BT-Drucksache 18/2272

Planungen einer Pkw-Maut für ausländische Fahrzeughalter

Vom 29. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2272
18. Wahlperiode 29.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Oliver Krischer, Katrin Göring-Eckardt,
Dr. Anton Hofreiter, Matthias Gastel, Harald Ebner, Stephan Kühn (Dresden),
Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Tabea Rößner,
Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Planungen einer Pkw-Maut für ausländische Fahrzeughalter

Am 7. Juli 2014 hat der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur,
Alexander Dobrindt, Eckpunkte für eine Pkw-Maut vorgestellt. Diese soll sich
an alle Halter von Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen Gesamtgewicht richten und als
Infrastrukturabgabe für die Benutzung aller Straßen erhoben werden. Die ange-
kündigte Maut soll deutschen Kfz-Haltern über die Kraftfahrzeugsteuer zurück-
erstattet werden. Fahrzeughalter aus dem Ausland hätten keine Möglichkeit der
Rückerstattung, so das Konzept. Diese Vorgehensweise hatte zuvor der EU-Ver-
kehrskommissar Siim Kallas kritisiert: „Eine Pkw-Maut darf nicht einfach mit
der Kfz-Steuer verrechnet werden.“ (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung,
28. Juni 2014). In der Europäischen Union gilt das Antidiskriminierungsgebot,
das heißt niemand darf aufgrund seiner Nationalität benachteiligt werden. Bei
Unvereinbarkeit mit diesem Gebot würde EU-Recht gebrochen. Ob die ange-
kündigte Pkw-Maut mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist,
konnte bisher noch nicht geklärt werden.
Das vorgestellte Mautkonzept besteht bisher aus Eckpunkten, die angekündigten
Gesetzentwürfe sind dem Deutschen Bundestag noch nicht zugegangen. Doch
bereits in den Eckpunkten sind einige Widersprüche erkennbar und werden bis-
her ungeklärte Fragen aufgeworfen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bis wann, mit welchen Bedingungen und welchen Zielen wird die Bundes-

regierung die angekündigte Pkw-Maut umsetzen?
2. Wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur angekündigten Pkw-

Maut vorlegen, und wenn ja, bis wann, und mit welchem Inhalt?
3. Inwieweit ist die Beteiligung des Bundesrats an einem Gesetzentwurf bzw. an

den Gesetzentwürfen zur angekündigten Pkw-Maut nach Auffassung der
Bundesregierung erforderlich?

4. Wie rechtfertigt die Bundesregierung den verhältnismäßig hohen bürokrati-
schen Aufwand für die angekündigte Pkw-Maut (www.sueddeutsche.de vom
8. Juli 2014 „Dobrindts Tragik“, Gewerkschaft der Polizei vom 4. August
2014 „GdP hinterfragt Maut-Bürokratie“)?

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5. a) Wie wird die Bundesregierung die Kontrolle der angekündigten Pkw-
Maut auf den Straßen und an den Grenzen des Bundesgebiets gewährleis-
ten?

b) Welche Institutionen sollen nach Auffassung der Bundesregierung die
Kontrolle der angekündigten Pkw-Maut sicherstellen, sollten mehrere
Institutionen beauftragt werden, wie sollen die jeweiligen Aufgaben von-
einander abgegrenzt werden?

c) Welche Institutionen hat die Bundesregierung aktuell für die Kontrolle der
Lkw-Maut beauftragt?

d) Wie viele zusätzliche Stellen werden für die Kontrolle und Bearbeitung
der angekündigten Pkw-Maut bei den in Frage 5b genannten Institutionen
nach Auffassung der Bundesregierung benötigt (bitte einzeln aufschlüs-
seln)?

e) Sind bereits zusätzliche Haushaltsmittel für vorbereitende Maßnahmen
von Pkw-Maut-Kontrollen im Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 vorge-
sehen, und wenn ja, in welcher Höhe (bitte Haushaltstitel nennen)?

f) Welche Mittel würden im Zuge der angekündigten Pkw-Maut für Kontrol-
len im Haushalt 2016 vorgesehen werden (bitte Haushaltstitel nennen)?

g) Systemkosten in welcher Höhe wird die angekündigte Pkw-Maut jährlich
sowie im ersten Jahr (bitte zusätzliche Anlaufkosten anführen) verur-
sachen, und welche Nettoeinnahmen wird die Bundesregierung jährlich
verbuchen können?

h) Wie setzen sich die Verkaufsprognosen der Vignetten für Halter von aus-
ländischen Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen nach Auffassung der Bundes-
regierung zusammen (bitte nach angekündigter 10-Tages-Vignette, 2-Mo-
nats-Vignette und der Jahresvignette sowie nach jeweiliger Stückzahl und
Verkaufserlös aufschlüsseln)?

