BT-Drucksache 18/2073

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/1615 - Verhandlungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen - Neustart ohne Drohungen und Fristen

Vom 8. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2073
18. Wahlperiode 08.07.2014

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Wolfgang
Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/1615 –

Verhandlungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen –
Neustart ohne Drohungen und Fristen

A. Problem
Auf der Grundlage einseitiger Präferenzabkommen mit der EU konnten afrikani-
sche Staaten ihre Produkte zu vergünstigten Bedingungen auf den EU-Markt ex-
portieren. Mit dem Abkommen von Cotonou wurde die Umsetzung der Vorgaben
der Welthandelsorganisation (WTO) zur Neuaushandlung von WTO-konformen
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen der EU und den AKP-
Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) in Richtung einer weitgehenden Gegenseitigkeit
von Präferenzen vereinbart.
Für den Zeitraum der Verhandlungen wurde zwischen der EU und den afrikani-
schen Staaten ein Interimsabkommen abgeschlossen, in dem lediglich die Import-
zölle geregelt wurden.
Im Rahmen dieser Verhandlungen hat die EU nach Auffassung der Antragsteller
weitergehende Forderungen hinsichtlich einer Liberalisierung des öffentlichen
Beschaffungswesens und der Beseitigung von Exportsteuern formuliert.
Alternative Handelspräferenzen, die nicht auf dem Gegenseitigkeitsprinzip beru-
hen, sondern nach den Kriterien für die „Everything but arms“-Initiative auf eine
ganze Region angewandt werden könnten, so die Kritik der Antragsteller, seien
von der EU nie geprüft worden.
Die Verhandlungen sollen nach dem Willen der EU bis zum 1. Oktober 2014 abge-
schlossen werden; diejenigen Staaten, die zu keinem Abschluss bereit sind, würden
automatisch ihre Handelspräferenzen verlieren. Damit müssten diese Staaten ent-
wicklungspolitisch wichtige Steuerungsinstrumente preisgeben.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Drucksache 18/2073 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2073

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/1615 abzulehnen.

Berlin, den 2. Juli 2014

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Frank Heinrich (Chemnitz)
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Drucksache 18/2073 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Frank Heinrich (Chemnitz), Dr. Sascha Raabe, Heike
Hänsel und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/1615 in seiner 39. Sitzung am 5. Juni 2014
beraten und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Be-
ratung und an den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich in der EU dafür einzusetzen, dass die Verhand-
lungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen gestoppt werden.
Die neu aufzunehmenden Verhandlungen sollen an dem Ziel ausgerichtet sein, eine selbstbestimmte Ent-
wicklung, industrielle Wertschöpfung, Ernährungssouveränität und regionale Integration der Länder des Sü-
dens zu ermöglichen.
Im Zuge der Neuverhandlung sollen insbesondere Möglichkeiten geprüft werden, wie den afrikanischen Staa-
ten Handelspräferenzen ohne Gegenseitigkeit eingeräumt werden könnten. Zudem solle ein Mechanismus
verankert werden, mit dem die Auswirkungen der Abkommen auf die Einhaltung der Menschenrechte kon-
trolliert werden könnten.
Bis zum Abschluss solcher Verhandlungen sollen die AKP-Staaten, über den Stichtag 1. Oktober 2014 hin-
aus, den präferenziellen Marktzugang zur EU behalten können, unabhängig davon, ob sie ein EPA abschlie-
ßen oder nicht.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/1615 in seiner 20. Sitzung am 2. Juli 2014
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage auf Drucksache 18/1615 in seiner 16. Sitzung
am 2. Juli 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 18/1615 in
seiner 16. Sitzung am 2. Juli 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat die Vorlage auf Drucksache 18/1615
in seiner 13. Sitzung am 2. Juli 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Vorlage in seiner 16. Sit-
zung am 2. Juli 2014 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2073

