BT-Drucksache 18/2801

Kenntnisse der Bundesregierung über Aktivitäten des IS in der Türkei

Vom 9. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2801
18. Wahlperiode 09.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Jan van Aken, Annette Groth,
Kerstin Kassner, Niema Movassat, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Kenntnisse der Bundesregierung über Aktivitäten des IS in der Türkei

Die türkische Regierung steht seit Langem im Verdacht, die Aktivitäten der Ter-
rororganisation „Islamischer Staat“ (IS, davor auch ISIS/ISIG), auf ihrem Terri-
torium zu tolerieren oder sogar aktiv zu unterstützen. Der IS hat im Juni 2014 in
Teilen des Iraks und Syriens ein Kalifat ausgerufen und begeht schwerste Ver-
brechen, vor allem gegenüber Angehörigen religiöser Minderheiten, wie Jesiden,
Alaviten und Christen, sowie generell gegenüber Frauen. „Das Gespann Erdo-
gan/Davutoglu hat regelrecht ,Geburtshilfe‘ für den ,Islamischen Staat‘ an der
gesamten Südgrenze zu unserem Land geleistet“, schrieb der bekannte türkische
Journalist Cengiz Çandar über den früheren Minister- und jetzigen Staatspräsi-
denten Recep Tayyip Erdogan und seinen Nachfolger als Ministerpräsident, den
früheren Außenminister Ahmet Davutoglu (Radikal, 9. August 2014). Der Isla-
mische Staat verdanke insbesondere der Türkei seinen gegenwärtigen Erfolg,
bekundete auch ein Kommandant der dschihadistischen Organisation freimütig
gegenüber Journalisten der Washington Post (www.washingtonpost.com/world/
how-turkey-became-the-shopping-mall-for-the-islamic-state/2014/08/12/
5eff70bf-a38a-4334-9aa9-ae3fc1714c4b_story.html).
Die Türkei ist wegen ihrer kaum kontrollierten Ein- und Ausreise für westliche
Staatsangehörige entlang ihrer mehr als 1 200 Kilometer langen Grenzen zum
Irak und Syrien zum zentralen Transitland für Dschihadisten aus aller Welt ge-
worden. Die Ein- und Durchreise geschieht Medienberichten zufolge nicht nur
mit Wissen und Billigung türkischer Behörden, diese stellten auch die nötige
logistische Unterstützung einschließlich Wohn- und Trainingsmöglichkeiten
bereit. In Syrien bei Gefechten verwundete Dschihadisten werden in türkischen
Krankenhäusern versorgt. Über den türkischen Nachrichtendienst Millî
İstihbarat Teşkilâtı (MİT) sollen zudem hunderte Wagenladungen mit Waffen
und Munition an die in Syrien kämpfenden Oppositionsgruppen gebracht worden
sein, die auch in die Hände des IS gelangten (www.kurdistan-report.de/index.
php/archiv/2014/32-kr-175-september-oktober-2014/176-an-der-brust-der-akp;
www.en.firatajans.com/news/news/akp-opens-hospital-for-isis-members-in-
antep.htm). Diese Waffen- und Munitionslieferungen gingen nach Informationen
des „Kurdischen Büros für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad“ in Frankfurt am
Main, aber auch des Vorsitzenden der in Rojava (Nordsyrien) einflussreichen
Partei der Demokratischen Union (PYD), Salih Muslim, auch während des am
15. September 2014 begonnenen Großangriffs des IS auf den kurdischen Kanton
Kobani im Norden Syriens, durch den eine Massenflucht in die Türkei ausgelöst
wurde, weiter. Augenzeugen berichten von Zügen, mit denen Waffen und Muni-
tionskisten an die Grenze gegenüber der unter IS-Kontrolle stehenden Stadt Til
Abyad gebracht und von IS-Kämpfern abgeholt wurden (www.civaka-azad.org/
die-militaerischen-auseinandersetzungen-verschaerfen-sich-anti-oder-anti-