6. a) Wie wird die Bundesregierung die europarechtskonforme Ausgestaltung
der angekündigten Pkw-Maut sicherstellen?

b) In welchen Terminen haben Vertreter der Bundesregierung bzw. des Bun-
desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bisher mit
Vertretern der Europäischen Kommission über die angekündigte Pkw-
Maut gesprochen (bitte unter Nennung des jeweiligen Datums und des
Anlasses der jeweiligen Termine)?

c) Welche Ergebnisse hatten die in Frage 6b genannten Gespräche jeweils?
7. a) Wie viele ausländische Pkw bis 3,5 Tonnen fahren nach Kenntnis der Bun-

desregierung pro Jahr in Deutschland, unterteilt nach Autobahnen, Bun-
desfernstraßen, Landstraßen, Kreisstraßen, Gemeindestraßen?

b) Auf welche Herkunftsländer verteilen sich diese ausländischen Pkw?
8. a) Inwieweit wurden bisher Effekte des „kleinen Grenzverkehrs“ in das Kon-

zept zur angekündigten Pkw-Maut einbezogen?
b) Welche finanziellen Effekte hat der „kleine Grenzverkehr“ für die Grenz-

regionen zu Nachbarstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung insge-
samt?

c) Welchen finanziellen bzw. wirtschaftlichen Effekt hat nach Kenntnis der
Bundesregierung der „kleine Grenzverkehr“ durch Gäste, die über die
Straße in die jeweilige Region kommen, für die Grenzregionen zu Nach-
barstaaten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2272
d) Welchen finanziellen bzw. wirtschaftlichen Effekt hat der „kleine Grenz-
verkehr“ nach Kenntnis der Bundesregierung bezogen auf die einzelnen
Bundesländer?

e) Welche Branchen profitieren nach Kenntnis der Bundesregierung beson-
ders vom „kleinen Grenzverkehr“ nach Deutschland, und wie hoch ist
der Anteil des durch ausländische Gäste erwirtschafteten Umsatzes in
den einzelnen Branchen?

f) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über mögliche entste-
hende wirtschaftliche Schäden in den Grenzregionen bei einer Einfüh-
rung der angekündigten Pkw-Maut in Deutschland vor?

g) Wie sollen nach Auffassung der Bundesregierung die volkswirtschaft-
lichen Einnahmeausfälle durch Ausbleiben ausländischer Gäste in
Grenzregionen kompensiert werden?

h) Welche Studien über das wirtschaftliche Potenzial des „kleinen Grenz-
verkehrs“ (Pendler, regionale Wirtschaft, Tagestourismus etc.) kennt und
berücksichtigt die Bundesregierung bei ihren Planungen zur Einführung
einer Pkw-Maut?

i) Über welche Studien u. Ä. verfügt die Bundesregierung, um abzuschät-
zen, wie sie die Einführung einer Pkw-Maut für alle Straßen in Deutsch-
land auf den „kleinen Grenzverkehr“ auswirkt?

j) Gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, grenznahe Re-
gionen, z. B. alle Grenzlandkreise von der angekündigten Pkw-Maut
auszunehmen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

9. a) Wie wird die Aufteilung der Einnahmen durch die angekündigte Pkw-
Maut als Infrastrukturabgabe für die Nutzung aller Straßen auf alle Bau-
lastträger nach Auffassung der Bundesregierung erfolgen?

b) Welcher Anteil an den Maut-Bruttoeinnahmen aus der angekündigten
Pkw-Maut als Infrastrukturabgabe soll nach Auffassung der Bundesre-
gierung an die Bundesländer und die anderen Baulastträger (Kommu-
nen, Kreise) fließen?

c) Wie kann die Zweckbindung der Mittel, die aus der angekündigten Pkw-
Maut an die Bundesländer und die anderen Baulastträger fließen sollen,
gewährleistet werden?

d) Inwieweit ist eine Zweckbindung der Mittel aus der angekündigten Pkw-
Maut, die an die Bundesländer und die anderen Baulastträger fließen
sollen, rechtlich möglich?

10. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Aussage des bayerischen
Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der im „Bericht aus Berlin“ am 20. Juli
2014 darauf hingewiesen hat, über Mauteinnahmen nicht nur die Verkehrs-
infrastruktur, sondern auch die digitale Infrastruktur finanzieren zu wollen?

11. a) Wie werden sich die Bruttoeinnahmen zusammensetzen (Vignetten-Ver-
kaufserlöse aus der Frage 5g und evtl. weitere Posten)?

b) Nach Abzug welcher Ausgaben wird die Bundesregierung die Nettoein-
nahmen der angekündigten Pkw-Maut berechnen?

c) Wie wird die Bundesregierung die Zweckbindung der Nettoeinnahmen
des Bundes analog der Lkw-Maut-Einnahmen sicherstellen?

