BT-Drucksache 18/2316

Erkenntnisse über bewaffnete Aktivitäten in der Ostukraine

Vom 8. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2316
18. Wahlperiode 08.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Erkenntnisse über bewaffnete Aktivitäten in der Ostukraine

Am 17. Juli 2014 stürzte über der Ostukraine ein Passagierflugzeug der Malay-
sia Airlines ab. Flug MH 17 befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach
Kuala Lumpur. An Bord der Boeing 777 waren 298 Zivilistinnen und Zivilisten,
die nach derzeitigen Erkenntnissen bei dem Absturz alle ums Leben kamen.
Es wird gemutmaßt, dass die Maschine beschossen wurde. Die ukrainische
Armee und die Aufständischen in der Ostukraine bezichtigen sich gegenseitig,
das Flugzeug abgeschossen zu haben. Die ukrainische De-facto-Regierung be-
hauptet außerdem, Russland unterstütze die ostukrainischen Aufständischen
operativ und logistisch, unter anderem indem es sie mit Waffensystemen aus-
statte. Diese Darstellung wird nach diversen Agenturmeldungen und Medien-
berichten nicht nur von NATO-Vertretern, sondern auch von der Bundesregie-
rung sowie deutschen Parlamentariern in die Öffentlichkeit getragen. So äußerte
z. B. am 31. Juli 2014 der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion
des Deutschen Bundestages für die Themen Außen-, Verteidigungs- und Sicher-
heitspolitik, Dr. Andreas Schockenhoff, im „WDR“-Hörfunk, es sei „erwiesen“,
dass die Aufständischen in der Ostukraine „schweres Kriegsgerät“ und „russi-
sche Spezialkräfte“ ins Land geholt hätten. Dass „Putin unmittelbar Einfluss“
habe, habe „sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt“ – russische
Spezialkräfte führten die ostukrainischen Aufständischen und hätten sie bei der
Bedienung des Buk-Flugabwehrraketensystems, mit dem die Malaysia Air-
lines Linienmaschine mutmaßlich abgeschossen worden sei, angeleitet. Diese
Erkenntnisse seien durch abgefangene Funksprüche „eindeutig belegt“
(www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr2/mt-audios-sendung100_tag-
31072014.html). Gestützt auf die Behauptung einer Involvierung Russlands in
die Aktivitäten der Aufständischen in der Ostukraine und unter anderem in An-
knüpfung an den Absturz des Fluges MH 17 verhängte die EU mit Wirkung zum
1. August 2014 die dritte Sanktionsstufe, die erstmals ernsthafte ökonomische
Elemente enthält, gegen Russland (www.european-council.europa.eu/home-
page/highlights/additional-restrictive-measures-against-russia?lang=en).
Zum Zeitpunkt des Absturzes des Fluges MH 17 patroullierten AWACS-Aufklä-
rungsflugzeuge in der Region (AFP, 18. Juli 2014). Die Entsendung von
AWACS-Radarstationen nach Polen und Rumänien war vom NATO-Rat bereits
im März 2014 beschlossen worden, um vom Luftraum an die Ukraine angren-
zender NATO-Staaten aus die Krise in der Ukraine zu beobachten (Reuters,
11. März 2014). Am 18. Juli 2014 wurde mit Blick auf den vermuteten Abschuss
des Malaysia-Airlines-Verkehrsflugzeuges die Auswertung der Radaraufzeich-
nungen der am 17. Juli 2014 eingesetzten NATO-AWACS angeordnet (AFP,
18. Juli 2014).

Drucksache 18/2316 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Funksprüche oder (sonstige) Telekommunikation bzw. (sonstiger)

Datenaustausch mit Bezug zum Absturz des Fluges MH 17 am 17. Juli 2014
wurden nach Erkenntnissen der Bundesregierung bzw. nachgeordneter Stel-
len von welchen in- oder ausländischen Stellen abgehört oder auf andere Art
abgefangen, und welchen Inhalt hatten diese Kommunikationsvorgänge?

2. Kann die Bundesregierung – bzw. können deren nachgeordnete Stellen –
die u. a. vom stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion für die
Themen Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik Dr. Andreas
Schockenhoff getätigte Äußerung bestätigen, der russische Präsident
Wladimir Putin habe „unmittelbaren Einfluss“ auf die Aufständischen im
Osten der Ukraine, die Aufständischen würden von Russland, d. h. staat-
lichen russischen Stellen, mit „schwerem Kriegsgerät“ unterstützt, „von
russischen Spezialkräften geführt“, und der Abschuss des Fluges MH 17 sei
durch Aufständische in der Ostukraine mit Flugabwehrsystemen, „angelei-
tet“ durch russische Spezialkräfte, erfolgt?

