BT-Drucksache 18/2294

Betriebsunterbrechung am Berliner Forschungsreaktor BER II (zugleich Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/1764)

Vom 5. August 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2294
18. Wahlperiode 05.08.2014
Kleine Anfrage

der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer,
Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle Schauws, Doris Wagner, Maria
Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Betriebsunterbrechung am Berliner Forschungsreaktor BER II
(zugleich Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/1764)

Laut einem Bericht der „taz.die tageszeitung“ vom 7. Juli 2014 musste der
Berliner Forschungsreaktor BER II im November 2013 aus Sicherheitsgründen
abgeschaltet werden und ist seitdem wegen aufwändiger Reparaturarbeiten
außer Betrieb. Grund dafür ist unter anderem das beschleunigte Wachstum meh-
rerer Schweißnahtrisse in der zweiten Jahreshälfte 2013. Die Naht fixiert im
Inneren des Reaktorbeckens ein Kühlsystemrohr. Beim Bruch der Naht hätte
dieses unkontrolliert in Bewegung geraten können und im schlimmsten Fall
selbst abreißen können, was die Kühlung des Reaktorkerns stark beeinflusst
hätte. Die Risse hatten nach Angaben des den Reaktor betreibenden Helmholtz-
Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) insgesamt eine Länge von
109 Millimetern (www.taz.de/Im-Helmholtz-Zentrum-Berlin/!141899/).
Der Berliner Forschungsreaktor BER II ging im Jahr 1973 in Betrieb. Beim
BER II handelt es sich um einen sogenannten Schwimmbadreaktor, der mit
leichtem Wasser gekühlt wird. Im Einsatz sind 24 Brennelemente mit jeweils
322 Gramm Uran und sechs Elemente zur Aufnahme der Steuerstäbe mit jeweils
238 Gramm Uran. Ende 2019 läuft die Betriebsgenehmigung für den BER II
aus.
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Forschung am
Berliner Reaktor BER II“ auf Bundestagsdrucksache 18/1764 haben sich außer-
dem noch einige Nachfragen bezüglich des Forschungsbetriebs, der Notfallpläne
und der Rückstellungen ergeben.

Wir fragen die Bundesregierung:
Fragen zur Betriebsunterbrechung und zu der Schweißnahtproblematik am Ber-
liner Reaktor BER II
1. An welchen Stellen befinden sich im Berliner Forschungsreaktor derzeit

Risse (bitte detailliert auflisten), zu welchem Zeitpunkt wurden diese jeweils
entdeckt, und welche Länge haben sie insgesamt?

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2. Wurden sowohl der komplette Reaktor als auch die Kühlwasserleitungen
von außen und innen auf Risse oder andere Schwachstellen untersucht?
Wenn ja, mit welcher Methode wurde diese Untersuchung durchgeführt?

3. Welchen Stand haben die Reparaturarbeiten, wie werden diese durchge-
führt, welche Bauteile werden ausgetauscht, wie ist der genaue Zeitplan,
gibt es Schwierigkeiten, und wenn ja, wie sehen diese konkret aus?

4. Wurde bei Überprüfung der Qualität der Schweißnaht die Dokumentation
der Herstellung dieser Naht zu Rate gezogen?
Wenn nein, warum nicht?

5. Mit welchem Verfahren wurde die ursprüngliche Schweißung durchge-
führt?

6. Wie wird die Qualität der Reparatur sichergestellt?
7. Wie ist die Erfahrung mit den Schweißnähten zwischen dem ferritischen

Material und der Platzierung?
8. Mit welchem Verfahren und in welchen zeitlichen Abständen werden die

Schweißnähte kontrolliert (z. B. visuell, Härtetest, chemische Zusammen-
setzung oder mit mikrostruktureller Replikationsanalyse)?

9. Haben alle Schweißnähte die gleiche Widerstandsfähigkeit gegenüber den
zu erwartenden Einflüssen?
Wurde aus Sicht der geltenden Normen kontrolliert, und wie wurden die
Schweißnähte in der Bewertung eingestuft?

10. Hat es jemals eine zweite Schweißung an einer der Schweißnähte gegeben?
Gab es autorisierte Zweitschweißungen?

11. Wurden bei der in Rede stehenden Schweißnaht und bei allen anderen
Schweißnähten kontrollierte Testschweißungen ausprobiert, und wurde die
Methode erst dann für die tatsächlichen Schweißnähte zugelassen?
Wenn nein, warum nicht?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung, ob die auszutauschenden Bau-
teile baugleich mit den ursprünglichen Teilen sind?
Wenn nein, aus welchem Material bestehen sie, und wäre dann eine neue
Betriebsgenehmigung erforderlich?

