BT-Drucksache 18/229

Gefahr von Menschenrechtsverletzungen durch Vorverlagerung des Grenzschutzes der Europäischen Union

Vom 20. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/229
18. Wahlperiode 20.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Stefan Liebich, Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion
DIE LINKE.

Gefahr von Menschenrechtsverletzungen durch Vorverlagerung des
Grenzschutzes der Europäischen Union

Im Oktober dieses Jahres legte der Menschenrechtskommissar des Europarates
Nils Muižnieks den Bericht „The right to leave a country“ vor. Darin untersucht
der Menschenrechtskommissar den Einfluss der Migrationspolitik der Europä-
ischen Union im Rahmen des Gesamtansatzes zu Migration und Mobilität
(2011(KOM) 743) auf diejenigen Staaten, die als Transit- oder Herkunftsstaaten
irregulärer Migration an den Außengrenzen der Europäischen Union gelten.
Durch die in den Drittstaaten angestoßenen Praktiken würden die Betroffenen
womöglich in ihrem Recht aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
und weiterer menschenrechtlicher Konventionen, ein Land zu verlassen, auch
ihr eigenes, verletzt. Staaten, die in den Genuss von Visaerleichterungen der
Europäischen Union kommen wollten, würden unter Druck geraten oder offen
unter Druck gesetzt, unerwünschte Migration von ihrem Territorium aus zu un-
terbinden, um Reiseerleichterungen zu erhalten oder nicht wieder zu verlieren.
Bereits in den Jahren 1997 und 1998 sei in Rumänien eine Gesetzgebung ent-
standen, nach der irreguläre Einreise in die Europäische Union unter Strafe
gestellt wurde. Davon waren auch rumänische Staatsangehörige betroffen, die
nach einem erfolglosen Asylverfahren abgeschoben worden waren. 59 062 Ru-
mäninnen und Rumänen wurden in den Jahren 1998 bis 2001 ihre Pässe entzo-
gen, weiteren 27 409 wurde verboten, ihr Land zu verlassen. Die Maßnahmen
richteten sich im Ergebnis vor allem gegen Roma.
Nach dem gleichen Muster wurden dem Bericht zu Folge in den vergangenen
Jahren von Serbien und Mazedonien Maßnahmen ergriffen, die ebenfalls in ers-
ter Linie Roma treffen. Zwischen 2009 und November 2012 wurde 7 000 Bür-
gerinnen und Bürgern Mazedoniens nicht erlaubt, ihr Land zu verlassen. Die
Pässe derjenigen, die aus einem Staat der Europäischen Union wieder abgescho-
ben wurden, werden automatisch für ein Jahr eingezogen. Die Unterstützung für
eine Einreise in die Europäische Union, die gegen die Einwanderungsgesetze
der Staaten der Europäischen Union verstößt, steht unter Strafe. Ähnliche Rege-
lungen sind auch in Serbien geschaffen worden. Beide Staaten reagieren damit
auf Drohungen aus der Europäischen Union, dass die seit Ende 2009 geltende
Visafreiheit wieder eingeschränkt oder abgeschafft werde, sollten diese Staaten
keine wirksamen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass ihre Staatsan-
gehörigen in die Europäische Union einreisen, um hier einen Asylantrag zu stel-
len. Der Menschenrechtskommissar geht selbst davon aus, dass bei den wiede-
rum von diesen Maßnahmen betroffenen Roma eine kumulative Diskriminie-
rung besteht, die sehr wohl zu einer Anerkennung als Schutzbedürftige führen
könnte. Mit der Einführung von Grenzkontrollmaßnahmen bei der Ausreise und

