BT-Drucksache 18/3227

Wirtschaftsfaktor Reisemobiltourismus

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3227
18. Wahlperiode 12.11.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel,
Tabea Rößner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wirtschaftsfaktor Reisemobiltourismus

Die Camping- und Caravaningbranche ist auf Wachstumskurs. Gemäß den Er-
gebnissen der Reiseanalyse 2013 (RA 13) der Forschungsgemeinschaft Urlaub
und Reisen – FUR. Camping, Reisemobil und Caravan liegt der Anteil „Cam-
ping/Caravaningreisen im Vergleich aller Urlaubsreisen der Deutschen“ bei
7 Prozent (Vorjahr 5 Prozent). Das entspricht einer Gesamtzahl von 4,8 Millio-
nen Reisen. Diese Entwicklung lässt sich zum einen an der steigenden Zahl von
Übernachtungen auf Campingplätzen festmachen. In dieser Saison stieg die
Zahl der Übernachtungen um 22,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
(www.faz.net/agenturmeldungen/unternehmensnachrichten/caravan-branche-
grosse-nachfrage-nach-reisemobilien-13107796.html, zuletzt abgerufen am
7. Oktober 2014). Zum anderen sind auch mehr Reisemobile und Caravans in
Deutschland und Europa zugelassen worden. Von der steigenden Anzahl an
Reisemobilbesitzern profitiert nicht nur die Camping- und Caravaningbranche
selbst, sondern auch der Deutschlandtourismus insgesamt. Reisemobilisten
reisen häufig und über das gesamte Jahr verteilt und sorgen damit auch in der
Nebensaison für eine Auslastung der Campingplätze sowie für eine kontinuier-
liche Nachfrage nach touristischen und gastronomischen Dienstleistungen.
Die letzte Grundlagenuntersuchung zur wirtschaftlichen Bedeutung des Cam-
pingtourismus aus dem Jahr 2010 hat die auf die Campingbranche zurückzu-
führenden Gesamtumsätze, also die Ausgaben der Touristikcamper, Reise-
mobilisten, und Dauercamper vor Ort, ihre Fahrtkosten und Investitionen in die
Ausrüstung, auf rund 11,55 Mrd. Euro pro Jahr beziffert. Dementsprechend
gehen vom Camping direkte und indirekte Einkommenswirkungen in Höhe von
insgesamt 4,8 Mrd. Euro aus. Das entspricht einem Beschäftigungsäquivalent
von rund 216 000 Personen (Der Campingmarkt in Deutschland 2009/2010,
Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Nr. 587, S. 28).
Bedauerlicherweise liegen keine Studien oder Untersuchungen über den Wirt-
schaftsfaktor „Reisemobiltourismus“ vor. Mangels verlässlicher Kennzahlen
über die wirtschaftliche Bedeutung dieses touristischen Segments werden
tourismuswirtschaftliche Potenziale, vor allem für Städte und Kommunen in
abgelegenen ländlichen Räumen, verschenkt. So geht der Deutsche Tourismus-
verband lediglich schätzungsweise davon aus, dass bundesweit derzeit etwa
3 000 Stellplätze für Reisemobile existieren, beispielsweise auf Grundstücken
von Gaststätten und Hotels, auf Weingütern und Bauernhöfen, aber auch in der
Nähe von Freizeitparks, Museen, Bädern und Thermen (Pressemitteilung des
Deutschen Tourismusverbandes vom 13. Januar 2010). Auch ist es derzeit
schwierig nachzuvollziehen, wie viele Stellplätze auf Campingplätzen, wie viele
auf kommunalen Stellplätzen oder bei regionalen Produzenten bereits existieren,

