BT-Drucksache 18/2441

Tarnfirmen und Tarneinrichtungen der Sicherheitsbehörden

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2441
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Tarnfirmen und Tarneinrichtungen der Sicherheitsbehörden

Neben dem Einsatz von V-Personen bzw. Informanten bedienen sich die Nach-
richtendienste des Bundes auch Tarneinrichtungen in Form von Firmen oder
Vereinen. So beschreibt der Historiker Agilolf Keßelring, dass durch als Fuhr-
unternehmen getarnte Firmen Waffen für eine Geheimarmee aus alten NS-Elite-
divisionen („Unternehmen Versicherungen“) transportiert werden sollten
(Agilolf Keßelring, Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der
Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 – 1968, Band 3, „Die Orga-
nisation Gehlen und die Verteidigung Westdeutschlands“, S. 51). Ende der
90er-Jahre gründete der damalige Präsident des Landesamt für Verfassungs-
schutz (LfV) Thüringen, Helmut Roewer, einen Tarnverlag unter dem Namen
„Heron“, mit dessen Hilfe eine hohe Geldsumme veruntreut wurde (u. a. DER
SPIEGEL vom 18. Juli 2005). Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll u. a.
nach Recherchen des Magazins „FAKT“ über die als Tarnfirma der Behörde
fungierende GTS, Gesellschaft für technische Sonderlösungen KG, Spionage-
software erworben haben (MDR-Magazin „FAKT“ vom 16. Juli 2013, Süddeut-
sche Zeitung vom 26. März 2013, S. 9). Vor kurzem wurde bekannt, dass wiede-
rum das LfV Thüringen unter der Tarnbezeichnung „TeFor System“ eine ge-
heime Außenstelle mit Schwerpunkt für operative Abteilungen führte (www.
mdr.de/thueringen-journal/verfassungsschutz_aussenstelle100_zc-b06a3d37_
zs-ae6d99c0.html). In einem Interview der Tageszeitung „DIE WELT“ schließ-
lich kommentierte der damals neue BND-Präsident die als Frage vorgetragene
Feststellung, ob es sich um eine Strategie handele, dass der BND in einem
wahren Gründerfieber stecke und derzeit weltweit Tarnfirmen ins Leben rufe,
die teils sogar gute Gewinne abwürfen, folgendermaßen: „Wir setzen nachrich-
tendienstliche Mittel gezielt und angemessen nur dort ein, wo es nötig ist. Ich
bitte aber um Verständnis, dass ich nicht im Einzelnen darlegen kann, wie wir
vorgehen. Mein Ziel ist es, dass der BND generell operativ schlagkräftiger
wird.“ (DIE WELT vom 11. August 2012).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welcher rechtlichen Grundlage betreiben die Bundesbehörden BND,

BfV und Militärischer Abschirmdienst (MAD) Tarnfirmen und Tarneinrich-
tungen, und welchen besonderen rechtlichen Status oder einzelne Sonder-
rechte genießen diese Firmen und Einrichtungen?

Drucksache 18/2441 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche fachlichen, also nachrichtendienstlichen Erwägungen führen zur
Einrichtung von Tarnfirmen oder sonstigen Einrichtungen (bitte allgemein
und anhand einiger Beispiele konkreter Erwägungen darstellen)?

3. Wie viele Tarnfirmen und Tarneinrichtungen wurden durch BND, BfV und
MAD in den Jahren 1990 bis 2014 gegründet bzw. betrieben (bitte unter
Angabe von Jahreszahl, Behörde, Geschäftsbereich der Tarnfirma, Gesell-
schaftsform und Zweck sowie Beschäftigtenzahl)?

4. Beschäftigen die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen ausschließlich Behör-
denmitarbeiterinnen oder auch zivile Beschäftigte?
Wenn ja, sind die zivilen Beschäftigten über den eigentlichen Charakter der
Firma bzw. deren Zweck informiert, und zu welchem Zeitpunkt erhalten sie
diese Information (Werbung, Bewerbung, nach Abschluss des Arbeitsver-
trages oder wann sonst)?

5. Inwieweit wird bei den entsprechenden Institutionen und Kammern bei der
Firmenanmeldung deren Anbindung an einen Nachrichtendienst und der
beabsichtigte Zweck mitgeteilt?

6. Werden die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen zur V-Personen-Werbung
eingesetzt?
Wenn ja, wie gelangen die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen an die Daten
der Betroffenen (werden Inserate/Anzeigen geschaltet, nehmen die Tarn-
firmen und Tarneinrichtungen an Veranstaltungen teil, sprechen sie gezielt
Schul- bzw. Hochschulabsolventen an usw.)?

7. Inwieweit werden durch die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen Gegen-
stände/Technik/Dienstleistungen u. a. von ausländischen Nachrichtendiens-
ten oder mit diesen verbundenen Firmen erworben, gelagert, transportiert
oder in Anspruch genommen, und wenn ja, welche Behörden einschließlich
des Parlamentarischen Kontrollgremiums besitzt diesbezüglich in welchem
Umfang die Fach- und Rechtsaufsicht?

8. Woher stammt das Kapital für Gründung und Betrieb der Tarnfirmen und
Tarneinrichtungen?

9. Werden Steuern entrichtet, wenn ja, wie (pauschal oder per Erklärung), und
welches Finanzamt ist jeweils zuständig?

10. Inwieweit kam es bei der Führung von Tarnfirmen und Tarneinrichtungen
zu Verstößen gegen Gesetze und Vorschriften (bitte nach Jahreszahl, Be-
hörde, Verstoß und Ahndung sowie In- und Ausland auflisten)?

11. Inwieweit hat der BND gegenüber den Behörden MAD und BfV die Funk-
tion, bei der Gründung von Tarnfirmen und Tarneinrichtungen Expertise zu
liefern, bzw. übernimmt der BND bei der Tarnfirmengründung und Tarn-
firmenführung eine besondere Rolle?

12. Werden durch die bundesdeutschen Nachrichtendienste Tarnfirmen und
Tarneinrichtungen im Ausland betrieben, und wenn ja, von welcher Be-
hörde, seit wann, und wo?

13. Inwieweit stehen die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen in Kontakt zu
öffentlichen Einrichtungen bzw. zu Einrichtungen, die aus öffentlichen Gel-
dern finanziert werden?
Wie ist das Verhältnis zu den jeweiligen Einrichtungen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2441
14. Werden durch die Tarnfirmen auch Mittel der Wirtschaftsförderung in An-
spruch genommen (Gründungsförderung, regionale Förderung durch Bund,
Länder bzw. EU etc.)?

15. Wie ist der Umgang mit personenbezogenen Daten geregelt, in deren Besitz
die Tarnfirmen und Tarneinrichtungen beim Vollzug ihrer geschäftlichen
Aufgaben gelangen?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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