BT-Drucksache 18/2195

Liberalisierung des Fernbusmarktes - Durchsetzung der Fahrgastrechte

Vom 22. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2195
18. Wahlperiode 22.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Tressel, Matthias Gastel, Renate Künast,
Corinna Rüffer, Harald Ebner, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Stephan Kühn
(Dresden), Steffi Lemke, Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Liberalisierung des Fernbusmarktes – Durchsetzung der Fahrgastrechte

Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zur Liberalisierung
des Fernbusverkehrs entfiel Anfang 2013 das Fernreisemonopol für den Schie-
nenverkehr. Seitdem hat der Fernbusverkehr eine dynamische Entwicklung ge-
nommen. Inzwischen werden ca. 247 Fernbuslinien von ca. 50 Anbietern be-
dient. Fünf von ihnen haben ein ausgedehntes Streckennetz aufgebaut. Im Jahr
2013 reisten nach den letzten statistischen Erhebungen 2,8 Millionen Menschen
mit dem Fernbus (Quelle: Destatis unter Hinweis darauf, dass neugegründete
Unternehmen von der Statistik noch nicht erfasst sind. Für diese sind Daten erst
im Oktober 2014 verfügbar, wenn die Ergebnisse einer umfassenderen Jahres-
statistik vorliegen.).
Im Fall von Gepäckbeschädigungen, Annullierungen und Verspätungen greift
die Verordnung (EU) Nr. 181/2011. Diese sieht in Artikel 19 zwar ein Mindest-
maß an Fahrgastrechten, wie z. B. die kostenlose Beförderung auf alternativer
Strecke, Informationspflichten über Anschlussverbindungen oder einen kosten-
losen Rücktransport zum Ausgangspunkt, vor, findet aber lediglich für Reisen
Anwendung, bei denen die planmäßige Wegstrecke 250 km oder mehr beträgt
und bei denen sich die Abfahrtsverspätung auf über 120 Minuten beläuft (Arti-
kel 19 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011). Tritt die Verspätung erst im Laufe
der Fahrt ein (z. B. durch Stau oder Unfall), wird gar keine Erstattung fällig.
Für den Fall einer entsprechenden Verspätung kann auch der Fahrpreis hälftig
zurückerstattet werden. Dies aber nur dann, wenn keine Ersatzbeförderung an-
geboten wird. Ein Entschädigungssystem, welches über die teilweise Erstattung
von Fahrpreisen hinausgeht (vgl. Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004),
sieht die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 für Busreisen nicht vor.
Weitere wichtige Regelungen im Interesse der Reisenden finden sich in den Ar-
tikeln 20, 21 und 25 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011. Diese betreffen Infor-
mationsrechte über Annullierungen und Verspätungen, Unterrichtungen über
Fahrgastrechte und ein Anrecht auf Erfrischung, Imbiss und Unterbringung bei
Annullierung und Verspätung von über 90 Minuten (bei Fahrten mit einer plan-
mäßigen Dauer von über drei Stunden).
Zur Durchsetzung der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 sind die Mitgliedstaaten
verpflichtet, eine Durchsetzungsstelle zu benennen. Diese Aufgabe wurde mit
dem EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz (EU-FahrgRBusG) aus dem Jahr
2013 dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) übertragen (§ 3 Absatz 1). Das EBA
ist gemäß § 4 EU-FahrgRBusG unter anderem befugt, Unterlassungsverfü-