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rojava-koalition/; www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/islamischer-
staat-in-syrien-ziel-des-is-ist-ein-genozid-an-den-kurden-13165171.html). Einen
Tag vor Beginn der Großoffensive auf Kobani sollen bis zu 3 000 IS-Kämpfer
unter Aufsicht des türkischen Militärs mit Bussen an die Grenze gebracht
worden sein (www.en.firatajans.com/news/news/thousands-of-isis-members-
crossed-border-with-turkish-support.htm). Die Türkei gehört zudem zu den Ab-
nehmern von geschmuggeltem Öl aus den vom IS kontrollierten Ölquellen im
Irak und Syrien, das zur Haupteinnahmequelle der Terrororganisation geworden
ist (www.wsj.de/nachrichten/SB1182838321178423387650458015733330350
4038?mg=reno64-wsjde).
Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ sprach der Nahostexperte der regierungs-
nahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Guido Steinberg, von einer
„sehr ambivalenten Politik“ der Türkei gegenüber dem IS. In Grenzgebieten
westlich und östlich der syrisch-kurdischen Stadt Kobani (Ain al Arab), die der
IS schon kontrolliere, komme es zu einem „regen Grenzaustausch“. Der IS
könne Kämpfer in die Türkei zurückziehen und umgekehrt neue Kämpfer nach
Syrien einschleusen. Bereits zuvor habe die türkische Regierung die IS-Vorläu-
ferorganisation in Syrien, die zum Al-Qaida-Netzwerk zählende Al-Nusra-
Front, unterstützt und dulde weiterhin deren Aktivitäten. Ziel Ankaras sei wei-
terhin der Sturz der syrischen Regierung von Präsident Bashar al Assad, und der
IS stelle eine wichtige aufständische Organisation in Syrien da, erklärt der SWP-
Mitarbeiter die türkische Politik. Zudem gehe es der türkischen Regierung da-
rum, zu verhindern, dass die PYD als syrische Schwesterorganisation der Arbei-
terpartei Kurdistans (PKK) in den kurdischen Siedlungsgebieten im Norden
Syriens weiter erstarkt und eine Autonomiezone errichtet. „Diese beiden Motive
scheinen für die Türkei bisher immer noch wichtiger gewesen zu sein, als der
Wunsch, eine terroristische Organisation wie IS in die Schranken zu weisen, und
es gibt bisher noch keine Hinweise darauf, dass sich an diesen Grundlinien der
türkischen Politik etwas geändert hat“, erklärte Guido Steinberg
(www.deutschlandfunk.de/vormarsch-der-is-milizen-die-tuerkei-muss-sich-
sorgen-machen.694.de.html?dram:article_id=298183).
Die türkische Regierung hat stets eine Unterstützung des IS bestritten. Sie wei-
gerte sich allerdings bislang, die Organisation als terroristisch zu bezeichnen.
Unter Verweis auf 49 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des türkischen General-
konsulats in Mosul, die im Juni 2014 vom IS als Geiseln genommen wurden und
nach dreimonatiger Gefangenschaft am 20. September 2014 nach Verhandlun-
gen des MİT mit dem IS freikamen, verweigerte die türkische Regierung lange
einen Beitritt zu der unter Federführung der USA gebildeten Allianz gegen den
IS. Wie ein das der armenisch-türkischen Wochenzeitung „Agos“ zugespieltes
Dokument der US-Administration zeigt, hält die US-Regierung dies nur für
vorgeschoben. Die Türkei habe die Grenzen für die Dschihadisten vielmehr
bewusst geöffnet und diese mit Waffen und Logistik versorgt, um ihre eigene
Stellung in der Region zu stärken (www.agos.com.tr/makale.php?seo=
erdoganobama-gorusmesinin-gercek-metnini-acikliyorum&detay=957&fb_
action_ids=10202921580624051&fb_action_types=og.likes; www.der-
kosmopolit.de/2014/09/usa-veroffentlicht-internen-bericht-zu.html). Auf der
UN-Generalversammlung in New York am 24. September 2014 schloss der tür-
kische Präsident Recep Erdogan eine Beteiligung seines Landes an militärischen
Maßnahmen gegen den IS nicht mehr aus (www.spiegel.de/politik/ausland/
islamischer-staat-in-syrien-erdogan-deutet-beteiligung-der-tuerkei-an-a-
993461.html). Das türkische Parlament erteilte am 2. Oktober 2014 der Regie-
rung ein Mandat für grenzüberschreitende Militäreinsätze in den Irak und nach
Syrien, das auch die mögliche Errichtung einer Sicherheitsszone in Nordsyrien
enthält. Eine solche Maßnahme käme einer „Unterstützung und Komplementie-
rung der Angriffe des IS“ gleich, erklärte die Gemeinschaft der Gesellschaften
Kurdistans (KCK), der sowohl die in Rojava führende PYD als auch die mit

