BT-Drucksache 18/2728

Bilanz und Perspektiven der Konfliktvermittlung der OSZE Minsk-Gruppe

Vom 1. Oktober 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2728
18. Wahlperiode 01.10.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel,
Inge Höger, Andrej Hunko, Michael Leutert, Stefan Liebich und der Fraktion DIE
LINKE.

Bilanz und Perspektiven der Konfliktvermittlung der OSZE-Minsk-Gruppe

Die OSZE-Minsk-Gruppe (OSZE: Organisation für Sicherheit und Zusammen-
arbeit in Europa) wurde im März 1992 gegründet. Ihr Anliegen war, den kriege-
rischen Konflikt der unabhängig gewordenen Südkaukasusrepubliken Armenien
und Aserbaidschan um die mehrheitlich von armenischer Bevölkerung besie-
delte, abtrünnige Region Berg-Karabach auf friedlichem Weg beizulegen. Die
OSZE konnte im Jahr 1994 zwischen den Konfliktparteien einen Waffenstill-
stand vermitteln, der den zu diesem Zeitpunkt erreichten militärischen Frontver-
lauf festschrieb. Eine weitergehende politische Lösung des Konflikts wurde bis-
lang nicht erreicht. Gemäß den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats Nr. 822,
853, 874, 884 (1993), der UN-Vollversammlung Nr. 62/243 (2008), des Europa-
rats Res. 1416 (2005) sowie anderer internationaler Organisationen und Insti-
tutionen ist das umstrittene Gebiet in völkerrechtlicher Hinsicht weiterhin inte-
graler Bestandteil der Republik Aserbaidschan, wird jedoch von armenischen
Streitkräften kontrolliert. In den militärisch besetzen Gebieten wurde ein inter-
national nicht anerkanntes De-facto-Regime etabliert. Die Besonderheit des
Konflikts besteht darin, dass neben dem ehemaligen Autonomiegebiet weitere
sieben umliegende Bezirke besetzt sind, die vor dem Krieg von der aserbaid-
schanischen Bevölkerung besiedelt waren. Bei den Friedensbemühungen der
OSZE muss folglich nicht nur über den endgültigen politischen Status von Berg-
Karabach entschieden, sondern auch eine Regelung für die sieben umliegenden
Bezirke gefunden werden. Hierbei steht den aserbaidschanischen Binnenvertrie-
benen ein Rückkehrrecht zu.
Russland, die USA und Frankreich sind gleichberechtigte Co-Vorsitzende in der
OSZE-Minsk-Gruppe. In der Praxis ist die Russische Föderation der aktivste
Mediator. Moskau unterhält gleichermaßen intensive Beziehungen zu beiden
Konfliktparteien. Neben einem militärischen Bündnis mit Armenien hat Russ-
land auch seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Aserbaidschan
deutlich ausgebaut. Zudem kooperieren beide Länder in Grenzsicherungsfragen
eng miteinander, um das Einsickern von bewaffneten Aufständischen aus dem
Ausland in die russische Teilrepublik Dagestan zu unterbinden.
Aserbaidschan ist im Jahr 2011 der Bewegung blockfreier Staaten beigetreten
und hat im Unterschied zu Georgien sein früheres Interesse an einer NATO-Mit-
gliedschaft aufgegeben. Vor diesem Hintergrund hat Russland in den letzten Jah-
ren seine Bemühungen verstärkt, um einen Interessenausgleich zwischen den
Konfliktparteien zu vermitteln und einer völkerrechtskonformen Beilegung des
Berg-Karabach-Konflikts den Weg zu ebnen.

