BT-Drucksache 18/2296

Klimaschutz im Verkehrssektor

Vom 4. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2296
18. Wahlperiode 04.08.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Stephan Kühn (Dresden), Annalena Baerbock,
Matthias Gastel, Harald Ebner, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen),
Steffi Lemke, Peter Meiwald, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klimaschutz im Verkehrssektor

Bei der Energiewende geht es um mehr als nur den Umstieg auf erneuerbar ge-
nerierten Strom. Die Bundesrepublik Deutschland benötigt neue Systeme zur
Wärmeerzeugung und für den erdölabhängigen Verkehr. Gerade der Verkehrs-
sektor ist ein großes Sorgenkind der deutschen Klimapolitik. Nirgends sonst ist
so unklar, wie und mit welchen Maßnahmen der Umstieg auf eine nachhaltige
Mobilität umgesetzt werden soll. Die Fülle von Ansätzen hat bis heute nicht zu
signifikanten Emissionsreduktionen geführt. Auch gibt es keine für den Ver-
kehrssektor spezifischen Emissionsreduktionsziele, lediglich Energieeffizienz-
ziele im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie. Überwiegend leiten sie sich nur
indirekt aus dem allgemeinen Klimaziel der Bundesregierung von minus 40 Pro-
zent bis zum Jahr 2020 und den rechtlich verbindlichen Minderungszielen auf
EU-Ebene (im Rahmen des Emissionshandelssystems) ab.
Der Verkehrssektor trug im Jahr 1990 zu rund 13 Prozent der Treibhausgasemis-
sionen in Deutschland bei. Im Jahr 2011 lag dieser Wert bei rund 17 Prozent.
Laut der Verkehrsverflechtungsprognose vom 11. Juni 2014 wird sich auch die
Verkehrsleistung des Luftverkehrs in Deutschland bis zum Jahr 2030 im Ver-
gleich zum Jahr 2010 um 64,8 Prozent steigern. Das zeigt deutlich, dass trotz
einer geringen Minderung der absoluten Emissionen auf rund 155 Millionen
Tonnen (www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-
energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen) der Verkehrssektor zu-
nehmend unter Zugzwang kommt. Dies wird dadurch intensiviert, dass die Bun-
desministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara
Hendricks, nach Informationen der Fragesteller eine weitere Reduktion bis zum
Jahr 2020 auf rund 140 Millionen Tonnen vorgeschlagen hat. Angesichts der
politischen Ziele ist aber dennoch unklar, ob nachhaltig produzierte Treibstoffe,
ein Umstieg auf alternative Antriebe wie Elektro und Wasserstoff oder eine Ver-
änderung des sogenannten Modal Split den größten Beitrag zur Reduzierung der
Treibhausgasemissionen erbringen werden. So hat beispielsweise der Anteil des
Schienenverkehrs an der Güterbeförderungsleistung von 1999 bis 2012 von 16,5
auf 18,2 Prozent zugelegt (Zeitschrift Nachhaltige Entwicklung in Deutschland,
Indikatorenbericht, Statistisches Bundesamt 2014, S. 38). Das scheint ange-
sichts des Ziels von 25 Prozent für das Jahr 2015 wenig; in Anbetracht des enor-
men Zuwachses der Güterbeförderungsleistung um 29,9 Prozent im selben Zeit-
raum ist das aber beachtlich und untermauert die große Herausforderung. Der
Anteil der Binnenschifffahrt ist tendenziell rückläufig. Solange aber die traditi-
onellen Dieselmotoren nicht durch neue Systeme abgelöst werden, kann durch

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eine Steigerung des Anteils der Binnenschifffahrt keine Besserung beim Klima-
schutz erreicht werden.
Es gibt viele Möglichkeiten für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor. Doch das
Umweltbundesamt ging im Jahr 2010 von einer Zunahme der Emissionen um
fast 10 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 2005 aus (www.
umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/3773.pdf).
Diese Prognose wird auch dadurch gestützt, dass bisherige Infrastrukturaus-
gaben keine Abkehr vom Status Quo erhoffen lassen. So expandierte das Stra-
ßennetz in Deutschland seit dem Jahr 1991, während es zu einer Abnahme der
Schienentrassen um 6 Prozent kam. Seit den 80er-Jahren verdoppelte sich die
Länge aller Einkaufs- und Berufswege in Deutschland (INFAS, DIW, 2004). Zu-
gleich wurde die Biokraftstoffquote auf 6,25 Prozent (energetisch) festgesetzt,
weil es u. a. zu Nutzungskonflikten kommt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Treibhausgasemissio-

nen einzelner Verkehrsmittel (Bahn, Fern- und Reisebus, Lkw, Pkw, Binnen-
schiff, Flugzeug sowie öffentlicher Personennahverkehr – ÖPNV), und wie
haben sich diese in den vergangenen 20 Jahren entwickelt (bitte jeweils in
Millionen Tonnen – Mt – pro Jahr angeben)?

