BT-Drucksache 18/2254

Umsetzung der Entschließung des Europaparlaments vom 12. März 2014 gegen Massenüberwachung

Vom 30. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2254
18. Wahlperiode 30.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Dr. André Hahn, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Entschließung des Europaparlaments vom 12. März 2014 gegen
Massenüberwachung

Am 12. März 2014 hat das Europäische Parlament eine Entschließung „zu dem
Überwachungsprogramm der Nationalen Sicherheitsagentur der Vereinigten
Staaten, die Überwachungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten und die
entsprechenden Auswirkungen auf die Grundrechte der EU-Bürger und die
transatlantische Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres“ verabschiedet
(2013/2188(INI), P7_TA-PROV(2014)0230).
In dieser Entschließung sieht das Europäische Parlament aufgrund jüngster Ent-
hüllungen durch Informanten und in der Presse sowie Sachverständigengutach-
ten und Zugeständnissen staatlicher Stellen die „Existenz weit verzweigter,
komplexer und hochmoderner Systeme“ als erwiesen an, „die von den Geheim-
diensten der USA und einiger Mitgliedstaaten entwickelt wurden, um die Kom-
munikationsdaten, darunter Inhalts-, Standort- und Verbindungsdaten, aller Bür-
ger weltweit in bisher ungekanntem Ausmaß, wahllos und ohne Vorliegen eines
Verdachts zu sammeln, zu speichern und zu analysieren“. Gemeint sind insbe-
sondere Programme des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA),
„die die Massenüberwachung von EU-Bürgern ermöglichen“. Das Europäische
Parlament verurteilte in seiner Entschließung „die in gigantischem Ausmaß er-
folgte systematische und pauschale Erfassung der personenbezogenen, oft auch
intimen persönlichen Daten unschuldiger Menschen“ und machte deutlich, dass
Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger wie das Recht auf Achtung der Privat-
sphäre Grundpfeiler einer freien und demokratischen Gesellschaft bildet. Das
Europäische Parlament wies auf die gravierenden Auswirkungen der Massen-
überwachung auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Presse-, Gedan-
ken-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit hin.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) werden in der Entschließung
aufgefordert, „die pauschale Massenüberwachung zu verbieten“ und „ihre na-
tionalen Rechtsvorschriften und Verfahren im Bereich geheimdienstlicher
Tätigkeiten […] umfassend zu prüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten, um
sicherzustellen, dass diese der parlamentarischen und gerichtlichen Kontrolle
und der Kontrolle der Öffentlichkeit unterworfen sind“ und im Einklang stehen
mit den Normen der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie den Men-
schenrechtsverpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich Datenschutz, Pri-
vatsphäre und Unschuldsvermutung.
Die EU-Mitglieder werden weiterhin aufgefordert, „unverzüglich geeignete
Maßnahmen, einschließlich gerichtlicher Schritte, gegen die Verletzung ihrer
Souveränität und des allgemeinen Völkerrechts, die der Einsatz von Program-

Drucksache 18/2254 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
men zur Massenüberwachung darstellt, einzuleiten“ und „alle verfügbaren inter-
nationalen Maßnahmen zu nutzen, um die Grundrechte der EU-Bürger zu ver-
teidigen, insbesondere indem sie das zwischenstaatliche Beschwerdeverfahren
gemäß Artikel 41 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische
Rechte (IPBPR) auslösen“. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, wirksame
Mechanismen einzurichten, um die Verantwortlichen für die gegen Rechtsstaat-
lichkeit und Grundrechte verstoßenden Überwachungsprogramme zur Rechen-
schaft zu ziehen.
Eine solche Entschließung des Europäischen Parlaments hat den Charakter einer
politischen Empfehlung. Sie ist weder umzusetzendes noch unmittelbar gelten-
des Recht. Nach Auffassung der Fragesteller sollte sich die Bundesregierung
eine derartige Empfehlung durch das Europäische Parlament allerdings zu eigen
machen und ihre eigene Politik an den darin genannten Linien ausrichten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche generellen Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundes-

regierung aus der Entschließung des Europäischen Parlaments „zu dem Über-
wachungsprogramm der Nationalen Sicherheitsagentur der Vereinigten Staa-
ten, die Überwachungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten und die ent-
sprechenden Auswirkungen auf die Grundrechte der EU-Bürger und die
transatlantische Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres“?

2. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Europäischen Parlaments, wonach
die „Existenz weit verzweigter, komplexer und hochmoderner Systeme […]
die von den Geheimdiensten der USA und einiger Mitgliedstaaten entwickelt
wurden, um die Kommunikationsdaten, darunter Inhalts-, Standort- und Ver-
bindungsdaten, aller Bürger weltweit in bisher ungekanntem Ausmaß, wahl-
los und ohne Vorliegen eines Verdachts zu sammeln, zu speichern und zu ana-
lysieren“ als erwiesen anzusehen ist, und wenn ja, welche Schlussfolgerun-
gen und Konsequenzen zieht sie aus dieser Erkenntnis?
Wenn nein, inwieweit bestehen auf Seiten der Bundesregierung Zweifel an
der Existenz entsprechender Massenüberwachungssysteme?

