BT-Drucksache 18/2957

Gewaltbereiter Salafismus

Vom 21. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2957
18. Wahlperiode 21.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, Annette
Groth, Andrej Hunko, Kerstin Kassner, Niema Movassat, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Gewaltbereiter Salafismus

Vor dem Hintergrund der Angriffe der Terrororganisation „Islamischer Staat“
(IS) auf kurdische Siedlungsgebiete im Irak und Syrien kam es auch in der
Bundesrepublik Deutschland zu Übergriffen aus dem djihadistischen Milieu auf
vermeintlich Ungläubige sowie zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwi-
schen Salafisten und kurdischen bzw. jesidischen Demonstrantinnen und De-
monstranten. Im Hamburger Stadtteil St. Georg attackierten am 7. Oktober 2014
rund 400 mit Macheten, Messern, Baseballschlägern und Eisenstangen bewaff-
nete Angreifer, von denen zahlreiche dem salafistischen Milieu angehörten, ein
kurdisches Kulturzentrum und verletzten zahlreiche Personen zum Teil schwer.
Laut „SPIEGEL ONLINE“ hatten sich die Salafisten via Facebook zu dem An-
griff verabredet. Auch in Celle kam es zu Auseinandersetzungen zwischen
tschetschenischen Muslimen und Jesidinnen und Jesiden, die gegen die Angriffe
des IS demonstrierten (www.spiegel.de/politik/deutschland/demonstration-gegen-
is-gewalt-zwischen-kurden-und-salafisten-a-995972.html).
Aus mehreren Aufnahmelagern für Asylbewerber, etwa in Hamburg und Berlin-
Marienfelde, wurden zudem Übergriffe von Djihadisten auf christliche und
jesidische Flüchtlinge bekannt. Bei den Angreifern soll es sich sowohl um
Flüchtlinge als auch von außerhalb des Flüchtlingslagers hinzugekommene
Personen gehandelt haben (www.tagesspiegel.de/berlin/fluechtlingsheim-in-
berlin-marienfelde-gewalt-unter-fluechtlingen-eskaliert/10311006.html; http://
archiv.jungewelt.de/2014/09-16/040.php; http://archiv.jungewelt.de/2014/08-15/
044.php).
Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, verurteilte Gewaltak-
tionen am Rande kurdischer Demonstrationen in Deutschland. Er verstehe, dass
Menschen „aufgewühlt sind von den Bildern aus Syrien und Irak“, erklärte der
Bundesinnenminister am Rande des EU-Innenministertreffens in Luxemburg.
„Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn solche Aktionen gewalttätig enden.“
Nach Auffassung der Fragesteller sieht der Bundesinnenminister offensichtlich
die Verantwortung für die gewaltsamen Auseinandersetzungen primär bei den
gegen die Massaker des IS in Syrien und dem Irak protestierenden Kurdinnen und
Kurden und nicht bei den zum Teil bewaffneten salafistischen Angreifern.
Es lägen vermehrt Hinweise darauf vor, „dass es vor allem in kurdischen und je-
sidischen Kreisen, teilweise aber auch in schiitischen Gruppen, eine wachsende
Bereitschaft gibt, mit Gewalt gegen erkannte Salafisten vorzugehen“, heißt es in
einem „SPIEGEL ONLINE“ vorliegenden Schriftstück, das nach einem Treffen
zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und dem Landeskriminalamt in

Drucksache 18/2957 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Nordrhein-Westfalen erstellt wurde. Der „Hass“ auf IS-Sympathisanten könne
sich „jederzeit durch Handgreiflichkeiten entladen“, ohne dass es dazu weiterer
Provokationen bedürfe, wird darin behauptet (www.spiegel.de/politik/
deutschland/kurden-in-deutschland-behoerden-fuerchten-attacken-auf-
salafisten-a-997016.html).
Vor einer Eskalation der angespannten Situation zwischen Kurden und Islamis-
ten in der Bundesrepublik Deutschland warnt das Bundeskriminalamt (BKA) in
einer „SPIEGEL ONLINE“ vorliegenden vertraulichen Lageeinschätzung, die
mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz abgestimmt wurde. Eine Einnahme
Kobanis „mit denkbaren Massakern an der Bevölkerung“ stelle „unter Gefähr-
dungsgesichtspunkten betrachtet“ für Deutschland die nächste Eskalationsstufe
dar. Bilder und Berichte solcher Gräueltaten könnten massive Reaktionen in der
kurdischen Szene insbesondere unter jungen PKK-Anhängerinnen und PKK-
Anhängern auslösen, bei denen bereits jetzt eine „starke Emotionalisierung“
festzustellen sei.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele und welche gewaltsamen Zusammenstöße von Angehörigen des

salafistischen bzw. djihadistischen Milieus und politischen oder religiösen
Gegnerinnen und Gegnern in der Bundesrepublik Deutschland seit Anfang
des Jahres 2013 sind der Bundesregierung bekannt?
a) Was waren jeweils die Hintergründe dieser Auseinandersetzungen?
b) Welche Gruppierungen waren an den Zusammenstößen jeweils beteiligt?
c) Von welcher Seite gingen die Auseinandersetzungen nach Kenntnis der

