BT-Drucksache 18/2133

Krise im Irak und deren Auswirkung auf den Krieg in Syrien

Vom 16. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2133
18. Wahlperiode 16.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm,
Heike Hänsel, Andrej Hunko, Annette Groth, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion
DIE LINKE.

Krise im Irak und deren Auswirkung auf den Krieg in Syrien

Das Feuer, das der Bürgerkrieg in Syrien entfacht hat, wird nun zu einem
Flächenbrand, der auch den Irak erfasst hat. Die militärische Offensive der ter-
roristischen islamistischen ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) rollt über
den Irak hinweg. In Syrien hat sie schon seit langem die Kontrolle über weite
Gebiete des nördlichen und nordöstlichen syrischen Territoriums übernommen.
Die vom Westen favorisierte Freie Syrische Armee ist grundlegend geschwächt
(http://the-news-daily.com/Beirut vom 16. Juni 2014). Dort, wo ISIS die Herr-
schaft übernimmt, wird sie schnell zu einem Schreckensregiment für die Men-
schen. „Die strikte Anwendung salafistischer Vorschriften geht mit Willkür
einher. Es gibt Berichte über Hinrichtungen, Folter und Übergriffe gegen die
Zivilbevölkerung“ (Guido Steinberg, Stiftung Wissenschaft und Politik in der
taz vom 16. Juni 2014).
Der Westen und mit ihm die Bundesregierung haben viel zu lange die Bedeutung
radikal islamistischer Söldner im syrischen Bürgerkrieg heruntergespielt. Das
NATO-Land Türkei hat den ISIS-Kämpfern Unterschlupf gewährt und sie mit
Waffen und anderen logistischen Möglichkeiten versorgt (www.spiegel.de/
politik/ausland/isis-im-irak-wie-sich-die-türkei-bei-der-terrorgruppe-
verschaetzte-a-975032.html). Die mit Deutschland befreundeten Golfmonar-
chien Katar und Saudi-Arabien haben bisher ISIS durch Finanzhilfen und
Waffenlieferungen im Kampf gegen die syrische Regierung unterstützt (www.
reuters.com/article/2014/03/09/us-iraq-saudi-qatar-idUSBREA2806S20140309).
Die Ursachen der jetzigen Krise liegen nach Ansicht kritischer Betrachter weit
zurück. Sie fangen mit den Plänen der USA an, einen neuen Nahen Osten zu
schaffen, Regierungen zu destabilisieren und zu stürzen. Im Falle des Iraks ist
die jetzige Krise nach Auffassung der Fragesteller auf die Militärinterventionen
und Besetzung des Iraks im Jahr 2003 zurückzuführen. Mit dieser Politik wurde
die Büchse der Pandora geöffnet. Das zerbrechliche Gleichgewicht in der
Region zwischen Ethnien und konfessionellen Richtungen wurde zerstört. Im
Kampf gegen den Iran wurde der sunnitisch-schiitische Gegensatz heraufbe-
schworen. Diese Politik setzte sich auch im Falle Syriens fort, wo der Westen
sich zwar nicht hauptsächlich auf die radikal terroristischen Islamisten stützte,
aber ihre Hilfe zum Sturz der Regierung Bashar al-Assads billigend in Kauf
nahm.
Eine Lösung der jetzigen Krise in Syrien und im Irak setzt die Einbeziehung des
Irans sowie Syriens voraus. Insbesondere ist eine Neuregelung der Beziehungen
zur sunnitischen Bevölkerungsminderheit im Irak, die seit dem Sturz von

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Saddam Hussein weitgehend entrechtet wurde, notwendig. Man muss ihnen eine
gleichberechtigte Teilhabe am Staat gewähren. Syrien einzubeziehen heißt, auch
mit Präsident Bashar al-Assad zu reden. Ohne eine Lösung der syrischen Krise,
wird es keine Stabilität im Nahen Osten geben. Die Präsidentschaftswahlen in
Syrien, obwohl umstritten, zeigen aber dennoch auf, dass ein Ende des Bürger-
krieges auf der Grundlage einer politischen Lösung mit Bashar al-Assad mög-
lich ist. Der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Irak und Afghanistan, Ryan
Crocker, sagte in einem Interview mit der „New York Times“: „Wir müssen eine
Zukunft mit Assad akzeptieren“ (New York Times vom 13. Dezember 2013).
Zum Wahlausgang in Syrien schreibt die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. in
ihrem Länderbericht: „Tatsächlich stellt die Opposition in Syrien für viele Syrer
keine vertrauenswürdige Alternative zu Assad dar“ (Präsidentschaftswahlen in
Syrien, 9. Juni 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der

Stärke, Bewaffnung und Finanzierung der ISIS-Terroristen?
2. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Bundesregierung oder ihr unter-

stellten Behörden über die Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und
Katar mit den islamistischen Terroristen vor?

3. Wie gelangte ISIS noch vor ihrer irakischen Offensive in den Besitz von
schweren Waffen?

4. Von welchen Ländern oder einflussreichen Privatpersonen erhält nach
Kenntnis der Bundesregierung oder ihr unterstellter Behörden die Terror-
organisation ISIS Unterstützung?

5. Wusste die Bundesregierung von Waffenlieferungen an die Al-Qaida-
Gruppe ISIS?

6. Wurde auf den diversen Treffen der Gruppe der „Freunde Syriens“ über das
Problem, das vom islamistischen Terrorismus ausgeht, geredet?

7. Hat die Bundesregierung im Rahmen der Freundesgruppe Syrien die Initia-
tive ergriffen, um mit ihren Partnern über das Problem des islamistischen
Terrorismus zu reden?