3. Liegen dem ggf. abgehörte oder auf andere Art abgefangene Funksprüche
zugrunde?

4. Woher stammten die ggf. abgehörten oder auf andere Art abgefangenen
Funksprüche, und wer zeichnete diese wo, wann, und wie auf?

5. Welchen (weiteren) Inhalt hatten ggf. diese Funksprüche?
6. Verfügen die Bundesregierung bzw. nachgeordnete Stellen darüber hinaus

über eindeutige Belege für eine Zusammenarbeit bzw. Unterstützung der
Aufständischen in der Ostukraine durch russische Stellen?

7. Um welche Belege bzw. Erkenntnisse handelt es sich hierbei im Einzelnen,
und welchen Inhalt haben diese ggf. im Weiteren?

8. Wann werden die zu den Fragen 1 bis 7 in Bezug genommenen Belege bzw.
Erkenntnisse den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Öf-
fentlichkeit zur Kenntnis gebracht?

9. Warum wurden die zu den Fragen 1 bis 7 in Bezug genommenen Belege
bzw. Erkenntnisse den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der
Öffentlichkeit bislang vorenthalten?

10. Welche von Aufklärungssatelliten, u. a. der USA und der russischen Föde-
ration, gesammelten Erkenntnisse zu möglichen Ursachen bzw. Auslösern
des Absturzes des Fluges MH 17 am 17. Juli 2014 liegen der Bundesregie-
rung bzw. nachgeordneten Stellen vor?

11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bzw. nachgeordneten
Stellen bezüglich der am 17. Juli 2014 aufgezeichneten bzw. erfassten Ra-
dar- oder sonstigen Aktivitäten von Raketenstellungen vor?

12. Liegen die Erkenntnisse aus der am 18. Juli 2014 veranlassten Auswertung
der Radaraufzeichnungen von AWACS-Flugzeugen am 17. Juli 2014 in-
zwischen vor?

13. Was hat die Auswertung der Radaraufzeichnungen von AWACS-Flugzeu-
gen erbracht?

14. Welche Erkenntnisse ergaben sich aus der Auswertung der Radaraufzeich-
nungen von AWACS-Flugzeugen bezüglich der Aktivität von Flugabwehr-
systemen, Boden-Luft- und Luft-Luft-Raketensystemen, in einem Aktions-
radius, aus dem heraus Flug MH 17 hätte getroffen werden können, und
welche weiteren Signale zeichneten die AWACS auf?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2316
15. Falls bislang noch keine Erkenntnisse aus der Auswertung der von den
AWACS-Flugzeugen aufgezeichneten Daten vorliegen, wann ist damit zu
rechnen?

16. Falls Erkenntnisse aus der Auswertung der von den AWACS-Flugzeugen
aufgezeichneten Daten vorliegen, die Bundesregierung und nachgeordnete
Stellen darauf aber noch keinen Zugriff haben,
a) warum besteht bislang kein Zugriff,
b) wann wird eine Zugriffsmöglichkeit voraussichtlich bestehen,
c) was wurde wann von welcher deutschen Stelle unternommen, um wel-

chen Zugriff auf die Daten zu erhalten?
17. An welchen Tagen zwischen dem 1. April 2014 und dem 31. Juli 2014 er-

folgten keine Aufklärungsflüge der entsandten NATO-AWACS bzw. keine
Aufklärungsflüge, bei denen das Gebiet der Ukraine überwacht wurde, und
welche Gründe gab es hierfür?

18. Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus den Satelliten- und
Radardaten und ggf. deren Auswertung durch die russische Regierung im
Kontext des Absturzes des Fluges MH 17, und welche Schlussfolgerungen
und Konsequenzen zieht sie daraus?

19. Hat die russische Regierung die Satelliten- und Radardaten der Bundesrepu-
blik Deutschland, der NATO oder nach Kenntnis der Bundesregierung einer
anderen internationalen Organisation zwecks Überprüfung der Daten zur
Verfügung gestellt?
Wenn nein, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, warum dies nicht
erfolgt ist?

20. Wird die Bundesregierung diese Daten bei der russischen Regierung erbit-
ten, um die Daten zu prüfen?
Wenn nein, warum nicht?

21. Welche Erkenntnisse besitzen die Bundesregierung bzw. nachgeordnete
Stellen bezüglich einer operativen, logistischen oder finanziellen Ausstat-
tung bzw. Unterstützung der ukrainischen De-facto-Regierung oder der
ukrainischen Armee mit Blick auf deren Einsatz in der Ostukraine durch die
EU bzw. Stellen in NATO-, EU- oder sonstigen Staaten?

Berlin, den 6. August 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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