BT-Drucksache 18/3040

Strategische Ziele für die Raumfahrt in dieser Legislaturperiode absichern

Vom 4. November 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3040
18. Wahlperiode 04.11.2014
Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Kristina
Schröder (Wiesbaden), Thomas Bareiß, Julia Bartz, Veronica Bellmann, Sybille
Benning, Dr. André Berghegger, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Cajus Caesar,
Alexandra Dinges-Dierig, Thomas Dörflinger, Marie-Luise Dött, Hansjörg Durz,
Dr. Bernd Fabritius, Dr. Maria Flachsbarth, Klaus-Peter Flosbach, Thorsten Frei,
Dr. Michael Fuchs, Alexander Funk, Dr. Thomas Gebhart, Alois Gerig, Eberhard
Gienger, Michael Grosse-Brömer, Astrid Grotelüschen, Oliver Grundmann,
Dr. Herlind Gundelach, Christian Haase, Jürgen Hardt, Matthias Hauer, Mark
Hauptmann, Dr. Matthias Heider, Helmut Heiderich, Uda Heller, Robert
Hochbaum, Karl Holmeier, Bettina Hornhues, Charles M. Huber, Anette Hübinger,
Hubert Hüppe, Thomas Jarzombek, Andreas Jung, Steffen Kanitz, Anja Karliczek,
Roderich Kiesewetter, Axel Knoerig, Jens Koeppen, Carsten Körber, Andreas G.
Lämmel, Barbara Lanzinger, Dr. Andreas Lenz, Ingbert Liebing, Patricia Lips,
Yvonne Magwas, Andreas Mattfeldt, Stephan Mayer (Altötting), Jan Metzler, Maria
Michalk, Dr. h. c. Hans Michelbach, Dr. Mathias Middelberg, Dietrich Monstadt,
Marlene Mortler, Elisabeth Motschmann, Carsten Müller (Braunschweig), Stefan
Müller (Erlangen), Philipp Murmann, Helmut Nowak, Dr. Georg Nüßlein, Wilfried
Oellers, Ulrich Petzold, Alois Rainer, Dr. Peter Ramsauer, Eckhardt Rehberg,
Josef Rief, Erwin Rüddel, Andreas Scheuer, Dr. Klaus-Peter Schulze, Uwe
Schummer, Peter Stein, Christian Freiherr von Stetten, Dieter Stier, Stephan
Stracke, Matthäus Strebl, Lena Strothmann, Dr. Volker Ullrich, Michael Vietz,
Volkmar Vogel (Kleinsaara), Sven Volmering, Kees de Vries, Kai Wegner, Albert
Weiler, Marcus Weinberg (Hamburg), Peter Wichtel, Heinz Wiese (Ehingen),
Klaus-Peter Willsch, Dagmar G. Wöhrl, Heinrich Zertik, Volker Kauder, Gerda
Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Wolfgang Tiefensee, Hubertus Heil (Peine), Niels Annen,
Klaus Barthel, Dirk Becker, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Christian
Flisek, Ulrich Freese, Ulrich Hampel, Marcus Held, Matthias Ilgen, Thomas Jurk,
Ralf Kapschack, Gabriele Katzmarek, Dr. Birgit Malecha-Nissen, Sabine
Poschmann, Florian Post, Dr. Sascha Raabe, Andreas Rimkus, Bernd Rützel,
Johann Saathoff, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Dr. Nina Scheer, Bernd
Westphal, Andrea Wicklein, Thomas Oppermann und der Fraktion der SPD

Strategische Ziele für die Raumfahrt in dieser Legislaturperiode absichern

Der Bundestag wolle beschließen:

