BT-Drucksache 18/190

Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Active Endeavour

Vom 16. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/190
18. Wahlperiode 16.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Omid Nouripour, Dr. Frithjof Schmidt, Agnieszka
Brugger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Active Endeavour

Infolge der Anschläge vom 11. September 2001 rief der Rat der Organisation des
Nordatlantikvertrages (NATO) am 12. September 2001 sowie am 4. Oktober
2001 nach Artikel 5 des Washingtoner Vertrages den Bündnisfall aus, wonach
ein bewaffneter Angriff auf einen der Vertragsstaaten als ein Angriff auf alle
Vertragsstaaten angesehen wird und zu kollektiven Verteidigungshandlungen im
Sinne von Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (VN) führen kann.
Am 26. Oktober 2001 begann die NATO auf dieser Grundlage mit der Überwa-
chungs- und Präsenzoperation Active Endeavour (OAE) im Mittelmeerraum.
Der Deutsche Bundestag beschloss in seiner Sitzung am 16. November 2001
erstmalig die Beteiligung der Bundeswehr an diesem NATO-geführten Einsatz.
Seitdem wurde der Deutsche Bundestag jedes Jahr mit der Verlängerung der
Bundeswehrbeteiligung an OAE befasst.
Zuletzt stimmte der Deutsche Bundestag am 13. Dezember 2012 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Verlängerung der
Bundeswehrbeteiligung an OAE bis zum 31. Dezember 2013 zu. In der Sitzung
des Hauptausschusses des Deutschen Bundestages am 4. Dezember 2013 er-
klärte der Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidi-
gung Christian Schmidt, dass die Bundesregierung keine Verlängerung des
OAE-Mandats über diesen Zeitraum hinaus anstrebt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Werden auch über den 31. Dezember 2013 hinaus Bundeswehrsoldatinnen

und Bundeswehrsoldaten OAE unterstellt sein, oder wird die deutsche Betei-
ligung vollständig aufgegeben?
a) Wenn die deutsche Beteiligung vollständig aufgegeben wird,

aa) welche sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen haben sich seit
dem letzten Jahr verändert, dass die Bundesregierung eine deutsche
Beteiligung nun als nicht mehr notwendig hält,

bb) wird OAE von der NATO vollständig eingestellt oder wird nur auf die
deutsche Beteiligung verzichtet,

cc) und sofern nur die deutsche Beteiligung endet, auf wessen Initiative
hin endet die deutsche Beteiligung, wie wurde diese Entscheidung auf
NATO-Ebene gegenüber den Partnerstaaten kommuniziert, und wie
wurde die Entscheidung der Bundesregierung in dieser Sache von den
NATO-Partnerstaaten aufgenommen,

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dd) wurde eine etwaige deutsche Beteiligung innerhalb des Bündnisses
angefragt, und falls nein, wieso nach Ansicht der Bundesregierung
nicht,

ee) und sofern die NATO die OAE insgesamt beenden will, inwiefern
plant die NATO die Überführung der Operation in eine andere Struk-
tur?

b) Wenn die deutsche Beteiligung nicht vollständig aufgegeben wird,
aa) inwiefern handelte es sich bisher bei der Beteiligung der Bundeswehr

an OAE um einen bewaffneten Einsatz,
bb) inwiefern treffen Medienberichte (z. B. Süddeutsche Zeitung vom

18. November 2013) zu, nach denen die Bundesregierung eine Befas-
sung des Deutschen Bundestages bezüglich der Beteiligung der Bun-
deswehr an OAE nicht mehr für nötig hält, und wie begründet die
Bundesregierung diese Einschätzung,

cc) welche Veränderungen haben sich seit der letzten Mandatierung erge-
ben, und inwiefern trifft die Feststellung der Bundesregierung aus
dem letzten Mandat nicht mehr zu, in dem es heißt „Wenngleich der
Schwerpunkt der Operation in der Präsenz und Überwachung liegt,
sieht der Operationsplan nach wie vor die Anwendung militärischer
Gewalt zur Erfüllung des Auftrags vor, auch wenn die Anwendung
der entsprechenden Befugnisse in der Vergangenheit überwiegend
nicht zum Tragen gekommen ist. Die Mandatierung der deutschen
Beteiligung durch den Deutschen Bundestag bleibt aufgrund der exe-
kutiven Anteile des Auftrags weiterhin erforderlich.“,

dd) hält die Bundesregierung an ihrer im letzten Mandatstext präsentier-
ten Einschätzung fest, nach der die „Umbrüche in der arabischen
Welt“ zu einer „erhöhten Volatilität insbesondere unseres südlichen
Sicherheitsumfeldes“ geführt hätten, und in welchem Zusammen-
hang steht diese Einschätzung mit der Ausrufung des so genannten
NATO-Bündnisfalls infolge der Anschläge des 11. September 2001,