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So wurde zuletzt am 10. August 2014 als umgehende Reaktion auf die jüngste,
bislang schwerste Verletzung des Waffenstillstands seit 1994 auf Initiative des
russischen Co-Vorsitzenden ein trilaterales Gipfeltreffen der Staatspräsidenten
Armeniens, Aserbaidschans und Russlands in Sotschi einberufen, um die Si-
cherheitslage entlang der Waffenstillstandslinie („Line of Contact“) zu entspan-
nen und die weitere Gewalteskalation abzuwenden.
Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Bundesrepublik
Deutschland als Mitglied der OSZE-Minsk-Gruppe die aktuellen Vermittlungs-
bemühungen der Russischen Föderation unterstützt. Des Weiteren besteht Klä-
rungsbedarf, wie die aktuelle Situation zwischen den Konfliktparteien einzu-
schätzen ist, und welche eigenen Beiträge die Bundesregierung in der Vergan-
genheit zur Beilegung dieses ungelösten Konflikts im Südkaukasus geleistet hat.
In Anbetracht des möglichen Umfangs der Recherchearbeiten zur vorliegenden
Kleinen Anfrage erklären sich die Fragesteller vorab mit einer Verlängerung der
Antwortfrist einverstanden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die konkrete Finanzausstat-

tung der OSZE-Minsk-Gruppe seit ihrer Tätigkeitsaufnahme in den einzel-
nen Bereichen entwickelt (bitte möglichst nach Einzelbereichen und pro Jahr
auflisten)?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Personalausstattung der
OSZE-Minsk-Gruppe seit ihrer Tätigkeitsaufnahme entwickelt (bitte mög-
lichst nach Einzelbereichen und pro Jahr auflisten)?

3. Welche finanziellen und personellen Beiträge hat die Bundesrepublik
Deutschland im Rahmen ihrer Mitgliedschaft für die OSZE-Minsk-Gruppe
beigesteuert (bitte jeweils möglichst pro Jahr auflisten)?

4. Über welche grundsätzlichen Möglichkeiten verfügen die einfachen Grup-
penmitglieder, eigene Vorschläge in die Tätigkeit der OSZE-Minsk-Gruppe
einzubringen, und in welchen Fragen hat die Bundesregierung dies in der
Vergangenheit ggf. bereits getan?

5. Mit welchem oder welchen Co-Vorsitzenden bzw. mit welchen anderen Mit-
gliedern hat die Bundesregierung innerhalb der OSZE-Minsk-Gruppe in der
Praxis bislang am meisten kooperiert bzw. sich inhaltlich abgestimmt?

6. Wie sehen die Missionsbefugnisse der OSZE-Minsk-Gruppe hinsichtlich der
Überprüfungsmöglichkeiten für die Einhaltung der Waffenstillstandsverein-
barung aus, und wie ist der Zugang von OSZE-Beobachterinnen und OSZE-
Beobachtern zu den militärischen Sperrgebieten entlang der Line of Contact
konkret geregelt?

7. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus den bisherigen
Überprüfungs- und Feldmissionen im Auftrag der OSZE-Minsk-Gruppe be-
züglich der Sicherheitslage entlang der Line of Contact und der Bereitschaft
der Konfliktparteien, die Waffenstillstandsvereinbarung in der Praxis einzu-
halten, gewonnen?
a) Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Häufigkeit der Waf-

fenstillstandsverletzungen in den zurückliegenden Jahren entwickelt?
b) Liegen der Bundesregierung Hinweise vor, ob eine Konfliktpartei über-

wiegend für die Waffenstillstandsverletzungen verantwortlich ist, und falls
ja, um welche Konfliktpartei handelt es sich?

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c) Welche Waffen oder Waffensysteme kommen nach Kenntnis der Bun-
desregierung bei den Waffenstillstandsverletzungen üblicherweise zum
Einsatz?

d) Wie viele Armeeangehörige bzw. Sicherheitskräfte der Konfliktparteien
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 entlang der Line
of Contact getötet oder verletzt (bitte möglichst getrennt nach Konflikt-
partei und pro Jahr auflisten)?

e) Wie viele Angehörige aus der Zivilbevölkerung beider Konfliktparteien
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 im Umfeld der
Line of Contact getötet oder verletzt (bitte möglichst getrennt nach Kon-
fliktpartei und pro Jahr auflisten)?