Drucksache 18/3040 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Raumfahrt leistet wichtige Beiträge für viele Bereiche der Gesellschaft: für For-
schung und Innovation, für Wachstum und Arbeitsplätze, für den Klimaschutz und
den Schutz der Erde, für die Sicherheit und die internationale Zusammenarbeit.
Raumfahrtanwendungen finden sich häufig in unserem Alltag, von der Telekommu-
nikationstechnik bis zur Satellitennavigation, von der Wettervorhersage bis zur Ver-
kehrs- und Raumplanung und zum Katastrophenschutz. Die Raumfahrttechnologie
hat sich so zu einer strategischen Schlüsseltechnologie entwickelt, die wichtige Im-
pulse für Wachstum und Arbeitsplätze in Deutschland gibt.
Die Raumfahrtstrategie der Bundesregierung trägt dazu bei, dass Deutschland heute
eine der führenden europäischen Raumfahrtnationen und wichtiger Partner bei inter-
nationalen Großprojekten wie der europäischen Trägerrakete Ariane und der Inter-
nationalen Raumstation ISS ist.
Um die hohen Kosten von Raumfahrtprojekten zu begründen, muss der konkrete
Nutzen für die Menschen im Mittelpunkt der deutschen und europäischen Raum-
fahrtpolitik stehen. Ziel der nationalen Raumfahrtstrategie ist es deshalb, die Raum-
fahrt umfassend zur Bewältigung globaler Herausforderungen zu nutzen und ihr öko-
nomisches Potenzial noch stärker auszuschöpfen. Die Bewahrung unserer natürli-
chen Lebensgrundlagen, die Messung, Analyse und Bewältigung des globalen Wan-
dels und vor allem des Klimawandels sind eine vordringliche Aufgabe für die ge-
samte Menschheit. Gerade Raumfahrtanwendungen sind hier in besonderer Weise
geeignet, die notwendigen Daten und Kontrollinstrumente zeitnah zur Verfügung zu
stellen und damit auch für die Politik wichtige Entscheidungsgrundlagen zu liefern.
Das ist auch das erklärte Ziel der Raumfahrtstrategie der Europäischen Weltraumor-
ganisation ESA, die 1975 mit der Absicht gegründet wurde, die europäischen Welt-
raumaktivitäten in einem gemeinsamen Programm zu koordinieren, eine europäische
Raumfahrtstrategie zu entwerfen, die Weltraumforschung voranzutreiben, neue
Weltraumtechnologien zu entwickeln und die nutzerorientierten Anwendungen, ins-
besondere in den Bereichen Satellitennavigation, Erdbeobachtung und Telekommu-
nikation, zu forcieren.
Der Nutzen für die Menschen steht auch im Fokus der Raumfahrtpolitik der EU, die
mit dem Vertrag von Lissabon von 2007 erstmals eine explizite Kompetenz für die
Raumfahrt erhalten hat, dabei neue Prioritäten setzen und auch die Rahmenbedin-
gungen für die Raumfahrtaktivitäten in der EU weiter verbessern will. Für die prak-
tische Umsetzung ihrer raumfahrtpolitischen Ziele ist die EU auf die enge Zusam-
menarbeit mit der ESA angewiesen, die durch das EU-ESA-Rahmenabkommen ge-
regelt wird.
Um europäische Raumfahrtprojekte erfolgreich durchzuführen und wirtschaftlich
rentabel zu machen, bleibt eine starke, unabhängige und leistungsfähige ESA essen-
tiell. Gleichwohl muss die Zusammenarbeit zwischen der ESA und der EU auf der
Basis der vorhandenen Rechtsgrundlagen weiter optimiert werden. Der Status der
ESA als eigenständige internationale Organisation mit eigenen Entscheidungsme-
chanismen und Finanzierungsregeln muss dabei erhalten bleiben.
Um den größtmöglichen Nutzen aus den deutschen und europäischen Weltraumpro-
jekten zu ziehen, steht die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode insbesondere
vor folgenden Aufgaben:
1. Die richtigen Weichen auf der ESA-Ministerratskonferenz stellen
Bei der ESA-Ministerratskonferenz am 2. Dezember 2014 in Luxemburg sollte die
Bundesregierung sich im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel
für folgende Prioritäten einsetzen:
a) Europa braucht auch künftig einen gesicherten, unabhängigen, kostengünstigen

und wettbewerbsfähigen Zugang zum All. Deshalb muss das bis heute sehr er-
folgreiche europäische Trägersystem Ariane weiterentwickelt werden. Dabei

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3040

muss das Ziel, ein wettbewerbsfähiges Trägersystem bei vertretbaren Kosten für
die Mitgliedstaaten zu schaffen, im Fokus stehen. Die aktuell anstehenden Ent-
scheidungen über ein Nachfolgemodell für die Ariane 5 müssen finanzierbar
sein und die Weichen für eine konkurrenzfähige und flexible Nutzung stellen.
Um seine Wettbewerbsfähigkeit am kommerziellen globalen Markt für Start-
dienste zu verteidigen – Arianespace hat hier derzeit einen Anteil von 40 bis 50
Prozent – braucht Europa insgesamt gut ausgearbeitete und langfristig tragfä-
hige gemeinsame, verlässliche Entscheidungen, insbesondere zwischen Frank-
reich und Deutschland.
Bislang stehen in Nachfolge der Entscheidungen der Ministerratskonferenz von
Neapel (2012) zur Diskussion:
der Abschluss des laufenden Ariane-5-ME-Programms mit einer neuen