2. Wie werden sich nach Ansicht der Bundesregierung die Treibhausgasemis-
sionen der einzelnen Verkehrsträger in den kommenden Jahren mit Bezug auf
die Verkehrsprognose des Bundesministers für Verkehr und digitale Infra-
struktur Alexander Dobrindt entwickeln (bitte ebenfalls in Mt pro Jahr ange-
ben), und welche Rückschlüsse zieht sie daraus für die Klimaziele?

3. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
CO2-Emissionen aller zugelassenen Pkw in Deutschland (bitte nach Jahren
2003 bis 2013 aufschlüsseln), und führt die Bundesregierung die bereits er-
reichten Reduktionen auf die CO2-Grenzwerte für die Jahre 2015 und 2020
zurück?

4. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittlichen
CO2-Emissionen aller in Deutschland verkehrenden Lkw (bitte nach Jahren
2003 bis 2013 aufschlüsseln), und führt die Bundesregierung die bereits er-
reichten Reduktionen auf die Schadstoffklassen der Lkw-Maut zurück?

5. Wie viel Treibhausgase (bitte relativ und absolut) müssen nach Kenntnis der
Bundesregierung zusätzlich bis zum Jahr 2020 eingespart werden, um das
politisch gesetzte Ziel einer Reduktion von 40 Prozent gegenüber dem Jahr
1990 zu erreichen, und in welchem Umfang wird der Verkehrssektor mit zu-
sätzlichen Minderungen zur Zielerreichung beitragen müssen?

6. Lässt sich das Ziel der Bundesregierung aus dem Energiekonzept 2010 (bis
zum Jahr 2050 bundesweit 80 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen und
den Energieverbrauch um die Hälfte senken) noch erreichen, und wenn ja,
wie lässt es sich auf den Verkehrssektor übertragen?

7. Hat die Bundesregierung die Absicht, für den Verkehrssektor klare Reduk-
tionsziele mit Instrumenten, Zeitplänen und Monitoring festzulegen, und
wenn nein, wie kann anderenfalls sichergestellt werden, dass die geplante
Emissionsreduktion zu schaffen ist?

8. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die in der Antwort der Bundesre-
gierung auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/13746, Frage 7)
abgeschätzten Minderungspotenziale bis zum Jahr 2020 so noch zu schaffen
sind, bzw. hat sie aktuellere Potenzialabschätzungen und Prognosen?

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9. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Reduktion der Treib-
hausgase im Verkehr durch die Umsetzung der Mobilitäts- und Kraft-
stoffstrategie?

10. Wie und mit welchen Zielen plant die Bundesregierung an der Mobilitäts-
und Kraftstoffstrategie weiterzuarbeiten?

11. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Reduktion der Treib-
hausgase im Verkehr durch die Umstellung auf eine Kfz-Steuer mit teilwei-
sem CO2-Bezug, und schließt die Bundesregierung es aus, die Kfz-Steuer
zugunsten CO2-ärmerer Fahrzeuge weiter zu entwickeln?

12. Welche Verschiebung im Modal Split wäre nach Kenntnis der Bundesregie-
rung besonders wirksam und effizient, um möglichst viele Treibhausgas-
emissionen einzusparen?

13. Ist die Änderung des Modal Split in Deutschland (bezogen auf Güter –
Schiene, Wasserstraße – und Personen – Bahn, Busse, Taxen, Mitfahrgele-
genheiten, Carsharing, Fahrrad, Fußgänger), erklärtes Ziel der Bundes-
regierung, und wenn ja, in welchem Zeitraum soll was für eine Verschie-
bung stattfinden?

14. Welche Veränderung beim CO2-Ausstoß im Modal Split gab es nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren, und mit welchen
Instrumenten möchte die Bundesregierung welche weiteren Verschiebun-
gen anregen?

15. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen werden nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die aktuelle Verbrauchskennzeichnung für Pkw einge-
spart, und wie bewertet die Bundesregierung das weitere Einsparungspoten-
zial bis zum Jahr 2020?

16. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch eine weiter verpflichtende Regelung zur Beschaffung
noch umweltfreundlicherer Fahrzeuge durch die öffentliche Hand einge-
spart werden, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Poten-
zial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

17. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch eine Erweiterung der Lkw-Maut (Stichwort ökologi-
sche Lenkungswirkung) eingespart werden, und was unternimmt die Bun-
desregierung, um dieses Potenzial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

18. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch eine Reform der Dienstwagenbesteuerung eingespart
werden, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Potenzial bis
zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

19. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen könnten nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die angekündigte Pkw-Maut eingespart werden, und
werden diese Effekte im Klimaschutz-Sofortprogramm angerechnet?

20. Welches Emissionsreduktionspotenzial ergäbe sich nach Kenntnis der Bun-
desregierung aus einer Internalisierung der Lärm-, Luftverschmutzungs-
und Staukosten des Lkw-Verkehrs?