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gungen gegen Busbahnhofbetreiber zu erlassen, Auskünfte von Beförderern,
Reisevermittlern, Reiseveranstaltern oder Fahrscheinverkäufern sowie Akten-
einsicht in Vertragsunterlagen zu verlangen. Darüber hinaus hat es gemäß § 8
EU-FahrgRBusG i. V. m. § 2 der EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Verordnung
(EU-FahrgRBusV) die Möglichkeit, Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen
Beförderer einzuleiten, wenn diese ihren Informations-, Beförderungs-,
Entschädigungs- und Betreuungspflichten nach Artikel 19 ff. der Verordnung
(EU) Nr. 181/2011 nicht nachkommen.
Als wichtiges Instrument für eine niedrigschwellige und kostengünstige Klä-
rung und Durchsetzung von Ansprüchen eröffnet § 6 EU-FahrgRBusG die Inan-
spruchnahme einer Schlichtungsstelle. Bislang sind lediglich die Fernbusunter-
nehmen Deutsche Post Mobility GmbH, Berlin Linien Bus GmbH, Deutsche
Touring GmbH (Eurolines) und MFB MeinFernbus GmbH der Möglichkeit
nachgekommen und haben sich der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Per-
sonenverkehr e. V. (söp) angeschlossen.
Von besonderem Interesse ist auch die derzeitige Entwicklung zu § 8 PBefG.
Hiernach ist bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit im öffent-
lichen Personennahverkehr vorschrieben. Ab dem 1. Januar 2016 müssen alle
Omnibusse, die im Personenfernverkehr eingesetzt werden, mit zwei Rollstuhl-
plätzen und einer Einstiegshilfe (Hublift) versehen sein.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beschwerden sind beim EBA bislang wegen eines Verstoßes gegen

die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 eingegangen (bitte einzeln nach Grund,
Zeitraum aufschlüsseln)?

2. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden bislang wegen Verstoßes
gegen die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 eingeleitet (bitte einzeln nach
Grund, Zeitraum aufschlüsseln)?

3. Wie viele Bußgelder hat das EBA bislang wegen Verstoßes gegen die Verord-
nung (EU) Nr. 181/2011 verhängt und in welcher Höhe (bitte einzeln nach
Datum, Zeitraum aufschlüsseln)?

4. Wie viele Kontrollen oder sonstige ordnungsrechtliche Maßnahmen hat das
EBA in den Jahren 2013 und 2014 durchgeführt, um die Informationspflich-
ten über Abfahrtszeiten, Anschlussverbindungen etc. der Beförderer und
Busbahnhofbetreiber zu überprüfen, und welche Ergebnisse hat dies ge-
bracht?

5. Wie viele Kontrollen oder sonstige ordnungsrechtliche Maßnahmen hat das
EBA in den Jahren 2013 und 2014 durchgeführt, um die Unterrichtungsver-
pflichtung der Beförderer über Fahrgastrechte (Artikel 25 der Verordnung
(EU) Nr. 181/2011) zu überprüfen, und welche Ergebnisse hat dies gebracht?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Ergebnis der Stiftung Warentest (test, Heft 7/2014), wonach 20 Pro-
zent der Fernbusse verspätet ihr Ziel erreichen?

7. Welche Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 sind die häufigs-
ten?
Wo sieht die Bundesregierung den größten Handlungsbedarf?

8. Decken sich die Beobachtungen des EBA mit den Erkenntnissen der söp?
Inwiefern findet ein Austausch zwischen der söp und dem EBA statt?

9. Wie viele Planstellen sind bislang beim EBA für die Durchsetzung der Ver-
ordnung (EU) Nr. 181/2011 besetzt worden?

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10. Welche Statistiken führt die Bundesregierung zur Erfassung von Abfahrts-
und Ankunftsverspätungen im Fernbusverkehr?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass das Gesetz lediglich
auf Abfahrtsverspätungen abstellt (anstelle einer Ankunftsverspätung),
a) und hält die Bundesregierung es für eine verhältnismäßige Rechtslage,

wenn Rückzahlungen bei gravierenden Verspätungen nur deswegen aus-
geschlossen sind, weil sich die Verspätung erst im Laufe der Fahrstrecke
ergeben hat,

b) und gerade auch im Hinblick auf eine Gleichbehandlung aller Verkehrs-
träger?

12. Steht die Bundesregierung mit den Aufgabenträgern in den Ländern im
Austausch, um die barrierefreie Ausgestaltung der Nahverkehrspläne (vgl.
§ 8 PBefG) bis zum 1. Januar 2022 zu begleiten, und welche Fortschritte
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in diesem Prozess bereits ge-
macht?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Umsetzungsprozess
zur Schaffung von zwei Rollstuhlplätzen ab dem Jahr 2016 je eingesetztem
Omnibus, und inwieweit ist die Bundesregierung, beispielsweise über die
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, in
den Umsetzungsprozess eingebunden?

Berlin, den 22. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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