BT-Drucksache 18/2084

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras angesichts zunehmender Menschenrechtsverletzungen

Vom 30. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2084
18. Wahlperiode 30.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dağdelen, Andrej Hunko, Niema Movassat,
Inge Höger, Annette Groth und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras angesichts zunehmender
Menschenrechtsverletzungen

In Honduras nimmt die Zahl gravierender Menschenrechtsverletzungen seit ei-
nem zivil-militärischen Putsch Ende Juni 2009 zu, wie selbst die US-Regierung
in einem jüngsten Bericht bestätigt (www.state.gov/documents/organization/
220663.pdf). Übergriffe von paramilitärischen und staatlichen Akteuren finden
vor allem im Zusammenhang mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen statt
(www.coha.org/human-rights-violations-in-honduras-land-grabs-peasants-
repression-and-big-companies/). Menschenrechtsorganisationen verweisen zu-
dem auf die notorische Missachtung der international garantierten Rechte
indigener Völker (www.amnesty.org/es/for-media/press-releases/dirigentes-
indigenas-hondurenos-encarcelar-injustamente-2013-09-19 u. a.). Trotz all die-
ser Missstände wird Honduras weiterhin in der Kategorie 1 der Kooperations-
länder des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (BMZ) geführt. Menschenrechtsverteidiger, zu denen laut Definition
der Vereinten Nationen (VN) auch diejenigen gehören, die sich für soziale, wirt-
schaftliche und kulturelle Rechte sowie Umweltrechte einsetzen, sind einer zu-
nehmenden Repression ausgesetzt; Schutzmaßnahmen, wie sie von der inter-
amerikanischen Gerichtsbarkeit verlangt werden, werden von Seiten des Staates
nicht umgesetzt (http://cejil.org/categoria/pais/honduras?page=1). Zugleich be-
obachten Menschenrechtsorganisationen mit Sorge die wachsende Militarisie-
rung des Landes. Die Institutionen der VN haben mehrfach die Übernahme von
Polizeiaufgaben durch die Armee kritisiert (daccess-dds-ny.un.org/doc/
UNDOC/GEN/G12/187/45/PDF/G1218745.pdf?OpenElement, ebenso: http://
de.slideshare.net/MADJhn/cidh-informe-final-consulta-previa-y-megaproyectos-
en-honduras-30309578).
Der honduranische Kongress hat den gesetzlichen Rahmen für alle den Extrak-
tivismus im weitesten Sinne betreffenden Bereiche, wie z. B. Wasser- und Berg-
baukonzessionen und sogenannte Modellstädte (Zonas Especiales de Desarrollo
Económico, ZEDE), weitgehend den Interessen transnationaler Unternehmen
angepasst. Im Westen des Landes soll unter Beteiligung u. a. des deutschen
Unternehmens Voith Hydro GmbH (http://amerika21.de/2013/09/89302/haft-
aktivistin-honduras) der Staudamm Agua Zarca auf indigenem Territorium er-
richtet werden. Die betroffene Bevölkerung hatte sich im Jahr 2011 mehrheitlich
gegen das Projekt ausgesprochen, der Bau wurde aber dennoch vorangetrieben
(www.copy.com/s/usURK9w8qxlK/Bericht%20Rio_%20Blanco_26.1..pdf,
auch: www.oas.org/es/cidh/docs/anual/2013/docs-es/InformeAnual-Cap4-
Honduras.pdf, S. 43 ff.). Im Zuge des friedlichen Protestes der indigenen Ge-
meinden dagegen kam es zu gewaltsamen Übergriffen durch Polizei- und