Oberstufe (Erstflug geplant für 2018, Restentwicklungskosten ca. 1,2 Mrd.
Euro, geschätzte Produktionskosten ca. 170 Mio. Euro, GTO-Nutzlastkapa-
zität ca. 12 t) und

die Entwicklung eines neuen Trägermodells Ariane 6 (aktuelles modulares
Konzept entsprechend Ariane 5 ME, Erstflug geplant für 2020/22, ge-
schätzte Entwicklungskosten ca. 4 bis 4,5 Mrd. Euro, geschätzte Produkti-
onskosten ca. 90 Mio. Euro bei GTO-Nutzlastkapazität von ca. 10,6 t bzw.
ca. 80 Mio. Euro bei GTO-Nutzlastkapazität von ca. 5,8 t).

Eine gleichzeitige Durchführung beider Programme übersteigt die Finanzie-
rungsmöglichkeiten der ESA-Mitgliedstaaten. Deshalb müssen Prioritäten ge-
setzt werden. Insbesondere ist die Entwicklung eines neuen europäischen Trä-
gers nur dann sinnvoll, wenn dieser kostengünstig ist und einen flexiblen Einsatz
ermöglicht und dadurch im Wettbewerb mit russischen und amerikanischen Trä-
gersystemen längerfristig bestehen kann.
Unabhängig von der technischen Ausgestaltung ist mehr Industrieverantwor-
tung mit dem Ziel, einen subventionsfreien späteren Betrieb zu realisieren, not-
wendig. Hierzu hat sich die Industrie bisher jedoch noch nicht verpflichtend be-
kannt.
Insgesamt sollte eine Lösung angestrebt werden, die eine den technischen Fä-
higkeiten und finanziellen Möglichkeiten Deutschlands angemessene deutsche
Beteiligung an dem künftigen europäischen Trägersystem erlaubt.

b) Notwendig sind zudem Entscheidungen zur weiteren europäischen Beteiligung
an der Internationalen Raumstation ISS, um die Forschung unter Weltraumbe-
dingungen und die internationale Zusammenarbeit im All weiter fortzuschrei-
ben:
Die ISS ist heute das größte technologische Gemeinschaftsprojekt der Mensch-
heit und ein wichtiger Außenposten im All. Die ISS ist darüber hinaus nicht nur
ein einzigartiges Beispiel für die friedliche Nutzung des Weltraums, sondern
auch für die friedliche internationale Kooperation.
Die ISS bietet stabile Forschungsbedingungen und ist eine Großforschungsein-
richtung im Erdorbit, die auch die Nichtraumfahrtindustrie nutzen kann. Die
Forschung unter Weltraumbedingungen auf der ISS umfasst neben der Erpro-
bung neuer Technologien auch grundlagen- und anwendungsorientierte For-
schungsbereiche wie Lebenswissenschaften, Materialwissenschaften, Physik,
Biologie, Medizin und Erdbeobachtung. Raumfahrt leistet so wichtige Beiträge
und Lösungen für die globalen Herausforderungen auf der Erde. Sie gibt darüber
hinaus wertvolle Impulse zur Entwicklung innovativer Technologien in den Be-
reichen neue Materialien, Pharmazie und Medizintechnik, die allen zugutekom-
men werden.
Auch der kommerzielle Nutzen der Forschungskapazitäten auf der ISS, insbe-
sondere im Technologiebereich, wird immer wichtiger. Sie können auch von