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entsprechender Straftatbestände bei „Missbrauch“ der Visumfreiheit würden
wiederum Roma besonders getroffen und damit die kumulative Diskriminierung
mit einem weiteren Element verschärft (siehe Seite 48 des Berichts).
Der Menschenrechtskommissar listet in seinem Bericht weitere Maßnahmen zur
Umsetzung des „Globalen Ansatzes zu Migration und Mobilität“ der Europä-
ischen Union auf, die im Effekt zu Verletzungen des Rechts, ein Land inklusive
des eigenen zu verlassen (und in der Folge des Rechts, Asyl zu suchen) führen
können. Im Rahmen des Visaregimes werde auf Drittstaaten eingewirkt, ihre
Strategien zum Umgang mit ihrer eigenen Bevölkerung zu ändern und mittels
eines „ethnic profiling“ Ausreisekontrollen durchzuführen. Sanktionen gegen
Transportunternehmen zwängen diese, gegen Antidiskriminierungsbestimmun-
gen zu verstoßen und bestimmte Personengruppen deshalb nicht zu transpor-
tieren, weil sie einen Asylantrag stellen könnten. Auch der Abschluss von Rück-
übernahmeabkommen sowohl für eigene Staatsangehörige als auch für Transit-
migranten führe zu verschärften Grenzkontrollen. In Serbien seien mittlerweile
drei Aufnahmeeinrichtungen entstanden, die der Unterbringung von aus der
Europäischen Union zurückgeschobenen Personen (also in erster Linie der
Roma) dienten. Noch problematischer sei die Rückschiebung von Drittstaats-
angehörigen, denen eine Kettenabschiebung in ihr Herkunftsland drohe. In der
Ukraine seien mit Mitteln der Europäischen Union neun Abschiebezentren er-
baut worden, die der Vorbereitung der Abschiebung dienen. Zuletzt werden im
Bericht des Menschenrechtskommissars Rückschiebungsaktionen der italieni-
schen Küstenwache von Migrantinnen und Migranten, die von Griechenland aus
versuchen, auf dem Seeweg nach Italien zu gelangen, beschrieben.
Eklatante Verletzungen der Rechte von Migrantinnen und Migranten an der
griechischen Grenze sind zuletzt auch durch einen Bericht der Flüchtlingsorga-
nisation PRO ASYL e. V. bekannt geworden. Für den Bericht „pushed back.
systematic human rights violations against refugees in the aegean sea and the
greek-turkish land border“ (Zurückgedrängt. Systematische Menschenrechts-
verletzungen gegen Flüchtlinge in der Ägäischen See und an der griechisch-tür-
kischen Landgrenze) hatte ein Team von PRO ASYL e. V. insgesamt 90 Flücht-
linge interviewt. Sie alle waren ein- oder mehrmals Opfer von Operationen der
griechischen Küstenwache, bei denen u. a. mutmaßlich Mitglieder von Spe-
zialeinheiten der Marine Flüchtlinge auf See oder auf den ägäischen Inseln ab-
fingen, einsperrten und nach einigen Stunden bis zu drei Tagen Gefangenschaft
wieder in ihr Boot setzten und in türkische Gewässer schleppten bzw. zur Über-
fahrt über den Grenzfluss Evros zwangen. Die Flüchtlinge wurden zum Teil
massiv körperlich misshandelt und erniedrigt. Nach Schätzungen von PRO
ASYL e. V. waren von diesen illegalen und informellen Push Backs 2 000
Flüchtlinge im Zeitraum von August 2012 bis 2013 betroffen, die allesamt kei-
nen Zugang zu einem Asylverfahren erhielten und auch nicht offiziell erfasst
wurden. Im gleichen Zeitraum kamen nach Angaben des Berichts 129 Menschen
in der Ägäis ums Leben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung den Bericht von PRO ASYL e. V. vom 7. November

2013 zur Kenntnis genommen, und welche eigenen Schlüsse zieht sie daraus?
2. Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den im Bericht genannten For-

derungen an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
a) Visabestimmungen zu lockern,
b) die Gründe für den Familiennachzug zu erweitern,
c) Einreiseerlaubnisse (Visa) aus humanitären Gründen insbesondere an

syrische Flüchtlinge zu erteilen, die die Türkei als Transitland nutzen,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/229
d) den Überstellungsstopp im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Grie-
chenland zu verlängern?

