BT-Drucksache 18/1905

Nationale Umsetzung der Minamata-Konvention zu Quecksilber

Vom 25. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1905
18. Wahlperiode 25.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nationale Umsetzung der Minamata-Konvention zu Quecksilber

Von Quecksilber-Emissionen gehen erhebliche Umwelt- und Gesundheitsge-
fahren aus. Bei Erwachsenen führen Quecksilbervergiftungen zu irreparablen
Schädigungen der inneren Organe, wie etwa der Leber und der Nieren sowie des
Nervensystems. Hochgradig gefährdet sind Föten, Säuglinge und Kleinkinder,
da eine Quecksilbervergiftung in der frühkindlichen Entwicklungsphase zu
Missbildungen, geistiger Behinderung, Krampfanfällen, Seh- und Hörverlust,
verzögerter Entwicklung, Sprachstörungen und Gedächtnisverlust führt.
Da Quecksilber (Hg) weder biologisch noch chemisch abbaubar ist, reichert es
sich in der Nahrungskette an. Gerade organische Quecksilberverbindungen sind
hochtoxisch und können zu einer chronischen Quecksilbervergiftung, auch
bekannt als Minamata-Krankheit, führen. Chronische Vergiftungen entstehen
unter anderem über die Aufnahme von Quecksilber am Arbeitsplatz (etwa durch
das Einatmen von Quecksilberdämpfen im Gesundheitswesen oder Laboren,
www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/chemie/20070300_chemie_
quecksilberstudie.pdf), Unfälle oder schlecht verarbeitetes Zahnmetall (Amal-
gam).
Eine Ursache für chronische Quecksilbervergiftungen ist die Aufnahme von
Quecksilber über die Nahrungskette. Gerade in der marinen Nahrungskette rei-
chern sich organische Quecksilberverbindungen in Lebewesen an. So belegen
Studien den Anstieg des Anteils von Monomethylquecksilber (MeHg) in der
marinen Nahrungskette bis zu fast 100 Prozent auf der Ebene der Fische und
marinen Säugetiere. Folglich weisen gerade Menschen mit hohem Fischverzehr
sehr hohe MeHg-Werte im Körper auf (www.chemie.uni-hamburg.de/bibliothek/
2007/DissertationBunke.pdf).
Neben Gefahren für die Gesundheit kommen noch die negativen Auswirkungen
auf die Volkswirtschaft hinzu. So beziffert Leonardo Trasande in seinem Artikel
„Public Health and Economic Consequences of Methyl Mercury Toxicity to the
Developing Brain“ in dem Journal Environmental Health Perspectives die
volkswirtschaftlichen Kosten aufgrund der jährlichen MeHg-Belastung auf
8,7 Mrd. US-Dollar. Von diesen Kosten entfallen allein 1,3 Mrd. US-Dollar auf
die US-amerikanischen Kohlekraftwerke (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/
PMC1257552/pdf/ehp0113-000590.pdf). In den USA wurden im Jahr 2012
neue, sehr ambitionierte Grenzwerte festgelegt, und so die Emission von Queck-
silber massiv reduziert.

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Hauptemissionsquelle in Deutschland, mit einem Anteil von rund 70 Prozent an
den Gesamtemissionen im Zeitraum 2010 bis 2012, sind der Energiesektor und
hier im Besonderen die Braun- und Steinkohlekraftwerke. So waren im Jahr
2011 allein die Jahresemissionen aus den neun Braunkohlegroßkraftwerken für
mehr als 60 Prozent der Quecksilberemissionen im Energiesektor und sogar für
rund 40 Prozent der Gesamtemissionen von Quecksilber in Deutschland ver-
antwortlich (www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/
themen_az/energie/PDF/BZL_Studie_QuecksilberemissionenAus
KohlekraftwerkenInDeutschland_final.pdf). Grenzwerte für die Begrenzung von
Emissionen in Luft, Wasser und Boden sind im Gesetz zum Schutz vor schädli-
chen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütte-
rungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) und den dazugehörigen Verordnun-
gen geregelt. So sind die Grenzwerte unter anderem auch für Quecksilberemis-
sionen aus Kohlekraftwerken in der 13. Bundesimmissionsschutzverordnung
(BImSchV) festgelegt (www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bimschv_13_
2013/gesamt.pdf).
Die Studie „Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken in Deutschland –
Stand der Technik der Emissionsminderung“ von Dr. Barbara Zeschmar-Lahl
hat aufgezeigt, dass in den USA viel höhere Anforderungen an die Grenzwerte
für Quecksilberemissionen gestellt werden. In Deutschland hat im Jahr 2012 nur
ein Kohlekraftwerk die US-amerikanischen Grenzwerte eingehalten. Würden
diese Grenzwerte in Deutschland eingeführt, müssten ca. 50 Kohlekraftwerke
sofort vom Netz gehen, wenn die Abgasreinigung nicht angepasst oder auf
quecksilberarme Kohle umgestellt werden würde (www.gruene-bundestag.de/
fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/energie/PDF/BZL_Studie_
QuecksilberemissionenAusKohlekraftwerkenInDeutschland_final.pdf).
Aufgrund der nicht unerheblichen Auswirkungen von Quecksilber auf die Ge-
sundheit haben 97 Staaten am 10. Oktober 2013 die Minamata-Konvention zu
Quecksilber unterschrieben (www.mercuryconvention.org/Convention/tabid/
3426/Default.aspx). In der Konvention verpflichten sich die Unterzeichner-
staaten zur Reduktion von Quecksilberemissionen aus Produkten, die Queck-
silberanteile haben, Herstellungsprozessen, in denen Quecksilber oder Queck-
silberprodukte benutzt werden, handwerklichem oder kleingewerblichem Gold-
abbau sowie Kohlekraftwerken, Kohleindustriekesseln, der Produktion von
Nichteisenmetallen, Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken (www.
mercuryconvention.org/Portals/11/documents/publications/Minamata
ConventiontextEn.pdf). Die Konvention muss noch von den Unterzeichner-
staaten in nationales Recht überführt werden. Als erster Unterzeichnerstaat
haben die USA bereits am 6. November 2013, knapp einen Monat nach der
Unterzeichnung der Konvention, die Minamata-Konvention ratifiziert (www.
mercuryconvention.org/Convention/tabid/3428/Default.aspx).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf

