BT-Drucksache 18/2315

Import von Steinkohle nach Deutschland

Vom 7. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2315
18. Wahlperiode 07.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden, Markus
Tressel, Peter Meiwald, Steffi Lemke, Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Christian Kühn
(Tübingen), Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Import von Steinkohle nach Deutschland

Im Jahr 2013 haben deutsche Unternehmen über 4 Mrd. Euro für den Import von
Steinkohle ausgegeben. Insgesamt wurden 50,6 Millionen Tonnen der klima-
schädlichen Steinkohle importiert. Dies ist ein Anstieg um 15,2 Prozent gegen-
über dem Vorjahr. Zu den wichtigsten Steinkohlelieferanten für Deutschland
zählten im vergangenen Jahr Russland (12,5 Millionen Tonnen), die Vereinigten
Staaten (12 Millionen Tonnen), Kolumbien (10 Millionen Tonnen) und Süd-
afrika (3,2 Millionen Tonnen). Für diese Importe haben Unternehmen in
Deutschland jeweils fast 1 Mrd. Euro an Unternehmen in Russland und den USA
sowie etwa 640 Mio. Euro an Unternehmen in Kolumbien gezahlt. Aus der
Europäische Union (EU) erhielt Deutschland vorrangig Steinkohle aus Polen
(3,4 Millionen Tonnen). Diese Angaben beruhen auf Angaben des Statistischen
Bundesamtes (Destatis). Wie internationale Menschenrechtsorganisationen
gegegenüber den Fragestellern immer wieder berichteten, kam es in der Vergan-
genheit und kommt womöglich noch immer beim Steinkohleabbau – vor allem
in Kolumbien – regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen und gra-
vierender Umweltzerstörung. In Kolumbien „säubern“ Armee und Paramilitärs
das Land, wenn Bergbauunternehmen auf neu ausgewiesene Abbaugebiete zu-
greifen wollen. Die Guerilla schöpft in den Bergbaugebieten Revolutionssteuern
ab. Die lokale Bevölkerung gerät zwischen die Fronten der bewaffneten Grup-
pen. Es kommt zu massenhaften Vertreibungen und Gewaltakten gegen die
Zivilbevölkerung. Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsver-
teidiger, die in Kolumbien über die Problematik in den Kohleabbaugebieten be-
richten, werden massiv bedroht und verfolgt. Es werden weiter Enteignungen
ohne angemessene Entschädigungszahlungen durchgeführt, gesetzlich vorge-
schriebene Verfahren zur Konsultation der indigenen und afrokolumbianischen
Bevölkerung werden nicht oder nur mangelhaft durchgeführt. Die Bäuerinnen
und Bauern sowie Angehörigen indigener Völker verlieren ihr Land und ihre Le-
bensgrundlage. In den Minen werden Arbeitsschutzrichtlinien nicht eingehalten
mit der Folge schwerer Erkrankungen für die Minenarbeiterinnen bzw. Minen-
arbeiter und Anwohnerinnen/Anwohner.
Auch die ökologischen Folgen in den Abbaugebieten in den verschiedenen Re-
gionen der Welt sind verheerend. Der Steinkohleabbau geht mit einer massiven
Abholzung ökologisch wertvoller Waldgebiete und einer Belastung von Böden
und Gewässern einher, wodurch diese für die Landwirtschaft unbrauchbar
werden. Der Kohlebedarf in Deutschland und Europa trägt nach Auffassung der
Fragesteller zu diesen schwerwiegenden ökologischen und menschenrecht-
lichen Folgen in den Partnerländern bei. Der Bergbau findet oftmals in Regionen

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mit schwachen staatlichen Strukturen statt. Doch statt die demokratische Ent-
wicklung zu fördern, erweist sich der Bergbau durch die einseitige Ausrichtung
auf einen Industriezweig und die damit einhergehende Abhängigkeit der Region
von der Kohle oft als Hemmschuh für eine demokratische und nachhaltige Ent-
wicklung der Region.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der

Herkunft der importierten Steinkohle ab dem Jahr 2011, jeweils unterschie-
den nach Kraftwerks- und Kokskohle, die von deutschen Unternehmen ver-
wendet wird, und wie werden diese Importe statistisch erfasst?