3. Schließt sich die Bundesregierung der Sichtweise des Europäischen Parla-
ments an, wonach „die in gigantischem Ausmaß erfolgte systematische und
pauschale Erfassung der personenbezogenen, oft auch intimen persönlichen
Daten unschuldiger Menschen“ zu verurteilen sei, und wenn ja, in welcher
Form erfolgte bislang eine solche Beurteilung durch die Bundesregierung?

4. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Europäischen Par-
laments, wonach die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, wie das Recht
auf Achtung der Privatsphäre, Grundpfeiler einer freien und demokratischen
Gesellschaft bilden, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen für
ihre eigene Kooperation mit den US-amerikanischen Geheimdiensten zieht
sie daraus?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Europäischen Parlaments, wo-
nach die Massenüberwachung gravierende Auswirkungen auf das Recht auf
freie Meinungsäußerung, die Presse-, Gedanken-, Versammlungs- und Ver-
einigungsfreiheit hat, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konse-
quenzen zieht sie daraus bezüglich des Einsatzes von Programmen zur Mas-
senüberwachung auch von Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern durch
ausländische Geheimdienste?
Wenn nein, wie lautet die Auffassung der Bundesregierung zur Verträglich-
keit von Massenüberwachung mit den Grundrechten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2254
6. Macht sich die Bundesregierung die vom Europäischen Parlament aufge-
stellte Forderung zu eigen, „unverzüglich geeignete Maßnahmen, ein-
schließlich gerichtlicher Schritte, gegen die Verletzung ihrer Souveränität
und des allgemeinen Völkerrechts, die der Einsatz von Programmen zur
Massenüberwachung darstellt, einzuleiten“ und „alle verfügbaren interna-
tionalen Maßnahmen zu nutzen, um die Grundrechte der EU-Bürger zu ver-
teidigen, insbesondere indem sie das zwischenstaatliche Beschwerdever-
fahren gemäß Artikel 41 des Internationalen Pakts über bürgerliche und
politische Rechte (IPBPR) auslösen“?
Wenn ja, wann, und in welcher Form will die Bundesregierung dies umset-
zen?
Wenn nein, warum hält die Bundesregierung es nicht für erforderlich, ent-
sprechende Maßnahmen einzuleiten?

7. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Veranlassung, in der Bundesrepu-
blik Deutschland – wie von der Entschließung gefordert – „wirksame
Mechanismen einzurichten, um die Verantwortlichen für die gegen Rechts-
staatlichkeit und Grundrechte verstoßenden Überwachungsprogramme zur
Rechenschaft zu ziehen“?

8. Wie hat sich die Bundesregierung im Ministerrat des Europarates zur Emp-
fehlung der Parlamentarischen Versammlung (Rec. 2041 (2014)) verhalten,
die „auf der Basis der von Edward Snowden veröffentlichten Beweise“
einen Aktionsplan zur Verhinderung der massiven Verletzungen des Rechts
auf Privatsphäre nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion empfiehlt?

9. Inwiefern hat sich die Bundesregierung für die in der Empfehlung empfoh-
lene Einladung an die Beobachterstaaten für eine Zusammenarbeit zur
Verbesserung des Schutzes der Benutzer engagiert und sich für eine entspre-
chende Anfrage zur Aufsetzung gemeinsamer Initiativen mit dem Europa-
rat eingesetzt?

10. Inwieweit kann die Bundesregierung, wie vom Europäischen Parlament in
seiner Entschließung (2013/2188(INI)) gefordert, gewährleisten, „keine
widerrechtlich gesammelten Daten von Drittstaaten anzunehmen“?

11. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung im Bereich der IT-Vergabe
– wie von der Entschließung des Europäischen Parlaments gefordert –, „die
Ausschreibungen auf zertifizierte Unternehmen und gegebenenfalls auf
EU-Unternehmen zu beschränken, falls Sicherheitsinteressen oder andere
wichtige Interessen berührt sind“ (bitte angeben, in welchem Bereich kon-
kret die Bundesregierung Sicherheitsinteressen oder andere wichtige Inte-
ressen berührt sieht)?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung zukünftig – wie von der Entschließung
des Europäischen Parlaments gefordert – bei der Vergabe von IT-Aufträgen,
die Verwendung „quellenoffener Software als Kaufbedingung“ zu verlan-
gen?
Wenn nein, warum nicht?

13. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung zukünftig – wie von der Ent-
schließung des Europäischen Parlaments gefordert – bei der Vergabe von
Aufträgen „für ein hohes Maß an Sicherheit bei Telekommunikationsnetzen
und -diensten zu sorgen, u. a. indem eine hochmoderne und durchgängige
Verschlüsselung der Kommunikation gefordert wird“?

Drucksache 18/2254 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
14. Wie steht die Bundesregierung zur der vom Europäischen Parlament er-
hobenen Forderung, die „durchgängige authentifizierte Verschlüsselung für
alle IT- und Kommunikationsdienste, wie Cloud-Computing, E-Mail,
Sofortnachrichten und Telefonie“ sicherzustellen?

15. Inwieweit erfolgen im Bereich der Bundesnetze – wie vom Europäischen
Parlament gefordert – „strenge und unabhängige Sicherheitsüberprüfungen
und Penetrationstests“?

Berlin, den 30. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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