3. Wie erklärt es die Bundesregierung, dass sie trotz der Präsenz von Mitarbei-
tern bzw. Beamten mehrerer Bundesbehörden, die in Griechenland Aufgaben
im Zusammenhang mit Grenzsicherung und Flüchtlingsschutz wahrnehmen
(vgl. u. a. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/61, Frage 26) nach eigenen
Angaben auf Bundestagsdrucksache 17/14817 keinerlei Kenntnis von der im
Bericht von PRO ASYL e. V. dargestellten illegalen Praxis besitzt, und wird
sie in Zukunft deutsche Beamte in Operationsgebieten der Europäischen
Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) dazu anhalten, in ihren
Meldungen und Berichten auch auf mögliche Menschenrechtsverletzungen
jenseits des eigenen Tätigkeitsbereichs hinzuweisen?

4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Forderung von PRO ASYL e. V. an den Exekutivdirektor von
FRONTEX, umgehend sämtliche Operationen in Griechenland einzustellen,
und der Einschätzung, dass aufgrund der geltenden rechtlichen Bestimmun-
gen eine FRONTEX-Operation unter solchen Umständen abgebrochen wer-
den müsse?

5. Hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, dass FRONTEX acht Be-
schwerden über Push-Back-Operationen vorlagen und FRONTEX sich in
drei Fällen dazu an die griechischen Behörden gewandt hat (pushed back,
S. 16, Fußnote 29), und welche Schlüsse hat die Bundesregierung daraus ge-
zogen?

6. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung bislang unternommen, um
den Hinweisen auf eine Beteiligung von Deutschen an Push Backs in Grie-
chenland nachzugehen, die sich u. a. aus der Beschreibung eines Push-Back-
Opfers ergeben, einer der beteiligten Einsatzkräfte habe eine deutsche Flagge
an seiner Uniform getragen (pushed back, S. 30), und welche Ergebnisse
haben diese Nachforschungen erbracht?

7. Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen der zuneh-
mend restriktiveren Abschottungspraxis (sowohl offiziell als auch informell)
der griechischen Grenzbehörden und der Ankündigung von Seiten der Bun-
desregierung und anderer Regierungen auf europäischer Ebene, zukünftig
Restriktionen gegen solche Schengen-Staaten einzuführen, die ihre Grenzen
nicht ausreichend gegen irreguläre Migration sichern, wie sie in den Verhand-
lungen über die Neufassung des Schengener Grenzkodex zum Ausdruck
kamen?

8. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Angaben aus dem Bericht „pu-
shed back“ (S. 21) zu, nach denen dass griechische Schifffahrtsministerium
im Rahmen der FRONTEX-Operation „Poseidon See“ eine der größten Ope-
rationen der griechischen Küstenwache umsetzen will, die dem Ziel dient,
Boote mit Flüchtlingen abzufangen (interception of boats carrying refugees),
und wie positioniert sie sich zum Operationsziel im Hinblick auf die men-
schen- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen von FRONTEX?

9. Entspricht die Vorverlagerung der Grenzkontrollen durch das Verbringen von
Schiffen und Booten mit möglicherweise schutzbedürftigen Personen in die
Hoheitsgewässer des Auslaufstaates den derzeit noch in Anwendung befind-
lichen FRONTEX-Leitlinien, und wie wird diese Vorverlagerung der Grenz-
kontrollen durch die Verordnung zur Festlegung von Regelungen für die
Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen von FRONTEX-Operatio-
nen auch weiterhin rechtlich abgesichert?

