BT-Drucksache 18/2047

Treffen der informellen Struktur der sogenannten Gruppe der Sechs+1 in Barcelona und dort behandelte Inhalte

Vom 3. Juli 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/2047
18. Wahlperiode 03.07.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,
Annette Groth, Inge Höger, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau
und der Fraktion DIE LINKE.

Treffen der informellen Struktur der sogenannten Gruppe der Sechs+1 in
Barcelona und dort behandelte Inhalte

Am 26. und 27. Juni 2014 trafen sich die Innenminister der sechs einwohner-
stärksten Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Barcelona. Zur heutigen
„Gruppe der Sechs“ gehören seit ihrer Gründung im Jahr 2003 die Regierungen
Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens an. Mit dem
Beitritt zur Europäischen Union (EU) wurde auch Polen im Jahr 2006 Mitglied
des informellen Zirkels. Auf Initiative des damaligen deutschen Bundesminis-
ters des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, nimmt seit dem Jahr 2007 auch das US-
Ministerium für „Heimatschutz“ sowie die US-Generalbundesanwaltschaft an
den Treffen teil. Die Zusammenkunft firmiert seitdem als „G6+1“. Auch die EU-
Innenkommissarin Cecilia Malmström, die EU-Kommissarin für die Digitale
Agenda und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, so-
wie die Justizkommissarin Viviane Reding sind gewöhnlich zugegen. Bei dem
in Rede stehenden Treffen in Barcelona war auch ein hoher Vertreter der Euro-
päischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der
Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) anwesend.
Zu den Aufgaben der jeweils ausrichtenden Regierung gehört die Gestaltung der
Tagesordnung. In diesem Falle war also Spanien hierfür verantwortlich. Die
Gruppe ist auch mit geheimdienstlichen Aktivitäten und der Telekommunika-
tionsüberwachung befasst. Dies hatte das Bundesministerium des Innern bestä-
tigt (Bundestagsdrucksache 17/9904).
Inhaltliche Schwerpunkte waren laut einer Mitteilung des spanischen Innen-
ministeriums (25. Juni 2014) diverse „Bedrohungen“; in der Überschrift werden
vor allem „Maßnahmen zur Verhinderung irregulärer Migration“ in den Mittel-
punkt gestellt. Weitere Themen seien der „jihadistische Terrorismus“ und die
„organisierte Kriminalität“. Am Rande der Konferenz habe es diverse „bila-
terale Treffen“ des spanischen Innenministers mit seinen italienischen und
britischen Amtskolleginnen und Amtskollegen sowie dem US-Generalstaatsan-
walt und dem US-Staatssekretär James M. Cole und Alejandro Mayorkas gege-
ben. Alejandro Mayorkas macht zu den Inhalten des Treffens der „G6+1“ mehr
Angaben als die Innenministerien der beteiligten EU-Staaten: Demnach sei es
um „Flugsicherheit“ und „Drogenhandel“ gegangen (Readout, 26. Juni 2014).
Laut Alejandro Mayorkas hat es auch ein „bilaterales Treffen“ mit dem deut-
schen Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière gegeben.
Vor dem Treffen der „G6+1“ waren Alejandro Mayorkas und der US-General-
bundesanwalt Eric Holder bereits zum „EU-USA Ministertreffen über Justiz und

