BT-Drucksache 18/3001

Neuer Weltbank-Fonds zur Subventionierung unrentabler Klimaschutzinvestitionen beim Clean Development Mechanism

Vom 29. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/3001
18. Wahlperiode 29.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Hubertus Zdebel, Caren
Lay, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm, Annette Groth, Inge Höger, Kerstin Kassner,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Neuer Weltbank-Fonds zur Subventionierung unrentabler
Klimaschutzinvestitionen beim Clean Development Mechanism

Über den im Jahr 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls ins Leben gerufenen
Mechanismus für umweltgerechte Entwicklung (Clean Development Mecha-
nism – CDM) können Industriestaaten oder Privatinvestoren aus Industrie-
staaten Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern finanzieren, für die sie
über die Vereinten Nationen Emissionsgutschriften (Certified Emission Reduc-
tions – CER) in Höhe der eingesparten Treibhausgasemissionen erhalten. Ein
CER-Zertifikat aus CDM-Projekten entspricht dabei einer Tonne CO2. Die CER
können sie für die Abrechnung eigener Klimaschutzverpflichtungen im Rahmen
des Kyoto-Protokolls nutzen oder weiter verkaufen. So erkennt die Europäische
Union CER im Rahmen ihres Europäischen Emissionshandelssystems (Euro-
pean Emission Trading System – EU ETS) grundsätzlich an und tauscht diese
eins zu eins in EU-Emissionsberechtigungen (European Emission Allowan-
ces – EUA) um.
Der Mechanismus schafft demnach keinen zusätzlichen Klimaschutz, sondern
stellt emissionsseitig im besten Fall ein Nullsummenspiel dar. Er kann jedoch
– sofern hinter den Emissionsgutschriften tatsächlich zusätzlicher Klimaschutz
steht – die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen senken. Dies rührt daher, dass
in den Staaten des globalen Südens eine Einheit Treibhausgasemissionsminde-
rung vielfach schon durch niedrigere Investitionen ermöglicht wird, als sie in
den Industriestaaten notwendig wäre.
Eine zwingende Folge dieses Systems ist gleichzeitig, dass das Ausstellen von
CER für Projekte, die ohnehin durchgeführt worden wären oder für Treibhaus-
gaseinsparungen, die tatsächlich geringer sind als vorgegeben, global zu einem
zusätzlichen Treibhausgasausstoß führt. Denn die im Schwellen- oder Entwick-
lungsland vermeintlich eingesparten Emissionen kann das Industrieland real
zusätzlich ausstoßen. In der Vergangenheit ist in verschiedenen Studien nach-
gewiesen worden, dass hinter einem erheblichen Teil der CDM-Vorhaben kein
zusätzlicher Klimaschutz steht bzw. dieser deutlich geringer ist, als auf den ge-
nerierten CER ausgewiesen (vgl. Studien unter www.carbonmarketwatch.org
und www.carbontradewatch.org). Zudem verstießen zahlreiche Projekte gegen
die Vorgaben der Vereinten Nationen (UN) im Hinblick auf soziale und ökolo-
gische Nachhaltigkeit. Auch dadurch waren in den vergangenen Jahren CER zu
sehr geringen Preisen am Markt verfügbar.
Die Einfuhr von zirka 1,6 Milliarden CER in das EU ETS während der zweiten
Handelsperiode 2008 bis 2012 hat einen wesentlichen Anteil daran, dass im

