BT-Drucksache 18/2159

Aktueller Stand der Einreisen und der Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen

Vom 16. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2159
18. Wahlperiode 16.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Annette Groth, Andrej Hunko,
Katrin Kunert, Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE.

Aktueller Stand der Einreisen und der Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen

Derzeit bestehen für Flüchtlinge aus Syrien unterschiedliche Wege, aus humani-
tären Gründen Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland zu finden. Im Mai
2013 beschlossen die Innenminister und -senatoren der Länder im Einverneh-
men mit dem Bundesminister des Innern ein Kontingent von 5 000 Personen, die
wegen eines besonderen Schutzbedarfs, wegen ihrer möglichen zukünftigen Be-
deutung für den Wiederaufbau des Landes oder bestehender verwandtschaft-
licher Beziehungen in die Bundesrepublik Deutschland ausgewählt und auf-
genommen werden sollten. An diesem Programm ist auch das Flüchtlingshilfs-
werk der Vereinten Nationen (UNHCR) beteiligt, das dem Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) Vorschläge für die Aufnahme vorgelegt hat.
Im September 2013 beschlossen die Bundesländer (außer Bayern) eigene Auf-
nahmeprogramme. Innerhalb dieser Länderprogramme sollten Verwandte ersten
und zweiten Grades, für die der Familiennachzug nicht offen steht, bei ihren in
Deutschland lebenden Angehörigen aufgenommen werden können, wenn diese
für sämtliche Kosten des Aufenthalts aufkommen. Da in zahlreichen Fällen das
nachgewiesene Einkommen für eine Aufnahme nicht ausreichte, legten Bund
und Länder im Dezember 2013 ein weiteres Aufnahmekontingent von 5 000 Per-
sonen fest, das vor allem Flüchtlingen mit Verwandten in Deutschland zugute-
kommen sollte. Im Juni 2014 wurde auf der Innenministerkonferenz (IMK) ein
weiteres Aufnahmekontingent von 10 000 Personen beschlossen, das ebenfalls
vor allem auf den Nachzug zu Verwandten abzielt.
Die Aufnahmeprogramme standen von Anfang an auch in der Kritik. Insbeson-
dere das erste Programm verlief aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen
(beispielhaft PRO ASYL e. V.) zu bürokratisch und langwierig. Obwohl es nach
ursprünglicher Ankündigung im Herbst 2013 abgeschlossen sein sollte, waren
Ende 2013 erst 1 700 Flüchtlinge eingereist. Beim zweiten Aufnahmeprogramm
von Bund und Ländern wurden die den einzelnen Bundesländern zugewiesenen
Kontingente zum Teil um ein Vielfaches übertroffen. Nach Angaben vom PRO
ASYL e. V. stehen den 5 000 Plätzen gut 76 000 Anträge gegenüber (www.
proasyl.de vom 21. März 2013 und 15. Januar 2014).
Daneben kommen weiterhin Asylsuchende aus Syrien in die Europäische Union
(EU), die mangels legaler Einreisewege den oft lebensgefährlichen Weg über
das Mittelmeer oder immense Kosten für die Schleusung mit gefälschten Papie-
ren auf dem Luftweg auf sich nehmen müssen. Viele von ihnen müssen dann
wegen der geltenden Regeln der Dublin-Verordnung auch die Binnengrenzen
innerhalb der EU auf unerlaubten Wegen überwinden, um zu Verwandten nach
Deutschland zu kommen. Über sie berichtet die Pressestelle der Bundespolizei
regelmäßig unter Überschriften, wie „Bundespolizeidirektion München: Was ist
nur an der Grenze los?“ und „Bundespolizei Rosenheim: 800 unerlaubte Grenz-
übertritte im Juni 2014“.

Drucksache 18/2159 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele syrische Staatsangehörige und Staatenlose aus Syrien leben derzeit

in Deutschland, die nach dem 1. Januar 2011 eingereist sind (bitte nach Auf-
enthaltstitel, Bundesland, Jahr der Einreise und Geschlecht auflisten und je-
weils die Zahl der Minderjährigen angeben)?

2. Wie viele syrische Flüchtlinge haben aufgrund des Aufnahmebeschlusses von
Bund und Ländern vom Mai 2013 eine Aufnahmezusage durch das BAMF
erhalten, und
a) wie viele von ihnen sind selbsttätig eingereist,
b) wie viele wurden (beispielsweise wegen schwerer Verletzungen u. Ä.)

einzeln aufgenommen, und
c) wie viele von ihnen sind organisiert mit Charterflügen in die Bundesrepu-

blik Deutschland gebracht worden
(bitte Einzelheiten auflisten und insbesondere nach Bundesländern differen-
zieren)?