f) Welche abschließenden Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nach
den Erhebungen von OSZE-Vertretern und Vertretern des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz zu den Umständen vor, die am 8. März 2011
nahe des Dorfes Orta Garvand im Aghdam-Distrikt zum Tod des neun-
jährigen Fariz Badalov geführt haben [vgl. Antwort auf die Schriftliche
Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 17/5638 (neu)]?

g) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über bewaffnete Spezial-
kommandos der Konfliktparteien, die die Line of Contact, aber auch die
international anerkannte Staatsgrenze zwischen Armenien und Aserbaid-
schan illegal überqueren, um im Hinterland des jeweiligen Gegners Sa-
botageakte bzw. Anschläge zu verüben, und wie viele diesbezügliche
Vorfälle hat es nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2009 gegeben
(bitte möglichst pro Jahr und Art des Vorfalls auflisten)?

h) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über bauliche Befesti-
gungsmaßnahmen entlang der Line of Contact, um die ortansässige Zi-
vilbevölkerung vor Scharfschützenbeschuss besser zu schützen, und an
welchen Abschnitten bzw. auf welcher Seite der Line of Contact wurden
ggf. bislang solche Schutzvorkehrungen getroffen?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus den bisherigen Überprü-
fungs- und Feldmissionen im Auftrag der OSZE-Minsk-Gruppe zum Zu-
stand der Infrastruktur (Verkehrswege, Trink- und Abwasserversorgung,
Wohngebäude, soziale und religiöse/kulturelle Einrichtungen etc.) in der
Region Berg-Karabach sowie in den sieben umliegenden, besetzten Bezir-
ken gewonnen?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der Tätigkeit der 2012
von den De-facto-Behörden Berg-Karabachs eingesetzten Kommission zur
Untersuchung des sicherheitstechnischen Zustands des Sarsang-Staudamms
in der Berg-Karabach-Region gewonnen, und wie sind die von diesem Bau-
werk ausgehenden, aktuellen Risiken für die menschliche Sicherheit und
Umweltsicherheit einzuschätzen (vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 5
auf Bundestagsdrucksache 17/14397)?

10. Welche Verabredungen wurden innerhalb der OSZE-Minsk-Gruppe zur
Frage einer möglichen Inbetriebnahme des neu errichteten Flughafens in der
Berg-Karabach-Region nahe der Ortschaft Khojaly getroffen, und konnte
zwischen den Konfliktparteien in dieser Frage eine Übereinkunft oder zu-
mindest eine Annäherung der Positionen erreicht werden (vgl. Antwort auf
die Schriftliche Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 17/12440)?

11. Wie schätzt die Bundesregierung die Konsequenzen ein, die sich aus der
nicht einvernehmlichen Inbetriebnahme dieses Flughafens im Hinblick auf
die Friedensbemühungen der OSZE-Minsk-Gruppe ergeben könnten, und
wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Fall das Risiko, dass die Repu-
blik Aserbaidschan unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht militä-

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rische Maßnahmen ergreift, um die militärische oder zivile Nutzung des
Flughafens zu unterbinden?

12. Über welche konventionellen Waffensysteme verfügen nach Kenntnis der
Bundesregierung die aserbaidschanischen Streitkräfte, und wie ist ihre ak-
tuelle Gesamtstärke einzuschätzen?

13. Über welche konventionellen Waffensysteme verfügen nach Kenntnis der
Bundesregierung die armenischen Streitkräfte in Berg-Karabach und den
umliegenden, besetzten Gebieten Aserbaidschans, und wie ist ihre aktuelle
Gesamtstärke einzuschätzen?

14. Wie setzen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die armenischen Streit-
kräfte in Berg-Karabach und den umliegenden, besetzten Gebieten Aser-
baidschans zusammen, und wie viele Angehörige der regulären Streitkräfte
der Republik Armenien befinden sich darunter (bitte auch Schätzungen,
falls keine exakten Zahlenangaben möglich sind)?

15. Betrachtet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund den Berg-Kara-
bach-Konflikt als einen zwischenstaatlichen oder als einen innerstaatlichen
Konflikt, und wer sind aus Sicht der Bundesregierung die genauen Konflikt-
parteien?