Drucksache 18/3227 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
über welche Ausstattungen sie verfügen und welche Ausnutzung sie haben. Ins-
besondere die Wertschöpfungseffekte von Stellplätzen bei regionalen Erzeugern
und/oder gastronomischen Betrieben lässt sich derzeit weder beziffern noch
prognostizieren. Zahlreiche bereits bestehende gemeinnützige und privatwirt-
schaftliche Initiativen deuten aber auf ein großes und bislang nur wenig aus-
geschöpftes wirtschaftliches Potenzial hin.
Dem Reisemobiltourismus sollte aber nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern
auch aus gesellschaftlichen und ökologischen Gründen eine stärkere Würdigung
zukommen. So muss das Potential des Reisemobilurlaubs auch vor dem Hin-
tergrund des demographischen Wandels beurteilt werden, da 63 Prozent der
Reisemobilnutzer zwischen 50 und 70 Jahren alt sind (Planungshilfe für Wohn-
mobilstellplätze, DTV, S. 3, www.deutschertourismusverband.de/qualitaet/
campingtourismus.html) und sich diese Altersgruppe künftig vergrößern wird.
Positiv zu bewerten ist auch die Klimabilanz des Reisemobiltourismus. Im Ver-
gleich zu Pkw- und Flugreisen zeichnet sich Urlaub im Reisemobil als besonders
klimafreundlich aus. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass
Reisen mit dem Reisemobil mit geringeren CO2-Emissionen verbunden sind als
Reisen mit dem Flugzeug oder dem Pkw und Hotelübernachtungen (Studie: Ver-
gleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen – heute&morgen, Öko-Institut
e. V., S. 29.; Umwelt- und Klimabilanz werden darüber hinaus auch vom um-
weltbewussten Verhalten der Reisenden, technischer Ausstattung des Reise-
mobiles – Hybridantrieb, Leichtbautechnik, Wärmedämmung, LED-Beleuch-
tung, Photovoltaik u. a. –, wie auch von der Weglänge und Anzahl der Mitfahrer
positiv oder negativ beeinflusst).
Das zunehmende Interesse am Reisemobilurlaub liegt nicht nur in der Flexi-
bilität der Urlaubsform begründet, sondern ist auch Folge des technischen
Fortschritts und des hohen Komforts heutiger Reisemobile. Nicht zuletzt auf-
grund des verstärkten Einsatzes von leistungsfähigen Scheibenbremsen und
Antiblockiersystemen werden Reisemobile trotz der Zunahme in der Größe
seit Jahren sicherer (www.rp-online.de/panorama/wohnmobile-sind-sicherer-
geworden-aid-1.2045063) und zeichnen sich im Vergleich mit anderen Ver-
kehrsträgern durch eine sehr gute Straßenverkehrssicherheit aus. Dies belegt
eine Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (März 2013), vgl.
Pressemitteilung des Bundesverbandes des Caravaning Industrie Verbandes
e. V. (CIVD) vom 21. August 2013 (www.civd.de). Auf legislativer und exeku-
tiver Ebene findet daher ein dauerhafter Novellierungsprozess statt, um eine An-
passung des Verkehrsrechts an die technischen Neuerungen zu gewährleisten.
Zuletzt fand in den Jahren 2005 bis 2009 ein Großversuch zur Einführung von
Tempo 100 auf Autobahnen für Reisemobile statt (www.autobild.de/artikel/
tempolimit-gelockert-49540.html), welcher zu einer Änderung des Verkehrs-
rechts ab Januar 2010 geführt hat. Derzeit prüft die Bundesregierung eine Ände-
rung der 12. Ausnahmeverordnung zu Zeichen 227 der Straßenverkehrsordnung
(StVO) zur Lockerung des Überholverbotes für Reisemobile (Antwort der Bun-
desregierung auf die Schriftlichen Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Markus
Tressel auf Bundestagsdrucksache 18/1516).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung aktuelle Kenntnisse darüber,

a) wie viele ausländische Urlauber derzeit mit dem Reisemobil in Deutsch-
land Urlaub machen,

b) wie viele inländische Urlauber derzeit mit dem Reisemobil in Deutschland
Urlaub machen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3227
c) welche Regionen bereits von dem steigenden Interesse an Reisemobil-
tourismus profitieren, und welche nicht (bitte Auflistung oder kartogra-
fische Darstellung),

d) welche touristischen Infrastrukturen durch Reisemobilisten in Deutsch-
land in welchem Verhältnis genutzt werden (Campingplätze, Stellplätze,
private Grundstücke, Sonstige),

e) welche wirtschaftlichen Effekte durch den Reisemobiltourismus vor Ort
durchschnittlich erzeugt werden (Darstellung bitte durch Auflistung der
Ausgaben nach Art und Höhe),

f) welchen Beitrag der Reisemobiltourismus durchschnittlich zur regionalen
Wertschöpfungskette leisten kann (bitte durch beispielhafte Darstellung
der ausschlaggebenden Faktoren)?

2. Wurden seit dem Jahr 2009 über das Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft und/oder das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Kooperationen bzw. Projekte im ländlichen Raum zwischen regionalen Pro-
duzenten und/oder Kommunen und/oder Tourismuswirtschaft im Bereich des
Reisemobiltourismus gefördert, und wenn ja, mit welchem Erfolg?

3. Sind Bundesförderprogramme in Planung oder bereits existent, die bundes-
weite Projekte bzw. Aktivitäten unterstützen, welche den Reisemobiltouris-
mus im ländlichen Raum direkt oder indirekt fördern?
Welche Novellierungen im Straßenverkehrsrecht (einschließlich Regelwerk
zur Fahrerlaubnis, Pflicht zur Hauptuntersuchung u. Ä.) plant die Bundes-
regierung derzeit im Hinblick auf den Reisemobilverkehr (bitte einzeln unter
Angabe des Verfahrensstandes auflisten)?

4. Welchen zeitlichen Rahmen strebt die Bundesregierung bei der derzeitigen
Änderung der 12. Ausnahmeverordnung zu Verkehrszeichen 277 der StVO
an?

5. Inwieweit kommt dem vereinfachten Parken an Autobahnen nach Ansicht
der Bundesregierung eine Rolle zur Förderung des Reisemobiltourismus zu,
und ergreift die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern Maßnahmen,
um hier eine Verbesserung für Reisemobilisten zu schaffen, und wenn ja,
welche?

Berlin, den 12. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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