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europäischen Handelssystem gegenwärtig ein Überschuss von ca. zwei Milliar-
den Emissionsberichtigungen existiert. Dies hat zu einem Preisverfall für die
EUA geführt, die seit Monaten kaum über 6 Euro je Tonne CO2 notiert werden,
wo nach gegenwärtiger Marktlage eigentlich 35 Euro und mehr notwendig
wären, um wenigstens die ineffizientesten und emissionsstärksten Kohlekraft-
werke aus dem Einsatz zu drängen. Auch andere in der EU ursprünglich erwar-
tete ökologische Lenkungseffekte bleiben infolge der niedrigen EUA-Preisen
aus, wie Effizienzmaßnahmen, die sich erst bei höheren Preisen rechnen. Inso-
fern bestätigt sich die These von CDM-Kritikern, dass der Mechanismus in den
Industriestaaten Energieeinspartechnologien verzögern oder behindern kann.
Der enorme EUA-Preisverfall wiederum hat Rückwirkungen auf den Preis für
CER, da Europa der Ankermarkt für CDM-Gutschriften ist. Beim gegenwärti-
gen riesigen Überangebot an Emissionsberechtigungen spielen die Vollkosten
der CDM-Projekte bei der Preisfindung keine Rolle mehr. Die Untergrenze da-
für sind vielmehr offensichtlich die kurzfristigen Grenzkosten für die Erzeugung
von CER. Folglich liegt der CER-Preis momentan bei nahe null – also gänzlich
am Boden.
Die private Nachfrage nach CER-Zertifikaten sei „momentan eingebrochen“,
stellt auch die Bundesregierung fest. Viele Projekte, die „ausschließlich“ auf
Einnahmen aus dem Zertifikatehandel angewiesen sind, stünden „vor dem Aus“
und bräuchten „eine neue Finanzierung“ („BMUB beteiligt sich an neuem
Weltbank-Fonds für Klimaschutz-Projekte in Entwicklungsländern“ unter
www.bmub.de). Durch die Gründung eines neuen Fonds „Pilot Auctioning Faci-
lity“ (PAF) will nun die Weltbank-Gruppe diese Finanzierungslücken schließen.
Das im September 2014 vorgestellte „innovative pay-for-performance-Instru-
ment“ werde Versteigerungen zur Anwendung bringen, „um den Nutzen be-
grenzter öffentlicher Gelder für Klimawandelminderung zu maximieren, indem
privater Sektorenfinanzierung zum Durchbruch verholfen wird“ („BMUB will
engage in the new ,Pilot Auctioning Facility‘ (PAF)“ unter www.bmub.de).
Privatinvestoren und Kapitalgebern soll über PAF ein „garantierter Mindest-
preis“ für CO2-Zertifikate ermöglicht werden; die Geberstaaten sichern den
Mindestpreis der Optionsscheine („puttable bond“) mit ihren Beiträgen ab
(„Pilot Auction Facility for Methane and Climate Mitigation“ unter www.
worldbank.org/en/topic/climatechange/brief/pilot-auction-facility-methane-
climate-mitigation). Beginnen soll das Pilotprojekt mit Projekten in der Abfall-
wirtschaft, in denen Methan freigesetzt wird, das 23-fach stärker klimaschädlich
wirkt als Kohlenstoff. Anschließend soll der Fonds auch CDM-Projekte finan-
zieren, die auf andere Treibhausgase abzielen. Die infolge des PAF generierten
CER sollen laut Bundesregierung zurückgezogen werden und somit nicht für
Minderungsverpflichtungen anrechenbar sein (www.jiko-bmub.de/english/
background_information/news_and_events/doc/1450.php und www.jiko-bmub.
de/basisinformationen/nachrichten_termine/doc/1449.php).
Laut Informationen der Fragesteller befürchten Kritiker hingegen, dass durch
PAF der ohnehin umstrittene CDM-Mechanismus nun auch noch von öffent-
lichen Haushalten subventioniert werden soll. Aus den Einnahmen der derzeit
7 570 registrierten CDM-Projekte fließt ein Teil in den Anpassungsfonds des
Kyoto-Protokolls zugunsten der am meisten vom Klimawandel betroffenen
Staaten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch sind die finanziellen Zusagen der Bundesregierung für den PAF,

und aus welchem Haushaltstitel speisen sich diese?
2. Wie hoch sind laut Kenntnis der Bundesregierung die finanziellen Zusagen

anderer Geberstaaten für den Fonds?

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3. Wie hoch ist laut Kenntnis der Bundesregierung das durch die Geberstaaten
angestrebte Finanzierungsvolumen des Fonds?

4. Wie ist der Fonds im Einzelnen ausgestaltet, wie funktioniert er genau (bitte
für Nichtfinanzexperten verständliche Erklärung der einzelnen Ebenen und
Schritte), und welche deutschen staatlichen Institutionen sind an seiner
Funktionsweise direkt oder indirekt – sowohl personell als auch finanziell –
beteiligt?

5. Warum will die Bundesregierung über den PAF defizitäre CDM-Projekte
mit staatlichen Garantien absichern?

6. Wie genau, und von wem sollen die CER zurückgezogen werden, die in-
folge des PAF ermöglicht werden, um zu verhindern, dass sie international
auf Emissionshandelsmärkten „auftauchen“?

7. Kann die Bundesregierung garantieren, dass Gutschriften aus PAF-Projek-
ten unter keinen Umständen in Emissionshandelssystemen, wie dem der
EU, „auftauchen“ und dort zur Abrechnung von Emissionsreduktionsver-
pflichtungen dienen?

8. Wie viele CDM-Projekte mit welchem CER-Umfang würden voraussicht-
lich durch den PAF abgesichert werden, und um welche handelt es sich
(bitte Auflistung der Projekte nach Weltregionen)?

9. Wie schätzt die Bundesregierung die durch den PAF abzusichernden CDM-
Projekte hinsichtlich der Kriterien
a) Zusätzlichkeit,
b) soziale und
c) ökologische Nachhaltigkeit ein?

10. Wie hat sich der Preis für CER-Zertifikate seit seiner Einführung entwickelt
(bitte tabellarisch nach Jahr und jährlichem Durchschnittspreis)?

11. Wie viel CER wurden seit 2008 in das ETS eingeführt?
12. Welchen Anteil hat nach Auffassung der Bundesregierung die Einfuhr von

CER aus internationalen Klimaschutzprojekten am Zusammenbruch der
EUA-Preise in Europa, welchen Anteil hat die Überallokation von kosten-
losen EUA an Industrieunternehmen und wie viel die Wirtschaftskrise in
den Jahren 2008/2009?

13. Wie schätzt die Bundesregierung den Einfluss des CDM auf die Bemühun-
gen in der Europäischen Union ein, den EU-Treibausgasausstoß zu senken
und in Europa Investitionen in emissionsarme Technologien zu lenken?

14. Wie sieht die Bundesregierung das Problem der niedrigen CER-Preise im
Hinblick den Finanzierungsbeitrag des CDM zu Anpassungsmaßnahmen im
globalen Süden?

15. Wie sieht die Bundesregierung grundsätzlich die Zukunft der flexiblen Me-
chanismen des Kyoto-Protokolls, und welche Position hat sie diesbezüglich
im Hinblick auf die UN-Klimaverhandlungen in Peru im Jahr 2014 und
Paris im Jahr 2015?

Berlin, den 29. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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