BT-Drucksache 18/3145

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR

Vom 11. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3145
18. Wahlperiode 11.11.2014

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte,
Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher
Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR

A. Problem
Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz dient dazu, strafrechtliche Entschei-
dungen eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungs-
vertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum
2. Oktober 1990 auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben
(Rehabilitierung), soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen
rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind.
Der Kreis der Anspruchsberechtigten des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgeset-
zes greift aber zu kurz. So werden Verurteilte wegen „asozialen Verhaltens“
(§ 249 StGB der DDR) im Zusammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend
und Studenten 1973 und Betroffene von Zersetzungsmaßnahmen des Ministeri-
ums für Staatssicherheit nicht erfasst.
Darüber hinaus gewährt das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz Leistungen le-
diglich als „soziale Ausgleichsleistungen“. Eine besondere Würdigung des Enga-
gements der Betroffenen für Freiheit und Bürgerrechte muss aber unabhängig
vom Einkommen gewährleistet werden, denn eine Anerkennung des Engage-
ments kann nicht als „Armutslinderung“ unter Offenlegung des Einkommens ge-
währt werden.
Die Festlegung einer Haftdauer auf 180 Tage als Anspruchsvoraussetzung wird
der damaligen Lebensrealität nicht gerecht und führt zu neuen Ungerechtigkeiten.
Auch durch eine Haft von unter 180 Tagen können Inhaftierte und Opfer von Zer-
setzungsmaßnahmen in ihrer Menschenwürde grob verletzt worden sein. Eine
Festlegung einer Haftdauer von 180 Tagen lässt darüber hinaus jene unberück-
sichtigt, die ins Ausland abgeschoben oder zum Teil im Ausland inhaftiert wur-
den. Der Einsatz für Grundwerte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sollte
unabhängig von der Haftdauer gewürdigt werden.
Eine Befristung der Antragstellung ist im Hinblick auf die Anerkennung des En-
gagements der Betroffenen in der SED-Diktatur der DDR ebenfalls nicht auf-
rechtzuerhalten. Viele Betroffene brauchen mehr Zeit, um die für sie negativen
und zum Teil auch traumatischen Erfahrungen verarbeiten zu können.
Den Geschädigten die Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen freiheits-
entziehenden Maßnahmen bzw. Zersetzungsmaßnahmen und infolge der Frei-

Drucksache 18/3145 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
heitsentziehung bzw. Zersetzungsmaßnahmen erlittenen gesundheitlichen Schä-
digungen aufzubürden, erscheint nicht sachgerecht. Vielmehr muss hier im Zwei-
felsfall die Kausalität unterstellt werden, da ansonsten die Bürde der Beweislast
den Betroffenen von Zersetzungsmaßnahmen und Verurteilten auferlegt wird. Zu-
dem wird die Höhe der monatlichen Zuwendungen nach dem Strafrechtlichen Re-
habilitierungsgesetz und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz angehoben.

B. Lösung
Der Gesetzentwurf erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten, indem sowohl
die Verurteilten wegen „asozialen Verhaltens“ nach § 249 StGB der DDR im Zu-
sammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 als auch die
Betroffenen von Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit
Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erhalten können.
Die Befristung der Antragstellung wird gestrichen, ebenso die Gewährung der
Leistungen als „soziale“ Ausgleichsleistung. Die Betroffenen sollen unabhängig
von ihrem Einkommen eine Ausgleichsleistung erhalten. Der Betrag der monatli-
chen Ausgleichsleistung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz
(StrRehaG) wird um 50 Euro und nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz
(BerRehaG) um 30 Euro entsprechend dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
(Bundesratsdrucksache 446/14) erhöht. Für den Leistungsanspruch wird keine
Mindesthaftdauer festgelegt. Jede erlittene Haft oder Zersetzungsmaßnahme
rechtfertigt zu ihrer Würdigung unabhängig von ihrer Dauer einen Anspruch auf
eine monatliche Ausgleichsleistung. Soweit eine Kausalität zwischen Freiheits-
entziehung bzw. Zersetzungsmaßnahme und Gesundheitsschädigung wahrschein-
lich aber nicht nachweisbar ist, wird zugunsten der Betroffenen diese Kausalität
unterstellt.
Die Bundesregierung erhöht in ihrem Gesetzentwurf lediglich die monatlichen
Zuwendungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem Beruf-
lichen Rehabilitierungsgesetz.