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Militäreinheiten (ebd.), die auf dem Baugelände stationiert worden waren. Im
Juli 2013 starb ein Demonstrant durch die Schüsse eines Soldaten. Seither es-
kaliert die Gewalt in der Region.
Menschenrechtsverteidiger der indigenen Organisation COPINH (Ziviler Rat
der Volks- und indigenen Organisationen Honduras), die die lokalen Staudamm-
gegner unterstützen, sind Morddrohungen sowie einer Diffamierungs- und Kri-
minalisierungskampagne ausgesetzt. Am 25. Mai 2014 kam es in der Gemeinde
San Francisco de Opalaca zu Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger. Der Ak-
tivist der Oppositionspartei LIBRE und Unterstützer der Indigenen-Organisa-
tion COPINH, Plutarco Bonilla, wurde durch den Schusswaffenangriff schwer
verletzt. Sein Mitstreiter Irene Meza starb an den Folgen der Schussverletzungen
(www.cadhcr.org/honduras-asesinan-a-irene-meza-y-william-jacobo-rod-
riguez-miembros-de-copinh/). Außerdem wurde in der Gemeinde Rio Blanco in
der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2014 der Menschenrechtsaktivist und Unter-
stützer COPINH, William Jacobo Rodriguez, erschossen (s. o.). Im Zusammen-
hang mit der Aufklärung dieses Mordes soll es zudem zu Übergriffen und
Gewaltakten durch die Polizei gekommen sein, bei denen Staudammgegner
gefoltert und mit dem Tode bedroht wurden (http://copinh.org/article/copinh-
nuevas-amenazas-contra-el-pueblo-de-rio-bla/).
Im Jahr 2013 führte die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammen-
arbeit (GIZ) GmbH eine Reihe von „Diagnose-Workshops“ in Garífuna-Ge-
meinden der Verwaltungsbezirke Colón und Gracias a Dios (Moskitia/hondura-
nische Karibikküste) durch. Eines der Themen dieser Veranstaltungen war die
Vorbereitung der Konsultation im Rahmen des binationalen Programmes der
GIZ für die zentrale Zone des Mesoamerikanischen Biokorridors. Für die indi-
genen Völker in Honduras ist dieses Recht auf freie, vorherige und informierte
Zustimmung (FPIC, free, prior and informed consent) von hoher Bedeutung.
Dieses Recht wird ihnen im Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorgani-
sation (ILO) und durch die VN-Erklärung über die Rechte indigener Völker zu-
gesprochen. Honduras ratifizierte und unterzeichnete das Abkommen (1995)
und die Erklärung (1997). Dennoch fehlt bis heute eine Umsetzung des FPIC in
nationales Recht, was der Verletzungen von Menschen- und Landrechten der in-
digenen Bevölkerung Vorschub leistet. Die Organización Fraternal Negra Hon-
dureña (OFRANEH) fordert daher die Verabschiedung eines nationalen Geset-
zes zum FPIC. Sie bedauert, dass die deutsche Entwicklungshilfe diese Forde-
rung nicht ernst nimmt und kritisiert, dass die von der GIZ durchgeführten
Workshops in Bezug auf den Mesoamerikanischen Biokorridor bei den Gemein-
den falsche Erwartungen in Bezug auf zukünftige „Entwicklungsprojekte“
weckten, die mit der Realität der Moskitia nichts zu tun haben (http://ofraneh.
wordpress.com/2013/08/29/honduras-intervencion-neocolonialista-de-la-
agencia-de-cooperacion-internacional-alemana-giz-en-la-moskitia/).
Nach Berichten der honduranischen Presse leistet die GIZ zudem organisato-
rische und finanzielle Hilfe bei der Kartierung von Vorkommen seltener Erden
und Edelmetallen in dem mittelamerikanischen Land. Die Tageszeitung „La
Tribuna“ zitierte (www.latribuna.hn/movil/2014/05/22/alemanes-elaboraran-
mapa-minero-del-pais/) in diesem Zusammenhang am 22. Mai 2014 den Direk-
tor des honduranischen Instituts für Geologie und Bergbau (INHGEOMIN),
Agapito Rodríguez, der die Unterstützung der GIZ betonte. Weitere Details wer-
den in einer Meldung zum Kooperationsabkommen in der Internetpräsenz des
INHGEOMIN genannt. Soziale Organisationen und Menschenrechtsgruppen
verweisen indes auf kritische Entwicklungen beim massiven Ausbau des Berg-
baus in Honduras (www.movimientom4.org/2013/09/informe-ejecutivo-de-la-
mina-san-martin-en-el-valle-de-siria-honduras-exploracion-explotacion-y-
cierre-impactos-y-consecuencias/). Nach der Novellierung des Bergbaugesetzes
Anfang 2013 wurden demnach unter anderem die Möglichkeiten für den beson-
ders umweltschädlichen Tagebau erleichtert. Dabei erstrecken sich die Konzes-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2084
sionsgebiete schon jetzt auf einen erheblichen Teil des nationalen Territoriums.
Mit der Einrichtung sogenannter Modellstädte, d. h. extraterritorialer Handels-
und Wirtschaftszonen, könnten die Bergbauvorhaben zudem in einer rechtlichen
Sondersituation gegen den Willen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt wer-
den.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sichert die Bundesregierung die Investitionen deutscher Unternehmen, die

am Bau des Staudamms Agua Zarca in Honduras beteiligt sind, mit Hermes-
Bürgschaften oder auf andere Weise ab?

2. Welche Handhabe sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Betei-
ligung deutscher Unternehmen am Staudammprojekt Aqua Zarca in Hondu-
ras, um auf die Ahndung möglicherweise bereits erfolgter und Verhinderung
künftiger Verletzungen von Menschenrechten im Zusammenhang mit dem
Vorhaben hinzuwirken, und inwiefern ist sie bereits in dieser Richtung tätig
geworden?

3. Auf welche Mechanismen im Sinne der „EU-Leitlinie zum Schutz von Men-
schenrechtsverteidigern“ setzt die Bundesregierung, um den Schutz der Men-
schenrechtsverteidiger zu gewährleisten, die in Zusammenhang mit den Aus-
einandersetzungen um das Projekt Agua Zarca im Zuge ihrer freien Mei-
nungsäußerung behindert, verfolgt, bedroht, attackiert und kriminalisiert
werden?

4. Welche Projekte führt die GIZ in der honduranischen Region Moskitia und
an der Karibikküste nach Kenntnis der Bundesregierung durch, und welche
Projekte plant die GIZ in diesen Gebieten?