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ihren Kämpfern ebenfalls an der Verteidigung Kobanis beteiligte PKK angehört.
Die KCK ruft die Bevölkerung in den kurdischen Gebieten der Türkei und von
Rojava dazu auf, mit allen Mitteln gegen diese Pläne, die blanker Ausdruck
einer Feindschaft zu Rojava seien, Widerstand zu leisten (www.nadir.org/nadir/
initiativ/isku/pressekurdturk/2014/39/08.htm). Damit droht ein Ende des seit
rund zwei Jahren laufenden Friedensprozesses und Waffenstillstandes zwischen
der PKK und der türkischen Regierung. Da der IS über keine Flugzeuge verfügt,
würde sich die Durchsetzung einer von der türkischen Regierung geforderten
Flugverbotszone alleine gegen die Luftwaffe der syrischen Regierung richten
(www.hurriyetdailynews.com/lack-of-no-fly-zone-in-syria-aided-isil-turkish-
pm-says.aspx?PageID=238&NID=71956&NewsCatID=338). Die Fragesteller
fürchten zudem, dass den in der Türkei stationierten Patriotraketen-Einheiten
der NATO, darunter auch Bundeswehr-Einheiten, eine zentrale Rolle bei der Er-
richtung einer solchen Flugverbotszone zukommen wird, die durch das augen-
blickliche Mandat für den Patrioteinsatz nicht gedeckt ist. Die niederländischen
Einheiten ziehen sich nach dem Jahresende zurück, da die „Bedrohungslage, die
dem Bundestagsmandat zugrunde gelegt wurde, [nicht existiert]“ (www.neues-
deutschland.de/artikel/943798.niederlande-ziehen-raketen-aus-tuerkei-ab.html).
Der IS nutzt nicht nur die Türkei als Transitland und logistische Basis, sondern
ist längst auch in der Türkei aktiv und rekrutiert dort neue Anhänger. In einem
Bericht des türkischen Geheimdienstes MİT heißt es bezüglich der Aktivitäten
der Terrororganisation in der Türkei: „Der ISIS ist sehr stark geworden und wir
haben ihn nicht mehr unter Kontrolle.“ In dem Bericht heißt es, dass weiterhin
Freiwillige aus aller Welt über die Türkei nach Syrien gelangen. Türkische Si-
cherheitskräfte befürchten zudem Anschläge durch IS-Zellen in der Türkei
(www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-im-kampf-gegen-islamischen-staat-
erdoans-zoegern-im-kampf-gegen-is-1.2142693; www.tagesspiegel.de/politik/
angriffe-auf-is-in-syrien-tuerkei-geht-auf-distanz-zu-den-usa/10743572.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Liegen der Bundesregierung Hinweise auf eine Duldung oder sogar aktive

Unterstützung der Aktivitäten des IS und seiner Vorläuferorganisationen ein-
schließlich der Al-Nusra-Front durch die türkische Regierung oder türkischen
Behörden vor, und wenn ja, welche, und welche Schlussfolgerungen und
Konsequenzen zieht sie daraus?

2. Hat die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung die mögliche
Duldung oder sogar aktive Unterstützung von Aktivitäten des IS durch türki-
sche Behörden thematisiert, und wenn ja, wann, bei welcher Gelegenheit und
mit welchem Ergebnis?