Drucksache 18/3040 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Industrieunternehmen zahlreicher Branchen genutzt werden. So agiert die In-
dustrie schon jetzt in Teilbereichen als Unterauftragnehmer. Beispiele hierfür
sind die Entwicklung besserer Legierungen für die Automobilbranche, die Me-
dikamentenentwicklung der Pharmaindustrie, die Verbesserung von Knochen-
implantaten und medizinischen Diagnosetechniken oder die Verbrennungsfor-
schung für sparsame Motoren.
Für die Durchführung der Experimente im All bleibt die bemannte Raumfahrt
im Rahmen der ISS auch in den nächsten Jahren ein wichtiges Element. So kön-
nen in der Schwerelosigkeit Krankheiten und Alterungsphänomene studiert wer-
den, um die Funktionen vieler Systeme des menschlichen Körpers und ihr Zu-
sammenspiel zu verstehen. Astronauten stellen sich dabei – zusätzlich zu ihrer
wissenschaftlichen Arbeit an Bord – auch als Versuchspersonen für die medizi-
nische Forschung im Weltraum zur Verfügung und helfen dadurch, die Heraus-
forderungen unserer alternden Gesellschaft zu meistern.
Die Bundesregierung hat sich in der Raumfahrtstrategie von 2010 dafür ausge-
sprochen, die Fähigkeiten zur bemannten Raumfahrt zu erhalten, solange robo-
tische Systeme bei Aufgaben im All die menschliche Präsenz nicht vollständig
ersetzen können. Der Betrieb der ISS sollte deshalb, wie zwischen den interna-
tionalen Partnern vereinbart, bis 2020 sichergestellt werden.
Bereits im Rahmen der letzten Ministerratskonferenz der ESA in Neapel im Jahr
2012 war jedoch zu erkennen, dass viele Mitgliedstaaten, u. a. auch Frankreich
und Italien, die Fortführung der europäischen Beteiligung an der ISS nicht für
prioritär halten. Deshalb hatte Deutschland seine bisherige Zeichnung in Höhe
von 37,7 Prozent einmalig und ausnahmsweise bis 2014 auf über 40 Prozent
erhöht, um eine weiterhin sinnvolle Fortführung der europäischen ISS-Beteili-
gung sicherzustellen. Für die Zukunft sollte angestrebt werden, dass die europä-
ische Beteiligung an der ISS bis 2020 auf der Grundlage einer fairen finanziellen
Beteiligung der europäischen Partner gewährleistet wird und Deutschland zur
bisherigen Zeichnungsquote von 37,7 Prozent zurückkehrt.
Um Haushaltsmittel einzusparen, sollte weiter darauf hingearbeitet werden, die
industrielle und privatwirtschaftliche Nutzung auf der ISS zu verstärken. Insge-
samt müssen Kosten und Nutzen der Forschung unter Weltraumbedingungen
regelmäßig gegeneinander abgewogen werden.

c) Deutschland muss weiter intensiv für seine Position zur Neustrukturierung der
Zusammenarbeit zwischen der ESA und der EU werben: Das Verhältnis von
ESA und EU ist sowohl für die Finanzierung von Raumfahrtprojekten als auch
für die Verteilung der industriellen Raumfahrtkapazitäten in Europa von grund-
legender Bedeutung.
Die Arbeit der ESA ist auch für die EU in ihrer neuen Zuständigkeit für die
Raumfahrt laut Vertrag von Lissabon unverzichtbar. Die ESA kann aber nur
dann weiter als erfolgreicher Technologiedienstleister für die EU tätig sein,
wenn ihre bewährten Strukturen und ihre Autonomie erhalten bleiben und es
weiterhin eine klare Aufgabenverteilung zwischen der EU und der ESA gibt.
Aufgabe der EU ist es, im Rahmen einer längerfristigen Raumfahrtstrategie
komplementär zu den Initiativen der ESA und Mitgliedstaaten Projekte zu defi-
nieren und umzusetzen, die in ihrer Anwendung den Bedürfnissen der Menschen
dienen, den Wirtschaftsstandort Europa fördern und helfen, die Probleme auf
der Erde zu lösen, wie z. B. bei den Satellitenprogrammen Galileo und Coper-
nicus.
Die ESA hingegen sollte weiter insbesondere für die Wissenschaftsprogramme,
die Technologieentwicklung und die Trägersysteme, d. h. für alle zur Raumfahrt
befähigenden Grundlagen, zuständig sein und für die Durchführung von EU-
finanzierten Entwicklungs- und Aufbauaktivitäten zur Verfügung stehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3040

Die Verantwortungsbereiche von EU und ESA im Hinblick auf die gemeinsame
Entwicklung einer europäischen Raumfahrtpolitik sind insofern komplementär,
nicht konkurrierend. Um die Zusammenarbeit zwischen der EU und der ESA
optimal zu gestalten, sind Verbesserungen notwendig. Aber eine möglichst weit-
gehende Integration der ESA in die EU, wie sie die EU-Kommission ab 2020
anstrebt und in verschiedenen Szenarien vorgestellt hat, ist nicht zum Vorteil
der ESA-Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung muss sich deshalb intensiv wei-
ter für eine klare Aufgabenteilung und für die größtmögliche Eigenständigkeit
der ESA auch nach 2020 einsetzen, auch damit die Kompetenz der ESA-Mit-
gliedstaaten nicht eingeschränkt wird. Zudem sind im Rahmen des europäischen
Rahmenforschungsprogramms Horizon 2020 ca. 1,3 Mrd. Euro für Raumfahrt-
forschung vorgesehen, deren detaillierte Verwendung insbesondere mit den Mit-
gliedstaaten abzustimmen und in eine Kohärenz mit den Aktivitäten der ESA zu
bringen ist. Der Weltraumrat als gemeinsame Aktivität von ESA und EU kann
die erforderliche Abstimmung leisten und sollte gestärkt werden.

