BT-Drucksache 18/2844

Verkehrssicherheit im Eisenbahnbereich

Vom 8. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2844
18. Wahlperiode 08.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias Gastel, Harald Ebner, Stephan Kühn
(Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verkehrssicherheit im Eisenbahnbereich

Die Berichte über eine ungenügende Verkehrssicherheit im Eisenbahnbereich
häufen sich. Dabei ist die Eisenbahn immer noch eines der sichersten Ver-
kehrsmittel. Laut einem Bericht in der „ARD“ (www.daserste.de/information/
wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/sr/2014/sendung-vom-05022014-
bahnreform-100.html) haben Kontrolleure des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA)
in den letzten zweieinhalb Jahren 100 kritische Sicherheitsprobleme gerügt und
81 Verfahren gegen die Deutsche Bahn AG (DB AG) eingeleitet. Der sich ver-
schlechternde Zustand des Schienennetzes bundeseigener Eisenbahnen hat lei-
der auch Unfälle zur Folge. So zeigt zum Beispiel der Unfallbericht zum Bahn-
unfall in Düsseldorf am 2. Juli 2013 (www.eisenbahn-unfalluntersuchung.de/
SharedDocs/Publikationen/EUB/DE/Untersuchungsberichte/2013/052_
Duesseldorf_Derendorf.pdf?__blob=publicationFile&v=6) auf, dass die Ent-
gleisung eines mit Gefahrengut beladenen Güterzuges auf Mängel an der Gleis-
anlage zurückgeführt werden kann (Kölner Stadt-Anzeiger vom 26. August
2014, S. 3). Eine ungenügende Verkehrssicherheit war nach Auffassung der
Fragesteller auch am 9. Juni 2013 nach dem schweren Unwetter in Nordrhein-
Westfalen durch ein schlechtes Krisenmanagement von Seiten der DB AG ge-
geben. Die Räumung der Schienenwege dauerte um ein vielfach längeres als die
der Straße. Für das Ausmaß der Schäden war unter anderem auch die allgemein
vernachlässigte Vegetationskontrolle von DB Netz AG eine Ursache (Eisen-
bahn-Revue International 8-9/2014, S. 8510). Letztere führt immer wieder zu
Sicherheitsproblemen. So kam es zum Beispiel erst am 22. September 2014 auf-
grund eines umgestürzten Baumes zwischen Ingolstadt und München zu einem
ICE-Unfall. Von den 200 Passagieren wurde zum Glück niemand verletzt, der
Zug erreichte aber erst gegen 4 Uhr früh mit fast sechs Stunden Verspätung den
Münchner Hauptbahnhof (Eßlinger Zeitung vom 23. September 2014, S. 8).

Wir fragen die Bundesregierung:
Kontrollen durch die DB AG und das EBA
1. Trifft es zu, dass die Kontrolleure des EBA in den letzten zweieinhalb Jahren

mehr als 100 kritische Sicherheitsprobleme rügten, und deshalb 81 Verfahren
gegen die DB AG einleiteten (Bericht in der ARD, wiedergegeben im Kölner
Stadtanzeiger vom 26. August 2014)?

Drucksache 18/2844 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele und welche Sicherheitsprobleme wurden vom EBA im ersten
Halbjahr 2014 gerügt (bitte jeweils Art des Sicherheitsproblems, genaue
Beschreibung des angetroffenen Zustands gegenüber dem vorgeschriebe-
nen Zustand, präzise Ortsangabe, Anzahl vorhergehender Rügen zum sel-
ben Mangel darstellen)?

3. Weshalb sind die Richtlinien der DB Netz AG für die Instandhaltung von
Eisenbahnbrücken und -tunneln nicht öffentlich zugänglich, und welche
Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus,
dass die DB AG auf Anfrage eines Bundestagsabgeordneten diese Richt-
linie nur gegen die Zahlung einer Gebühr zur Verfügung stellen möchte
(Mail der DB AG vom 11. September 2014 an den Abgeordneten Matthias
Gastel)?

4. Welche Systematik bei der DB Netz AG zur Erkennung von Mängeln an
Gleisanlagen ist der Bundesregierung bekannt, und hält sie diese für ausrei-
chend?

5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Aussage in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 28. August 2014, wonach
die gleisverantwortlichen Personen bei der DB Netz AG für die Untersu-
chung des Zustandes von 42 Metern Gleisanlagen nur eine Minute Zeit zur
Verfügung hätten?