16. Welche Staaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung in welchem Um-
fang seit 2009 Waffen oder Waffensysteme an eine oder beide Konfliktpar-
teien geliefert (bitte möglichst pro Jahr, nach Stückzahl, Waffenart/Waffen-
system und Herkunftsland auflisten)?
a) Welche Länder haben nach Kenntnis der Bundesregierung in welchem

Umfang seit 2009 Waffen oder Waffensysteme an die Republik Aserbaid-
schan geliefert?

b) Welche Länder haben nach Kenntnis der Bundesregierung in welchem
Umfang seit 2009 Waffen oder Waffensysteme an die Republik Arme-
nien bzw. ggf. an das De-facto-Regime in Berg-Karabach geliefert?

17. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die staatlichen Vertei-
digungsausgaben Aserbaidschans und Armeniens seit 2009 entwickelt (bitte
möglichst getrennt nach Land, pro Jahr, in absoluten Vergleichszahlen in
Euro oder US-Dollar sowie in Prozent des Gesamtvolumens des jeweiligen
Staatshaushalts ausweisen)?

18. Beinhaltet das 2010 verlängerte Militärabkommen zwischen Russland und
Armenien nach Kenntnis der Bundesregierung neben der Weiternutzung des
102. Militärstützpunkts der russischen Armee in Gjumri (Republik Arme-
nien) und der Übernahme von Grenzsicherungsaufgaben an der armenisch-
türkischen Grenze auch eine militärische Beistandsgarantie Russlands für
das De-facto-Regime in Berg-Karabach?

19. Seit wann und in welcher Höhe erhält nach Kenntnis der Bundesregierung
das international nicht anerkannte De-facto-Regime in Berg-Karabach öf-
fentliche Finanzmittel aus den USA, und wie beeinflusst dies die Wahrneh-
mung der USA als glaubwürdiger Konfliktmediator und wichtiger Co-Vor-
sitzender der OSZE-Minsk-Gruppe durch eine Konfliktpartei oder beide
Konfliktparteien (bitte möglichst pro Jahr auflisten und näher erläutern)?

20. Welche Bedeutung haben nach Einschätzung der Bundesregierung unter-
schiedliche Auslegungen der Madrider Basisprinzipien durch die Konflikt-
parteien für ausbleibende Fortschritte bzw. die Stagnation des Friedenspro-
zesses, und worin genau bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung ggf.
diese Auffassungsunterschiede zwischen den Konfliktparteien?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2728
21. Bei welchen Madrider Basisprinzipien konnten nach Einschätzung der Bun-
desregierung in den Verhandlungen der OSZE-Minsk-Gruppe seit der Ge-
waltverzichtserklärung der Staatspräsidenten Armeniens und Aserbaid-
schans auf dem Moskauer Gipfel vom 2. November 2008 unter Vermittlung
des damaligen russischen Staatspräsidenten Dmitri Medwedjew am ehesten
konkrete Fortschritte verbucht werden, und wie schlagen sich diese nach
Kenntnis der Bundesregierung ggf. in der Praxis nieder?

22. Welche Position vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung die aserbaid-
schanische Regierung zu einer möglichen direkten Beteiligung der De-
facto-Regierung Berg-Karabachs am Verhandlungsformat der OSZE-Minsk-
Gruppe, sofern auch Vertreter der aserbaidschanischen Binnenvertriebenen
aus der Region daran teilhaben dürfen?

23. Welche Position vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung die armenische
Regierung zu einer möglichen direkten Beteiligung von Vertretern der aser-
baidschanischen Binnenvertriebenen am Verhandlungsformat der OSZE-
Minsk-Gruppe, sofern auch die De-facto-Regierung Berg-Karabachs daran
teilhaben darf?

24. Welche Position vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung die De-facto-
Regierung Berg-Karabachs zu einer möglichen direkten Beteiligung am
Verhandlungsformat der OSZE-Minsk-Gruppe, und wie sieht nach Kennt-
nis der Bundesregierung die Position der De-facto-Regierung Berg-Kara-
bachs zu einer gleichberechtigten Einbeziehung von Vertretern der aser-
baidschanischen Binnenvertriebenen aus der Region in die Verhandlungen
aus?

