BT-Drucksache 18/3107

zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/2616 - Tierschutz ernst nehmen - Tierleid verhindern

Vom 7. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3107
18. Wahlperiode 07.11.2014
Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Steffi
Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/2616 –

Tierschutz ernst nehmen – Tierleid verhindern

A. Problem
Der Schutz der Tiere ist seit dem Jahr 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert.
Daraus erwächst aus Sicht der Antragsteller für die Bundesregierung die Pflicht,
Tiere um ihrer selbst willen und aus der Verantwortung des Menschen für das Tier
als Mitlebewesen zu schützen. Die Bundesregierung hat es nach Aussage der An-
tragsteller bisher versäumt, „EU-weit einheitliche und höhere Tierschutzstandards
durchzusetzen“. Sie setzt laut der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in erster
Linie auf freiwillige Selbstverpflichtungen, die ihrer Ansicht nach nicht das Leiden
von Millionen von Tieren beenden werden.
Mit dem Antrag auf Drucksache 18/2616 soll die Bundesregierung insbesondere auf-
gefordert werden, Tieren in der Landwirtschaft ein würdiges Dasein zu ermöglichen,
die Haltung von Heimtieren und die Situation der Tierheime sowie die Haltung von
Wildtieren zu verbessern, Tierversuche zu ersetzen, Verbraucherinnen und Verbrau-
chern die Entscheidungsfreiheit für mehr Tierschutz zu ermöglichen sowie Qual-
zuchten, das Klonen und Brandzeichen bei Pferden zu beenden.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.
Drucksache 18/3107 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/2616 abzulehnen.

Berlin, den 5. November 2014

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Gitta Connemann
Vorsitzende

Dieter Stier
Berichterstatter

Christina Jantz
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Nicole Maisch
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3107
Bericht der Abgeordneten Dieter Stier, Christina Jantz, Dr. Kirsten Tackmann und
Nicole Maisch

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 54. Sitzung am 25. September 2014 den Antrag auf Drucksache 18/2616
erstmals beraten und an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur Beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Schutz der Tiere ist seit dem Jahr 2002 als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Daraus erwächst aus Sicht
der Antragsteller für die Bundesregierung die Pflicht, Tiere um ihrer selbst willen und aus der Verantwortung
des Menschen für das Tier als Mitlebewesen zu schützen. Mit der letzten Novelle des Tierschutzgesetzes im
Jahr 2012 sind laut der Antragsteller vor der vorherigen Bundesregierung im Tierschutz bestehende Missstände
nicht beendet worden. Die Bundesregierung hat es nach Aussage der Antragsteller bisher versäumt, „EU-weit
einheitliche und höhere Tierschutzstandards durchzusetzen“. Sie setzt laut der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN in erster Linie auf freiwillige Selbstverpflichtungen, die ihrer Ansicht nach nicht das Leiden von
Millionen von Tieren beenden werden.
Mit dem Antrag auf Drucksache 18/2616 soll die Bundesregierung u. a. dazu aufgefordert werden,
Regelungen zu schaffen, die die landwirtschaftlichen Produktionsweisen an die Bedürfnisse der Tiere an-

passen – statt umgekehrt. Die Bundesregierung muss nach Ansicht der Antragsteller u.a. Eingriffe am Tier,
wie das Enthornen von Rindern, das Abkneifen der Ringelschwänze bei Schweinen und das Kupieren von
Schnäbeln bei Geflügel, ebenso beenden wie das routinemäßige Töten männlicher Küken aus wirtschaftli-
chen Gründen;

das nach Darstellung der Antragsteller bestehende Tierleid auf Deutschlands Straßen und in den Schlacht-
höfen zu beenden. Die Bundesregierung soll die maximale Dauer der Tiertransporte im Inland auf höchstens
vier Stunden begrenzen und in der Europäischen Union (EU) auf eine Begrenzung von höchstens acht Stun-
den drängen;

die Zuchtausrichtungen bei Tieren in der Landwirtschaft zu überprüfen und Qualzucht zu ahnden;
konsequenter gegen den illegalen Welpenhandel vorzugehen. Dafür soll die Bundesregierung laut Antrag-

steller eine Anpassung der Tierseuchenbestimmungen prüfen und per bundesweiter Rechtsverordnung Vor-
schriften zur Kennzeichnung und Registrierung von Haustieren festlegen;

ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme und -zubehör im Heimtier-
bereich einzuführen;

die Situation der Tierheime zügig zu verbessern;
die Tierhaltung im Zirkus zu verbessern. Zirkusunternehmen sollen nur noch die Tiere halten dürfen, die

dort art- und bedürfnisangemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden können;
die Haltung von Delfinen in Deutschland sowie deren Einfuhr zu untersagen;
sich konsequent dafür einzusetzen, dass Tierversuche reduziert und ersetzt werden. Dafür müssen insbeson-

dere die Forschung, Anwendung und der Einsatz von Ersatz- und Alternativmethoden gestärkt und Zulas-
sungsverfahren unter Beibehaltung hoher Sicherheits- und Qualitätsstandards beschleunigt werden;

die Bestimmungen zu Tierversuchen im Tierschutzgesetz und der Tierschutz-Versuchstierverordnung ent-
sprechend der Vorgaben der EU-Tierversuchsrichtlinie zu korrigieren;

Tierversuche mit Menschenaffen zu verbieten, um die seit Anfang der 90er-Jahre geltende Praxis zur
Rechtsnorm zu machen;

eine verlässliche und transparente Tierhaltungskennzeichnung für alle Lebensmittel und eine Herkunfts-
kennzeichnung für Fleisch einzuführen, damit die Konsumenten auf einen Blick erkennen können, wie die
Tiere gehalten wurden;

sich für ein Import-Verbot von Produkten der Nachkommen geklonter Tiere einzusetzen;

Drucksache 18/3107 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
per Verordnung für alle relevanten Tierarten klar zu definieren, was als Qualzucht gilt. Zucht, Haltung und

Verkauf von Qualzuchten soll die Bundesregierung untersagen;
Brandzeichen bei Pferden, den sogenannten Schenkelbrand, zu untersagen;
ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen einführen, sodass diese die Einhaltung von

Tierschutzrecht gerichtlich einklagen können;
eine Bundesbeauftragte bzw. einen Bundesbeauftragten für Tierschutz einzusetzen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im Ausschuss

1. Beratungsverlauf
Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
auf Drucksache 18/2616 in seiner 21. Sitzung am 5. November 2014 abschließend beraten.
Die Fraktion der CDU/CSU verdeutlichte, der Tierschutz werde von ihr sehr ernst genommen. Bereits jetzt
habe Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern eines der besten Tierschutzgesetze, welches zudem erst
vor zwei Jahren umfassend novelliert worden sei. Einzelne bestehende Missstände im Tierschutz resultierten
in der Regel aus Vollzugsdefiziten. Letztere müssten abgestellt werden, was zunehmend gelinge. Bei der Dis-
kussion um die weitere Verbesserung des Tierschutzes seien praxistaugliche Lösungen notwendig. Daran
werde von Seiten der Bundesregierung intensiv gearbeitet. Die Initiative „Eine Frage der Haltung – Neue Wege
für mehr Tierwohl“ („Tierwohl-Initiative“) von Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian
Schmidt werde den Tierschutz in Deutschland weiter voranbringen. So werde derzeit u. a. intensiv geprüft, wie
Verbesserungen bei einzelnen nicht kurativen Eingriffen vorgenommen werden könnten. Ein zügiges Verbot
aller nicht kurativer Eingriffe im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung sei nicht hilfreich und könnte
zu Standortverlagerungen ins Ausland führen. Entschieden abgelehnt werde die Forderung der Antragsteller,
ein Verbandsklagerecht für im Tierschutz tätige Vereine einzuführen. Es gebe von behördlicher Seite als auch
in den Betrieben selber ausreichend fachkundigen Sachverstand. Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben
würden zudem unnötig verzögert. Die Forderung, auf nationaler Ebene die Transportzeiten auf maximal vier
Stunden und in der EU auf acht Stunden zu begrenzen, sei in sich nicht schlüssig.
Die Fraktion der SPD äußerte, über alle Fraktionsgrenzen hinweg bestehe grundsätzlich ein großes Einver-
nehmen darüber, den Tierschutz in Deutschland weiter zu verbessern. Insbesondere bei den nicht kurativen
Eingriffen, so z. B. beim Kupieren von Schwänzen bei Nutztieren, seien sich alle Fraktionen darüber einig, zu
einer zielführenden Lösung zu kommen. Dabei sei für die Fraktion der SPD ein bloßes Verbot der nicht kura-
tiven Eingriffe, wie im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, wenig zielführend. So
zeigten Forschungsergebnisse, dass es an vielen verschiedenen Faktoren liege, warum sich zum Beispiel
Schweine gegenseitig an den Schwänzen verletzten. Nichtsdestotrotz müssten zeitnah entsprechende Lösungen
erarbeitet und im Zweifel auch neue gesetzliche Regelungen gefunden werden. Im Bereich der Nutztierhaltung
werde derzeit vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Verordnungsentwurf für ein Prüf-
und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen erarbeitet. Darüber hinaus müssten
für den Heimtierbereich entsprechende Vorgaben erarbeitet werden, denn auch hier gebe es entsprechende
Missstände. Die Antragsforderungen zur Verbesserung des Tierschutzes bei Versuchstieren liefen unter ande-
rem deshalb ins Leere, da die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD im Entwurf für den Bundeshaushalt
2015 die Mittel für die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum
Tierversuch (ZEBET) aufgestockt hätten.
Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, nach der missglückten Novelle des Tierschutzgesetzes am Ende der
17. Wahlperiode sei es mehr als notwendig, durch einen tierschutzpolitischen Antrag, wie er von der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt worden sei, die Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Handeln für
einen wirksameren Tierschutz aufzufordern. Die „Tierwohl-Initiative“ von Bundesminister Christian Schmidt
sei zwar in ihren Zielen richtig; durch ihre Freiwilligkeit bestünden jedoch starke Zweifel, ob sie umgesetzt
würden. Die Fraktion DIE LINKE. unterstütze viele Anliegen des Antrages auf Drucksache 18/2616 ausdrück-
lich. Zudem stimme sie der darin enthaltenen Analyse und vielen der dort geschilderten Problembeschreibun-
gen zu. Einigen Forderungen des Antrages könne sie nicht folgen, weshalb sich die Fraktion DIE LINKE. der
Stimme enthalten werde. Beispielsweise halte sie eine Unterscheidung der maximalen Tiertransportzeiten in
Deutschland und in der EU nicht für sinnvoll. Notwendig seien Tiertransportzeiten von maximal vier Stunden

