BT-Drucksache 18/3152

Wirksamkeit von Antibiotika erhalten - Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß reduzieren

Vom 12. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3152
18. Wahlperiode 12.11.2014
Antrag
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Kordula Schulz-Asche, Harald Ebner,
Nicole Maisch, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, Annalena Baerbock, Matthias Gastel,
Kai Gehring, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden),
Christian Kühn (Tübingen), Peter Meiwald, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden,
Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wirksamkeit von Antibiotika erhalten –
Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß reduzieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zugelassene Tierärzte und Tierärztinnen dürfen apotheken- und verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel beziehen, abgeben, lagern und selbst herstellen (Arzneimit-
telgesetz insb. Die §§ 43 und 56a AMG). Dieses so genannte Dispensierrecht soll
gewährleisten, dass erkrankte Tiere schnellstmöglich mit den notwendigen Medika-
menten versorgt werden können. Im Humanmedizinbereich sind die Verschreibung
und Abgabe von Arzneimitteln hingegen in der Regel getrennt – für das eine sind
Ärztinnen und Ärzte, für das andere Apothekerinnen und Apotheker zuständig.
Seit 2011 müssen pharmazeutische Unternehmen und Großhändler die Abgabemen-
gen von Tierarzneimitteln mit antimikrobieller Wirkung melden. Zwar gingen die
absoluten Abgabemengen im Jahr 2013 auf 1.452 Tonnen zurück, die problemati-
sche Abgabe der äußerst wichtigen Reserveantibiotika wie unter anderem Fluorchi-
nolone sowie Cephalosporine der dritten und vierten Generation stieg jedoch an –
um 50 beziehungsweise 15 Prozent von 2011 auf 2013. Reserveantibiotika werden
signifikant niedriger dosiert, somit können mit einer bestimmten Menge mehr Tiere
behandelt werden als mit herkömmlichen Antibiotika. Dieser Sachverhalt nivelliert
den Rückgang der absoluten Abgabemenge nahezu.
Der übermäßige und ungezielte Einsatz von Antibiotika fördert die Entwicklung von
(multi-)resistenten Erregern. Diese müssen nach Meinung der EFSA (Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit) und der WHO (Weltgesundheitsorganisation)
unbedingt eingedämmt werden.
Denn je mehr (multi-)resistente Erreger entstehen, desto schwieriger wird es, die
durch sie ausgelöste Infektionen zu behandeln, da immer mehr Behandlungsoptio-
nen verschwinden.
Aufgrund der zunehmenden Gefährdung von Mensch und Tier durch diese beste-
hende Resistenzproblematik sollen antimikrobiell wirksame Medikamente generell
möglichst wenig und Reserveantibiotika nur im Falle des Versagens von Standard-
antibiotika eingesetzt werden.
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Diesem wichtigen Ziel wirken rechtliche Rahmenbedingungen jedoch entgegen.
Dazu gehören die freie Preisgestaltung der Tierärztinnen und -ärzte sowie die Ra-
battgewährung von Herstellern gegenüber Tierärztinnen und -ärzten bei großen Ab-
nahmemengen. Tierärztinnen und -ärzte haben dadurch einen zusätzlichen ökono-
mischen Anreiz, große Mengen von Tierarzneimitteln wie z. B. Antibiotika zu ver-
schreiben und zu verkaufen. Tierärztinnen und -ärzte mit einer hohen Verschrei-
bungszahl können Arzneimittel günstiger anbieten und gleichzeitig höhere Gewinn-
spannen je Medikament erzielen als solche, die zurückhaltend verschreiben.
Um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung auf ein vernünftiges Maß zu re-
duzieren, ist es notwendig, diesen falsch gesetzten Rechtsrahmen zu verändern. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will Rabatte bei der Abgabe von den Her-
stellern an die Tierärztinnen und -ärzte abschaffen und einheitliche Abgabepreise bei
der Abgabe von den Tierärztinnen und -ärzten an Tierhalterinnen und -halter einfüh-
ren.
Parallel sind die Haltungsbedingungen von Nutztieren deutlich zu verbessern, da nur
artgerecht gehaltene Tiere mit einer robusten Immunantwort auf Keime reagieren
können und so die Behandlung mit Antibiotika nicht mehr die Regel bleibt, sondern
die Ausnahme wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Arzneimittelgesetz dahingehend zu ändern, dass bei Antibiotika, die zur An-
wendung bei Tieren bestimmt sind, keine ökonomischen Anreize bestehen,
möglichst große Mengen dieser Medikamente zu verkaufen oder zu kaufen, in-
dem sie:
o für Tierärztinnen und -ärzte einheitliche Abgabepreise einführt, wenn sie

antimikrobiell wirksame Arzneimittel an Tierhalterinnen und Tierhalter ver-
kaufen;

o die Rabattgewährung aufhebt, die Herstellern antimikrobiell wirksamer
Arzneimittel zur Verfügung steht;

o den Einsatz von „kritischen“ Antibiotika (z. B. Fluorchinolone und Cepha-
losporine der dritten und vierten Generation) bei Tieren nur noch in klar
erkennbaren Ausnahmefällen (möglichst nach Antibiogramm) zulässt;

die Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verbessern, indem Qualzuchten
wirksam verboten, die Besatzdichten reduziert und die Haltungsumwelt um Um-
weltreize und Beschäftigungsmaterial angereichert wird.

Berlin, den 11. November 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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