C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen Zustandes bzw. lediglich Erhöhung der Ausgleichs-
leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem Berufli-
chen Rehabilitierungsgesetz entsprechend dem Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die Erhöhung der Leistungen und die Erweiterung des Kreises der An-
spruchsberechtigten werden erhöhte Kosten auf den Bund und die Länder zukom-
men. Die Bundesregierung hat für die Erhöhung im Rahmen des StrRehaG ge-
genüber 2014 jährliche Mehrausgaben ab 2015 für den Bund wegen der Beteili-
gungsquote von 65 Prozent in Höhe von ca. 18 Mio. € und wegen der Beteili-
gungsquote von 35 Prozent für die Länder in Höhe von ca. 9,7 Mio. € errechnet.
Für die Erhöhung im Rahmen des BerRehaG hat sie gegenüber 2014 jährliche
Mehrausgaben ab 2015 für den Bund wegen der Beteiligungsquote von 60 Prozent
in Höhe von ca. 0,41 Mio. € und wegen der Beteiligungsquote von 40 Prozent für
die Länder in Höhe von ca. 0,28 Mio. € errechnet. Da vorliegend aber auch der
Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet und eine Anrechnung auf das Ein-
kommen ausgeschlossen wurde, werden die jährlichen Mehrausgaben ab 2015
höher liegen. Die genaue Bezifferung der Leistungen ist aber derzeit nicht mög-
lich, da diese von den nicht vorhersehbaren neuen Antragstellungen abhängig ist.

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Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher
Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes

Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999
(BGBl. I S. 2664), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1202) geändert worden
ist, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 1 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlich rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind Ver-
urteilungen wegen „asozialen Verhaltens“ (§ 249 StGB der DDR) im Zusammenhang mit den Weltfestspie-
len der Jugend und Studenten 1973.“

2. Nach § 2 wird folgender § 2a eingefügt:

㤠2a
Zersetzungsmaßnahmen

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staats-
sicherheit Anwendung, soweit diese zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensführung geführt ha-
ben.“

3. § 7 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 werden die Wörter „bis zum 31. Dezember 2019“ gestrichen.
b) In Absatz 1 Nummer 2 werden nach dem Wort „Ehegatten“ die Wörter „oder Lebenspartner“ eingefügt.

4. § 10 Absatz 2 wird aufgehoben.
5. § 16 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird das Wort „Soziale“ gestrichen und werden nach dem Wort „Freiheitsentziehung“ die
Wörter „oder Zersetzungsmaßnahmen“ eingefügt.

b) In Absatz 2 wird das Wort „soziale“ gestrichen.
c) In Absatz 3 wird das Wort „sozialen“ gestrichen und werden nach dem Wort „und“ die Wörter „Opfer

von Zersetzungsmaßnahmen,“ eingefügt.
6. § 17 Absatz 4 wird aufgehoben.
7. § 17a wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
„§ 17a Besondere Zuwendung für Haftopfer und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen“.

b) Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Berechtigte nach § 1 bis 2a erhalten auf Antrag als besondere Würdigung und Anerkennung ihres
Engagements für Bürgerrechte und Freiheit eine monatliche Zuwendung, wenn sie eine mit wesentli-
chen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbare Freiheitsentziehung oder
die Lebensführung erheblich beeinträchtigende Zersetzungsmaßnahme erlitten haben. Die monatliche
Zuwendung beläuft sich auf 300 Euro.“

c) Die Absätze 2 und 3 werden aufgehoben.

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d) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 2 und in Satz 1 werden nach dem Wort „Haftopfer“ die Wörter
„und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen“ eingefügt und die Sätze 2 bis 4 werden aufgehoben.

e) Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 3 und nach dem Wort „Haftopfer“ werden die Wörter „und Opfer
von Zersetzungsmaßnahmen“ eingefügt.

f) Der bisherige Absatz 6 wird aufgehoben.
g) Der bisherige Absatz 7 wird Absatz 4.

8. § 18 wird aufgehoben.
9. § 21 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung oder einer die Lebensführung erheblich beein-
trächtigenden Zersetzungsmaßnahme eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der
gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des
Bundesversorgungsgesetzes.“

b) Absatz 5 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten
Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, wird zu Gunsten der Betroffenen die
Gesundheitsschädigung als Folge einer Schädigung anerkannt.“

10. § 25 Absatz 2 Satz 2 und 3 werden aufgehoben.