8. Wenn ja, welche Position vertrat die Bundesregierung gegenüber ihren Part-
nern zu der Problematik des islamistischen Terrorismus in Syrien und im
Irak?

9. Wenn nein, aus welchem Grund wurde diese Problematik bei den Gesprä-
chen nicht angesprochen?

10. Hat die Bundesregierung von den Staaten Katar, Saudi-Arabien, Türkei
öffentlich oder intern eine Stellungnahme wegen ihrer von den US-Journa-
listen aufgedeckten Informationen über deren Unterstützung für den terro-
ristischen radikalen Islamismus verlangt (www.lrb.co.uk/v36/n08/seymour-
m-hersh/the-red-line-and-the-rat-line)?

11. Hat die Bundesregierung mit den Regierungen von Katar und Saudi-Ara-
bien über die Problematik möglicher Waffenlieferungen an die islamisti-
schen Terroristen geredet (wenn nein, bitte begründen, wieso über ein sol-
ches Problem nicht mit den Regierungen geredet wird, die maßgeblich in die
Auseinandersetzung in Syrien verwickelt sind und denen man eine Unter-
stützung der radikal islamistischen Kräfte nachsagt)?

12. Wenn ja, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung daraus für ihre Po-
litik gewonnen?

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13. Liegen der Bundesregierung Informationen über eine mögliche Zusammen-
arbeit des NATO-Partners Türkei mit der islamistisch terroristischen Grup-
pierung ISIS vor?

14. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den medialen
Vorwürfen einer Zusammenarbeit des NATO-Partnerstaates Türkei mit den
islamistischen terroristischen Gruppierungen?
Vor dem Hintergrund, dass Hauptquelle für die Vorwürfe der Zusammen-
arbeit zwischen der türkischen Regierung und der islamistischen Terror-
organisation ISIS die Informationen sind, die die türkische oppositionelle
sozialdemokratische Partei CHP erhoben hat, hat die Bundesregierung bzw.
haben die ihr unterstellten Behörden Kontakte mit der CHP zur Überprü-
fung dieser Vorwürfe aufgenommen (www.spiegel.de/politik/ausland/isis-
im-irak-wie-sich-die-tuerkei-bei-der-terrorgruppe-verschaetzte-a-975032.
html), wenn nicht, bitte den Grund dafür angeben?

15. Wenn ja, über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung nach die-
sem Gespräch?

16. Vor dem Hintergrund, dass der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Irak
und Afghanistan, Ryan Crocker, in einem Interview mit der „New York
Times“ sagte: „Wir müssen eine Zukunft mit Assad akzeptieren“ (New York
Times vom 13. Dezember 2013), welche politischen Schlussfolgerungen
zieht die Bundesregierung aus der islamistisch terroristischen Offensive in
Syrien und dem Irak bezüglich ihrer Syrien-Politik?

17. Hat die Bundesregierung bereits oder beabsichtigt sie, mit der syrischen Re-
gierung wieder einen Gesprächspfad zu eröffnen?

18. Wenn nicht, bitte die Gründe dafür benennen?
19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Präsident-

schaftswahlen in Syrien?
20. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den jüngst in

Doha vom ehemaligen Präsidenten der Nationalen Koalition Syriens, Mouaz
Al-Khatib, erhobenen Forderung, dass die Opposition in Syrien direkt mit
der Regierung verhandeln müsse, ohne auf eine erneute internationale Kon-
ferenz abzuwarten („Wir sollten nicht auf internationale Konferenzen war-
ten, die den Syrern die Zeit stiehlt und das Blutvergießen verlängert“, Al
Monitor, www.al-monitor.com/pulse/originals/2014/06/syria-opposition)?

21. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die von „Al Monitor“
verbreitete Information vor, dass wichtige Teile der syrischen Opposition
nach der Präsidentschaftswahl signalisiert haben sollen, sich an einer Regie-
rung der Nationalen Einheit in Syrien auf der Grundlage der Beschlüsse von
Genf I beteiligen zu wollen (Al Monitor, 4. Juni 2014)?

22. Sollte diese Information zutreffen, welche Schlussfolgerungen gedenkt die
Bundesregierung aus dieser veränderten Lage bezüglich ihrer Syrien-Politik
zu ziehen?

23. Beabsichtigt die Bundesregierung, einen Prozess des Dialogs mit der syri-
schen Regierung einzuleiten, der in der Wiederherstellung der diplomati-
schen Beziehungen münden soll?

24. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den sunnitischen Auf-
stand im Irak?

25. Worauf führt die Bundesregierung den gegenwärtigen sunnitischen Auf-
stand zurück?

26. Welchen Anteil hat nach Auffassung der Bundesregierung der Einmarsch
der USA in den Irak im Jahr 2003 an der jetzigen Bürgerkriegslage im Irak?

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27. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die USA militärisch in der
jetzigen Auseinandersetzungen eingreifen sollten, obwohl sie nach Auffas-
sung der Fragesteller Teil des Problems sind?

28. Hat die Bundesregierung mit der irakischen Regierung über die Politik der
Benachteiligung gegenüber der sunnitischen Minderheit im Lande gespro-
chen?

29. Plant die Bundesregierung diplomatische Initiativen, um gemeinsam mit
den Krisen-Staaten des Nahen Ostens über Wege zur Beilegung des Kon-
fliktes zu beraten?

30. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Forderung
zahlreicher Experten, die die Durchführung einer internationalen Konferenz
unter Einbeziehung Syriens, des Irans und Iraks sowie des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen zur Beilegung der Krise fordern (Jürgen Todenhöfer
in der Frankfurter Rundschau vom 17. Juni 2014)?

Berlin, den 26. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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