2. Erwägt die Bundesregierung, eine gesetzlich bindende Regelung einzufüh-
ren, nach der kohleimportierende Unternehmen verpflichtet werden, sowohl
ihre Bezugsquellen als auch durchgeführte Menschenrechtsüberprüfungen
offenzulegen, und wenn nein, warum nicht?

3. Welche Veränderungen gibt es im Hinblick auf die Herkunftsländer und die
von dort nach Deutschland importierten Mengen an Steinkohle seit dem
Jahr 2011 (wenn möglich bitte nach einzelnen Jahren gegliedert aufschlüs-
seln)?

4. Von welchen Förderkosten ohne Transportkosten je Tonne geförderter
Steinkohle geht die Bundesregierung in Russland, den USA, Kolumbien
und Südafrika (bitte einzeln aufschlüsseln) aus?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die aktuelle Lage hin-
sichtlich der ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen des
Kohleabbaus in Russland, den USA, Kolumbien und Südafrika (bitte län-
derspezifisch begründen), und wie bewertet sie diese?

6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Kohlebergbau in Abbaulän-
dern, wie Kolumbien, zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt bzw.
diese fördert (bitte begründen)?

7. Welche Lieferstandards sind der Bundesregierung bekannt, wie kontrolliert
sie die minenspezifische Herkunft der Kohle sowie die Einhaltung ökologi-
scher und menschenrechtlicher Vorgaben, und will sie die Kontrollmecha-
nismen zukünftig verbessern (bitte begründen)?

8. Zieht die Bundesregierung Einschränkungen von Kohleimporten aus jenen
Regionen bzw. Minen in Betracht, von denen keine Nachweise zur Einhal-
tung von Menschenrechtsstandards erbracht werden können, und wenn nein,
warum nicht?

9. Plant die Bundesregierung ein Monitoring des im Jahr 2013 abgeschlossenen
Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien, um negativen
Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung entgegenzusteuern, und wenn
ja, welche Rahmenbedingungen soll es dafür geben?

10. Gibt es Pläne für eine deutsch-kolumbianische Zusammenarbeit bezüglich
der Verbesserung von staatlichen Strukturen zur Kontrolle der Kohleprodu-
zenten und zur Bekämpfung der Korruption im Land?

11. Welche deutsch-kolumbianischen Regierungsgespräche gab es bislang in
dieser Hinsicht, bzw. falls es keine gab, sind dergleichen für die Zukunft ge-
plant?

12. Vor dem Hintergrund, dass laut Aussagen des Auswärtigen Amts zwischen
Deutschland und Kolumbien zunehmend enge wirtschaftliche Beziehungen
bestehen, welche Vertreter der deutschen Wirtschaft begleiteten die Bundes-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2315
regierung im Rahmen des hochrangigen bilateralen Austauschs seit dem
Jahr 2007, und welchen Inhalt hatten die Treffen (bitte einzeln auflisten)?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Sorgfaltspflicht und Verantwortung
deutscher Energiekonzerne ein, welche Kohle aus Kolumbien importieren,
und welche Gespräche gab es dazu mit den deutschen Energiekonzernen mit
welchem Inhalt seit dem Jahr 2007?

14. Wie will die Bundesregierung kohleimportierende Unternehmen stärker in
die Verantwortung nehmen, ökologische und menschenrechtliche Vorgaben
der internationalen Gemeinschaft einzuhalten?

15. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um eine höhere
Transparenz der Lieferketten und eine stärkere Sorgfaltspflicht vonseiten
der Unternehmen, die Kohle beziehen, zu gewährleisten?