Bundesregierung jeweils aus?
d) Inwieweit spielte der Bürgerkrieg in Syrien bei den genannten Auseinan-

dersetzungen eine Rolle?
2. In welchen und wie vielen Flüchtlingsunterkünften und Asylbewerberauf-

nahmelagern in der Bundesrepublik Deutschland kam es nach Kenntnis der
Bundesregierung seit Anfang des Jahres 2013 zu Auseinandersetzungen, Ge-
walttaten und Bedrohungen unter Beteiligung von Angehörigen der salafisti-
schen und djihadistischen Szene?
a) Was war jeweils der Auslöser für diese Auseinandersetzungen?
b) Inwieweit waren Personen von außerhalb der jeweiligen Flüchtlingsunter-

künfte und Aufnahmelager in den Auseinandersetzungen verwickelt?
c) Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen diesen Aus-

einandersetzungen und dem Bürgerkrieg in Syrien und dem Irak, und
wenn ja, welchen?

d) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass Angehörige
der salafistischen und djihadistischen Szene als Mitarbeiter privater Si-
cherheitsdienste bei Flüchtlings- und Asylbewerberunterkünften einge-
setzt werden?

e) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den bisherigen
Vorfällen unter Beteiligung von Angehörigen des salafistischen und djiha-
distischen Milieus, um zukünftige Auseinandersetzungen verschiedener
Asylbewerber- und Flüchtlingsgruppen zu vermeiden und die Sicherheit
der nach Deutschland geflüchteten Personen vor Übergriffen von salafis-
tischer bzw. djihadistischer Seite herzustellen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2957
3. Inwieweit sind der Bundesregierung vor dem Hintergrund des syrischen Bür-
gerkrieges getätigte Aufrufe aus dem salafistischen und djihadistischen Mi-
lieu in der Bundesrepublik Deutschland zu Gewalttaten gegen vermeintliche
Ungläubige – insbesondere Aleviten, Schiiten und Jesiden sowie generell
Kurden – bekannt?

4. Sind der Bundesregierung Aufrufe von IS-Anhängern im Nahen Osten be-
kannt, auch in Europa oder Deutschland gewaltsam gegen vermeintliche Un-
gläubige vorzugehen, und wenn ja, welche?
Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang mit den jüngsten
Gewalttaten aus dem Salafistenmilieu in Deutschland?

5. Ist die Aussage vom Bundesinnenminister, Dr. Thomas de Maizière, bezüg-
lich der Gewaltaktionen am Rande kurdischer Demonstrationen in Deutsch-
land, er verstehe, dass Menschen „aufgewühlt sind von den Bildern aus
Syrien und Irak“, habe aber „kein Verständnis dafür, wenn solche Aktionen
gewalttätig enden“, so zu verstehen, dass der Bundesinnenminister den mehr-
heitlich kurdischen IS-Gegnerinnen und IS-Gegnern auf diesen Demonstra-
tionen die Schuld an gewalttätigen Auseinandersetzungen gibt?
a) Wenn ja, wie kommt der Bundesinnenminister zu dieser Einschätzung?
b) Wenn nein, meint der Bundesinnenminister, die Salafisten seien von Bil-

dern aus Syrien und dem Irak aufgewühlt?
6. Inwiefern trifft eine Meldung von „SPIEGEL ONLINE“ zu, wonach das

BKA in einer vertraulichen Lageeinschätzung vor einer Eskalation der ange-
spannten Situation zwischen Kurden und Islamisten in der Bundesrepublik
Deutschland warnt?
a) Worauf gründet sich eine entsprechende Einschätzung?
b) Welche konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit erkennt die

Bundesregierung in diesem Zusammenhang?
c) Trifft es zu, dass nach Lageeinschätzung des BKA eine Einnahme Koba-

nis durch den IS „mit denkbaren Massakern an der Bevölkerung“ für
Deutschland „unter Gefährdungsgesichtspunkten betrachtet“ die nächste
Eskalationsstufe darstelle, und wenn ja, von welchen konkreten Gefähr-
dungsszenarien durch welchen konkreten Personenkreis geht die Bundes-
regierung in diesem Fall aus?

7. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Landesamtes für
Verfassungsschutz und des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen
„dass es vor allem in kurdischen und jesidischen Kreisen, teilweise aber auch
in schiitischen Gruppen, eine wachsende Bereitschaft gibt, mit Gewalt gegen
erkannte Salafisten vorzugehen“?
a) Welche konkreten Hinweise auf geplante Gewalttaten aus den genannten

Gruppierungen gegen Angehörige des salafistischen Milieus liegen der
Bundesregierung vor?

b) Welche gewaltsamen Übergriffe aus den genannten Gruppierungen auf
Salafisten sind der Bundesregierung bekannt geworden?

Berlin, den 21. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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