bei der Umsetzung von Artikel 3 der Minamata-Konvention zu Quecksilber-
versorgungsquellen und zum Quecksilberhandel?

2. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf
bei der Umsetzung von Artikel 4 der Minamata-Konvention zu quecksilber-
haltigen Produkten?

3. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf
bei der Umsetzung von Artikel 5 der Minamata-Konvention zu Produktions-
prozessen, in denen Quecksilber oder Quecksilberkomponenten verwendet
werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1905
4. Inwieweit plant die Bundesregierung Ausnahmen gemäß Artikel 6 der
Minamata-Konvention zuzulassen?
Wenn ja, inwieweit sind diese umweltpolitisch gerechtfertigt?

5. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei der Umsetzung
von Artikel 7 der Minamata-Konvention zu handwerklichen und kleinge-
werblichen Goldabbau?

6. Inwieweit sieht die Bundesregierung umweltpolitischen Handlungsbedarf
bei der Umsetzung von Artikel 8 der Minamata-Konvention zu Quecksil-
beremissionen aus Kohlekraftwerken, Kohleindustriekesseln, Produktion
von Nichteisenmetallen, Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken
(bitte nach Quelle und Emissionsmenge aufschlüsseln)?

7. Wie viele der Chlor-Alkali-Fabriken in Deutschland nutzen nach Kenntnis
der Bundesregierung noch die Quecksilberzellentechnologie, und wie hoch
sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Quecksilberemissionen aus
diesen Fabriken in Luft und Wasser?

Umsetzung der Minamata-Konvention
8. Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag eine Vorlage zur Ra-

tifizierung der Minamata-Konvention vorlegen, und wenn ja, wie weit sind
die Vorarbeiten hierzu fortgeschritten?

9. Wann wird die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan, mit wel-
chen Minderungszielen und welchem Zeitrahmen, zur Umsetzung der
Minamata-Konvention vorlegen?

10. Wird sich die Bundesregierung für höhere Grenzwerte für Quecksilber-
emissionen aus Kohlekraftwerken einsetzen, und wenn nein, warum nicht?

11. Inwieweit bevorzugt die Bundesregierung eine Regelung auf der Ebene der
Europäischen Union (EU)?

12. Inwieweit sieht die Bundesregierung es als hinderlich an, dass die Mitglied-
staaten der Europäischen Union Polen und Portugal die Minamata-Konven-
tion nicht unterzeichnet haben, und wie will die Bundesregierung eine ein-
heitliche Regelung in der EU erreichen?

13. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer einheitlichen Regelung in der
EU, und welche konkreten Schritte unternimmt sie auf EU-Ebene, um dies
zu erreichen?

14. Plant die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass auch andere Länder
die Minamata-Konvention bald ratifizieren?

15. Erwägt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass eine völkerrecht-
liche Verbindlichkeit des Abkommens nach Einschätzung der Fragesteller
voraussichtlich erst in ein paar Jahren zu erwarten ist, schon vor dem völ-
kerrechtlichen Inkrafttreten der Minamata-Konvention bzw. unabhängig
davon, strengere Quecksilbergrenzwerte einzuführen?
a) Wenn ja, wann?
b) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 23. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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