3. Hält die Bundesregierung das bisherige Engagement der türkischen Regie-
rung und ihrer Behörden gegen den IS und die Al-Nusra-Front für glaubwür-
dig und ausreichend, und wenn nicht, welche Schritte erwartet sie sich von
ihrem türkischen NATO-Partner bei der Bekämpfung des dschihadistischen
Terrorismus?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den im Magazin „FOCUS“ genannten
Klagen aus dem Bundeskriminalamt (BKA), wonach es Politikern auch in
Deutschland aus Angst vor Konflikten mit Recep Tayyip Erdogan „an
Mumm“ fehle, um die Unterstützung türkischer Behörden für „islamistische
Gewalttäter“ und die Nutzung des NATO-Landes als „Basis“ für IS-Kämpfer
zu thematisieren, und wenn ja, wie reagiert sie auf derartige Unterstellungen
aus dem BKA (www.focus.de/politik/ausland/report-abflug-in-den-terror_
id_3969459.html)?

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5. Inwieweit sind der Bundesregierung Klagen oder Beschwerden von NATO-
und EU-Staaten über ein zu geringes Engagement der Türkei im Kampf ge-
gen den IS, das Dulden von IS-Aktivitäten oder eine direkte Unterstützung
des IS durch türkische Behörden bekannt?

6. Hat die Bundesregierung Kenntnis von einem in der armenisch-türkischen
Wochenzeitung „Agos“ am 12. September 2014 veröffentlichten internen Pa-
pier der US-Administration, in dem die türkische Regierung beschuldigt
wird, absichtlich die Grenzen für IS-Kämpfer offen zu halten und diese mit
Waffen auszustatten, um so ihre eigene Stellung in der Region zu stärken, und
wenn ja, ist dieses Papier aus ihrer Sicht authentisch und der darin geschil-
derte Sachverhalt zutreffend, und welche Konsequenzen bezüglich ihres Ver-
hältnisses zur Türkei zieht die Bundesregierung in diesem Fall?

7. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Türkei-Experten
der SWP, Guido Steinberg, wonach die Motive des Sturzes der syrischen
Regierung von Präsident Bashar al Assad einerseits und die Verhinderung
einer kurdischen Autonomieregion unter Führung einer PKK-Schwesterpar-
tei im Norden Syriens für die türkische Regierung andererseits „bisher immer
noch wichtiger gewesen zu sein“ scheinen, „als der Wunsch, eine terroristi-
sche Organisation wie IS in die Schranken zu weisen, und es gibt bisher noch
keine Hinweise darauf, dass sich an diesen Grundlinien der türkischen Politik
etwas geändert hat“, und welche Schlussfolgerungen bezüglich ihres Verhält-
nisses zur Türkei zieht die Bundesregierung aus so einer Einschätzung?

8. Welche Maßnahmen hat die türkische Regierung nach Kenntnis der Bundes-
regierung bislang getroffen, um ein Überqueren der türkisch-syrischen
Grenze durch Kämpfer des IS zu verhindern?
a) Wurden diese Maßnahmen entlang der gesamten türkisch-syrischen

Grenze oder nur in Teilbereichen getroffen?
b) Inwieweit sind diese Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung er-

folgreich?
c) Welche weitergehenden Maßnahmen zur Absicherung der türkisch-syri-

schen Grenze gegen die Ein- und Ausreise von IS-Kämpfern müssten nach
Ansicht der Bundesregierung von der Türkei getroffen werden?

d) Inwieweit kann die Bundesregierung nach ihrer Kenntnislage einen vom
Nahost-Experten der SWP, Guido Steinberg, behaupteten „regen Grenz-
austausch“ von IS-Kämpfern über die türkisch-syrische Grenze im Gebiet
um die syrisch-kurdische Region Kobani (Ain al Arab) bestätigten?

e) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass mehrere Tau-
send IS-Kämpfer vor dem IS-Großangriff auf Kobani unter Aufsicht des
türkischen Militärs auf türkischer Seite der Grenze in die Region gebracht
wurden?

9. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Waffen- und Muni-
tionslieferungen durch den türkischen Geheimdienst MİT oder die türkischen
Streitkräfte an den IS und die Al-Nusra-Front in Syrien?
a) Welche und wie viele Waffen und wie viel Munition wurden wann und auf

welchem Weg von türkischen Behörden oder unter deren Aufsicht an wel-
che in Syrien kämpfenden Gruppierungen geliefert?

b) Sind der Bundesregierung Berichte kurdischer Politikerinnen und Politi-
ker sowie Medienberichte über Waffen- und Munitionslieferungen durch
Züge und Militärfahrzeuge an den IS vor und während des Großangriffs
der Terrororganisation auf den kurdischen Kanton Kobani in der dritten
Septemberwoche 2014 bekannt, und wenn ja, wie und aufgrund welcher
Erkenntnisse beurteilt sie den Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2801
10. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Versorgung ver-
wundeter IS-Kämpfer in türkischen Krankenhäusern sowie die Existenz ei-
gener Dschihadisten-Krankenhäuser bzw. über abgetrennte Stationen in
Krankenhäusern?
a) Wie viele Dschihadisten – und wie viele IS-Mitglieder darunter – wurden

seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in der Türkei behandelt?

b) Inwieweit stehen die Krankenhäuser und Krankenstationen für verwun-
dete Syrien-Kämpfer nach Kenntnis der Bundesregierung mit der türki-
schen Regierung oder von der Regierungspartei AKP regierten Kommu-
nen in Verbindung, und welche Unterstützung erhalten sie von dieser
Seite?

c) Inwieweit sind der Bundesregierung Erklärungen der türkischen Regie-
rung über die medizinische Versorgung verwundeter Syrien-Kämpfer in
türkischen Krankenhäusern bekannt?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Existenz von Ausbil-
dungscamps des IS auf türkischem Territorium?
a) Wo befinden bzw. befanden sich diese Camps nach Kenntnis der Bundes-

regierung, und wie viele IS-Kämpfer halten sich dort auf?
b) Welche Maßnahmen hat die türkische Regierung gegenüber diesen

Camps nach Kenntnis der Bundesregierung ergriffen?
c) Ist der Bundesregierung ein Bericht des türkischen Menschenrechtsver-

eins İnsan Hakları Derneği (İHD) bekannt, wonach das Karkamis-
Flüchtlingslager bei Sanliurfa-Birecik im Juli 2014 als Ausgangsbasis
für IS-Angriffe auf Kobani gedient habe, und wenn ja, für wie zutreffend
hält die Bundesregierung diese Darstellung?

12. Ist der Bundesregierung ein von der prokurdischen Tageszeitung „Yeni
Özgür Gündem“ veröffentlichtes Schreiben des damaligen türkischen In-
nenministers Muammer Güler an den Gouverneur der Provinz Hatay vom
15. März 2013 bekannt, in dem die Behörden angewiesen werden, die unter
Kontrolle des türkischen Geheimdienstes MİT stehenden ausländischen
dschihadistischen Kämpfer bei ihrem Transit nach Syrien durch die Bereit-
stellung von Wohn- und Trainingsmöglichkeiten, etwa in Gebäuden des
staatlichen Religionsamtes, zu unterstützen, da diese im Einklang mit regio-
nalen Interessen der Türkei kämpfen (www.ozgur-gundem.com/index.php?
haberID=84651&haberBaslik=%C4%B0%C5%9ETE%20EL%20NUSRA%
E2%80%99YA%20DESTEK%20BELGES%C4%B0!&action=haber_
detay&module=nuce), und wenn ja,
a) wie beurteilt die Bundesregierung den Wahrheitsgehalt dieses Briefes,
b) welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Inhalt

dieses Schreibens bezüglich der Glaubwürdigkeit der Türkei im Kampf
gegen als terroristisch eingestufte dschihadistische Gruppierungen?

13. Welche Kräfte (IS, Freie Syrische Armee, YPG/PYD, syrische Regierung
etc.) kontrollieren nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit die Grenz-
übergänge zwischen Syrien und der Türkei auf syrischer Seite?
a) Seit wann stehen die jeweiligen Grenzübergänge unter Kontrolle welcher

Gruppierung?
b) Über welche dieser Grenzübergänge findet nach Kenntnis der Bundesre-

gierung Grenzverkehr statt, und um welche Art von Grenzverkehr han-
delt es sich?

