BT-Drucksache 18/2479

Auswirkungen der US-no-fly-list und US-Terrorliste auf deutsche Staatsangehörige

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2479
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Martina Renner, Christine Buchholz,
Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Dr. André Hahn, Inge Höger, Andrej Hunko,
Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der US-no-fly-list und US-Terrorliste auf deutsche
Staatsangehörige

Laut einer Veröffentlichung der mit Bürgerrechtsthematiken befassten publizis-
tischen Website „The Intercept“ in den USA (https://firstlook.org/theintercept/)
wird von den US-Geheimdiensten ein „terrorist screening database“ (TSDB),
auch als „watchlist“ bezeichnet, geführt. Zugriff hätten demnach auch das Mili-
tär, lokale Strafverfolgungsbehörden, ausländische Regierungen und Privat-
unternehmen. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich für diese und weitere ähn-
liche Listen verschiedener US-Regierungsstellen der Begriff „US-Terrorliste“
eingebürgert (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1337). Die „watchlist“ enthält nach
Angaben von „Intercept“ derzeit die Namen von 680 000 Personen, bei denen
für 280 000 keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen zugeordnet werden.
Die restlichen Datensätze werden zu einem großen Teil den einschlägigen Grup-
pierungen wie Al Quaida, den Taliban oder Al Quaida in Irak zugerechnet. Für
die Aufnahme in die Liste sei allenfalls ein vager Standard eines „begründeten
Verdachts“ Voraussetzung. Noch weitergehender ist die Datenbank „Terrorist
Identities Datamart Environment“ (TIDE), die zusätzlich etwa 300 000 Daten-
sätze enthält. Die Voraussetzung für die Aufnahme in diese Datenbank sei noch
niedriger als bei der TSDB. Alle Einträge in die TIDE werden regelmäßig auf
Aufnahme in die TSDB überprüft.
Auch die sogenannte no-fly-list wird auf der Basis der TSDB erstellt, sie enthält
nach den Angaben des „Intercept“ mit 47 000 Datensätzen zehnmal mehr
Datensätze als im Jahr 2009. Wer auf der no-fly-list genannt wird, darf sich nicht
im US-Luftraum bewegen, also weder einreisen noch in den USA ein Flugzeug
betreten. Hinzu kommen 16 000 Personen auf der TSDB, die auf Flughäfen und
bei der Einreise einer intensiven Prüfung unterzogen werden sollen (sog. Selec-
tee List).
Die Daten der TIDE werden durch die CIA auch auf illegalem „clandestine“
Wege gewonnen, indem unerkannt in Datenbanken ausländischer Staaten einge-
drungen wird und von dort Daten entwendet werden. Hierfür wurde laut „Inter-
cept“ein Programm namens „Hydra“ aufgelegt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche eigenen aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Um-

fang und zur Art der Erstellung der in der Vorbemerkung der Fragesteller ge-
nannten Datenbanken?

Drucksache 18/2479 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche US-Behörden haben nach Kenntnis der Bundesregierung im einzel-
nen Zugang zur TSDB?

3. Welche Privatunternehmen haben nach Kenntnis der Bundesregierung ein-
zelnen Zugang zur TSDB, und inwieweit handelt es sich bei diesen Unter-
nehmen um Subcontractoren von US-Geheimdiensten oder um private
Sicherheitsunternehmen?

4. Gehört die Bundesrepublik Deutschland zu den Staaten, die Zugriff auf die
TSDB haben?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, wie häufig wurde dieser Zugriff seit dem Jahr 2010 genutzt, um
eigene Erkenntnisse, wie sie in der Anti-Terror-Datei gesammelt werden,
anzureichern?
Durch welche deutsche Behörde erfolgte der Zugriff (bitte nach Jahren auf-
listen)?

5. Wurde seit dem Jahr 2010 den Bundesbehörden ein Auszug oder eine voll-
ständige Kopie der „no-fly-list“ durch die US-Behörden zur Verfügung
gestellt, zu welchem Anlass geschah dies, und wurde die Liste nur einmalig
zur Verfügung gestellt oder über einen (welchen) Zeitraum regelmäßig
aktualisiert?