25. Wie sieht der aktuelle Verhandlungstand innerhalb der OSZE-Minsk-
Gruppe zu einer möglichen, ggf. auch schrittweisen, Rückgabe der sieben
besetzten Gebiete außerhalb Berg-Karabachs an Aserbaidschan aus, und
wie würde sich nach Einschätzung der Bundesregierung eine Rückgabe
dieser Gebiete auf die Bereitschaft der aserbaidschanischen Verhandlungs-
seite auswirken, der armenischen Bevölkerung Berg-Karabachs verbindli-
che Sicherheitsgarantien zu geben?

26. Welchen Standpunkt vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung die arme-
nische Verhandlungsseite innerhalb der OSZE-Minsk-Gruppe zur mögli-
chen Rückkehr der aserbaidschanischen Binnenvertriebenen in diese sieben
Provinzen und nach Berg-Karabach, und sind in dieser Frage nach Kenntnis
der Bundesregierung ggf. Positionsunterschiede zwischen der Republik Ar-
menien und dem De-facto-Regime Berg-Karabachs vorhanden (bitte erläu-
tern)?

27. Welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung innerhalb der OSZE-
Minsk-Gruppe in der Frage einer möglichen Rückkehr der aserbaidschani-
schen Binnenvertriebenen in die sieben besetzten Provinzen und nach Berg-
Karabach (bitte erläutern)?

28. Wurde über die Frage der Rückkehr der aserbaidschanischen Binnenvertrie-
benen hinaus innerhalb der OSZE-Minsk-Gruppe auch darüber diskutiert,
für die armenischen Kriegsflüchtlinge aus Aserbaidschan und die aserbaid-
schanischen Kriegsflüchtlinge aus Armenien im Rahmen einer Friedens-
lösung ebenfalls Rückkehrmöglichkeiten zu schaffen, und welche Position
vertritt die Bundesregierung in dieser Frage?

29. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle soziale und wirt-
schaftliche Lage der aserbaidschanischen Binnenvertriebenen und Kriegs-
flüchtlinge aus Armenien in der Republik Aserbaidschan aus, und bestehen
ggf. Unterschiede zwischen beiden Gruppen von Flüchtlingen?

Drucksache 18/2728 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
30. Wie sieht nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle soziale und wirt-
schaftliche Lage der armenischen Kriegsflüchtlinge aus Aserbaidschan in
der Republik Armenien aus?

31. Wie viele armenische Kriegsflüchtlinge aus Aserbaidschan (die vor dem
letzten Krieg außerhalb des Autonomiegebiets lebten) haben sich nach
Kenntnis der Bundesregierung (über die Fluchtroute Armenien) zwischen-
zeitlich in der Region Berg-Karabach und den sieben besetzten Gebieten an-
gesiedelt, und wie ist ihre aktuelle soziale und wirtschaftliche Lage dort ein-
zuschätzen?

32. In welchem Umfang findet nach Kenntnis der Bundesregierung in den sie-
ben besetzten Gebieten außerhalb Berg-Karabachs ein proaktiver Sied-
lungsneubau statt, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht
die Bundesregierung ggf. aus dieser Siedlungstätigkeit im Hinblick auf den
OSZE-Minsk-Prozess und das Rückkehrrecht der aserbaidschanischen Bin-
nenvertriebenen in diese betreffenden Gebiete?

33. Wie sieht der aktuelle Verhandlungsstand innerhalb der OSZE-Minsk-
Gruppe bezüglich eines temporären Übergangsstatus für Berg-Karabach
und der Schaffung eines sicheren Verbindungskorridors zwischen der Repu-
blik Armenien und der Enklave Berg-Karabach aus, und welche Stand-
punkte nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung die Konfliktparteien
gegenwärtig dazu ein?