2. Raumfahrtstrategie der Bundesregierung umsetzen
Die im Jahr 2010 verabschiedete Raumfahrtstrategie der Bundesregierung bildet
derzeit die Grundlage für die erfolgreichen deutschen Aktivitäten und Spitzen-
positionen in der Raumfahrt und für die Sicherung der nationalen Systemkom-
petenzen. Aus der deutschen Raumfahrtstrategie ergeben sich inhaltliche
Schwerpunkte für die kommenden Jahre.
Die bereits in der Umsetzung befindlichen Missionen des Nationalen Pro-
gramms für Weltraum und Innovation sollen, ggf. in Kooperation mit anderen
Akteuren, fortgesetzt werden, wobei insbesondere bei den noch laufenden Ver-
tragsverhandlungen der verfügbare Haushaltsrahmen einzuhalten ist. Gegebe-
nenfalls ist durch intensive Zusammenarbeit mit anderen Nationen bzw. der
ESA eine finanzielle Entlastung zu erreichen. Bei den laufenden Vorhaben sind
besonders zu erwähnen:
a) Die deutsche Robotik-Mission DEOS, mit der neue Technologien zum

Handling von unkontrollierbaren Satelliten im Orbit und zur Entsorgung des
zunehmenden und gefährlichen Weltraumschrotts erprobt werden sollen.

b) Die weltweit erste Hyperspektral-Erdbeobachtungsmission EnMAP. Mit
Hilfe dieser innovativen optischen Fernerkundungstechnologie kann man
Umweltveränderungen und den Wandel von Ökosystemen global besser di-
agnostizieren, Rohstofflagerstätten erkunden und zur Bekämpfung von Um-
weltproblemen beitragen.

c) Die deutsche Satellitenkommunikationsmission „Heinrich Hertz“ zur Über-
prüfung neuartiger Techniken der Satellitenkommunikation unter Welt-
raumbedingungen. Diese Mission sichert auch die Wiederherstellung der
nationalen Systemkompetenz bei geostationären Kommunikationssatelliten
und soll gleichzeitig Kommunikationsbedarfe der Bundeswehr decken.

d) Der deutsch-französische Klimasatellit MERLIN zur Methanmessung in
der Erdatmosphäre ist ein wichtiger Beitrag zum Ausbau der in Deutschland
vorhandenen Kompetenz in der Atmosphären- und Klimagasforschung.

e) Die gemeinsame Vorbereitung und der Start der deutsch-amerikanischen
Mission GRACE-FO zur Bestimmung des Erdgravitationsfeldes.

f) Das deutsche Vielzweckinstrument METimage, welches Daten im sichtba-
ren und infraroten Licht liefert, ist ein unverzichtbarer Bestandteil des euro-
päischen Satellitensystems EUMETSAT Polar System – Second Generation
(EPS-SG). Es liefert als Kerninstrument auf den MetOp-SG-Satelliten einen
essentiellen Beitrag zur Meteorologie, Ozeanografie und Klimaüberwa-
chung.

Drucksache 18/3040 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Die deutschen Radar- und Optikkompetenzen in der Erdbeobachtung müssen
nachhaltig weiterentwickelt werden, einschließlich der großen Leistungsfähig-
keit im L-Band-Bereich, um die internationale Führungsrolle Deutschlands
nachhaltig zu festigen und auszubauen und um entsprechend die Investitionsbe-
reitschaft von Nutzern der nachgelagerten Wirtschaft und des öffentlichen Sek-
tors zu stärken. Speziell muss der Technologievorsprung, der durch die Radar-
satelliten TerraSAR-X und TanDEM-X erreicht wurde, kommerziell verwertbar
ausgebaut werden. Das sehr hohe wirtschaftliche Potenzial der Erdbeobachtung
muss weiterentwickelt werden, z. B. zur Exploration von Bodenschätzen, bei
Sicherheitsanwendungen und beim Krisenmanagement nach Naturkatastrophen.
Die Raumfahrt-Robotik muss ebenfalls weiterentwickelt werden. Der Raum-
fahrt-Robotik gehört die Zukunft. Sie wird die Forschung unter Weltraumbedin-
gungen erleichtern und kostengünstiger machen und die Fernerkundung des
Weltraums vorantreiben. Sie hat zudem hohes wirtschaftliches Potenzial und
gesellschaftlichen Nutzen weit über die Raumfahrt hinaus, etwa in der industri-
ellen Produktion, im Servicebereich, in der Exploration von Bodenschätzen, im
Bereich von Sicherheitsanwendungen oder in der Medizin- und Rehabilitations-
technik. Entsprechend der nationalen Raumfahrtstrategie sollte die westliche
Welt dennoch die Fähigkeit zur bemannten Raumfahrt erhalten, solange roboti-
sche Systeme bei Aufgaben im All die menschliche Präsenz nicht vollständig
ersetzen können.
Deutschland hat auch für zahlreiche Missionen zur Erkundung des Sonnensys-
tems maßgebliche wissenschaftliche und technologische Beiträge geliefert und
sollte dies fortführen.