Drucksache 18/2801 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
c) Über welche dieser Grenzübergänge passierten und passieren nach
Kenntnis der Bundesregierung IS-Kämpfer und Kämpfer anderer dschi-
hadistischer Gruppierungen?

d) Über welche dieser Grenzübergänge können Transporte mit humanitären
Gütern passieren, und inwieweit gibt es hier Einschränkungen durch die
türkischen Grenzposten oder die jeweiligen Grenzkontrolleure auf syri-
scher Seite?

e) Welche Grenzübergänge nach Syrien wurden wann und aus welchem
Grund vonseiten der Türkei geschlossen, zugemauert oder sind nur ein-
geschränkt nutzbar?

14. Welche Erkenntnisse über den Verkauf von geschmuggeltem Öl, das aus
von IS-kontrollierten Quellen im Irak und Syrien stammt, in der Türkei hat
die Bundesregierung?
a) Auf welche Weise und über welche Wege wird Öl aus IS-kontrollierten

Quellen nach Kenntnis der Bundesregierung in die Türkei transportiert?
b) Auf wie hoch schätzt die Bundesregierung die Einnahmen des IS durch

Ölschmuggel in die Türkei?
c) Inwieweit sind türkische Behörden oder das Militär nach Kenntnis der

Bundesregierung an diesem Ölschmuggel bzw. dem Kauf geschmuggel-
ten Öls aus IS-kontrollierten Quellen beteiligt?

d) Inwieweit haben türkische Behörden bislang Maßnahmen gegen einen
solchen Ölschmuggel getroffen?

e) Sind der Bundesregierung die Vorwürfe der Botschafterin der Europä-
ischen Union (EU) im Irak, Jana Hybaskova, bekannt, wonach mehrere
Mitgliedstaaten der EU über Zwischenhändler geschmuggeltes Öl aus
Quellen, die vom IS kontrolliert werden, kaufen und damit die Terror-
organisation finanzieren, und wenn ja, um welche EU-Staaten handelt es
sich dabei nach Kenntnis der Bundesregierung (www.bz-berlin.de/welt/
eu-laender-finanzieren-isis-durch-oelimport-2)?

15. Inwiefern treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Medienberichte zu,
wonach europäische Staaten, darunter Deutschland, Großbritannien, Frank-
reich, die Niederlande und Belgien, über Interpol mit der Türkei Informa-
tionen von 4 700 mutmaßlichen Dschihadisten, die über die Türkei nach
Syrien einreisen wollten, geteilt haben (www.hurriyetdailynews.com/turkey-
sends-back-830-european-jihadists-.aspx?PageID=238&NID=71565&News
CatID=510)?
a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass türkische

Behörden in den letzten zwei Jahren 830 Bürger aus EU-Staaten, die sich
dschihadistischen Gruppen in Syrien anschließen wollten, festgenom-
men und abgeschoben haben sollen?

b) Aus welchen EU-Staaten stammten diese Personen nach Kenntnis der
Bundesregierung?

c) Inwieweit, wann und bei welcher Gelegenheit hat die türkische Regie-
rung die Bundesregierung über die Festnahme und Abschiebung von
EU-Bürgern, die sich dschihadistischen Gruppen in Syrien anschließen
wollten, informiert?

16. Inwieweit treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Recherchen des Ma-
gazins „FOCUS“ bei Polizei- und Geheimdienstbehörden mehrerer EU-
Staaten zu, wonach türkische Regierungsstellen „wichtige Informationen
über junge fanatische Islamisten aus Deutschland, Frankreich, Belgien oder
Großbritannien, die über das Transitland Türkei ungehindert zu den

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Schlachtfeldern im Irak und in Syrien anreisen können“, verweigerten
(www.focus.de/politik/ausland/report-abflug-in-den-terror_id_3969459.html)?

17. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, dass 91 IS-Mitglieder
aus Tadschikistan am 2. Juli 2014 mit Flug 254 von Turkish Airlines von
Dushanbe nach Istanbul geflogen seien und von dort in den Irak transferiert
worden sein sollen und bis zu diesem Zeitpunkt bereits rund 1 000 tadschi-
kische IS-Kämpfer von Turkish Airlines in den Irak gebracht worden sein
sollen (www.diclehaber.com/en/news/content/view/410973?from=
4261604361)?