Die Fraktion DIE LINKE. weist darauf hin, dass schon sehr lange mit den AKP-Staaten über die EPAs
verhandelt werde. Diese Verhandlungen habe man als Parlamentarier immer kritisch begleitet und auch den
Widerstand der Bewegungen in den Ländern selbst unterstützt. Mit dem vorliegenden Antrag ziele man auf
die Konsequenzen der von der EU gesetzten Frist für diejenigen Länder, die bis dahin kein Interims-EPA
unterzeichnet hätten, ihnen nämlich den präferenziellen Marktzugang zu entziehen. Diese Länder könnten ab
dem 1. Oktober 2014 nicht mehr auf das Allgemeine Präferenzsystem (APS) zurückgreifen. Das betreffe
Länder wie Ghana, Namibia und andere, die erst in den letzten Jahren mit Erfolg eine Wirtschaft aufgebaut
hätten und dann mit höheren Zöllen dafür abgestraft würden, dass sie eine ökonomische und demokratische
Entwicklung geschafft hätten. Damit werde die eigentliche Entwicklungszusammenarbeit konterkariert. Da-
rum fordere man im Antrag die Aufhebung dieser Fristsetzung und ein neues Denken in Richtung einer ent-
wicklungsförderlichen EU-Handelspolitik.
Die Fraktion der CDU/CSU weist darauf hin, dass man die mit dem vorliegenden Antrag verbundenen Sor-
gen natürlich teile. Es gebe aber immer wieder den altbekannten Rückfall der Antragsteller in eine polemi-
sche Argumentation, so zum Beispiel, wenn davon gesprochen werde, dass die EU mit den EPAs die Indust-
rialisierung Afrikas unterlaufe. Zudem sei es völlig unklar, wieso darin eine Bedrohung der regionalen und
wirtschaftlichen Integration gesehen werde. Im Gegenteil sei es erklärtes Ziel der EPAs, die regionale Inte-
gration zu stärken. Im Übrigen habe man selbst einen Antrag zum EU-Afrika-Gipfel eingebracht, in dem eine
Reihe entwicklungspolitischer Forderungen der Antragsteller bereits enthalten seien. Allerdings bewerte die
CDU/CSU-Fraktion die wirtschaftlichen und politischen Chancen und Potentiale, die von den EPA’s ausge-
hen würden, deutlich anders als die Antragsteller. Vor diesem Hintergrund werde man den Antrag ablehnen.
Die Fraktion der SPD unterstreicht, dass sie das Kernanliegen im vorliegenden Antrag und die damit ver-
bundenen Sorgen um die Folgewirkungen für bestimmte Länder teile. Es sei völlig offen, was passiere, wenn
die Frist 1. Oktober 2014 verstrichen wäre. Viele NGOs würden ins Feld führen, es gebe durchaus Ermes-
sensspielräume, die eine WTO-konforme Auslegung ermöglichen würden. Was dem Antrag fehle, sei der
sonst immer so engagiert vertretene Aspekt des Süd-Süd-Handels. Gerade hier könnten Wirtschaftspartner-
schaftsabkommen eine Chance für mehr regionale Integration bieten. Die Fraktion der SPD spreche sich
nicht für einen Stopp der Verhandlungen aus, votiere aber dafür, dass diese Präferenzen nicht automatisch ab
dem 1. Oktober verlorengehen würden. Im Ergebnis schließe man sich aber im Rahmen der Koalitionsver-
einbarungen dem Votum der Fraktion der CDU/CSU an.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hebt hervor, dass sie die Intention der Antragsteller unterstütze.
Von der Bundesregierung werde immer wieder behauptet, dass diese Abkommen einen entwicklungspoliti-
schen Nutzen zeigen würden, obwohl es keine Studien gebe, die diese Behauptungen unterstützen könnten.
Im Umkehrschluss treffe dann wohl die These der Antragsteller zu, dass diese Abkommen eher schädlich für
die Entwicklungsländer seien. Ferner habe man an keiner Stelle eine Menschenrechtsklausel in diesen Ab-
kommen gefunden. Da aber an einigen Stellen von den Antragstellern unpräzise formuliert worden sei und
die Meinung über die zukünftige Ausgestaltung von Wirtschaftsabkommen nicht geteilt werde, werde man
sich bei der Abstimmung enthalten.

Berlin, den 2. Juli 2014

Frank Heinrich (Chemnitz)
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

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