3. Haushaltsmittel für die Raumfahrt langfristig sichern
Um die Vorteile der Raumfahrttechnik nutzen zu können, muss die Finanzierung
von entsprechenden F+E-Projekten im Raumfahrtetat langfristig gesichert wer-
den. Hierzu haben die beiden letzten Bundesregierungen im Rahmen der High-
tech-Strategie deutliche Weichen gestellt. So ist seit 2007 das deutsche Raum-
fahrtbudget, d. h. die Mittel für die ESA, das Nationale Programm für Weltraum
und Innovation, das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, das Erdbeobach-
tungsinstrument METimage, das europäische Satellitennavigationssystem Gali-
leo sowie die institutionelle Förderung des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR), jedes Jahr gewachsen, auf inzwischen ca. 1,4 Mrd. Euro.
Diese Ausgaben müssen auf hohem Niveau gesichert werden, um das Nationale
Programm sowie ESA- und EU-Programme weiter finanzieren zu können.
Die aktuelle mittelfristige Finanzplanung trägt dem bereits Rechnung. So beträgt
der ESA-Beitrag ab 2016 jährlich ca. 634 Mio. Euro. Für den Trägerbereich be-
steht dabei im Finanzplanungszeitraum ein Spielraum von durchschnittlich 115
Mio. Euro pro Jahr. Bei der Weiterentwicklung der Ariane sollte auf Lösungen
hingearbeitet werden, die diesen Finanzrahmen nicht überschreiten.
Für das Nationale Programm für Weltraum und Innovation wird die Bundesre-
gierung mittelfristig 55 Mio. Euro zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen und
dabei gezielte Schwerpunkte setzen.

4. Kosten und Nutzen der Raumfahrtprojekte optimieren
Die hohen Kosten für die Raumfahrt sind nur durch einen hohen wissenschaft-
lichen, gesellschaftlichen oder kommerziellen Nutzen zu rechtfertigen. Das er-
fordert eine klare Ausrichtung der Raumfahrt auf Nutzen und Bedarf, Nachhal-
tigkeit und eine intensive europäische und internationale Zusammenarbeit.
Die Raumfahrt kann künftig einen noch größeren Beitrag für die globalen Her-
ausforderungen auf der Erde leisten. Die Anwendungen der Raumfahrttechnik
kommen zunehmend den Bedürfnissen der Menschen zugute, insbesondere in
den Bereichen Gesundheit, Klimaschutz, Mobilität, Kommunikation und Si-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3040

