BT-Drucksache 18/2434

Referat Rechtsterrorismus im Bundesamt für Verfassungsschutz

Vom 28. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2434
18. Wahlperiode 28.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Martina Renner
und der Fraktion DIE LINKE.

Referat Rechtsterrorismus im Bundesamt für Verfassungsschutz

Erst in der drittletzten Beweisaufnahmesitzung des 2. Untersuchungsausschus-
ses des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode zur Mord- und Anschlag-
serie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wurde den Abgeordneten
bekannt, in welcher Abteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)
die Suche nach dem im Jahr 1998 abgetauchten Trio angesiedelt war. Der unter
dem Namen Egerton auftretende Zeuge des BfV führte in der Sitzung am
13. Mai 2013 aus: „Mit dem Abtauchen ist die Zuständigkeit für diesen Fall, also
für die Begleitung der Suche nach den drei Flüchtigen, an unser Terrorismus-
referat 22F gewandert.“ (Protokoll der 70. Sitzung des 2. Untersuchungsaus-
schusses des Deutschen Bundestages der 17. Wahlperiode, S. 11). Alle Abge-
ordneten des 2. Untersuchungsausschusses waren überrascht, dass es ein solches
Referat zum Thema Rechtsterrorismus im BfV zu diesem Zeitpunkt überhaupt
gab und dass dessen Existenz und Verantwortung für die „Begleitung der Suche“
nach dem Trio dem 2. Untersuchungsausschuss erst am Ende seiner Arbeit
offenbart wurde. Während rechtsterroristische Strukturen in den Verfassungs-
schutzberichten immer negiert wurden, gab es im Amt dennoch eine Abteilung
zu diesem Thema und auch das Trio wurde offenbar als potenziell rechtsterro-
ristisch eingeschätzt. Die unter dem Namen Dobersalzka aussagende Zeugin der
72. Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages hat
als ehemalige Referatsleiterin dieses Referates einige Einblicke in dessen Arbeit
gegeben.
Vor dem Hintergrund der zentralen Fragestellung des 2. Untersuchungsaus-
schusses des Deutschen Bundestages zum NSU, ob, und wenn ja, wo es zu Feh-
lern staatlicher Behörden bei der Suche nach dem Trio und bei den Ermittlungen
zur Mord- und Anschlagserie gekommen ist, verwundert es sehr, dass das zu-
ständige Referat im BfV den Mitgliedern des 2. Untersuchungsausschusses von
Seiten der Bundesregierung nicht eher benannt wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wurde im BfV erstmals ein Referat zum Thema Rechtsterrorismus ein-

gerichtet, wie war es im BfV eingebunden, und welche Veränderungen der
Einbindung hat es seit der Gründung des Referats bis heute gegeben?

2. Wie hat sich die Personalstärke des Referats für Rechtsterrorismus über die
Jahre verändert, und wie stellt sich seine Größe im Vergleich zu anderen
Referaten, auch des Referats Linksterrorismus, dar?

Drucksache 18/2434 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Was war der Anlass für die Einrichtung eines solchen Referats, und welche
Bedeutung hatte es bis zur Enttarnung des NSU innerhalb der Abteilung 2
zum Thema Rechtsextremismus insgesamt?

4. Gab es innerhalb des BfV und des Arbeitskreises IV der Innenministerkon-
ferenz (IMK) Diskussionen und Forderungen nach einer Einrichtung einer
solchen Abteilung, waren dabei besonders profilierte Beteiligte feststellbar,
wurden diese Diskussionen schriftlich festgehalten, und in welcher Weise
hat das BfV diese Diskussionen und die gegebenenfalls vorhandenen Doku-
mente bei seinen Überlegungen zu Schlussfolgerungen aus dem NSU-De-
bakel berücksichtig?

5. In welchen Bundesländern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
wann ebenfalls ähnliche Abteilungen für Rechtsterrorismus eingerichtet?

6. Welche Definition von Rechtsterrorismus lag und liegt der Arbeit des Refe-
rats zugrunde, und wie grenzt sich die Definition des Rechtsterrorismus von
anderen Phänomenen des gewaltbereiten Rechtsextremismus ab?

7. Gab es ab 1998 schriftliche Ausarbeitungen, Vermerke, Sprechzettel etc.
des Referats 22F zum abgetauchten Trio aus Jena, wie viele solcher Aus-
arbeitungen gab es gegebenenfalls, und lagen alle diese etwaigen Ausarbei-
tungen dem NSU-Untersuchungsausschuss vor?

8. Wie viele Fälle von rechtsterroristischem Verdacht wurden in den Jahren
1998 ff. im Referat 22F im Jahr behandelt?

9. Wer entschied bzw. entscheidet über die Zuweisung eines Falls an das
Referat Rechtsterrorismus, und handelt es sich hierbei um Entscheidungen
nach festgelegten Kriterien (z. B. Waffen- oder Sprengstoffbesitz) oder um
Einzelfallentscheidungen?

10. Welche Differenzen zwischen dem Bundesministerium für Inneres (BMI),
Generalbundesanwalt, Bundeskriminalamt und BfV gab es hinsichtlich der
Definition des Rechtsterrorismus seit dem Jahr 1992, und an welchen kon-
kreten Ereignissen haben sich diese Differenzen festgemacht (bitte einzeln
auflisten)?

11. Wie wurde mit diesen Differenzen praktisch umgegangen, und trifft es zu,
dass das BfV eine weitergefasste Definition des Begriffs des Rechtsterroris-
mus hatte, während das BMI eine sehr eng gefasste Rechtsterrorismusdefi-
nition hatte?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung heute rückblickend diese Auseinander-
setzungen zum Begriff Rechtsterrorismus?

13. Warum wurde seitens der Bundesregierung dem NSU-Untersuchungsaus-
schuss nicht eher ein Hinweis auf das Referat 22F im BfV und dessen Zu-
ständigkeit für die Unterstützung der Suche nach dem Trio gegeben?

Berlin, den 28. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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