BT-Drucksache 18/2063

Tierversuche für faltenfreie Haut durch Botox

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2063
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Kai Gehring, Harald Ebner, Matthias
Gastel, Bärbel Höhn, Steffi Lemke, Friedrich Ostendorff und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Tierversuche für faltenfreie Haut durch Botox

Botox ist vor allem als „Anti-Falten-Mittel“ bekannt. Basis für Botox und an-
dere Präparate, die zur Faltenbekämpfung eingesetzt werden, ist das Nervengift
Botulinumtoxin, das zu den stärksten verfügbaren Giften zählt. Einige Botu-
linumtoxine sind für kosmetische Zwecke zugelassen. Andere Botulinumtoxine
sind eigentlich nur für medizinische Indikationen zugelassen, können jedoch
auch zur kosmetischen Behandlung von Ärzten angewandt werden. Aufgrund
der toxischen Wirkung muss gemäß des Europäischen Arzneibuchs jede Charge
einzeln überprüft werden.
Den wenigsten Menschen ist dabei bekannt, dass diese Tests zum Großteil in
Tierversuchen durchgeführt werden. Jede einzelne Charge wird dabei an min-
destens 100 Mäusen getestet. Bei den äußerst schmerzhaften Versuchen (LD50-
Tests) wird Mäusen das Nervengift in die Bauchhöhle gespritzt. Dabei werden
„Vergleichsgruppen“ eingesetzt, denen unterschiedlich stark verdünntes Botox
gespritzt wird. Um die Konstanz der Produktion zu messen, wird die Verdün-
nungsmenge ermittelt, bei der die Hälfte der Tiere stirbt (LD50 = tödliche Dosis
bei 50 Prozent der Tiere). Dabei sterben die Mäuse nach drei bis vier Tagen unter
schweren Qualen – mit Krämpfen, Lähmungen, Erblinden – am Erstickungstod.
Tierversuche für Kosmetika sind EU-weit und nach dem deutschen Tierschutz-
gesetz (TierSchG) verboten. Doch wenn Inhaltsstoffe oder Präparate wie Botox
auch für andere, z. B. medizinische Zwecke, getestet werden, sind Tierversuche
hierzu weiter zulässig.
Tierversuchsfreie Testmethoden für Botox sind längst verfügbar und wissen-
schaftlich erprobt. Seit dem Jahr 2011 bzw. dem Jahr 2012 hat die Pharm-Aller-
gan GmbH, der Marktführer in diesem Bereich, in den USA und der Europä-
ischen Union (EU) die Zulassung für die Anwendung eines Alternativtestver-
fahrens mit menschlichen Zellkulturen. Die anderen Hersteller führen jedoch
weiterhin Tierversuche durch. Die Firma Merz GmbH & Co. KGaA mit Sitz in
Frankfurt am Main hat eine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) für ihre Botulinumtoxinprodukte Xeomin® und
Bocouture®. Diese werden im Auftrag der Firma Merz vom Hamburger Auf-
tragslabor LPT an Mäusen getestet. Bocouture® ist für kosmetische Zwecke
(Glabella-Falte) zugelassene, aber sowohl Bocouture® als auch das für medi-
zinische Zwecke zugelassene Xeomin® der Firma Merz werden „off label“ für
kosmetische Zwecke zur Glättung von Gesichtsfalten eingesetzt (www.altex.ch
ALTEX, 27, 2/10).

Drucksache 18/2063 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Welche Zahlen liegen der Bundesregierung zur Anzahl der Mäuse vor, die

in den Jahren 2000 bis 2013 (bitte nach Jahren aufschlüsseln) bei Tierver-
suchen für Botox und andere Botulinumtoxinpräparate bzw. bei LD50-
Tests verwendet wurden?

b) Wie haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 2000 entwickelt?
Wie erklärt die Bundesregierung diese Entwicklung?
Ist hier seit dem Inkrafttreten des EU-Verbots für Tierversuche für Kosme-
tika eine Tendenz in der Entwicklung erkennbar?