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10. Wie weit ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Prüfung der Kommis-
sion gediehen, ob es in den Artikeln 9 (Such- und Rettungsaktionen) und 10
(Ausschiffung) des Entwurfs der Außengrenzenverordnung Widersprüche
zum Völkerrecht gebe (Drahtbericht zur Sitzung des Strategischen Aus-
schusses für Einwanderung, Grenzen und Asyl am 22. Oktober 2013,
Tagesordnungspunkt 4), welche Aspekte des Völkerrechts wurden oder
werden dabei geprüft, und zu welchen Ergebnissen ist die Kommission ggf.
gelangt?

11. Wie hat die Bundesregierung selbst ihren im Drahtbericht erwähnten Vorbe-
halt gegen diese Artikel begründet, hält sie bislang an diesem Vorbehalt fest,
und welche eigenen Formulierungsvorschläge hat sie dazu ggf. einge-
bracht?

12. Wie sollen die aus Sicht der Bundesregierung bestehenden menschen- und
flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen einer Ausschiffung auf
der Grundlage von Artikel 10 Absatz 3 des Entwurfs der Außengrenzenver-
ordnung gewährleistet werden?

13. Welche Position nimmt die Bundesregierung gegenüber den im Drahtbe-
richt erwähnten Zweifeln an der Regelungskompetenz der Europäischen
Union in seerechtlichen Fragen ein, die sich aus dem Bestehen einschlägiger
völkerrechtlicher Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ergeben?

14. Wird die Bundesregierung auch Formulierungsvorschläge vorlegen, um
sicherzustellen, dass die Verordnung hinreichend konkrete Vorgaben zur
Einhaltung der einschlägigen Non-refoulement-Gebote auch in der Praxis,
d. h. nach Aufgriff oder Seenotrettung auf Hoher See, enthalten wird, wenn
ja, welchen konkreten Inhalts, und wenn nein, warum nicht?

15. Wie hat die Bundesregierung auf die bei der Sitzung des Strategischen Aus-
schusses für Einwanderung, Grenzen und Asyl am 22. Oktober 2013 zu
Tagesordnungspunkt 2 geäußerte Auffassung reagiert oder was wird sie
künftig hierzu vortragen, wonach es naheliege, dass die nach dem Tod von
etwa 400 Flüchtlingen vor Lampedusa eingerichtete Taskforce in Tunesien
politisch aktiv werden solle, weil von dort oft Schiffe kämen – was nach
Auffassung der Fragesteller nichts anderes heißen kann, als eine Flucht von
Tunesien aus in die Europäische Union verhindern zu wollen (bitte ausfüh-
ren)?

16. Wie hat die Bundesregierung auf die bei derselben Sitzung geäußerte Auf-
fassung reagiert, oder was wird sie künftig hierzu entgegnen, dass man bei
den Aufgaben der Taskforce auch bedenken müsse, dass ein intensives
„Search and Rescue“ zum Sogfaktor werden könne, da der Seeweg dadurch
attraktiver werde; deshalb seien vorgelagerte Maßnahmen wichtig, was
nichts anderes bedeutet, als dass die Zuflucht in die Europäische Union über
den Seeweg im Vorfeld verhindert werden soll (bitte ausführen)?

17. Wie stellt sich die Bundesregierung ein rechtssicheres Verfahren zur Prü-
fung der Flüchtlingseigenschaft und der Einhaltung der Non-refoulement-
Gebote in der Situation des Aufbringens eines Schiffes oder Bootes auf Ho-
her See vor (kompetente Sprachmittlung, informierte Prüfung, effektiver
Rechtsschutz usw.), und teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass im
Zweifel bei Asyl- und Schutzsuchenden immer die Ausschiffung in einen
Mitgliedstaat der Europäischen Union erfolgen sollte (bitte begründen)?
a) Wie wird sichergestellt, dass die handelnden Beamten die erforderlichen

Kompetenzen (länderspezifische Kenntnisse, Sprache etc.) aufweisen,
um festzustellen, ob eine Person ein Schutzgesuch zu stellen begehrt und
auf welcher Grundlage dieses beruht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/229
b) Wie hat man sich die in Artikel 4 Absatz 2 des Entwurfs der Außengren-
zenverordnung vorgesehene Berücksichtigung der Zustände in dem be-
treffenden Drittstaat vorzustellen?