Eisenbahnunfall in Düsseldorf am 2. Juli 2013
6. Wie konnte es aus Sicht der Bundesregierung geschehen, dass bei der

Zugentgleisung in Düsseldorf-Derendorf am 2. Juli 2013 offenbar mit
bloßem Auge erkennbare Mängel an der Gleisanlage a) nicht erkannt und
b) nicht behoben wurden (Kölner Stadt-Anzeiger vom 26. August 2014)?

7. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Ergebnisse der
nach dem Gleisunfall in Düsseldorf von der DB AG durchgeführten
Sonderinspektionen baugleicher Gleisabschnitte (Stuttgarter Zeitung vom
28. August 2014)?

8. Vor dem Hintergrund dass die Bahnschwellen bis zu 60 Jahre alt und teil-
weise so verrottet waren, dass darauf die Gleise nicht mehr richtig befestigt
werden konnten und Experten den Austausch von hölzernen Schwellen
nach 35 Jahren empfehlen (Kölner Stadtanzeiger vom 26. August 2014 un-
ter Verweis auf den Unfallbericht des Eisenbahnbundesamtes), auf welchen
Streckenabschnitten nach Kenntnis der Bundesregierung noch Schwellen
eingebaut sind, die älter sind als 35 Jahre?

Sicherheit bei Stuttgart 21
9. Welche Beschränkungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf-

grund der Steigung von bis zu 25 Promille im Fildertunnel für Züge aus dem
internationalen Verkehr aus Sicherheitsgründen oder anderen Gründen
(diese Frage wurde von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache
18/2416 nicht beantwortet)?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof
vorgesehene Längsneigung im Hinblick auf
a) die mögliche Gefahr, dass Züge ungewollt ins Rollen kommen,
b) die mögliche Gefahr, dass die Zugbildung erschwert wird,
c) die mögliche Gefahr, dass Fahrtrichtungswechsel erschwert werden,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2844
d) die mögliche Haftungsfrage für den Lokomotivführer im Falle des un-
kontrollierten Wegrollens und

e) die mögliche Gefahr für Reisende, besonders für Kinderwagen und Roll-
stühle

(Fragen 10a bis 10d wurden von der Bundesregierung weder auf Bundes-
tagsdrucksache 18/2416 noch auf Bundestagsdrucksache 17/5700 beant-
wortet, auf die verwiesen wurde)?

11. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass aufgrund der Längs-
neigung im geplanten neuen Stuttgarter Hauptbahnhof bei Zugwendungen
der Führerstand, der bei Einfahrt des Zuges besetzt war, so lange in voller
Einsatzbereitschaft besetzt bleiben muss, bis der andere Führerstand mit
uneingeschränkt einsatzbereitem Personal besetzt ist (Diese Frage wurde
von der Bundesregierung weder auf Bundestagsdrucksache 18/2416 noch
auf Bundestagsdrucksache 17/5700 beantwortet, auf die verwiesen
wurde.)?

12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Gutachten vom Verkehrsclub Deutschland e. V. (VCD) und dem
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) (www.vcd.org/
vorort/baden-wuerttemberg/themen/stuttgart21/)?

13. Trifft es zu, dass der „Nachweis gleicher Sicherheit“ in den Planfeststel-
lungsbeschlüssen fehlt (Stuttgarter Zeitung Online vom 5. Oktober 2014)?

14. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorwurf des Gutachters, geäußert in der „Stuttgarter Zeitung On-
line“ am 5. Oktober 2014, es sei politischer Einfluss auf das EBA genom-
men worden?

15. Inwieweit wirkt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die bei Gleisdop-
pelbelegungen auf 20 km/h reduzierte Einfahrtgeschwindigkeit (siehe Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/2416) auf die Leistungs-
fähigkeit des geplanten Tiefbahnhofes aus?

Unwetter in Nordrhein-Westfalen am 9. Juni 2014
16. Wie viele Helferinnen und Helfer der Feuerwehr und des Technischen

Hilfswerks wurden nach nach Kenntnis der Bundesregierung dem Unwetter
am 9. Juni 2014 in Nordrhein-Westfalen von der DB AG angefordert, um
bei der Beseitigung von umgestürzten Bäumen auf Schienenwegen zu hel-
fen, und hält die Bundesregierung diese Zahl angesichts der Schwere des
Unwetters für ausreichend?

17. Warum hat die Wiederfreigabe der Schienenstrecke nach Kenntnis der Bun-
desregierung nach dem Unwetter am 9. Juni 2014 in Nordrhein-Westfalen
deutlich länger gedauert als die der Straßen?

18. Hält die Bundesregierung eine höhere Priorisierung von Bahnstrecken ge-
genüber Straßenstrecken hinsichtlich des Befreiens von Windwurf nach
starken Unwettern für sinnvoll?