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3107
in der EU. Auch wenn sie fehlende Forschungsergebnisse als Begründung für ein Nichthandeln in Tierschutz-
fragen für falsch halte, seien durchaus in einigen im Antrag genannten Bereichen Forschungslücken vorhanden.
Daher müssten im Forschungsbereich die entsprechenden Rahmenbedingungen im Bundeshaushalt gesetzt
werden. Das bereits von der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) aufgestellte Programm müsse durch
die Bundesregierung ausfinanziert werden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, die Bundesregierung unternehme zu wenig, um den
Tierschutz in Deutschland, der als Staatsziel im Grundgesetz stehe, in seiner großen Bandbreite wirkungsvoll
zu verbessern. Die jüngst von Bundesminister Christian Schmidt vorgestellte „Tierwohl-Initiative“ setze zu-
vorderst auf Selbstverpflichtungen und sei daher nicht ausreichend. So seien zum Beispiel im Bereich der
Nutztierhaltung dringend neue Regelungen notwendig, mit denen die landwirtschaftlichen Produktionssysteme
an die Bedürfnisse der Tiere anpasst werden. Praktiken wie das Enthornen von Rindern, das Abkneifen der
Ringelschwänze bei Schweinen oder das Kupieren von Schnäbeln bei Geflügel müssten durch den Gesetzgeber
beendet werden. Verbessert werden müsse auch der Tierschutz bei Heimtieren, u.a. durch die Schaffung eines
bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme und –zubehör. Im Bereich der
Tierversuche sei der Schutz der Tiere in der derzeitigen Rechtsordnung faktisch nicht ausreichend gewährleis-
tet. Daher seien Verbesserungen des Tierschutzes bei Versuchstieren überfällig. Einer stärkeren Unterstützung
bedürften auch die Tierheime. Notwendig seien zudem schlagkräftigere Strukturen zur Einhaltung des Tier-
schutzes u.a. durch die Einführung eines Verbandsklagerechtes für anerkannte Tierschutzorganisationen.
2. Abstimmungsergebnisse
Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE., dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/2616 zu emp-
fehlen.

Berlin, den 5. November 2014

Dieter Stier
Berichterstatter

Christina Jantz
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Nicole Maisch
Berichterstatterin

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