ee) welche grundlegenden Veränderungen im Operationsplan von OAE
wurden seit Bestehen der Operation vorgenommen (bitte gegebenen-
falls nach Datum und vorgenommenen Änderungen aufschlüsseln),

ff) unter welchen Bedingungen sieht der aktuell gültige Operationsplan
die Anwendung militärischer Gewalt zu welchen Zwecken vor,

gg) inwieweit beinhaltet der Operationsplan von OAE weiterhin exeku-
tive Anteile, wie sie im letzten Mandatstext von der Bundesregierung
bisher als Begründung für die Mandatspflichtigkeit aufgeführt wer-
den,

hh) und sollten die Medienberichte nicht zutreffen, wann plant die Bun-
desregierung, den Deutschen Bundestag um Zustimmung bei der Ver-
längerung der Bundeswehrbeteiligung an OAE zu bitten,

ii) wird die Bundesregierung bis dahin oder dauerhaft nationale Vorbe-
halte in Bezug auf die exekutiven Anteile von OAE bei der NATO
einlegen?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Aufrechterhaltung des NATO-Bünd-
nisfalles nach Artikel 5 des NATO-Vertrages im zwölften Jahr nach den An-
schlägen vom 11. September 2001?
a) Nach welchen Kriterien und zu welchem Zeitpunkt muss nach Ansicht der

Bundesregierung ein Bündnisfall für beendet erklärt werden?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/190
b) Inwieweit strebt die Bundesregierung einen formellen Beschluss des
NATO-Rats zur Beendigung des Bündnisfalls an, welche Initiativen hat
die Bundesregierung hierzu in der Vergangenheit unternommen, und aus
welchen Gründen wurde der Bündnisfall bisher noch nicht für beendet er-
klärt?

c) Inwiefern hat es zur Beendigung des Bündnisfalles im NATO-Rahmen
Gespräche gegeben?

d) Wenn ja, welche politische und welche rechtliche Position hat die Bundes-
regierung hierbei vertreten?

e) Wenn nein, dauert nach Ansicht der Bundesregierung der Angriff auf die
USA, der das kollektive Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 VN-
Charta legitimiert, noch an?

f) Wenn der Angriff auf die USA nach Ansicht der Bundesregierung noch
andauert, wie weitreichend ist dieses Selbstverteidigungsrecht, auf wel-
chen geografischen und zeitlichen Bereich erstreckt es sich, und wann ist
es erschöpft?

3. Welche Beiträge werden von deutschen Bundeswehrsoldatinnen und Bun-
deswehrsoldaten zu OAE geleistet, die nicht direkt OAE unterstehen, son-
dern Teil der ständigen Strukturen der NATO sind?
a) Welche Erkenntnisse der AWACS-Verbände fließen in OAE ein?
b) Kann ausgeschlossen werden, dass Aufklärungserkenntnisse der

AWACS-Verbände zur Umsetzung der exekutiven Anteile in OAE genutzt
werden?

c) Strebt die Bundesregierung für die deutschen Anteile in den AWACS-Ver-
bänden ein gesondertes Mandat an?

d) Wenn nein, wieso nicht?
4. In wie vielen Fällen kam es seit Bestehen der Operation zur Anwendung von

Gewalt, zur Androhung von Gewalt oder zu Situationen, in denen die An-
wendung von Gewalt unmittelbar bevorzustehen schien (bitte einzeln auf-
schlüsseln)?

5. Wie und anhand welcher Kriterien bewertet die Bundesregierung die bishe-
rige Wirksamkeit der OAE, insbesondere als Mittel zur Bekämpfung des in-
ternationalen Terrorismus?

6. Warum hat die Bundesregierung in der Vergangenheit dem Deutschen Bun-
destag im Vorfeld der Verlängerung des Bundeswehrmandats zu OAE keinen
Evaluations- oder Fortschrittsbericht vorgelegt, wie dies beispielsweise mit
Blick auf die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der Internationalen Si-
cherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan erfolgte?

7. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit die
Mandatsobergrenze des maximal einzusetzenden Personals der Bundeswehr
unverändert bei 700 Soldatinnen und Soldaten belassen, wenngleich diese
seit mehreren Jahren nur noch maximal zur Hälfte ausgeschöpft wurde?

8. Wie häufig waren in den vergangenen 36 Monaten keine Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr an OAE beteiligt?

9. Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einen Abschluss-
bericht zur Beteiligung der Bundeswehr an OAE vorlegen?

Berlin, den 16. Dezember 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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