34. Welchen Stellenwert nimmt nach Kenntnis der Bundesregierung die Mög-
lichkeit der einvernehmlichen Neufestlegung der zwischenstaatlichen Gren-
zen Armeniens und Aserbaidschans mit gegenseitigen Gebietsaustauschen
nach dem Muster des Goble-Plans als Alternative zur Statusfrage Berg-Ka-
rabachs in den laufenden Verhandlungen der OSZE-Minsk-Gruppe ein, und
unterstützt die Bundesregierung diese Konfliktlösungsalternative?

35. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die aserbaidschanische Regierung
im Verhandlungsverlauf des OSZE-Minsk-Prozesses ihr mehrfach öffent-
lich geäußertes Angebot einer umfassenden Autonomie für die armenische
Bevölkerung in der Region Berg-Karabach bereits konkretisiert, und falls
ja, welche einzelnen Elemente sind demnach vorgesehen?

36. Welche gegenwärtigen Präferenzen zeigt nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die armenische Bevölkerung in der Region Berg-Karabach bezüglich
der im Wesentlichen vorhandenen, finalen Kompromissszenarien (bitte er-
läutern)
a) Schaffung einer eigenen Autonomieeinheit mit umfassenden Selbstver-

waltungsrechten innerhalb der wiederhergestellten territorialen Integrität
der Republik Aserbaidschan, ggf. auch mit zusätzlichen Mitspracherech-
ten im Rahmen einer stärkeren Föderalisierung des Landes,

b) Schaffung eines eigenen Staates Berg-Karabach (abzgl. des Großteils der
besetzten Gebiete außerhalb) als Ergebnis eines positiven Unabhängig-
keitsreferendums unter demokratischer Beteiligung beider Bevölke-
rungsgruppen aus der Region,

c) Angliederung Berg-Karabachs an die Republik Armenien (abzgl. des
Großteils der besetzten Gebiete außerhalb), ggf. mit Gebietskompensa-
tionen für Aserbaidschan (Meghri-Korridor) aus der gegenwärtigen
Staatsmasse der Republik Armenien?

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37. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den jüngsten
Vermittlungsanstrengungen der Russischen Föderation nach den schweren
Waffenstillstandsverletzungen an der Line of Contact Anfang August 2014,
und wie gedenkt die Bundesregierung als Mitglied der OSZE-Minsk-
Gruppe, die Bemühungen des russischen Co-Vorsitzenden konkret zu unter-
stützen?

38. Wie viele Soldaten und Sicherheitskräfte beider Konfliktparteien wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung bei der jüngsten Gewalteskalation an
der Line of Contact Anfang August 2014 getötet oder verletzt?

39. Kamen bei den mehrtägigen Gefechten an der Line of Contact Anfang Au-
gust 2014 nach Kenntnis der Bundesregierung auch großkalibrige Artille-
riewaffen zum Einsatz, und hatten die Konfliktparteien bereits damit begon-
nen, ihre Streitkräfte an einzelnen Frontabschnitten zusammenzuziehen,
was zu einer größeren militärischen Eskalation hätte führen können?

40. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich konkreter Ergeb-
nisse des trilateralen Gipfeltreffens der Staatspräsidenten Armeniens und
Aserbaidschans auf Einladung des Staatspräsidenten Russlands in Sotschi
am 10. August 2014 bislang gewonnen, und inwieweit sind diese Ergebnisse
für den weiteren Verlauf des OSZE-Minsk-Prozesses von Bedeutung?

41. Welche eigenen, ggf. auch nachrichtendienstlichen, Erkenntnisse hat die
Bundesregierung über aktuelle Bemühungen der Russischen Föderation, die
Republik Aserbaidschan für einen Beitritt zur Zollunion bzw. Eurasischen
Union zu gewinnen, und inwieweit sind diese Bemühungen nach Kenntnis
der Bundesregierung mit möglichen Überlegungen verknüpft, im Zusam-
menhang mit dem Berg-Karabach-Konflikt, die territoriale Integrität der
Republik Aserbaidschan zumindest teilweise wiederherzustellen?

Berlin, den 1. Oktober 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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