13. Sind bei der Ursprungsfertigung der Nähte zerstörungsfreie Untersuchun-
gen (mit Ultraschall oder Röntgen) durchgeführt worden?
Existieren diese Qualitätssicherungsunterlagen noch?
Unterscheidet sich die aktuell betroffene Naht von anderen Schweißnähten
des Reaktors, und wenn ja, wodurch?
Wie viele Schweißnähte wurden mit dem gleichen Verfahren geschweißt?

14. Ist eine regelmäßige Nachkontrolle mit ggf. den oben genannten Verfahren
durchgeführt worden?
Wenn nein, warum nicht?

15. Welche Versprödungen und Verhärtungen, ggf. welche anderen möglichen
negativen Veränderungen erfährt die Naht durch die Strahlenbelastung im
Regularbetrieb?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2294
16. Sind von den Ursprungsnähten einige durch zerstörende Materialprüfung
auf Eignung untersucht worden?
Wenn ja, wie viele, mit welchem Ergebnis und welcher Untersuchungsme-
thode?
Existieren dazu Unterlagen?

17. Welche Untersuchungen und Maßnahmen sind nach der berichteten deut-
lichen Rissausweitung getroffen worden?

18. Kann das HZB ausschließen, dass in Zukunft auch an anderen Schweißnäh-
ten des Reaktors Risse auftreten, und wenn ja, mit welcher Begründung?

19. Wie hoch sind die Kosten für die Reparaturarbeiten, und welches Personal
ist damit beauftragt?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Haltung des Betreibers, der die
Betriebsunterbrechung zunächst mit dem Einbau des Hochfeldmagneten
begründete, ohne auf das sicherheitsrelevante Rissproblem hinzuweisen?

21. Wird die Bundesregierung darauf hinwirken, dass das HZB die Öffentlich-
keit in Zukunft zeitnah und umfassend über solche Sicherheitsproblema-
tiken informiert?
Wenn nein, warum nicht?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Zeitplan zur Wieder-
inbetriebnahme des BER II?

23. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die beim letzten großen
Umbau verwendete Verschraubung des konischen Strahlrohrs jetzt, da der
Reaktor anlässlich der Behebung des Risses in der Schweißnaht der Kühl-
mittelleitung abgeschaltet worden ist, wie vorgesehen bei 30 bar getestet
wird?

Nachfragen zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bun-
destagsdrucksache 18/1764
24. Wie begründet sich die Betriebspause des Reaktors von Oktober 2010 bis

April 2012?
25. Lagen für das Jahr 2014 Forschungsaufträge am Berliner Reaktor vor, und

wenn ja, von welchen Einrichtungen, für welche konkreten Forschungsvor-
haben, auf welche Höhe belaufen sich die Ausfallkosten aufgrund des
ruhenden Reaktorbetriebs, und wer kommt für diese auf?

26. Kann die Bundesregierung ihre Angabe aus der Antwort zu Frage 1 der
Kleinen Anfrage „Forschung am Berliner Reaktor BER II“ konkretisieren,
in der es heißt: „Die Angaben werden außerdem auf die übliche Leistung
des Reaktors von 10 MW normiert“?

27. Welche internationalen Fachwissenschaftler aus welchen Institutionen ge-
hören seit dem Jahr 2009 dem Gutachtergremium an, das für die Vergabe
von Forschungszeit am BER II verantwortlich ist (bitte nach Jahren auf-
schlüsseln)?

28. Wer ist für die Auswahl des Gutachtergremiums verantwortlich, und nach
welchem Verfahren wird es eingesetzt?

29. Anhand welcher Merkmale wird das Kriterium der wissenschaftlichen Qua-
lität festgestellt, mit Hilfe dessen über die Projektanträge für die Forschung
am Berliner Reaktor entschieden wird?

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30. Gibt es neben dem kostenfreien Zugang zu den Einrichtungen BER II und
BESSY II auch kostenpflichtige Zugänge?
Wenn ja, von welchen Einrichtungen bzw. Institutionen werden diese für
welche Forschungszwecke genutzt und mit welchen Ergebnissen?

31. In welcher Höhe werden vom HZB Drittmittel für die Forschung am BER II
eingeworben, von welchen Einrichtungen stammen sie, und welche For-
schungsvorhaben wurden bzw. werden damit finanziert (bitte detailliert von
2004 bis heute aufschlüsseln)?

32. Welche wissenschaftlichen Institutionen aus den in der Antwort zu Frage 8
der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/1764 aufgelisteten
Länder haben mit welchen Forschungsvorhaben am BER II geforscht (bitte
von 2004 bis heute aufschlüsseln)?

