BT-Drucksache 18/1685

Sanktionen gegen die Russische Föderation

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1685
18. Wahlperiode 04.06.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Dr. Alexander S. Neu,
Annette Groth, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Sanktionen gegen die Russische Föderation

Am 28. April 2014 gab die US-Regierung bekannt, weitere Sanktionen ge-
gen Einzelpersonen und Unternehmen in der Russischen Föderation veran-
lasst zu haben (www.washingtonpost.com/world/national-security/us-imposes-
new-sanctions-on-russia/2014/04/28/974c579e-ced6-11e3-b812-0c92213941f4_
story.html). Unter den von Sanktionen betroffenen Russen ist unter anderem
auch der Vizeministerpräsident der Regierung der Russischen Föderation,
Dmitri Kosak, zu finden (www.washingtonpost.com/blogs/worldviews/wp/
2014/04/28/u-s-announces-new-sanctions-on-russians-whos-on-the-list/). Auf
den einzelnen Sanktionslisten der EU-Staaten, der USA, Kanadas, Norwegens,
Liechtensteins und der Schweiz befinden sich insgesamt 103 Bürger Russlands,
der Ukraine, Finnlands und Armeniens.
Führende Vertreter der deutschen Wirtschaft haben sich bereits gegen Sanktio-
nen gegen die Russische Föderation ausgesprochen. So hat der BASF-Chef
Dr. Kurt Bock im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ angemahnt, dass
überlegt werden sollte, „wie man von Sanktionen wieder herunterkommt“
(www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-industrie-basf-chef-zweifelt-an-
sanktionen-gegen-russland-1.1936801). „Der Ost-Ausschuss ist nach wie vor
gegen Wirtschaftssanktionen und für eine diplomatische Lösung“ hat Prof. Dr.
Rainer Lindner, der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirt-
schaft, kommentiert (www.handelsblatt.com/politik/deutschland/schaerfere-
sanktionen-befuerchtet-ukraine-eskalation-alarmiert-deutsche-wirtschaft-seite-
all/9770034-all.html).
Führende Politiker aus EU- und NATO-Partnerländern haben sich auch
bereits gegen Sanktionen ausgesprochen. So hat der slowakische Premier-
minister Robert Fico am 30. April 2014 erklärt, dass die Slowakei nicht
an wirtschaftlichen Sanktionen gegen die Russische Föderation interessiert
ist (spectator.sme.sk/articles/view/53815/10/sanctions_against_russia_could_
potentially_harm_slovakia_says_fico.html). Auch der tschechische Minister-
präsident Bohuslav Sobotka verlautbarte, dass sein Land Sanktionen skeptisch
gegenüber steht (www.reuters.com/article/2014/04/24/us-ukraine-crisis-czech-
slovakia-idUSBREA3N18M20140424). Ähnliche Äußerungen kamen aus Bul-
garien, Zypern und Griechenland.
Auswirkungen auf die Bevölkerung Russlands können nach den bisher verab-
schiedeten Sanktionen seitens der EU, den USA und weiterer Verbündeter dieser
Staaten nicht ausgeschlossen werden. Der durch die Sanktionen aufgebaute
Druck fällt in eine Phase der Schwäche der russischen Wirtschaft. So hatte der
Rubel bereits lange vor dem Beginn der Ukrainekrise mit einer Schwächephase

Drucksache 18/1685 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
zu kämpfen. Bereits im Jahr 2013 hatte die russische Wirtschaft mit einem ver-
stärkten Kapitalabfluss zu kämpfen (de.ria.ru/business/20130722/266525008.html).
Vor den zuletzt auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen „hatten die Minister die
Rechtsgrundlage der EU-Sanktionen so geändert, dass auch Geschäftsbeziehun-
gen zu einzelnen Unternehmen verboten werden können“ (www.tagesschau.de/
ausland/eusanktionen104.html). Derzeit droht die Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel immer wieder mit der Einführung einer so genannten dritten Stufe der
Sanktionen gegen die Russische Föderation. Diese neue Welle der ökono-
mischen Kriegsführung gegen Russland sieht erweiterte Strafmaßnahmen gegen
gesamte Bereiche der russischen Wirtschaft vor (www.dw.de/schlagkraft-oder-
gerede-die-dritte-stufe-der-sanktionen-gegen-russland/a-17627998). Jahrzehnte-
lang aufgebaute wirtschaftliche deutsch-sowjetische bzw. deutsch-russische
Verflechtungen könnten somit ein Ende finden.
Die Sanktionen der USA hingegen reihen sich in eine lange Liste von Sanktions-
regimen gegen die Sowjetunion bzw. die Russische Föderation ein. Im Jahr 1948
begannen die USA erstmals, Sanktionen gegen die UdSSR zu verhängen. Man-
che Sanktionen, wie die Jackson-Vanik-Klausel, behielten ihre Gültigkeit bis ins
Jahr 2012 hinein. Die Jackson-Vanik-Klausel wurde jedoch unmittelbar mit
Abschaffung durch das sogenannte Magnitski-Gesetz der USA abgelöst. Somit
betreiben die verschiedenen US-Regierungen seit 66 Jahren ununterbrochen
Sanktionen gegen die Sowjetunion bzw. Russland.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten politischen Forderungen richten die EU und Deutschland