c) Wie steht die Bundesregierung zu dem Umstand, dass die ebenfalls prak-
tizierte Grenzkontrolle in den Hoheitsgewässern von Drittstaaten nicht in
dem Entwurf der Außengrenzenverordnung geregelt wird?
Wie soll speziell bei Kooperationen mit Drittstaaten (beispielsweise
Libyen, Tunesien) im Rahmen von FRONTEX-Operationen sicherge-
stellt werden, dass die einschlägigen Flüchtlingsrechte und das Recht auf
Verlassen eines Landes nicht verletzt werden?

18. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung das Verhältnis des Entwurfs der
Außengrenzenverordnung zu anderen einschlägigen EU-Richtlinien sein
a) im Hinblick auf die Prüfung von Non-refoulement-Geboten zur Asylver-

fahrensrichtlinie und
b) im Hinblick auf die Ausschiffung in den Staat des Auslaufens zur Rück-

führungsrichtlinie
mit Rücksicht auf den Umstand, dass das Grenzkontrollregime der Mit-
gliedstaaten im Rahmen von FRONTEX-Operationen mit dem Entwurf der
Außengrenzenverordnung z. T. weit in das Vorfeld der eigentlichen Gren-
zen verlegt wird, wohingegen die Asylverfahrensrichtlinie nur für Schutz-
gesuche auf dem Territorium der Mitgliedstaaten vorgesehen ist (Artikel 3
Absatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie)?

19. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass bei Operationen der
griechischen Küstenwache im Rahmen der Operation „Poseidon See“ die
zuständigen Behörden im nationalen Koordinierungszentrum, das im Vor-
griff des EUROSUR-Grenzüberwachungssystems aufgebaut worden ist,
koordiniert werden sollen?

20. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass der Aufbau der nationa-
len Koordinierungszentren im Rahmen des Grenzüberwachungssystems
EUROSUR, in denen alle Behörden mit Bezug zu Grenzkontrolle und Be-
kämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zusammengeführt werden
sollen, zu einer Zunahme von Push-Back-Operationen im Rahmen von
FRONTEX-Einsätzen führen wird (bitte begründen)?

21. Wie bewertet die Bundesregierung die Kooperation mit den Behörden von
Drittstaaten im Rahmen der Operation EUROSUR bzw. der darin zusam-
mengeschlossenen nationalen Koordinierungszentren im Hinblick auf Ein-
griffe in das Menschenrecht, ein Land zu verlassen, wenn diese Koopera-
tionen insbesondere das Ziel haben, Drittstaaten in die Lage zu versetzen,
Personen abzufangen, die diese Staaten in Richtung der Europäischen Union
verlassen wollen?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die von ihr aktiv mitgetragene Politik der
Europäischen Union gegenüber Serbien und Mazedonien, Visaerleichterun-
gen bei einer vermeintlich hohen Zahl so genannter Missbrauchsfälle (Ein-
reise zur Asylantragstellung) wieder zurückzunehmen, vor dem Hinter-
grund der vom Menschenrechtskommissar des Europarates geschilderten
Konsequenz, dass insbesondere Angehörige der Roma aus diesen Ländern
in ihrem Recht beschnitten werden, ihr Land zu verlassen (S. 46 des Be-
richts)?

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23. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die vom Men-
schenrechtskommissar beschriebene Gefahr, dass durch die Sanktionsdro-
hung gegen Beförderungsunternehmen, wenn sie (auch ohne eigenes Wis-
sen) Personen transportieren, die die Visafreiheit zur Asylantragstellung
nutzen, die Unternehmen selbst zur Anwendung diskriminierender Prak-
tiken bei der Auswahl ihrer Passagiere greifen könnten (S. 56 des Berichts)?