cherheit. Die geplante Inbetriebnahme wichtiger Programme in dieser Legisla-
turperiode wie Galileo und Copernicus werden hierzu einen wichtigen Beitrag
leisten.
Zum einen wird erwartet, dass die Raumfahrtindustrie zunehmend Geld durch
terrestrische Dienstleistungen verdient und dass dieser wichtige Sekundärmarkt
durch die noch stärkere Ausrichtung am Konsumenten weiter wächst und neue
Impulse für Wachstum und Arbeit gibt. Eine stärkere Eigenbeteiligung der In-
dustrie ist deshalb ein wichtiges Element einer tragfähigen Finanzierung von
Raumfahrtprojekten. Bei künftigen Raumfahrtprojekten in öffentlich-privater
Partnerschaft sollten deshalb – wie in den USA – auch Verträge angestrebt wer-
den, bei denen mögliche Mehrkosten allein von der Industrie getragen werden,
um Effizienz und Innovationsdruck zu erhöhen.
Zum anderen muss der Entwicklung der neuen Märkte auch politisch Rechnung
getragen werden, zum Beispiel beim Export. Zwar hängt die erfolgreiche Posi-
tionierung in den großen Märkten der Dienstleistungen und Endgeräte maßgeb-
lich von der Eigeninitiative und eigenständigen strategischen Positionierung der
Industrie auf den Weltmärkten ab. In diesem Bereich haben sich insbesondere
auch für kleine und mittlere Unternehmen mit hohem Innovationspotenzial neue
breite Aktionsfelder aufgebaut. Aber damit die deutschen Unternehmen hier er-
folgreich sein können, müssen Ausfuhrkontrollregeln und -praxis berechenbar
ausgestaltet werden.
Zu begrüßen ist zudem, dass die EU – besonders auf der Basis von EGNOS- und
frühen Galileo-Diensten – die Entwicklung innovativer Anwendungen der Sa-
tellitennavigation für Straße, Schiene, Luft- und Seeverkehr, standortbezogene
Dienste, Landwirtschaft und Vermessung im Rahmen von Horizon 2020 mit 38
Mio. Euro fördert.
In Deutschland bietet das Forum für Satellitennavigation SatNav unter Schirm-
herrschaft des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur eine
bundesweite Plattform für Erfahrungsaustausch, Zusammenarbeit und regionale
SatNav-Initiativen, Testumgebungen und Innovationscluster – das ist besonders
für den Mittelstand wichtig, um Innovationen voranzubringen.

5. Breite Unterstützung für die deutsche Raumfahrtpolitik sicherstellen
Die Bundesregierung hilft durch vielfältige öffentlichkeitswirksame Maßnah-
men dabei, den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile innovativer und wirt-
schaftlich sinnvoller Raumfahrtprojekte nahe zu bringen. Sie sollte dies weiter
fortführen. Dazu gehört auch die Berichterstattung über die bemannten ISS-Mis-
sionen, die viele Menschen in ihren Bann ziehen. Die Faszination für den Welt-
raum hat sich in den letzten Wochen und Monaten gerade durch die begeisterte
Teilnahme an den Liveschaltungen mit dem deutschen Astronauten Alexander
Gerst gezeigt. Das sensibilisiert die Menschen für die Chancen der Weltraum-
forschung. Das ist wichtig, denn um die Vorteile der Raumfahrt für die Men-
schen nutzbar machen zu können, brauchen Raumfahrtprojekte eine breite ge-
sellschaftliche Unterstützung. Das sichert auch den Rückhalt für die Finanzie-
rung wichtiger Missionen und für die Gewinnung des notwendigen Fachkräf-
tenachwuchses.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD festgehalten ist, dass die
Luft- und Raumfahrt eine wichtige strategische Rolle für den Wirtschaftsstand-
ort Deutschland spielt, einen Eckpfeiler der europäischen Kooperation darstellt,
Vorreiter für die Entwicklung und Erprobung neuer Technologien ist und über
den Technologietransfer als Innovationstreiber in andere Wirtschaftsbereiche

Drucksache 18/3040 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

wirkt. Die Förderung entsprechend der Hightech-Strategie ist daher fortzuset-
zen. Die nationalen Förder- und Begleitstrukturen sind konsequent weiterzuent-
wickeln;

dass die Bundesregierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung eine schritt-
weise Erhöhung der Mittel für das Nationale Programm für Weltraum und In-
novation auf 292 Mio. Euro bis 2017 pro Jahr vorsieht;

dass die Bundesregierung im Rahmen ihrer Innovationsstrategie vorsieht, auch
die Schlüsselindustrie Raumfahrt weiter zu stärken.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bei der ESA-Mi-
nisterkonferenz am 2. Dezember 2014 in Luxemburg dafür einzusetzen,
a) dass zukunftsfähige und verlässlich finanzierbare Entscheidungen zur Wei-

terentwicklung des europäischen Trägerprogramms Ariane mit angemesse-
ner deutscher Beteiligung getroffen werden, um den unabhängigen und un-
gehinderten Zugang Europas zum All zu wettbewerbsfähigen Kosten zu si-
chern,

b) dass Entscheidungen zu einer neuen Ariane-Generation erst dann fallen,
wenn belastbare Vorschläge mit definierten Kostenkorridoren vorliegen
und die Teilhabe der deutschen Industrie mit ihren Kompetenzfeldern si-
chergestellt ist,

c) dass bei der Weiterentwicklung der Ariane generell solchen Konzepten der
Vorzug gegeben wird, die Wettbewerbsfähigkeit, Flexibilität und weiteres
Kostensenkungspotenzial beinhalten,