Artikel 2

Änderung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes

§ 8 Absatz 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997
(BGBl. I S.1625), das zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In Satz 1 wird die Angabe „184“ durch die Angabe „214“ ersetzt.
2. In Satz 2 wird die Angabe „123“ durch die Angabe „153“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 11. November 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3145
Begründung

A. Allgemeiner Teil

Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz dient dazu, strafrechtliche Entscheidungen eines staatlichen deutschen
Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai
1945 bis zum 2. Oktober 1990 auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben (Rehabilitierung),
soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind.
Der Kreis der Anspruchsberechtigten des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes greift aber zu kurz. So wer-
den Verurteilungen wegen „asozialen Verhaltens“ (§ 249 StGB der DDR) im Zusammenhang mit den Weltfest-
spielen der Jugend und Studenten 1973 und Betroffene von Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staats-
sicherheit nicht erfasst.
Darüber hinaus gewährt das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz Leistungen lediglich als „soziale Ausgleichs-
leistungen“. Eine besondere Würdigung des Engagements der Betroffenen für Freiheit und Bürgerrechte muss
aber unabhängig vom Einkommen gewährleistet werden, denn eine Anerkennung des Engagements kann nicht
als „Armutslinderung“ unter Offenlegung des Einkommens gewährt werden.
Die Festlegung einer Haftdauer auf 180 Tage als Anspruchsvoraussetzung wird der damaligen Lebensrealität
nicht gerecht und führt zu neuen Ungerechtigkeiten. Auch durch eine Haft von unter 180 Tagen können Inhaf-
tierte und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen in ihrer Menschenwürde grob verletzt worden sein. Die Festlegung
einer Haftdauer von 180 Tagen lässt darüber hinaus jene unberücksichtigt, die ins Ausland abgeschoben oder
zum Teil im Ausland inhaftiert wurden. Der Einsatz für Grundwerte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
sollte unabhängig von der Haftdauer gewürdigt werden.
Eine Befristung der Antragstellung ist im Hinblick auf die Anerkennung des Engagements der Betroffenen in der
SED-Diktatur der DDR ebenfalls nicht aufrechtzuerhalten. Viele Betroffene brauchen mehr Zeit, um die für sie
negativen und zum Teil auch traumatischen Erfahrungen verarbeiten zu können.
Den Geschädigten die Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen freiheitsentziehenden Maßnahmen bzw.
Zersetzungsmaßnahmen und infolge der Freiheitsentziehung bzw. Zersetzungsmaßnahmen erlittenen gesundheit-
lichen Schädigungen aufzubürden, erscheint nicht sachgerecht. Vielmehr muss hier im Zweifelsfall die Kausalität
unterstellt werden, da ansonsten die Bürde der Beweislast den Betroffenen von Zersetzungsmaßnahmen und Ver-
urteilten auferlegt wird. Die Bundesregierung erhöht in ihrem Gesetzesentwurf lediglich die den Anspruchsbe-
rechtigten nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu-
stehende Zuwendung. Dies ist nicht ausreichend.

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen
Mit dem Gesetzentwurf wird bezweckt, das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für Freiheit und Bürger-
rechte in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) zu würdigen und Gesund-
heitsschädigungen durch Freiheitsentziehung oder Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums der Staatssicherheit
anzuerkennen und finanziell zu würdigen.
Das Gesetz ist notwendig um Lücken im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz zu schließen und den Kreis der
Anspruchsberechtigten für Kapitalentschädigungen und Ausgleichsleistungen zu erweitern.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Mit dem Gesetzentwurf wird der Kreis der Anspruchsberechtigten auf Verurteilte wegen „asozialen Verhaltens“
nach § 249 StGB der DDR im Zusammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 und
Betroffene von die Lebensführung erheblich beeinträchtigenden Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für
Staatssicherheit erweitert.
Die Befristung der Antragstellung wird gestrichen und die Ausgleichsleistung unabhängig vom Einkommen als
Anerkennung des Einsatzes für Bürgerrechte und Freiheit in der SED-Diktatur der DDR gewährt. Die Leistungen

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werden um 50 Euro erhöht.
Die Kausalität zwischen gesundheitlicher Schädigung und Freiheitsentzug bzw. Zersetzungsmaßnahme wird im
Zweifelsfall als gegeben unterstellt.
Außerdem wird die Ausgleichsleistung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz um jeweils 30 Euro erhöht.

III. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen Zustandes bzw. lediglich Erhöhung der Ausgleichsleistungen nach dem Strafrecht-
lichen Rehabilitierungsgesetz und dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz entsprechend dem Gesetzesentwurf
der Bundesregierung.

IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Änderung des StrRehaG folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer
1 des Grundgesetzes („das Strafrecht“). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Änderung des Ber-
RehaG beruht auf Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG („öffentliche Für-
sorge“). Eine bundesgesetzliche Regelung ist zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse er-
forderlich, weil ein von der Allgemeinheit mit auszugleichendes Sonderopfer eine landesrechtliche Differenzie-
rung nicht verträgt.

V. Haushaltsangaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die Erhöhung der Leistungen und die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten werden erhöhte
Kosten auf den Bund und die Länder zukommen. Die Bundesregierung hat für die Erhöhung im Rahmen des
StrRehaG gegenüber 2014 jährliche Mehrausgaben ab 2015 für den Bund wegen der Beteiligungsquote von 65
Prozent in Höhe von ca. 18 Mio. € und wegen der Beteiligungsquote von 35 Prozent für die Länder in Höhe von
ca. 9,7 Mio. € errechnet. Für die Erhöhung im Rahmen des BerRehaG hat sie gegenüber 2014 jährliche Mehr-
ausgaben ab 2015 für den Bund wegen der Beteiligungsquote von 60 Prozent in Höhe von ca. 0,41 Mio. € und
wegen der Beteiligungsquote von 40 Prozent für die Länder in Höhe von ca. 0,28 Mio. € errechnet.
Da vorliegend aber auch der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet und eine Anrechnung auf das Ein-
kommen ausgeschlossen wurde, werden die jährlichen Mehrausgaben ab 2015 noch höher liegen. Die genaue
Bezifferung der Leistungen ist aber derzeit nicht möglich, da diese von den nicht vorhersehbaren neuen Antrag-
stellungen abhängig ist.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 1)
Mit dem neuen Absatz 2a werden die Verurteilungen wegen „asozialen Verhaltens“ nach § 249 StGB der DDR
im Zusammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in den Anwendungsbereich des StrRehaG
einbezogen. Einer Aufstellung des Ministeriums für Staatssicherheit vom 23. Juli 1973 zufolge wurden im ersten
Halbjahr 1973 in der gesamten DDR 6.635 Ermittlungsverfahren wegen "Gefährdung der öffentlichen Ordnung
durch asoziales Verhalten" eingeleitet. Allein im Juli 1973 gab es weitere 2.720 Ermittlungsverfahren gegen
angebliche Asoziale (vgl. http://www.spiegel.de/einestages/weltjugendspiele-in-ostberlin-a-947520.html).

Zu Nummer 2 (§ 2a)
Mit der Einführung des § 2a wird der Anwendungsbereich des StrRehaG auf Betroffene von die Lebensführung
erheblich beeinträchtigenden Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit ausgeweitet.
Diese Einbeziehung von Betroffenen von Zersetzungsmaßnahmen in den Bereich des Strafrechtlichen Rehabili-
tierungsgesetzes ist eine dringende Notwendigkeit, um ihnen eine Kompensation der durch diese mit der Men-

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schenwürde nicht zu vereinbarenden und die Lebensführung erheblich beeinträchtigenden Maßnahmen zu ge-
währen. Zersetzungsmaßnahmen konnten sich sowohl gegen Gruppen als auch gegen einzelne Personen richten.
Sie waren auf das Hervorrufen sowie Ausnutzen und Verstärken von Widersprüchen und Differenzen sogenann-
ter „feindlich-negativer Kräfte“ gerichtet, um diese zu zersplittern, zu lähmen, zu desorganisieren und isolieren
(vgl. http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/MfS-Dokumente/Downloads/Grundsatzdokumente/richtlinie-1-
76_ov.pdf?__blob=publicationFile, Ziffer 2.6.).
Zu den Formen, Mitteln und Methoden von Zersetzungsmaßnahmen zählten u.a. die systematische Diskreditie-
rung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer,
überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls dis-
kreditierender Angaben; systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Unter-
grabung des Selbstvertrauens einzelner Personen; Erzeugen bzw. Ausnutzen und Verstärken von Rivalität inner-
halb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen durch zielgerichtete Ausnutzung persönlicher Schwächen
einzelner Mitglieder; Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe usw., kom-
promittierende Fotos, z.B. von stattgefundenen oder vorgetäuschten Begegnungen, die gezielte Verbreitung von
Gerüchten über bestimmte Personen einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation, Vorladung von Personen zu
staatlichen Dienststellen oder gesellschaftlichen Organisationen mit glaubhafter oder unglaubhafter Begründung
(vgl. http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/MfS-Dokumente/Downloads/Grundsatzdokumente/richtlinie-1-
76_ov.pdf?__blob=publicationFile, Ziffer 2.6.2.).