24. In welchen Ländern wurde durch die jeweilige EU-Ratspräsidentschaft seit
dem Jahr 2004 ein Immigration-Liaison-Officers-Network (ILO-network)
gemäß der EU-Verordnung EG 377/2004 aktiviert, und in welchen dieser
Fälle waren deutsche grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte oder nach
Kenntnis der Bundesregierung andere deutsche Behördenmitarbeiter betei-
ligt (bitte jeweils genaue Zahl und Einsatzzeitraum sowie -ort nennen)?

25. Wie viele der im Rahmen des ILO-Netzwerks entsandten Beamten wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils an die Konsularbehörde in
einem Drittstaat, an zuständige Behörden anderer Mitgliedstaaten, an die
zuständigen Behörden der Drittstaaten oder an internationale Organisatio-
nen entsandt (bitte nach Jahren und Zahl der Beamten auflisten)?

26. Welche sind nach Kenntnis der Bundesregierung konkret die Aufgaben der
innerhalb des ILO-Netzwerks eingesetzten Beamten, und wie wird sicher-
gestellt, dass sie im Rahmen ihrer Beratungstätigkeiten an keinen Maßnah-
men beteiligt sind, die eine Verletzung des Rechts, das Land zu verlassen,
darstellen könnten?

27. Welche an die Europäische Union angrenzenden Staaten haben nach Kennt-
nis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 Gewahrsamseinrichtungen ein-
gerichtet, um im Rahmen von Rückübernahmeabkommen aus der EU abge-
schobene Migranten unterzubringen, und in welchem Umfang wurde der
Bau solcher Einrichtungen durch die Europäische Union oder nach Kennt-
nis der Bundesregierung durch einzelne ihrer Mitgliedstaaten unterstützt?

28. Welche an die Europäische Union angrenzenden Staaten haben nach Kennt-
nis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 Abschiebehafteinrichtungen
erbaut, in welchem Umfang wurden sie durch die Europäische Union oder
nach Kenntnis der Bunderegierung durch einzelne ihrer Mitgliedstaaten
dabei unterstützt, und in welchen dieser Länder gibt es wirksame Mechanis-
men, um Kettenabschiebungen aus der Europäischen Union über diese Staa-
ten in mögliche Verfolgerstaaten zu verhindern?

29. Welche der an die Europäische Union angrenzenden Staaten haben nach
Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 illegale Einreise und ille-
galen Aufenthalt unter Strafe gestellt?

30. Welche der an die Europäische Union angrenzenden Staaten haben nach
Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 technische, logistische
und finanzielle Hilfen zum Aufbau von Einrichtungen und Anlagen zur
Grenzsicherung (Grenzkontrollanlagen, Sperranlagen, technische Über-
wachungsanlagen, Lagezentren etc.) erhalten, u. a. mit dem Ziel, die Transit-
migration über das eigene Territorium in Richtung der Europäischen Union
zu unterbinden?

31. Welche der asiatischen und afrikanischen Mittelmeeranrainer haben nach
Kenntnis der Bundesregierung finanzielle und materielle Unterstützung
beim Aufbau von Kapazitäten zur Kontrolle der Seegrenze erhalten, u. a.
mit dem Ziel, die Ausfahrt von Schiffen oder Booten mit mutmaßlich
irregulären Migranten an Bord in Richtung der Europäischen Union zu ver-
hindern?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/229
32. Wie bewertet die Bundesregierung die Einbeziehung der südlichen Mittel-
meeranrainer in die zukünftigen EUROSUR-Strukturen vor dem Hinter-
grund, dass nach Auffassung der Fragesteller ihre Kooperation einzig den
Zweck haben kann, eigene und fremde Staatsangehörige am Verlassen ihrer
Hoheitsgewässer in Richtung der Europäischen Union zu hindern, vor dem
Hintergrund des Rechts, das Land zu verlassen und Asyl zu suchen?

Berlin, den 19. Dezember 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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