrens gegeben, nach denen Bieter z. B. nur aus NATO-Ländern
stammen sollten?
Wenn ja, wer hat dies festgelegt, und wie lauten diese Festlegungen genau?

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22. Wann konkret haben seit März 2014 Sitzungen der Vertragspartner von
Almelo, Cardiff sowie der URENCO-Eigentümer unter Beteiligung der
Bundesregierung stattgefunden?
Wer hat an diesen Treffen seitens der Bundesregierung und der Landes-
regierung in Nordrhein-Westfalen jeweils teilgenommen?
Wann werden die jeweils nächsten Sitzungen stattfinden?

23. Wann wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über den bis-
herigen Verfahrensstand informieren, vor allem hinsichtlich der Prolifera-
tionsrisiken, und wie diese gegenüber neuen Eigentümern begrenzt bzw.
ausgeschlossen werden können?
Wenn dies nicht vorgesehen ist, warum nicht?

24. Wird die Bundesregierung vor der Einleitung konkreter Verkaufsverhand-
lungen die Zustimmung des Deutschen Bundestages zu einem Verkauf ein-
holen?
Wenn nein, warum nicht?

25. Haben sich die Reaktorsicherheitskommission oder die Entsorgungskom-
mission mit dem geplanten Verkauf der URENCO befasst, und wenn ja, mit
welchen wesentlichen Aussagen?
Wenn nein, werden sich diese Gremien mit dem URENCO-Verkauf noch
befassen, und wann?

26. Welche Auswirkungen hat der Verkauf der URENCO auf die ETC, an der
die URENCO mit 50 Prozent beteiligt ist?
Wenn der Verkauf keine Auswirkungen hat, warum nicht?

27. Welche Schadensersatzforderungen könnten die Firmen E.ON bzw. RWE
bzw. die Uranit GmbH aus Sicht der Bundesregierung erheben, falls der von
diesen Unternehmen angestrebte Verkauf ihrer URENCO-Anteile von
33,3 Prozent nicht zustande kommt?

28. In welcher Weise soll sichergestellt werden, dass es auch in Zukunft durch
die neuen Eigentümer keinen weiteren Verkauf ohne die Zustimmung der
bisherigen drei Almelo-Staaten geben wird?

29. Erwägt die Bundesregierung, bei einem Ausscheiden von E.ON und RWE
aus der URENCO in Zukunft selbst einen oder mehrere Sitze im Direkto-
rium bzw. Aufsichtsrat der URENCO zu übernehmen, um eine deutsche
Beteiligung sicherzustellen?

Berlin, den 17. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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