BT-Drucksache 18/1908

Vermeintliches Störpotenzial von Windenergieanlagen für Radaranlagen

Vom 25. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1908
18. Wahlperiode 25.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Agnieszka Brugger,
Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen),
Stephan Kühn (Dresden), Steffi Lemke, Peter Meiwald und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vermeintliches Störpotenzial von Windenergieanlagen für Radaranlagen

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien
am deutschen Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2050 auf 80 Prozent zu
erhöhen. Einen Großteil des Stroms wird in Zukunft die Windenergie bereit-
stellen. Die Bundesregierung sieht in ihrem aktuellen Gesetzentwurf zur grund-
legenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer
Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts (Bundestagsdrucksache 18/1304)
einen jährlichen Zubau von 2 500 MW installierter Leistung Windenergie vor.
Die Neuerrichtung oder das Repowering von Windenergieanlagen wird jedoch
seit Jahren durch Einwendungen und Rechtsbehelfe der Bundeswehr verhindert.
Die Windenergieanlagen würden nach dieser Auffassung u. a. die Funktions-
tüchtigkeit von Radaranlagen stören. Betroffen seien sowohl Radaranlagen der
militärischen Flugsicherung als auch solche der Landesverteidigung. Nach
Branchenangaben sind derzeit rund 4 Gigawatt Windleistung von den Radaran-
lagen betroffen, wodurch Investitionen in Milliardenhöhe verhindert werden
(www.wind-energie.de, Pressemitteilung vom 6. Juni 2014 „Konflikt zwischen
Radar und Windenergie lösbar – Investitionen in Milliardenhöhe möglich“).
Auch Einsprüche des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) bzw. der
Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) verhindern zunehmend Windenergie-
projekte in ganz Deutschland. Die Bundesregierung hat seit November 2011
(Bundestagsdrucksache 17/7579) zu dem Thema jedoch nicht mehr Stellung ge-
nommen.

Wir fragen die Bundesregierung:
Allgemeine Fragen
1. In welchem Umkreis von Radaranlagen der Deutschen Flugsicherung GmbH

und/oder der Bundeswehr stellen Windenergieanlagen ein Störpotenzial dar,
und aus welchen Gründen?

2. Liegen der Bundesregierung neue wissenschaftliche Untersuchungen zu den
Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Radarsysteme der Bundes-
wehr und/oder der Deutschen Flugsicherung GmbH seit dem Jahr 2011 vor,
und wenn ja, zu welchen Ergebnissen sind diese gekommen?

Drucksache 18/1908 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Plant die Bundesregierung, die Luftraumstruktur dahingehend zu ändern,
dass Luftfahrzeuge nur noch nach Funkkontaktaufnahme mit der zuständi-
gen Flugverkehrskontrolle und Schalten eines Transponders in den Nah-
bereich bzw. Zuständigkeitsbereich eines Militärflugplatzes einfliegen dür-
fen?
Wenn nein, warum nicht?

4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Anzahl der im Luftraum
der Bundesrepublik Deutschland verkehrenden Luftfahrzeuge ohne Trans-
pondertechnik vor (falls ja, bitte eine Differenzierung nach militärischen,
zivilen Verkehrsflugzeugen und Sonstigen, insbesondere Sportflugzeugen,
vornehmen)?

5. Wie steht die Bundesregierung zu einer Einführung der Transponderein-
schaltpflicht in der Umgebung von Windenergieanlagen?

Fragen zur Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS)
6. Bei wie vielen Windenergieprojekten wurden nach Informationen der

Bundesregierung durch das BAF bzw. die DFS bislang Widerspruch ein-
gelegt (bitte um Nennung der einzelnen Projekte, der Anzahl der Anlagen
und der installierten Leistung in Megawatt), und wie viele dieser Projekte
sind hiervon bis heute blockiert (bitte um Nennung der einzelnen Projekte,
der Anzahl der Anlagen und der installierten Leistung in Megawatt)?

7. Bei wie vielen der vom BAF bzw. von der DFS zunächst gestoppten Pro-
jekte wurden Modifikationen bei den Windenergieanlagen (z. B. geringere
Höhen, Verschiebung der Anlagenstandorte) vorgenommen, damit diese
Projekte realisiert werden konnten, und um welche konkreten Projekte
handelte es sich dabei?

8. Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung
aus dem am 4. Juni 2014 veröffentlichten Gutachten „Flugsicherheits-
analyse der Wechselwirkungen von Windenergieanlagen und Funk-
navigationshilfen DVOR/VOR der Deutschen Flugsicherung GmbH“
(siehe www.schleswig-holstein.de/MELUR/DE/Service/Presse/PI/PDF/2014/
Gutachten_Windenergie__blob=publicationFile.pdf), und stimmt die Bun-
desregierung mit der Aussage des Gutachtens überein, dass außerhalb eines
Schutzradius von drei Kilometern keine Störwirkung von Windenergie-
anlagen auf das UKW-Drehfunkfeuer ausgeht?
Wenn nein, warum nicht?

9. Betrachtet die Bundesregierung die aktuell von der DFS verwendeten Simu-
lations- und Berechnungsmethoden für die Bestimmung von etwaigen
Winkelfehlern als wissenschaftlich hinreichend validiert, und wenn nein,
wird die Bundesregierung die DFS anweisen, die von ihr verwendeten
Simulations- und Berechnungsmethoden zu überarbeiten?