6. Welche regelmäßigen Kontakte oder Arbeitskontakte bestehen zwischen
deutschen Behörden und den für die Führung der TSDB bzw. TIDE und die
„no-fly-list“ in den USA zuständigen Behörden, und was ist Gegenstand
solcher Kontakte?

7. Sind US-Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung an deutsche Behör-
den mit der Bitte um Übermittlung von Erkenntnissen und Daten zu be-
stimmten Personen oder Gruppen herangetreten, um Datensätze in TSDB
oder TIDE anzureichern oder bereits erlangte Informationen zu überprüfen?

8. Übermitteln Behörden des Bundes (oder der Länder nach Kenntnis der Bun-
desregierung) auch eigeninitiativ Informationen zu eigenen und fremden
Staatsangehörigen an amerikanische Behörden, die an TSDB oder TIDE be-
teiligt sind, und
a) wie viele Personen waren von solchen Übermittlungen seit dem Jahr

2009 betroffen (bitte nach Jahren, deutsch, nichtdeutsch und Phänomen-
bereichen auflisten),

b) über welche Stellen laufen diese Datenübermittlungen,
c) welche der Personen, zu denen Daten übermittelt wurden, waren Gegen-

stand von G 10-Maßnahmen,
d) nach welchen Kriterien erfolgen solche Übermittlungen,
e) führen der Verdacht auf Beteiligung an bestimmten Staatsschutzdelikten

nach einer Einzelfallprüfung oder generell zu einer Datenübermittlung,
und bei welchen Staatsschutzdelikten ist das der Fall?

9. Gehört die Bundesregierung nach eigener Kenntnis zur Zielgruppe des Pro-
gramms „Hydra“, mit dem die CIA auch auf heimlichen Wegen Informa-
tionen zu Personen in der TIDE besorgt („clandestinely acquired foreign
government information“)?

10. Hat die Bundesregierung Hinweise, dass sich US-Behörden bereits in der
Vergangenheit heimlich bzw. im Verborgenen Informationen über Deutsche
oder dauerhaft rechtmäßig in Deutschland lebende Personen beschafft hat,
wie ist sie diesen Hinweisen nachgegangen, und welche Konsequenzen hin-
sichtlich des Schutzes dieser Daten ergaben sich daraus?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2479
11. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die in Visa-Verfahren oder
im ESTA (Electronic System for Travel Authorization) erhobenen Daten
vor einer Einreise in die USA nicht nur mit der „no-fly-list“ abgeglichen
werden, sondern auch mit anderen Datenbanken, und wenn ja, mit welchen?

12. Welche US-amerikanischen Behörden haben Zugriff auf die in Visa-Verfah-
ren bzw. im ESTA erhobenen Daten?

13. Auf welchem Weg erhalten Bundesbehörden Kenntnis über eine Zurück-
weisung von deutschen Staatsangehörigen oder dauerhaft in Deutschland
lebenden Personen?

14. Hat die Bundesregierung neuere Erkenntnisse über die Zahl der Einreise-
verweigerungen gegenüber deutschen Staatsangehörigen als denen, die sie
in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu Frage 1 auf Bundestagsdruck-
sache 18/238 gegeben hat, und wenn ja, welche?

15. Wie viele der 115 deutschen Staatsangehörigen, denen im Jahr 2008 nach
Angaben der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/238 die Ein-
reise verweigert wurde (und den weiteren auf die vorhergehende Frage ge-
nannten), wurde wegen krimineller Hintergründe, wie viele wegen staats-
schutzrelevanter Hintergründe zurückgewiesen?

16. In welchen Fallkonstellationen teilen US-amerikanische Stellen deutschen
Behörden die Zurückweisung von Personen mit deutscher Staatsangehörig-
keit oder mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland bei der versuchten
Einreise in die USA mit, welche deutschen Behörden erhalten davon Kennt-
nis, und was sind ggf. die Folgemaßnahmen in Deutschland?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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