Drucksache 18/2047 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Inneres“ nach Athen gereist. Außer „Datenschutzgarantien der US-Regierung“
standen laut einer Mitteilung des US-Justizministeriums (25. Juni 2014) auch
„Cybercrime“ und der „strafrechtliche Informationsaustausch“ auf der Agenda.
Unter anderem sei es um das Phänomen der „ausländischen Kämpfer“ und ent-
sprechende Kooperationen der Geheimdienste und Polizeien gegangen. Auch
die eigentlich totgesagte EU-Passagierdatensammlung (www.heise.de, 4. Juni
2014) wurde besprochen. Laut US-Staatssekretär Alejandro Mayorkas müssten
gegen „ausländischen Terroristen“ jedes verfügbare strafrechtliche und adminis-
trative Mittel eingesetzt werden. Insbesondere auf dem Gebiet der Cybersicher-
heit wünscht sich der Heimatschützer mehr Zusammenarbeit, damit unliebsame
Vorfälle im Cyberspace möglichst früh erkannt würden. Über die Agenda des
Treffens in Athen drang vor- und nachher nichts nach außen. Das einzige Doku-
ment, aus dem einige Inhalte hervorgehen, ist eine Videoaufzeichnung der ab-
schließenden Pressekonferenz (www.youtube.com/watch?v=ooYx7mC-Dhg).
Demnach war die NSA-Affäre für das „EU-USA Ministertreffen“ kein Thema
mehr. Nur die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hatte eine entspre-
chende Anmerkung gemacht, indem sie ihr Referat mit einem Hinweis auf die
gestörten Beziehungen nach den Snowden-Enthüllungen einleitete. Cecilia
Malmström traf sich zuvor mit dem US-Staatsekretär. Laut dessen „Readout“ sei
dabei die „untrennbare Verknüpfung der Sicherheit der USA mit jener unserer
internationalen Partner” thematisiert worden. Mit Cecilia Malmström sprach
Alejandro Mayorkas demnach auch über die Sicherheit kritischer Infrastruktu-
ren, Transport und Handel.
Die Treffen der „G6+1“ sind intransparent und deshalb undemokratisch. In ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. hatte die Bundes-
regierung ihren informellen Charakter sogar hervorgehoben (Bundestagsdruck-
sache 17/9904): Demgemäß gehe es den Beteiligten darum, sich über „Problem-
lagen in ihren Ländern“ auszutauschen. Die Bundesregierung bestätigt, „eine
Vertiefung der erörterten Themen“ erfolge „in zahlreichen bi- und multilateralen
Foren formeller und informeller Art“. Die Fragesteller bleiben daher bei ihrer
Auffassung zum Demokratiedefizit des Treffens, da über den konkreten Inhalt,
also die Gespräche im Verborgenen, nichts berichtet wird. Der „informelle Ge-
dankenaustausch“ dient der Anbahnung oder Umsetzung konkreter gemein-
samer Initiativen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wo hat das Treffen der „G6+1“ in Barcelona stattgefunden?
2. Welche Stellen der Bundesregierung waren konkret in die Vorbereitung,

Durchführung oder Nachbereitung des Treffens eingebunden (bitte auch die
Abteilungen und die benötigte Personalstärke angeben)?

3. Welche weiteren Treffen am Rande der „G6+1“ haben nach Kenntnis der
Bundesregierung in zeitlicher Nähe stattgefunden, sofern diese im organisa-
torischen und/oder inhaltlichen Bezug zum Treffen in Barcelona standen?

4. Welche Angehörigen anderer Regierungen, EU-Agenturen, sonstiger Insti-
tutionen oder „Wissenschaftler und Experten“ nahmen nach Kenntnis der
Bundesregierung mit welchem Personal an dem Treffen teil, und um welche
konkreten Personen handelte es sich dabei (bitte auch deren Zugehörigkeit zu
Behörden bzw. anderen Einrichtungen angeben)?
a) Zu welchen Themen waren diese anderen Teilnehmenden eingeladen, und

welche Beiträge steuerten diese bei?
b) Welche deutschen Behörden oder sonstigen Stellen nahmen mit welchen

Kräften teil, und welchen Abteilungen bzw. Referaten gehören diese an?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2047
5. Welche Tagesordnung hatte das Treffen (bitte nicht nur Titel und Untertitel
nennen, sondern die Themen jeweils in groben Zügen skizzieren)?

6. Nach welchem Verfahren sowie nach welchen Kriterien hat der Vorsitz nach
Kenntnis der Bundesregierung festgelegt, an welchen Tagesordnungspunk-
ten oder Arbeitsgruppen die Europäische Kommission sowie die teilneh-
menden US-Behörden anwesend sein dürfen?

7. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis, nach welchen Kriterien die
Teilnahme der Europäischen Kommission sowie die Behörden der USA sei-
tens des Vorsitzes zu einzelnen Themen als hilfreich eingeschätzt wurde
und sie deshalb hinzugezogen wurden?

8. An welchen Tagesordnungspunkten oder Arbeitsgruppen haben die USA
sowie die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung
schließlich mit welchem Personal teilgenommen?

9. Welche eigenen Beiträge haben diese nach Kenntnis der Bundesregierung
hierzu verteilt oder gehalten (bitte nicht nur Titel und Untertitel nennen,
sondern in groben Zügen skizzieren)?

10. Sofern es sich auch um „Sicherheitsthemen mit transatlantischem Bezug“
handelte, was ist damit konkret gemeint (bitte nicht nur Titel und Untertitel
nennen, sondern in groben Zügen skizzieren)?

11. Wie und mit welchem Inhalt hat die Bundesregierung zuvor von der Gele-
genheit Gebrauch gemacht, sich „zur Themensetzung“ und zur Teilnahme
der USA zu äußern?

12. Wie und mit welchem Inhalt haben die übrigen teilnehmenden Regierungen
nach Kenntnis der Bundesregierung zuvor von der Gelegenheit Gebrauch
gemacht, sich „zur Themensetzung“ zu äußern?
a) Inwiefern haben die Reaktionen der beiden Regierungen tatsächlich zu

einer veränderten Tagesordnung bzw. einer anderen Behandlung der
Themen geführt?

b) Inwiefern und mit welchem Inhalt sind diese Themen dann tatsächlich
behandelt worden?

13. Wie wurden die übrigen 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach
Kenntnis der Bundesregierung im Vorfeld des Treffens über die dort behan-
delten Themen unterrichtet?
Inwiefern haben diese davon Gebrauch gemacht, „Anregungen in Bezug auf
dort behandelte Themen“ mitzuteilen (Bundestagsdrucksache 17/9904)?

14. Welche anfangs nicht auf der Tagesordnung befindlichen, weiteren Inhalte
wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem Treffen in Barcelona
diskutiert (bitte nicht nur Titel und Untertitel nennen, sondern in groben Zü-
gen skizzieren)?

15. Welche Dokumente oder „zur Strukturierung und Eingrenzung der Diskus-
sion“ oder „vorab mit Fragen versehene Gesprächsunterlagen“ wurden
nach Kenntnis der Bundesregierung verteilt (bitte nicht nur Titel und Unter-
titel nennen, sondern den Inhalt soweit bekannt in groben Zügen skizzie-
ren)?

16. Inwieweit wurden auch polizeiliche oder geheimdienstliche Aktivitäten der
Telekommunikationsüberwachung adressiert, und welche Maßnahmen
wurden vorgestellt und/oder besprochen?

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17. Inwieweit wurde das Thema „Migration“ adressiert, und welche Maßnah-
men wurden vorgestellt und/oder besprochen?
Auf welche Weise hat sich die FRONTEX hierzu geäußert, und welche Ver-
abredungen für weitere Maßnahmen oder Zusammenarbeitsformen wurden
getroffen?

18. Inwieweit wurde das Thema „jihadistischer Terrorismus“ adressiert, und
welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen?

19. Inwieweit wurden die Themen „Flugsicherheit“ und „Drogenhandel“ adres-
siert, und welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen?

20. Zu welchen Themen hat es nach Kenntnis der Bundesregierung „bilaterale
Treffen“ des spanischen Innenministers mit seinen italienischen und briti-
schen Amtskolleginnen und Amtskollegen sowie dem US-Generalstaats-
anwalt und dem US-Staatssekretär James M. Cole und Alejandro Mayorkas
gegeben?

21. Welche wesentlichen Ergebnisse des „G6+1“-Treffens in Barcelona kann
die Bundesregierung mitteilen?

22. Sofern die Bundesregierung zu den Ergebnissen nur auf Statements anderer
Teilnehmender verweist (Bundestagsdrucksache 17/11949), inwiefern wird
die dort vorgetragene Haltung geteilt?