10. Welche Projekte, die zunächst vom BAF bzw. von der DFS abgelehnt wur-
den, wurden dann doch realisiert, und mit welcher Begründung (bitte um
Nennung der einzelnen Projekte, der Anzahl der Anlagen und der installier-
ten Leistung in Megawatt)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1908
Fragen zu den Radaranlagen der Bundeswehr
11. Bei wie vielen Windenergieprojekten wurden nach Informationen der

Bundesregierung durch die Bundeswehr bislang Widerspruch eingelegt
(bitte um Nennung der einzelnen Projekte, der Anzahl der Anlagen und der
installierten Leistung in Megawatt), und wie viele dieser Projekte sind hier-
von bis heute blockiert (bitte um Nennung der einzelnen Projekte, der An-
zahl der Anlagen und der installierten Leistung in Megawatt)?

12. Bei wie vielen der von der Bundeswehr zunächst gestoppten Projekte wur-
den Modifikationen bei den Windenergieanlagen (z. B. geringere Höhen,
Verschiebung der Anlagenstandorte) vorgenommen, damit diese Projekte
realisiert werden konnten, und um welche konkreten Projekte handelte es
sich dabei?

13. Welche Projekte, die zunächst von der Bundeswehr abgelehnt wurden,
wurden dann doch realisiert, und mit welcher Begründung (bitte um Nen-
nung der einzelnen Projekte, der Anzahl der Anlagen und der installierten
Leistung in Megawatt)?

14. Wie weit ist nach Informationen der Bundesregierung der Austausch der
Radargeräte vom Typ ASR-910 durch neue digitale Radartechnik vom Typ
ASR-S fortgeschritten, und auf welchen Flugplätzen der Bundeswehr findet
bereits Radartechnik vom Typ ASR-S Anwendung?

15. Wie ist nach Informationen der Bundesregierung der aktuelle Stand der Um-
rüstung am Fliegerhorst Nörvenich, und welche Maßnahmen ergreift die
Bundesregierung, damit in der Umgebung des Fliegerhorstes Nörvenich
bisher von der Bundeswehrverwaltung abgelehnte Windenergieprojekte
(z. B. Repowering einer 250-kW-Windenergieanlage durch eine 2,3-kW-
Windenergieanlage in Hürtgenwald, Gemarkung Vossenack, Flur 14, Flur-
stück 66, Ord-Nr.: West1_D_004_14_a) doch noch realisiert werden kön-
nen?

16. Wird der geplante Zeitrahmen dieses Austauschprozesses der Radargeräte
vom Typ ASR-910 bis zum Jahr 2015 (siehe Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage zu Frage 24 auf Bundestagsdrucksache 17/1357)
nach Informationen der Bundesregierung eingehalten, und wenn nein, wa-
rum nicht?

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundeswehr nach Informationen der Bundes-
regierung aus dem praktischen Einsatz der Radartechnik vom Typ ASR-S
bezüglich des Störpotenzials von Windenergieanlagen gewinnen können,
und stören Windenergieanlagen nach Informationen der Bundesregierung
Radaranlagen vom Typ ASR-S weniger als alte Radaranlagen vom Typ
ASR-910?

18. Wurde seit dem 2. November 2011 erneut ein entgegenstehender öffent-
licher Belang durch die Bundeswehr gegen den Bau von Windenergie-
projekten geltend gemacht, obwohl sich die geplante Windenergieanlagen
außerhalb des im Allgemeinen Umdruck Nr. 51 für den Anlagentyp ASR-
910 – Siemens 1990 vorgesehenen Interessenbereichs von 18 Kilometern
(Flugsicherungsradar) bzw. 35 Kilometern (Landesverteidigungsradar) be-
fand (bitte die Projekte einzeln auflisten), und wenn ja, warum?

19. Wurde der Allgemeine Umdruck Nr. 51 für den Anlagentyp ASR-910 er-
neut geändert, wie von der Bundesregierung angekündigt (siehe Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Frage 23 auf Bundestags-
drucksache 17/7579), und wenn ja, welche Änderungen wurden vorgenom-
men?

Drucksache 18/1908 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
20. Wurden die Änderungen der Allgemeinen Vorschrift zur Kennzeichnung
von Luftfahrthindernissen, welche die Befeuerung von Windenergieanlagen
regelt, wie im Energiekonzept 2010 der Bundesregierung angekündigt,
inzwischen umgesetzt, und wenn nein, warum nicht?

21. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung von Pilotprojekten zu Primärradar
basierten Befeuerungssystemen, die von der Bundesregierung für das Jahr
2012 angekündigt wurden (siehe Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage zu Frage 27 auf Bundestagsdrucksache 17/7579), und
welche konkreten Erkenntnisse konnten bisher aus diesen Pilotprojekten
gewonnen werden?

22. Existieren bei der Bundesregierung nach wie vor grundsätzliche Vorbehalte
gegenüber Transponderlösungen zur Befeuerung von Windenergieanlagen,
und wenn ja, warum?

23. Bei wie vielen Windenergieanlagen in Deutschland wird nach Informatio-
nen der Bundesregierung inzwischen die Beleuchtung vom Typ „Feuer W,
rot“ eingesetzt, und welche alternativen Konzepte zur Verringerung der
Lichtemissionen von Windenergieanlagen verfolgt die Bundesregierung
darüber hinaus?

24. Hat inzwischen die Expertengruppe „Bundeswehr und Windenergieanlagen“
mit den in der Bundeswehr vorliegenden Kenntnissen über die Standorte
von Windenergieanlagen eine Bestandsübersicht erstellt, und wenn nein,
warum nicht?

25. Welche Rechtsprechung ist nach Kenntnis der Bundesregierung bisher zu
dem Thema Windenergieanlagen und Radar ergangen (bitte einzeln nennen)?

Berlin, den 23. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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