BT-Drucksache 18/2440

Aktueller Stand über die Beteiligung Deutschlands am Katastrophenschutzverfahren der Europäischen Union

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2440
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Inge Höger,
Andrej Hunko, Katrin Kunert, Petra Pau, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke und
der Fraktion DIE LINKE.

Aktueller Stand über die Beteiligung Deutschlands am
Katastrophenschutzverfahren der Europäischen Union

Seit dem 1. Januar 2014 ist mit dem Beschluss Nr. 1313/2013/EU des Europä-
ischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über ein Katastro-
phenschutzverfahren der Union eine neue Rechtsgrundlage zur gemeinschaft-
lichen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Katastrophenschutz in Kraft
getreten. Die Ausgestaltung des gemeinsamen Katastrophenschutzverfahrens
war aufgrund der Vielzahl an verschiedenen Vorstellungen und Anforderungen
im Katastrophenschutz ein komplexer Prozess. Eine Zusammenarbeit auf EU-
Ebene ist allerdings insofern sinnvoll, als Katastrophenfälle nicht vor nationalen
Grenzen Halt machen. Ein effektiver Katastrophenschutz kann jedoch nicht
allein zentral gesteuert werden, da es insbesondere dezentrale Einsatzstrukturen
sind, die im Notfall zügig und flexibel auf Bedrohungen reagieren können.
Durch diese Kleine Anfrage möchten die Fragesteller erfahren, wie der aktuelle
Stand der Umsetzung des gemeinsamen Katastrophenschutzverfahrens der
Union im Bereich der gemeinsamen Bedrohungsszenarien, im Anwendungsbe-
reich und in den Bereichen der spezifischen Ziele, der Präventionsmaßnahmen
und des Trainings durch Deutschland ist. Hierbei spielt auch eine Rolle, inwie-
fern der demografische Wandel bei der zukünftigen Ausgestaltung des Katastro-
phenschutzes durch Deutschland und auf EU-Ebene mitbedacht und welche Be-
deutung hierbei dem Ehrenamt beigemessen wird. Ferner ist es zur Beurteilung
der Instrumente wichtig zu erfahren, wie oft das neue Verfahren durch Deutsch-
land in konkreten Katastrophenfällen Anwendung fand, etwa in Form von In-
anspruchnahme des Emergency Response Coordination Centre (ERCC) der EU,
das am 15. Mai 2013 eröffnet wurde und Hilfsmaßnahmen im Katastrophen-
schutz zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert. Wichtig ist es auch zu erfah-
ren, ob durch Reibungsverluste zwischen lokaler und europäischer Ebene eine
Verringerung der operativen Kapazitäten droht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Stand des Aufbaus der

Europäischen Notfallbewältigungskapazität (sowohl den Stand zum Beitrag
Deutschlands als auch den EU-weiten Stand)?

2. Welchen Anteil trägt Deutschland gegenwärtig am freiwilligen Pool von
Bewältigungskapazitäten im Rahmen der Notfallbewältigungskapazität, und
wie sehen zukünftige Planungen aus?

Drucksache 18/2440 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Welche Katastrophenschutzeinsatzmodule werden unter Führung Deutsch-
lands entwickelt?

4. An welchen Entwicklungen von Katastrophenschutzeinsatzmodulen unter
Führung anderer EU-Mitgliedstaaten beteiligt sich Deutschland?

5. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Partnerländern konkret ausgestaltet
(Einsatz finanzieller Mittel, Häufigkeit gemeinsamer Treffen, institutionel-
ler Rahmen etc.)?

6. In welchen Abständen kommt es dabei zu gemeinsamen Übungen und Aus-
bildungen mit anderen Mitgliedstaaten, um die Interoperabilität zu gewähr-
leisten (bitte nach Ländern, Anzahl der teilnehmenden Katastrophenschutz-
helfer, Art der Übung und Häufigkeit der Übung auflisten)?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über etwaige Kapazitätslücken
im Rahmen der Europäischen Notfallbewältigungskapazität?

8. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, dass gemeinsame
Notfallbewältigungskapazitäten ungenutzt bleiben könnten, weil die end-
gültige Entscheidung über die Entsendung von den Mitgliedstaaten getrof-
fen wird, in denen die betreffende Bewältigungskapazität registriert ist?

9. Wie plant die Bundesregierung, eine angemessene Sensibilisierung der
Öffentlichkeit angesichts des ehrenamtlichen Systems des Katastrophen-
schutzes in Deutschland für die Einsätze im Rahmen der Europäischen Not-
fallbewältigungskapazität herzustellen?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Unterstützung der EU zur
Koordination und Zusammenlegung von angemessenen Transportmitteln
im Katastrophenfall?

11. Wie schätzt die Bundesregierung die Tatsache ein, dass im Rahmen des EU-
Katastrophenschutzverfahrens auch die Nutzung militärischer Mittel nicht
ausgeschlossen wird?

12. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass der Einsatz militärischer Mittel
im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens nicht zu Lasten des zivi-
len Katastrophenschutzes geschieht (z. B. finanzielle Ausstattung des Tech-
nischen Hilfswerks, Kofinanzierung der Feuerwehren)?

13. Plant die Bundesregierung eine von der EU finanzierte Begutachtung und
Bewertung der Risikomanagementfähigkeit Deutschlands durch einen an-
deren EU-Mitgliedstaat (Peer Review) (bitte mit Begründung)?

14. Wie oft wurde nach Kenntnis der Bundesregierung das am 15. Mai 2013
eingerichtete Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (Emer-
gency Response Coordination Centre – ERCC) von Mitgliedstaaten zur
Katastrophenschutzhilfe angerufen (bitte nach Art des Hilfegesuchs und
Mitgliedstaaten auflisten)?

15. Wie oft hat Deutschland im Rahmen eines Hilfegesuchs eines Mitgliedstaa-
tes an das ERCC Unterstützung für Katastrophenfälle gegeben (bitte nach
Art des Hilfegesuchs und Mitgliedstaaten auflisten)?

16. Wie oft hat Deutschland das ERCC zur Katastrophenschutzhilfe angerufen
(bitte nach Art des Hilfegesuchs auflisten)?

17. Hatte die Bundesregierung das ERCC zur Katastrophenschutzhilfe beim
Elbe-Hochwasser von Mai bis Juni 2013 angerufen (bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2440
18. Wie sah die Hilfe des ERCC und anderer Mitgliedstaaten in Bezug auf
Frage 17 gegebenenfalls aus?

19. In welchem Verfahren ermittelt Deutschland seine nationalen Experten zur
Bereitstellung der von der Europäischen Kommission geschaffenen Exper-
tenteams im Sinne des Artikels 8 Buchstabe d des Beschlusses Nr. 1313/
2013/EU?

20. Um welche Art von durch die Mitgliedstaaten zu treffenden Vorsorge-
maßnahmen handelt es sich nach Meinung der Bundesregierung, um die
Unterstützung durch einen Gastgeberstaat im Katastrophenschutzfall zu
ermöglichen?

21. Wie sieht die Umsetzung von Artikel 10 Absatz 1 (Planung der Maß-
nahmen) des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU konkret aus (Art der Treffen,
Häufigkeit, Szenarienauflistung von Katastrophenfällen)?

22. Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung über die Einrichtung eines
Ausbildungsprogramms für ein Katastrophenschutz- und Notfallmanage-
mentpersonal, und wie oft wurden hierbei deutsche Experten zur Weiterbil-
dung und zum Austausch mit anderen EU-Katastrophenschutzexperten ent-
sannt?

23. Welche Bedeutung wird dem demografischen Wandel bei der deutschen Be-
wertung der Vorsorgemaßnahmen, Planung von Katastrophenschutzmaß-
nahmen und Ausbildung von Katastrophenschutzpersonal im Rahmen des
Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union beigemessen, und
was folgt daraus konkret?

24. Welche Bedeutung wird dem Ehrenamt bei der deutschen Bewertung der
Vorsorgemaßnahmen, Planung von Katastrophenschutzmaßnahmen und
Ausbildung von Katastrophenschutzpersonal im Rahmen des Katastro-
phenschutzverfahrens der Europäischen Union beigemessen, und was folgt
daraus konkret?

25. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es regional zunehmend bereits zu
wenig ehrenamtlich in Katastrophenschutzorganisationen Tätige gibt, um
vor Ort im Katastrophenfall auch in Zukunft schnell und wirksam Hilfe zu
leisten, und falls ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung konkret
dagegen?

26. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung oder führt sie zur Verbesse-
rung des inklusiven Katastrophenschutzes aus, um Frauen und Menschen
mit Migrationshintergrund stärker an Organisationen des Katastrophen-
schutzes zu binden (Aufklärungskampagnen, Modellprojekte)?

27. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit ein, dass die Einführung
neuer Koordinationsmechanismen und -strukturen sowie technischer Lö-
sungen zur Interoperabilität gerade unter Maßgabe der Kosteneffizienz
nicht zwangsläufig zu einer schnelleren, umfassenderen und effizienteren
Hilfe führt, sondern auch die Gefahr einer effektiven Verringerung der ope-
rativen zugunsten der administrativen Kapazitäten und Reibungsverluste
zwischen den substaatlichen, nationalstaatlichen und europäischen Koordi-
nationszentren birgt?

28. Zu wie vielen Unionsverfahren im Rahmen der konsularischen Hilfe für
Unionsbürger bei Katastrophenfällen in Drittländern kam es nach Kenntnis
der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Beschlusses über ein Katastro-
phenschutzverfahren der Union am 1. Januar 2014 (bitte nach Anzahl, Dritt-
staaten und Hilfegesuchen auflisten)?

Drucksache 18/2440 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
29. Kam es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der konsularischen Hilfe
für Unionsbürger zu praktischen Problemen, und wie lassen diese sich nach
Meinung der Bundesregierung künftig vermeiden?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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