21. Hat die Bundesregierung Berechnungen erstellt, wie viele Tonnen Treib-
hausgasemissionen durch CO2-Grenzwerte für Lkw eingespart werden kön-
nen, und was unternimmt die Bundesregierung, um die EU dazu zu bringen,
dieses Potenzial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

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22. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der
Bundesregierung durch eine Einführung eines generellen Tempolimits von
120 Stundenkilometer (km/h) eingespart werden, und was unternimmt die
Bundesregierung, um dieses Potenzial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

23. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die aktuelle Energieeffizienzbezeichnung von Reifen
eingespart werden, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses
Potenzial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

24. Wie viele Hybrid-, Elektro- und Brennstoffbusse sind nach Kenntnis der
Bundesregierung bisher in Deutschland im Einsatz (bitte mit Angabe, wie
viele davon mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden), und welche Ziele
für die weitere Verbreitung gibt es?

25. Wie viele Elektrofahrzeuge sind nach Kenntnis der Bundesregierung der-
zeit in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und den USA zu-
gelassen (bitte nach Plug-In Hybrid, Batteriefahrzeug, Range-Extender,
Wasserstoff etc. aufschlüsseln), und worin sieht die Bundesregierung die
Gründe für die unterschiedlichen Werte?

26. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die Einführung von einer Million Elektrofahrzeugen bis
zum Jahr 2020 eingespart werden, und ist diese Reduktion bereits in den
bisherigen Prognosen der Emissionsreduktion bis zum Jahr 2020 von rund
minus 33 Prozent enthalten?

27. Wie geht es nach Auslaufen des Förderprogramms „Schaufenster Elektro-
mobilität“ mit den darin geförderten Projekten weiter, und plant die Bun-
desregierung eine Anschlussfinanzierung?

28. Welche Erkenntnisse zieht die Bundesregierung aus dem ENUBA-For-
schungsprogramm für die Elektromobilität von schweren Nutzfahrzeugen?

29. Gibt es seitens der Bundesregierung Machbarkeitsstudien zu Elektromobi-
lität von schweren Nutzfahrzeugen, und wenn nein, sind diese in Planung?

30. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das Ziel von einer Million Elek-
trofahrzeugen bis zum Jahr 2020 (sechs Millionen bis zum Jahr 2030) in
Deutschland erreicht werden kann, und wenn ja, mit welchen zusätzlichen
Maßnahmen wird die Bundesregierung zur Zielerreichung beitragen?

31. Wie viel CO2 kann nach Kenntnis der Bundesregierung im Schienenverkehr
(getrennt nach Personen- und Güterverkehr) eingespart werden, wenn alle
elektrisch betriebenen Lokomotiven mit Ökostrom fahren?

32. Wie viel CO2 kann nach Kenntnis der Bundesregierung im Schienenverkehr
(getrennt nach Personen- und Güterverkehr) eingespart werden, wenn alle
elektrisch betriebenen Lokomotiven über Stromrückgewinnung verfügen?

33. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch eine Ausweitung des ÖPNV und Radverkehrs einge-
spart werden, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Poten-
zial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

34. Plant die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 zusätzliche Mittel für den
Radverkehr bzw. die Radverkehrsinfrastruktur bereitzustellen?

35. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch eine Abschmelzung bzw. Umwidmung der Mittel für
den Straßenausbau eingespart werden, und was unternimmt die Bundes-
regierung, um dieses Potenzial bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

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36. Welche Potenziale sieht die Bundesregierung, den Treibhausgasausstoß des
städtischen Verkehrs zu reduzieren, und was tut die Bundesregierung, um
diese Potenziale bis zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

37. Wird die Bundesregierung, zum Beispiel anhand des „Urban Mobility
Package“ der Europäischen Kommission, eine nationale Strategie für res-
sourceneffiziente und klimaschonende Stadtmobilität entwickeln, und wenn
nein, warum nicht?

38. Wie viele Tonnen Treibhausgasemissionen können nach Kenntnis der Bun-
desregierung durch die verstärkte Nutzung von Leichtlaufreifen eingespart
werden, und was unternimmt die Bundesregierung, um dieses Potenzial bis
zum Jahr 2020 auszuschöpfen?

39. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Situation der Bahn
gegenüber Inlandsflügen, gerade angesichts der neuen EEG-Eigenstromre-
gelung (EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz), zu verbessern?

40. Wie wird die Bundesregierung das nationale Luftverkehrskonzept nutzen,
um weitere Potenziale zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu er-
reichen?

41. Mit welchem Zuwachs an Treibhausgasemissionen aus dem Luftverkehr in
Deutschland rechnet die Bundesregierung angesichts der neuen Verkehrs-
verflechtungsprognose (bitte in Mt im Jahr 2030), und welche Schlussfol-
gerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Wachstumsprognose, was
die Rahmenbedingungen des Luftverkehrs in Deutschland betrifft?

Berlin, den 4. August 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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