Zu Nummer 3 (§ 7 )
Die Streichung in § 7 Absatz 1 hebt die Frist für die Antragstellung nach dem StrRehaG auf. Eine Befristung der
Antragstellung lässt außer Betracht, dass viele Betroffene für die Aufarbeitung des ihnen geschehenen Unrechts
mehr Zeit benötigen.
Aus Gleichbehandlungsgründen sind Lebenspartner und Lebenspartnerinnen den Ehegatten gleichzustellen.
Auch sie haben ein berechtigtes Interesse an der Rehabilitierung ihres Partners oder ihrer Partnerin. Anders als
die Bundesregierung meint (vgl. Bundesratsdrucksache 446/14, S.2) bedarf es einer ausdrücklichen Ergänzung
des § 7 Absatz 1 Nummer 2 StrRehaG zur Klarstellung des Kreises der möglichen Antragsteller für die An-
spruchsberechtigten und die Rechtsanwender. So ist die Berücksichtigung zwingend und eindeutiger als eine
mögliche Subsumtion unter die Formulierung „Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Rehabilitierung
des von der rechtsstaatswidrigen Entscheidung Betroffenen haben“.

Zu Nummer 4 (§ 10 Abs. 2)
Durch die Aufhebung des § 10 Absatz 2 werden die Antragstellerinnen und Antragsteller nach dem StrRehaG
von der Last befreit, die für die Entscheidung benötigten Unterlagen und Beweismittel vorzulegen und zu be-
zeichnen. Dem Amtsermittlungsgrundsatz nach Abs. 1 wird damit allumfassend Rechnung getragen.

Zu Nummer 5 (§ 16)
Im gesamten § 16 werden die Worte „soziale“ bzw. „sozialen“ gestrichen. Dies soll sicherstellen, dass die Leis-
tungen nach dem StrRehaG als Ausgleichsleistungen unabhängig vom Einkommen geleistet werden. Die Ergän-
zung um die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen in der Formulierung von Absatz 1 und 3 ist Folge der in § 17a
StrRehaG vorgenommenen Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten.

Zu Nummer 6 (§ 17)
§ 17 Absatz 4 wird aufgehoben, damit auch bei der Kapitalentschädigung für Haftopfer nach § 17 Absatz 1 keine
Fristenregelung mehr gilt und Anträge jederzeit möglich sind.

Zu Nummer 7 (§ 17a)
Die Neufassung des Absatz 1 stellt sicher, dass die Betroffenen besondere Zuwendung unabhängig von der Haft-
dauer und unabhängig von einem wirtschaftlichen Nachteil auf Grund der besonderen Würdigung und Anerken-
nung ihres Engagements für Bürgerrechte und Freiheit erhalten. Außerdem wird der Kreis der Anspruchsberech-
tigten erweitert auf Opfer von die Lebensführung erheblich beeinträchtigenden Zersetzungsmaßnahmen. Zerset-
zungsmaßnahmen waren häufig nicht weniger gravierend als Haft und konnten den beruflichen Werdegang, so-
ziale und familiäre Beziehungen und die eigene Gesundheit erheblich und nachhaltig negativ beeinträchtigen.
Dieser Umstand bedarf einer Anerkennung und Würdigung durch die Aufnahme der Betroffenen in den Kreis
Drucksache 18/3145 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
der Anspruchsberechtigten. Die Zuwendungshöhe wird um 50 Euro heraufgesetzt. Die Überschrift wurde der
Änderung in Absatz 1 angepasst.
Bei den Änderungen in den Absätzen 2 bis 7 handelt es sich um Folgeänderungen aufgrund des geänderten ersten
Absatzes.

Zu Nummer 8 (§ 18)
Der § 18 ist infolge der Änderung in § 17a Abs. 1 aufzuheben, da in den dort geregelten Fällen bereits eine
Zuwendung aufgrund von § 17a StrRehaG erfolgt.

Zu Nummer 9 (§ 21)
Absatz 1 wird an den erweiterten Kreis der Anspruchsberechtigten angepasst (Buchstabe a).
Durch die Änderung in Absatz 5 wird bei wahrscheinlichem Zusammenhang im Zweifelsfall die Kausalität zwi-
schen Freiheitsentzug bzw. Zersetzungsmaßnahme und gesundheitlicher Schädigung zu Gunsten der Betroffenen
unterstellt (Buchstabe b).

Zu Nummer 10 (§ 25)
Die Aufhebung der Sätze 3 und 4 in § 25 ist eine Folgeänderung zur Aufhebung von § 17 Absatz 4 (Fristwegfall
bei der Kapitalentschädigung).

Artikel 2 (Änderung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes)

Zu Nummer 1
Mit der Änderung in Absatz 1 Satz 1 wird der Ausgleichsbetrag von 184 Euro auf 214 Euro erhöht.

Zu Nummer2
Mit der Änderung in Absatz 1 Satz 2 wird der Ausgleichsbetrag von 123 Euro auf 153 Euro erhöht.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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