18. Welche Informationen hat die Bundesregierung über türkische Pläne zur Er-
richtung einer Puffer- und Flugverbotszone entlang der türkisch-syrischen
Grenze?
a) Hat die türkische Regierung die Bundesregierung direkt – oder indirekt

über NATO-Gremien – über ihre Pläne zur Errichtung einer Puffer- und
Flugverbotszone informiert, und wenn ja, wann und bei welcher Gele-
genheit?

b) Welche Reichweite soll nach Kenntnis der Bundesregierung eine solche
Puffer- und Flugverbotszone haben, und wie weit soll sie sich auf syri-
sches Territorium erstrecken?

c) Welche Ziele im Einzelnen verfolgt die türkische Regierung nach Kennt-
nis der Bundesregierung mit der geplanten Errichtung einer Puffer- und
Flugverbotszone?

d) Inwieweit sind der Bundesregierung Forderungen von Oppositionsgrup-
pen aus Syrien, der Selbstverwaltungsregierung in Rojava oder von Ver-
tretern der in Nordsyrien lebenden Bevölkerungsgruppen nach Errich-
tung einer Puffer-, Flugverbots-, oder Schutzzone (bitte einzeln benen-
nen) oder auch explizite Ablehnungen solcher Maßnahmen bekannt?

e) Wie steht die Bundesregierung zu türkischen Forderungen nach Einrich-
tung einer Puffer- und Flugverbotszone?

f) Inwiefern hat die Bundesregierung schon selbst Überlegungen über die
Sinnhaftigkeit einer Flugverbotszone angestellt, und zu welchen
Schlussfolgerungen kam sie dabei?

19. Inwiefern bereitet die Bundesregierung eine Neuformulierung des Mandats
für den Bundeswehreinsatz in der Türkei vor, bzw. inwiefern bereitet sie ein
neues Mandat in Zusammenhang mit einer Flugverbotszone in Syrien vor?

20. Inwiefern hat der Vormarsch der IS-Terrorgruppe im Irak und in Syrien di-
rekte oder indirekte Auswirkungen auf die Bundeswehrmission in der Tür-
kei?

21. Hat die Bundeswehr im Hinblick auf Auftragserfüllung und Sicherheit der
Bundeswehrmission in der Türkei Überlegungen und/oder Szenarien für
den Fall entwickelt, dass es zu einem weiteren Vormarsch des IS und/oder
weiteren Luftangriffen der USA und/oder einem Einmarsch türkischer
Bodentruppen in die Region Rojava kommt, und wenn ja, was kann die
Bundesregierung hierzu mitteilen?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Umstände, die im Juni
2014 trotz vorangegangener Warnungen irakischer Behörden über eine ab-
sehbare Einnahme der Stadt durch den IS zur Geiselnahme von 49 Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern des türkischen Generalkonsulats in Mosul durch
den IS geführt haben sowie zu den Hintergründen ihrer Freilassung am
20. September 2014 sowie zu möglichen Verhandlungen der türkischen Re-

Drucksache 18/2801 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gierung bzw. des türkischen Geheimdienstes mit dem IS und möglichen Zu-
geständnissen oder Gegenleistungen für die Freilassung?

23. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von Warnungen des türkischen
Geheimdienstes MİT, wonach der MİT die Kontrolle über den IS verloren
habe und Anschläge in der Türkei befürchte?
a) Für wie hoch schätzt die Bundesregierung das Risiko von Anschlägen

und Gewalttaten durch den IS in der Türkei derzeit ein?
b) Welche Gewalttaten in der Türkei, die mutmaßlich von IS-Mitgliedern

zu verantworten waren oder für die sich der IS und seine Vorläufer be-
kannt haben, sind der Bundesregierung bekannt?

c) Welche Drohungen des IS gegenüber der Türkei sind der Bundesregie-
rung bekannt, und für wie realistisch hält sie diese Drohungen?

Berlin, den 9. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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