33. Welche weiteren neuen Werkstoffe neben der Entwicklung eines neuen Ma-
terials für die Anwendung als Absorberschicht in Dünnschichtsolarzellen
wurden bisher am BER II entwickelt (bitte detailliert von 2004 bis heute
aufschlüsseln)?

34. Was sind die Ziele der 30 Prozent umfassenden Eigenforschung am BER II
(bitte von 2004 bis heute nach Jahren aufgeschlüsselt auflisten)?

35. Welche Forschungsvorhaben am BER II sind der Sicherheitsforschung zu-
zuordnen (bitte nach Jahren von 2004 bis heute aufschlüsseln)?

36. Gilt für alle Forschungsvorhaben am BER II eine Zivilklausel?
Wenn nein, mit welcher Begründung, und wird die Einführung einer sol-
chen angestrebt?

37. Wird in den aktuellen Notfallplänen das Szenario eines Flugzeugabsturzes
mit Kerosinbrand und Temperaturen oberhalb von 800 Grad berücksichtigt?
Wenn nein, warum nicht, und wird dies in Zukunft angestrebt?

38. Werden in den aktuellen Notfallplänen die Flugrouten des Flughafens
Berlin-Tegel berücksichtigt, wenn nein, warum nicht, und wird dies in Zu-
kunft angestrebt?

39. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass eine Studie in Auftrag
gegeben wird, die die Folgen eines Flugzeugabsturzes für den Berliner Re-
aktor berücksichtigt?

40. Wie hoch sind derzeit die Rückstellungen des HZB für den Rückbau des
Forschungsreaktors nach seiner Abschaltung am 31. Dezember 2019, und
wie sind diese konkret angelegt (bitte detailliert aufschlüsseln)?

41. Inwiefern sind die Behebung der in der Studie der Reaktor-Sicherheitskom-
mission (RSK) benannten Mängel sowie die dort benannten Empfehlungen
bisher umgesetzt worden (bitte detailliert auflisten)?

42. Was wurde bisher unternommen, um den Reaktor gegen Flugzeugabstürze
mit Kerosinbrand und gegen eine Wasserstoffexplosion der Kalten Neutro-
nenquelle zu ertüchtigen?

43. Welche Maßnahmen sind bereits präventiv gegen Terroranschläge von
innen und außen umgesetzt worden, bzw. was ist diesbezüglich konkret ge-
plant?

44. Wann wird die Stellungnahme der RSK-Arbeitsgruppe zum Status der Um-
setzung der RSK-Empfehlungen zur Robustheit auch von Forschungsreak-
toren abgeschlossen sein bzw. veröffentlicht werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2294
45. Wann wird der Zeitplan für die Stilllegung und den Rückbau des Berliner
Reaktors sowie für die Entlassung des Reaktors aus dem Atomgesetz vor-
gelegt werden?

46. Wie viel Geld hat der Betreiber aufgewandt und welche Vorhaben hat er für
den Reaktor, die Lagerung der abgebrannten Brennelemente und den Be-
trieb der Landessammelstelle realisiert, um die umliegende Bevölkerung
vor Schäden durch austretende Strahlen beim Normalbetrieb und im Fall
eines internen oder externen Unfalls zu schützen (bitte nach Jahren von
1973 bis heute aufschlüsseln)?

47. Welche Feuerwehren werden zum Einsatz kommen im Falle eines Worst-
Case-Szenarios?
Wer wird für die entstehenden Kosten dieser Einsätze aufkommen (bitte
nach on site, off site und außerhalb der Evakuierungszone aufschlüsseln)?
Sind genügend Messfahrzeuge für die nötigen Messungen vorhanden?
Sind genügend Mannschaften für diese Fahrzeuge schnell einsetzbar?

48. In welchem Vertrag, der von welchen Vertragspartnern wann unterzeichnet
wurde, ist der Export der Brennelemente in die USA geregelt?

Fragen zur Lagerung von Tritium-Targets in der Landessammelstelle Berlin auf
dem Gelände am Wannsee (Zentralstelle für radioaktive Abfälle – ZRA) in den
80er-Jahren
49. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich einer Lagerung

hochradioaktiver Tritium-Targets in der Landessammelstelle in den 80er-
Jahren?
Stimmt es, dass diese stattgefunden hat, und wenn ja, von wem wurden die
Targets wann geliefert, mit welcher Begründung wurden sie angenommen,
welche Experimente hat man mit den Targets durchgeführt, und zu welchen
Ergebnissen ist man im Zuge dieser Forschung gekommen?

50. Lagerte auch nach dem Jahr 1986 noch weiteres hochradioaktives Material
in der ZRA?
Wenn ja, um was für Material handelte es sich, und welche Forschungen
wurden mit welchen Ergebnissen damit durchgeführt?

Berlin, den 5. August 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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