3. Wie viele syrische Flüchtlinge sind aufgrund des Aufnahmebeschlusses von
Bund und Ländern vom Dezember 2013 aufgenommen worden,
a) wie viele von ihnen sind selbsttätig eingereist, und
b) wie viele wurden (beispielsweise wegen schwerer Verletzungen u. Ä.)

einzeln aufgenommen, und
c) wie viele von ihnen sind organisiert mit Charterflügen in die Bundesrepu-

blik Deutschland gebracht worden
(bitte Einzelheiten auflisten und insbesondere nach Bundesländern differen-
zieren)?

4. Für wie viele syrische Flüchtlinge wurde nach Kenntnis der Bundesregierung
im Rahmen der Länderprogramme zum Verwandtennachzug ein Antrag auf
Einreiseerlaubnis gestellt (bitte hier und im Folgenden immer nach Bundes-
ländern differenzieren), und
a) wie viele Einreiseerlaubnisse wurden in diesem Rahmen erteilt,
b) wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung tatsächlich

eingereist,
c) worin liegen ggf. die Gründe für die Diskrepanz zwischen der Zahl der

Einreiseerlaubnisse und der Zahl der tatsächlichen Einreisen, und welchen
Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hier im eigenen Geschäftsbe-
reich und bei den Ländern,

d) wie viele der im Rahmen der Länderprogramme eingereisten Flüchtlinge
haben nach Kenntnis der Bundesregierung einen Asylantrag gestellt, und
können die Antragsteller bei ihren hier lebenden Verwandten bleiben (statt
der obligatorischen Verteilung auf die Bundesländer)?

5. Wie viele Verpflichtungserklärungen für wie viele Personen wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung für syrische Flüchtlinge abgegeben, und in
wie vielen Fällen konnten nach Kenntnis der Bundesregierung die in
Deutschland ansässigen Angehörigen ihre Verpflichtung nicht erfüllen, für
alle Kosten der Aufnahme aufzukommen?

6. Nach welchen Kriterien wurden die Flüchtlinge nach Kenntnis der Bundes-
regierung von den Ländern und vom BAMF ausgewählt, die im Rahmen des
Dezember-Kontingents bislang eine Aufnahmezusage erhalten haben, und
wurden bzw. werden dabei Flüchtlinge bevorzugt, für die eine Verpflich-
tungserklärung vorliegt, aber die Verpflichtungsgeber zuvor die Bonitätsprü-
fung nicht bestanden hatten (bitte für die Bundesländer im Einzelnen ange-
ben, nach welchen Kriterien sie Aufnahmevorschläge an das BAMF ausge-
wählt haben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2159
7. Wie verteilen sich bislang die Kosten auf den Bund und nach Kenntnis der
Bundesregierung auf die einzelnen Länder (bitte differenziert angeben)
a) im Rahmen des Aufnahmekontingents vom Mai 2013,
b) im Rahmen der Aufnahmeanordnungen der Länder,
c) im Rahmen des Aufnahmekontingents vom Dezember 2013,
d) im Rahmen des üblichen Asylverfahrens
(bitte nach größeren Posten aufschlüsseln, beispielsweise Flüge, Unterbrin-
gung Friedland, Durchführung Integrationskurse, Unterbringung nach
Weiterverteilung auf die Länder etc.)?

8. Können durch die Bundesrepublik Deutschland die im Asyl- und Migra-
tionsfonds der EU vorgesehenen 6 000 Euro pro Flüchtling für im Resettle-
ment-Verfahren aufgenommene Flüchtlinge auch für die von der IMK be-
schlossenen Kontingente in Anspruch genommen werden?
Wenn ja, in welchem Umfang, und wie werden diese Einnahmen zwischen
Bund und Ländern aufgeteilt?

9. Für wie viele syrische Asylsuchende wurden in den Jahren 2011 bis 2014
(bitte jeweils getrennt auflisten) Übernahmeersuchen im Rahmen der Dub-
lin-II-Verordnung an andere Staaten gestellt, wie viele Überstellungen wur-
den vollzogen, und was waren die Gründe, aus denen Überstellungen gege-
benenfalls nicht vollzogen wurden?

10. Inwieweit wird bei der Stellung von Übernahmeersuchen für syrische Asyl-
suchende berücksichtigt, ob die Betroffenen Verwandte in Deutschland
haben?
Hält es die Bundesregierung für politisch kohärent und vertretbar, einerseits
in eigenen Aufnahmeprogrammen die Einreise zu Verwandten zu erlauben,
andererseits bei einreisenden Asylsuchenden die formalen Zuständigkeits-
kriterien der Dublin-II-Verordnung anzuwenden?

11. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem am 8. Juli 2014 vorgelegten Bericht von Amnesty International
„The Human Cost of Fortress Europe“, in dem außergesetzliche Zurückwei-
sungsaktionen von bulgarischen und griechischen Grenzbehörden als Teil
der europäischen Abschottungspolitik geschildert werden, die häufig auch
syrische Schutzsuchende treffen, und wie ist die Haltung der Bundesregie-
rung zur Forderung von Amnesty International, gefahrenfreie Fluchtwege in
die EU zu schaffen?

Berlin, den 16. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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