2. a) Hält die Bundesregierung diese Tierversuche für die Herstellung von Bo-
tulinumtoxinpräparaten zum Einsatz für kosmetische Zwecke vereinbar
mit der Bestimmung in § 1 TierSchG, wonach niemand „einem Tier ohne
vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf, so-
wie mit der Bestimmung in § 25 der Tierschutz-Versuchstierverordnung,
wonach Tierversuche, die zu „voraussichtlich länger anhaltenden oder
sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen“ nur
durchgeführt werden dürfen, „wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten
lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier ein-
schließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender
Bedeutung sein werden“?
Wenn ja, wie begründet sie dies?

b) Mit welcher Begründung ist die Tötung der Tiere, die die Versuche über-
leben, mit dieser Bestimmung in § 1 TierSchG nach Ansicht der Bundes-
regierung vereinbar?

c) Wie rechtfertigt die Bundesregierung den kosmetischen Einsatz der Botox-
produkte Bocouture® und Xeomin® der Firma Merz vor dem Hintergrund
der EU-Kosmetikrichtlinie, die Tierversuche für Kosmetikprodukte und
deren Inhaltsstoffe verbietet?

d) Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um Entwicklung,
Validierung und Anerkennung von tierversuchsfreien Testmethoden als
Ersatz für den LD50-Test zur Prüfung von Botulinumtoxinprodukten vor-
anzutreiben?
Welche Ergebnisse konnten durch die BONT-Expert-Working-Group
unter Leitung der ZEBET (Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von
Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch am Bundesinstitut für
Risikobewertung – BfR) erzielt werden?

e) Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Möglichkeit eines Morato-
riums für die Durchführung des LD50-Tests für die Chargenprüfung von
Xeomin® und Bocouture® bis eine tierversuchsfreie Alternative behörd-
lich zugelassen ist?

3. a) Welche bereits wissenschaftlich erforschten Alternativmethoden zum
LD50-Test an Mäusen für Botulinumtoxinpräparate sind der Bundes-
regierung bekannt?

b) Welche dieser Methoden sind ihrer Ansicht nach die am besten geeignets-
ten – sowohl unter Sicherheits- als auch Tierschutzaspekten?

c) Welche dieser Alternativverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in den USA bereits zugelassen?

d) Welche dieser Alternativverfahren sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in der EU bereits zugelassen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2063
e) Welchen Validierungsstand haben nach Kenntnis der Bundesregierung die
noch nicht zugelassenen Alternativmethoden, und gibt es Bestrebungen,
eine internationale Validierung zu erreichen, so dass diese Alternativ-
methoden zwingend dem Tierversuch vorgezogen werden müssten?

4. a) Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Hauptgründe dafür,
dass nach wie vor Tierversuche für Botulinumtoxinpräparate durchgeführt
werden, trotz erprobten und anerkanntem Alternativverfahren?

b) Welche Auswirkungen hat die Zulassung des Alternativverfahrens von
Allergan für die anderen Hersteller von Botulinumtoxinpräparaten, und
wird dadurch eine Zulassung für sie einfacher und zeitnaher realisierbar?

c) Ist der Bundesregierung bekannt, ob eine Änderung der zugelassenen
Testverfahren für Botox bzw. Botulinumtoxinpräparate im Europäischen
Arzneibuch geplant ist, und inwiefern setzt sie sich dafür ein?

5. a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus dem Stand der Zulassungen von Alternativ- und Ersatzmethoden
zum Tierversuch in Deutschland und der EU?

b) Wie lange dauert es nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich,
bis ein wissenschaftlich erprobtes Alternativ- bzw. Ersatzverfahren für
Tierversuche anerkannt wird, und wovon hängt es ab, wie lange eine Zu-
lassung in Anspruch nimmt?

c) Sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf bei der Zulassung von Alter-
nativ- und Ersatzverfahren, so dass diese zügiger realisierbar sind?
Wenn ja, inwiefern setzt sie sich dafür in welchen Gremien ein?
Wenn nein, warum nicht?

6. a) Wie hoch sind die Mittel, die in den Bundeshaushalten 2010 bis 2014 für
die Tierversuchsersatzforschung sowie zur Durchführung von Tierver-
suchen jährlich zur Verfügung gestellt wurden bzw. werden?

b) Wie hoch war bzw. ist in diesen Jahren die Nutzung von Mitteln aus dem
Bundeshaushalt in einschlägigen Forschungsbereichen, wie der Pharma-,
Medizin-, Werkstoffforschung etc., für tierversuchsfreie Verfahren, und
wie hoch ist die Nutzung bzw. der Abruf der Mittel für Forschungsvor-
haben, bei denen Tiere verwendet werden (bitte nach jährlicher Förderung
pro Haushaltstitel bzw. Projekt und Forschungsziel aufschlüsseln)?

Berlin, den 1. Juli 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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