19. Hätte das Ausmaß des Schadens aus Sicht der Bundesregierung durch eine
bessere Vegetationskontrolle vermindert werden können?

Eisenbahnunfall in Mannheim am 1. August 2014
20. Warum kann man, wie im Zwischenbericht zum Eisenbahnunfall in Mann-

heim am 1. August 2014 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale
Infrastruktur (Ausschussdrucksache 18(15)107) dargestellt, nach andert-

Drucksache 18/2844 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
halb Monaten noch immer nichts zum Streckenkundenachweis sowie zum
Schichtverlauf des Triebfahrzeugführers des betroffenen Güterzuges an die-
sem Tag sagen, obwohl diese Unterlagen nach Auffassung der Fragesteller
womöglich von großer Bedeutung sind und zudem verhältnismäßig schnell
zu beschaffen und auszuwerten sein müssten?

21. Hält die Bundesregierung es für notwendig, die Kompetenzen der Unter-
suchungsstelle zu stärken, besonders bezüglich deren Kompetenz zum
schnellen Erzwingen von Unterlagen zur Unfallaufklärung?

22. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Forderung nach der Festschreibung bundesweiter, für alle verpflich-
tende Fahr- und Ruhezeiten für Lokführer sowie deren Erfassung und die
Einführung einer elektronischen Identitätskarte für Lokomotivführer, auf
dem Fahr- und Ruhezeiten erfasst werden?

23. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Forderung, die Deckungssumme der für Eisenbahnverkehrsunter-
nehmen verpflichtenden „Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch
Unfälle beim Betrieb einer Eisenbahn verursachten Personenschaden und
Sachschäden […] (EBHaftPfIV) zukünftig auf „unbegrenzt“ hochzusetzen?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung aus der Forderung nach einem vergleich-
baren und abgestimmten, europaweiten Prüfungssystem für Lokomotivfüh-
rer?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung aus der Forderung der Einführung eines
jährlich verpflichtenden Trainings und mindestens einer jährlichen Über-
wachung an einem Fahrsimulator für Lokomotivführer festzuschreiben?

26. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung aus Sicherheitsgründen nicht drin-
gend geboten, die Untersuchungsdauer von Eisenbahnunfällen zu verkür-
zen?

27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Aussage, dass der betroffene Güterzug zuvor eine Baustelle im zeit-
weise eingleisigen Betrieb passieren und dabei die Signale des benachbar-
ten richtigen Gleises beachten musste und die dabei entstandene Unklarheit
über das örtliche Ende dieser Betriebsform für den Unfallhergang von Be-
deutung sein könnte (siehe Eisenbahn-Revue 10/2014, S. 497)?

Vegetationskontrolle bei der Eisenbahn
28. In wie vielen Fällen musste im Jahr 2013, aufgrund von auf die Gleise ge-

stürzter Bäume, nach Kenntnis der Bundesregierung der Bahnbetrieb auf
dem Schienennetz der bundeseigenen Eisenbahnen unterbrochen werden
(bitte die Betriebsunterbrechungen nach Datum, örtlicher Lage und Dauer
der Störung tabellarisch darstellen), und hätten die jeweiligen Störungen
durch bessere Vegetationskontrolle verhindert werden können?

29. In wie vielen Fällen kam es im Jahr 2013, aufgrund von auf die Gleise ge-
stürzter Bäume, nach Kenntnis der Bundesregierung zu Eisenbahnunfällen
auf dem Schienennetz der bundeseigenen Eisenbahnen (bitte die Unfälle
nach Datum und örtlicher Lage, Schadenshöhe, Anzahl verletzter Fahrgäste
tabellarisch darstellen), und hätten die jeweiligen Störungen durch bessere
Vegetationskontrolle verhindert werden können?

30. Sieht die Bundesregierung einen Handlungsbedarf zur Verbesserung der
Vegetationskontrolle an den Schienenwegen der bundeseigenen Eisenbah-
nen, und was gedenkt sie ggf. zu tun, um dem Handlungsbedarf nachzu-
kommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2844
31. In welchen Intervallen hat die Deutsche Bundesbahn 1990 durchschnittlich
die Vegetation entlang von Strecken überprüft und zurückgeschnitten, und
in welchen Intervallen wird dies nach Kenntnis der Bundesregierung heute
durch die DB Netz AG durchschnittlich vorgenommen?

32. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung richtig, dass das Beschneiden der
Vegetation entlang der Bahnstrecken durch eine „periodische Großinstand-
setzung“ ersetzt wurde, und seither der Bund über Investitionszuschüsse da-
für aufkommt (siehe Der Westen vom 23. September 2014)?

Berlin, den 8. Oktober 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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