Drucksache 18/2272 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
d) Welche Kosten fallen für die Ausfertigung von rund 50 Millionen neuen
Kfz-Steuerbescheiden an, die gemäß der Maut-Eckpunkte der Bundes-
regierung notwendig werden?

12. a) Wird die Bundesregierung ein gesamtes Konzept für die Nutzerfinanzie-
rung der Autobahnen und Bundesstraßen vorlegen, und wenn ja, bis
wann, und mit welchem Inhalt, und wenn nein, warum nicht?

b) Wie beabsichtigt die Bundesregierung die nach der angekündigten Pkw-
Maut bestehende Lücke zwischen mautpflichtigen Lkws ab 7,5 Tonnen
und Pkws bis 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zu schließen (bitte
Maßnahmen und Zeitraum nennen)?

c) Wie viele Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 bis un-
ter 7,5 Tonnen sind in Deutschland zugelassen?

13. a) Welche Ausnahmen von der angekündigten Pkw-Maut, etwa für
Schwerbehinderte oder Fahrten von Haltern ausländischer Pkws in die
deutschen Grenzregionen, wird die Bundesregierung vorsehen?

b) Durch welche Maßnahmen wird die Bundesregierung die ökologische
Komponente der angekündigten Pkw-Maut bei deutschen sowie auslän-
dischen Fahrzeughaltern gleichermaßen sicherstellen?

c) Wird die angekündigte Pkw-Maut, die nach Hubraum bemessen wird,
eine Kappungsgrenze haben, und wenn ja, aus welchen Gründen, und
mit welcher beabsichtigten verkehrlichen Lenkungswirkung?

d) Wie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund der ausschließlichen
Jahresvignette für Inländer sicherstellen, dass Fahrzeugbesitzer (etwa
Motorräder und Cabrios), die nur einzelne Monate zugelassen werden,
auch nur für diese Monate belastet werden?

e) Wie begründet die Bundesregierung, dass im Rahmen der angekündigten
Maut Vielfahrer, und damit häufige und stärkere Nutzer, unter Umstän-
den eine niedrigere Infrastrukturabgabe zahlen, als seltene Gelegenheits-
fahrer?

f) Wie wird die Bundesregierung die Abgabe für Carsharing-Fahrzeuge be-
messen , deren Einsatz dazu beiträgt, den Bestand an Privat-Pkw, die
Häufigkeit des Autofahrens und damit die Belastung der Infrastruktur zu
reduzieren?

g) Wie wird die Bundesregierung im Zuge der angekündigten Maut sicher-
stellen, dass Fahrzeughalter, die von der Kfz-Steuer befreit sind (z. B.
Elektrofahrzeuge) bzw. einen ermäßigten Satz zahlen (z. B. Hybridfahr-
zeuge bzw. erdgasbetriebene Fahrzeuge), durch die Maut nicht benach-
teiligt werden?

14. a) Welche Systeme zur Fälschungssicherheit plant die Bundesregierung bei
der Vignette einzusetzen?

b) Muss nach Auffassung der Bundesregierung der Vertrieb der Vignetten
an den Tankstellen europaweit ausgeschrieben werden (vgl. Frankfurter
Rundschau vom 17. Juli 2014)?

15. a) Welche Studien oder sonstigen Erkenntnisse zur Inanspruchnahme deut-
scher Straßen durch ausländische Pkw kennt und berücksichtigt die Bun-
desregierung bei ihren Planungen zur Einführung einer Pkw-Maut?

b) Erwartet die Bundesregierung, dass Nachbarstaaten als Reaktion auf die
Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland ebenfalls eine solche ein-
führen, und wie begründet die Bundesregierung ihre Erwartung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2272
16. Plant die Bundesregierung die zusätzlichen Kosten möglicher Pkw-Mauten
im Ausland als Reaktion auf die deutsche Pkw-Maut für deutsche Autofah-
rer zu kompensieren, und wenn ja, in welcher Weise?

17. a) Welche Länder in Europa oder weltweit haben nach Kenntnis der Bun-
desregierung eine Mautpflicht für alle Straßen, so wie die Bundesregie-
rung sie plant?

b) Welche Mautsysteme für welche Straßen gibt es nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den Ländern der EU, und mit welchen Kosten sind diese
für Pkw verbunden?

18. Sollte die Pkw-Maut für ausländische Fahrzeughalter umgesetzt werden
und dann vom Europäischen Gerichtshof für unzulässig erklärt werden,
wird die Bundesregierung dann die Maut oder die Entlastung bei der Kfz-
Steuer aufheben?

19. Inwieweit teilt die Bundesregierung Aussagen aus der bayerischen CSU-
Landtagsfraktion, wonach mit der Pkw-Maut ein „Bürokratiemonster“ ge-
schaffen würde (vgl. DIE WELT vom 19. Juli 2014)?

Berlin, den 29. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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