5. Wird die Bundesregierung das Übereinkommen 169 der ILO über „eingebo-
rene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ ratifizieren.
a) Wenn ja, in welchem Zeitrahmen wird dies geschehen?
b) Wenn nein, weshalb nicht?

6. Inwiefern wird seitens der GIZ die Kritik von der OFRANEH hinsichtlich der
Situation in der zentralen Zone des Mesoamerikanischen Biokorridors der
Moskitia und der zukünftigen Durchführung von FPIC des binationalen Pro-
grammes der GIZ in der genannten Zone wahrgenommen?

7. Treffen die Berichte zu, nach denen die Kartierung der Vorkommen seltener
Erden und von Edelmetallen durch die GIZ unterstützt wird?
Wenn ja, welche Gelder werden für welche Aufgaben im Rahmen dieses Vor-
habens verwendet (bitte detailliert auflisten)?

8. Welche entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung sind angesichts
der Erklärungen des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Dr. Gerd Müller, denen zufolge eines der Ziele der amtie-
renden Regierung sei, die Wertschöpfungskette so weit wie möglich in den
Ländern des Südens zu belassen (www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/
gerd-mueller-ueber-die-bedeutung-der-kleinbauern-und-fairen-handel-
article1294132.html), und angesichts des Umstandes, dass mit dem deut-
schen Unternehmen M&P Geonova und dem Schweizer Unternehmen
Geoexport zwei Europäische Akteure mit dem erwähnten Vorhaben betraut
worden sind (http://amerika21.de/2014/06/101981/kartierung-honduras), mit
diesem Vorhaben verbunden?

Drucksache 18/2084 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
9. Welche Mechanismen haben GIZ und Bundesregierung etabliert, um
weitere Landkonflikte – etwa durch Vertreibung der lokalen Bevölkerung –
im Zuge der durch die unterstützte Kartierung ermöglichten Bergbaupro-
jekte zu vermeiden?

10. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Novellierung des
Bergbaugesetzes in Honduras Anfang 2013 (Dekret 238-2012, im Amtsblatt
am 2. April 2013 veröffentlicht), nach der Tagebau erlaubt wird, wogegen
Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsbeobachter unter
Verweis auf mangelnde Schutzbestimmungen Protest eingelegt haben
(http://proah.wordpress.com/2013/06/20/proyecto-de-mineria-en-la-nueva-
esperanza-escalada-alarmante-de-intimidaciones-dirigidas-a-la-comunidad/)?

11. Welche Folgen hat nach Ansicht der Bundesregierung die in Artikel 100
Kapitel 3 des Bergbaugesetzes in Honduras bestimmte Auflösung kommu-
nitärer Verwaltungsformen von Agrarland, die vor allem von indigenen Ge-
meinschaften genutzt werden?

12. Wie schätzt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die andauernden
und von staatlicher Seite teilweise militärisch ausgetragenen Konflikte an
den Bergbaustandorten San Martín (Siria-Tal) und Nueva Esperanza ein, die
unter anderem von der internationalen EZ-Organisation Oxfam (EZ: Ent-
wicklungszusammenarbeit) beobachtet und kritisch kommentiert werden
(www.movimientom4.org/wp-content/docs/informe-mina-san%20martin-
honduras.pdf)?

13. Wie wirkt die Bundesregierung auf das Bergbauministerium in Honduras
hin, Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsstudien hinreichend zu be-
achten, dies vor allem vor dem Hintergrund von Vorwürfen, nach denen ent-
sprechende Untersuchungen von der Ministeriumsleitung in der Vergangen-
heit vertuscht worden sind (www.nodal.am/2014/04/policia-y-ejercito-son-
socios-de-las-mineras-en-honduras/)?

14. Wie verhält sich die Bundesregierung zu den Plänen der honduranischen
Regierung, mit sogenannten Modellstädten de facto extraterritoriale Ge-
biete zu schaffen, in denen u. a. arbeits- und umweltrechtliche Schutzbe-
stimmungen außer Kraft gesetzt wären (https://www.neues-deutschland.de/
artikel/239768.modellstaedte-fuer-multis.html?sstr=Honduras)?

15. Unterstützt die Bundesregierung aktiv eine umfassende, unabhängige und
unparteiische Untersuchung der tödlichen Angriffe und Gewaltakte vom
24. und 25. Mai 2014?
a) In welchem Umfang?
b) Wenn nein, warum nicht?

16. Welche Maßnahmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung getroffen,
um die Mitglieder der indigenen Organisationen und Institutionen in den be-
troffenen Gemeinden, von der Oppositionspartei LIBRE sowie von Unter-
stützern von COPINH zu schützen?

17. Wie ist der aktuelle Stand bei der Umsetzung des Beschwerdeverfahrens, zu
dessen Einrichtung sich die Bundesregierung in der 17. Legislaturperiode
mit der Zielsetzung verpflichtet hat, diese Möglichkeit innerhalb der Ent-
wicklungszusammenarbeit mit einem zentralen unabhängigen Überprü-
fungsverfahren einzurichten (www.bmz.de/de/mediathek/publikationen/
themen/menschenrechte/Strategiepapier303_04_2011.pdf)?

Berlin, den 27. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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