d) dass bei der Weiterentwicklung der Ariane eine weitergehende Übertragung
von Verantwortung an die Industrie erfolgt, einhergehend mit der Über-
nahme von zusätzlichen Risiken durch die Industrie und einem subventi-
onsfreien Ariane-Betrieb,

e) dass die gezeichneten Beiträge der ESA-Teilnehmer an der ISS hoch genug
ausfallen, um die bereits vereinbarte europäische Beteiligung an der ISS bis
zum Jahr 2020 sicherzustellen,

f) dass es bei der geplanten Neustrukturierung der Zusammenarbeit zwischen
der ESA und der EU eine klare Aufgabenverteilung zwischen der EU und
der ESA auf Basis der existierenden Rechtsgrundlagen gibt und die Eigen-
ständigkeit der ESA mit ihren bewährten Entscheidungsmechanismen und
Finanzierungsregeln auch nach 2020 vollständig erhalten bleibt, so dass die
bisherigen Gestaltungsmöglichkeiten der ESA-Mitgliedstaaten nicht einge-
schränkt werden und

g) dass die Verwendung der EU-Mittel für die Raumfahrt im Forschungsrah-
menprogramm mit der ESA abgestimmt wird;

2. die programmatischen Schwerpunkte für die kommenden Jahre in der nationalen
Raumfahrt so festzulegen,
a) dass die bereits in der Umsetzung befindlichen Programme effizient und in

einem finanziell vertretbaren Rahmen fortgesetzt werden können,
b) dass die deutschen Radar- und Optikkompetenzen in der Erdbeobachtung

weiter den bestehenden Vorsprung in der Systemtechnologie und Datenver-
arbeitung sichern können,

c) dass das hohe wirtschaftliche Potenzial der Raumfahrt-Robotik genutzt wer-
den kann,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3040

d) dass die Fähigkeiten zur bemannten Raumfahrt erhalten bleiben, solange
robotische Systeme bei Aufgaben im All die menschliche Präsenz nicht
vollständig ersetzen können und

e) dass Deutschland weiterhin maßgebliche wissenschaftliche und technologi-
sche Beiträge für Missionen zur Erkundung unseres Sonnensystems liefern
kann;

3. die Finanzierung der im Bundeshaushalt für die Raumfahrt vorgesehenen Mittel
auch künftig auf hohem Niveau sicherzustellen, um in einem ausgewogenen
Programm anspruchsvolle Projekte auf nationaler und europäischer Ebene wei-
ter durchführen zu können und begonnene nationale Missionen zum Erfolg zu
führen;

4. die Raumfahrt noch stärker nach Nutzen, Bedarf und Nachhaltigkeit auszurich-
ten und sich noch stärker auf die Entwicklung konkreter Anwendungen und
Dienstleistungen zu konzentrieren, insbesondere in den Bereichen Gesundheit,
globaler Wandel (einschließlich Klimaschutz), Mobilität und Logistik, Energie,
Ressourcenmanagement, Kommunikation und Sicherheit. Dabei ist auch der Be-
deutung der Exportmärkte für die Raumfahrtindustrie politisch Rechnung zu tra-
gen. Gleichzeitig sind Plattformen wie das Forum für Satellitennavigation Sat-
Nav weiter zu unterstützen, um innovative terrestrische Anwendungen weiter
voranzubringen;

5. bei Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft – ebenso wie in den USA –
auch Verträge anzustreben, bei denen mögliche Mehrkosten von der Industrie
getragen werden, um Effizienz und Innovationsdruck zu erhöhen;

6. die internationale Zusammenarbeit im Weltraum im Rahmen der nationalen Pro-
gramme und der ESA-Programme weiter auszubauen, um gemeinsam Ergeb-
nisse der Weltraumforschung schneller zum Vorteil der Menschen nutzen zu
können und gleichzeitig zur Friedenssicherung beizutragen;

7. durch gezielte Aktivitäten auf nationaler Ebene Sorge zu tragen, dass Bürger
und Unternehmen in Deutschland am Nutzen der europäischen Raumfahrtpro-
gramme bestmöglich teilhaben, insbesondere durch den Ausbau des Datenzu-
gangs und der Nutzungskompetenz in nationalen Einrichtungen und

8. durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen weiter dazu beizutragen, für wissen-
schaftlich sinnvolle und anwendungsorientierte Raumfahrtprojekte eine breite
gesellschaftliche Unterstützung zu finden, insbesondere auch, um den Rückhalt
für die Finanzierung wichtiger Missionen und den Fachkräftenachwuchs zu si-
chern.

Berlin, den 4. November 2014

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Thomas Oppermann und Fraktion

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