23. In welchen Punkten herrschte nach Einschätzung der Bundesregierung
beim „Gedankenaustausch“ der „G6+1“-Treffen keine Einigkeit, bzw. zu
welchen behandelten Themen können keine konkreten Ergebnisse mitge-
teilt werden?

24. Welche Positionen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von den
Teilnehmenden dazu vertreten?

25. Welchen Inhalt hatte ein „bilaterales Treffen“ des US-Heimatschützers
Alejandro Mayorkas mit dem deutschen Bundesinnenminister Dr. Thomas
de Maizière?
a) Welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen?
b) Welche Verabredungen wurden getroffen?

26. Inwiefern und mit welchem Inhalt wurde nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in Barcelona der „Austausch mit den amerikanischen Kollegen über
die Überwachungsprogramme der National Security Agency (NSA) fortge-
führt“?
a) In welcher Form wurden an wen hierzu Vorschläge oder Forderungen

gerichtet?
b) Inwiefern hat der deutsche Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière

die Auffassung seines Vorgängers (so oder ähnlich) wiederholt, Späh-
Programme der NSA dienten einem „edlen Zweck“ oder seien für die
Kooperation aus anderen Gründen unentbehrlich, und wie reagierten die
übrigen Teilnehmenden (Bundestagsdrucksache 17/14833)?

27. Welche Themen wurden unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ (oder
ähnlich) thematisiert, und wer nahm daran teil?

28. Wie, wann, und von wem wurden die übrigen 21 Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union nach Kenntnis der Bundesregierung über die Ergebnisse
des G6-Treffens in Barcelona bzw. des dort vorgenommenen „informellen
Gedankenaustauschs“ in Kenntnis gesetzt, und wie reagierten diese nach
Kenntnis der Bundesregierung im Einzelnen darauf?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2047
29. Welche weiteren Punkte außer „Datenschutzgarantien der US-Regierung“
standen nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Agenda des „EU-USA
Ministertreffens über Justiz und Inneres“ in Athen?

30. Inwieweit und mit welchem Inhalt standen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung die Themen „Cybercrime“, „Urheberrechtsverletzungen“, „strafrecht-
licher Informationsaustausch“, „ausländische Terroristen“, „ausländische
Kämpfer“, EU-PNR oder ein „Ein-/Ausreisesystem“ auf der Agenda?
Welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen, und welche
Verabredungen wurden getroffen?

31. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern, und mit welchem
Inhalt in Athen auch über die Sicherheit kritischer Infrastrukturen, Trans-
port und Handel gesprochen worden ist?
Welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen, und welche
Verabredungen wurden getroffen?

32. Inwiefern sind nach Einschätzung der Bundesregierung durch das Transat-
lantische Freihandelsabkommen (TTIP) und das internationale Abkommen
zum Handel mit Dienstleistungen (TISA) die Bereiche Justiz und Inneres,
insbesondere in den Bereichen „Urheberrechtsverletzungen“, Polizei und
Strafverfolgung, erfasst?
a) Auf welche Weise, und mit welchem Ziel (bitte für die einzelnen Maß-

nahmen darstellen) nehmen welche Behörden der Bundesregierung
hierzu an internationalen Verhandlungen teil?

b) Inwiefern und mit welchem Inhalt sind internationale „Freihandelsab-
kommen“ nach Kenntnis der Bundesregierung auch in Athen themati-
siert worden, welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder bespro-
chen, und welche Verabredungen wurden getroffen?

33. Was ist der Bundesregierung über Inhalte und Verabredungen eines
Treffens der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström mit Alejandro
Mayorkas am Rande des „EU-USA Ministertreffens über Justiz und Inne-
res” in Athen bekannt?
a) Inwiefern und mit welchem Inhalt wurde dort die „untrennbare Verknüp-

fung der Sicherheit der USA mit jener unserer internationalen Partner”
thematisiert?

b) Welche Maßnahmen wurden vorgestellt und/oder besprochen, und wel-
che Verabredungen wurden getroffen

Berlin, den 3. Juli 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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