16. Wird sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine bessere Nachvoll-
ziehbarkeit von Transportwegen durch die Kohleimporteure einsetzen, und
falls ja, wie genau, bzw. falls nein, warum nicht?

17. Wie wird sich nach Ansicht der Bundesregierung die Krise in der Ukraine
auf die deutsche Energiepolitik auswirken, insbesondere mit Blick auf
Kohleimporte aus den wichtigsten Lieferländern wie etwa Russland?

18. Welche konkreten Maßnahmen und Ziele verfolgt die Bundesregierung, um
den Kohleverbrauch zu senken und Kohleimporte nach Deutschland zu
reduzieren?

19. Wie wird sich nach Ansicht der Bundesregierung das Ende der Steinkohle-
förderung in Deutschland im Jahr 2018 auf die Importsituation auswirken,
und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

20. In welchem Zeitraum sollen diese Maßnahmen umgesetzt und die Ziele er-
reicht werden?

21. Wie viele Lieferungen und welche Mengen kolumbianischer Steinkohle der
Unternehmen Drummond Company, Inc. und Glencore nach Deutschland
gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren (bitte nach
Jahr, Unternehmen und Menge aufschlüsseln)?

22. Kennt die Bundesregierung den Bericht „The Dark Side of Coal“ der nie-
derländischen Friedensorganisation PAX Netherlands über die möglichen
Verwicklungen zwischen den in Frage 21 genannten Unternehmen und den
kolumbianischen Paramilitärs zwischen 1996 und 2006, und falls ja, welche
Konsequenzen zieht sie aus den dort genannten Problemen und Lösungsvor-
schlägen?

23. Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, damit deutsche
Kohlekraftwerksbetreiber nur noch Kohle von solchen Abbauunternehmen
importieren, die die Einhaltung der Menschenrechte sowie Sozial- und Um-
weltstandards in den Abbaugebieten der importierten Steinkohle garantie-
ren können?

24. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass keine Kohle aus illegalen För-
derstätten aus den Abbauländern importiert wird, und wie weisen deutsche
Kraftwerksbetreiber und Unternehmen dies nach?

25. Welche Maßnahmen und Monitoringsysteme wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung seit dem Jahr 2011 von deutschen Unternehmen eingerich-
tet, um den Erwartungen der Bundesregierung zu entsprechen und beim
Steinkohleabbau in Kolumbien die am 13. September 2007 von den Verein-
ten Nationen verabschiedete Deklaration der Rechte indigener Völker ein-
zuhalten, und welche Ergebnisse bezüglich der Einhaltung der Deklaration
gingen daraus hervor?

Drucksache 18/2315 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
26. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Standards durch staatliche
Institutionen einerseits und die dort operierenden Unternehmen andererseits
im Hinblick auf Arbeitsschutz, Umweltschutz, Rechte von Bergbaubetrof-
fenen usw. beim Steinkohleabbau in den legalen Minen Kolumbiens einge-
halten und überwacht werden?

27. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem
Jahr 2011 von der kolumbianischen Regierung ergriffen, um den Minensek-
tor stärker zu regulieren, gegen illegale Minen vorzugehen und die bisher
vor allem bei den untertägig arbeitenden Minen defizitäre Überwachung
von Arbeitschutz, Umweltschutz etc. deutlich zu verbessern?

28. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu konkreten Fällen von
Menschenrechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit dem Kohleberg-
bau stehen, im Rahmen ihrer Menschenrechtsarbeit und der Zusammen-
arbeit mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschen-
rechte und dessen Büro in Bogotá seit 2011 erlangt?

29. Welche nachprüfbaren Belege liegen der Bundesregierung vor, aus denen
hervorgeht, dass der Abbau in den legalen Minen Kolumbiens durch inter-
nationale Firmen unter Einhaltung der internationalen Umweltstandards er-
folgt?

30. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die internationale Bettercoal-
Initiative der großen Kohlekonzerne?

Berlin, den 7. August 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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