an die russische Führung als Bedingung für eine Lockerung bzw. Aufhebung
der Sanktionen?

2. Bezeichnet die Bundesregierung die nun von der EU gegen Russland,
russische, ukrainische, finnische und armenische Bürger verhängten Sank-
tionen als „smart sanctions“ (bitte mit Begründung)?
a) Wenn ja, wie kann die Bundesregierung davon ausgehen, dass die nun ver-

hängten Sanktionen nicht die Bevölkerung Russlands treffen?
b) Wenn nein, warum ist sie von dem zuvor beispielsweise lange Zeit gegen-

über dem Iran propagierten Konzept der „smart sanctions“ abgerückt?
3. Welche Bedingungen müssen die von den EU-Sanktionen betroffenen Unter-

nehmen und Einzelpersonen erfüllen, damit ihre Konten und finanziellen
Ressourcen wieder freigegeben werden?

4. Hat die Bundesregierung genaue Analysen der wirtschaftlichen, politischen,
sozialen Auswirkungen der beschlossenen und der angedachten „drittstufi-
gen“ EU-Sanktionen auf Russland und die russische Bevölkerung angestellt?
Hat die Bundesregierung verlässliche Zahlen, wie viele Arbeitsplätze in
Deutschland durch die Verhängung von Sanktionen gegen gesamte Bereiche
der russischen Wirtschaft verlorengehen könnten?

5. Was genau bezeichnet nach Kenntnis der Bundesregierung der Begriff
„Sektorale Wirtschaftssanktionen“?
Hat die EU bzw. die EG ähnliche Sanktionen bereits in der Vergangenheit
verhängt?
Wenn ja, gegen wen, und wie sahen diese genau aus?

6. In welcher Weise würden sich sektorale Wirtschaftssanktionen konkret auf
die angesprochenen Wirtschaftssektoren auswirken?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1685
7. Welchen Umfang hatten die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland
und Russland im Zeitraum von 1998 bis 2013 (bitte getrennt nach Import,
Export und Handelsvolumen auflisten)?

8. Welche Gremien sollen nach Kenntnis der Bundesregierung die so genannte
dritte Stufe der Sanktionen gegen die Russische Föderation beschließen?
a) Müssten laut Ansicht der Bundesregierung solche außenpolitische Rich-

tungsentscheidungen nicht vom Deutschen Bundestag beschlossen wer-
den?

b) Wenn nein, wieso nicht?
9. Welche konkreten Forderungen, Bedingungen und Maßnahmen muss die

russische Regierung erfüllen, um nach Kenntnis der Bundesregierung EU-
Sanktionen der „dritten Stufe“ zu vermeiden?

10. Welche konkreten Forderungen, Bedingungen und Maßnahmen werden
über die gemeinsam beschlossenen hinaus nach Kenntnis der Bundesregie-
rung von EU-Mitgliedstaaten, die Sanktionen grundsätzlich befürworten,
gegenüber der russischen Regierung erhoben, die Sanktionen der „dritten
Stufe“ zu vermeiden, d. h. welche divergierenden Forderungen werden nach
Kenntnis der Bundesregierung seitens der EU-Mitgliedstaaten über die
Tiefe von Sanktionen gegen die Russische Föderation diskutiert (bitte ent-
sprechend den EU-Mitgliedstaaten divergierende Positionen bzw. Forde-
rungen auflisten)?

11. Welche derzeit amtierenden Regierungen in der EU haben sich nach Kennt-
nis der Bundesregierung grundsätzlich gegen die Verhängung von Sank-
tionen ausgesprochen, und welche haben Sanktionen der „ersten“ bzw.
„zweiten Stufe“ abgelehnt (bitte entsprechend der grundsätzlichen Ableh-
nung bzw. der einzelnen Sanktionsstufen auflisten)?

12. Inwieweit wird nach Auffassung der Bundesregierung der angeblich be-
absichtigte politische Effekt der Sanktionen gegen die Russische Födera-
tion, die russische Regierung zu bestimmten Handlungen zu veranlassen
bzw. sie davon abzuhalten, durch die nach Auffassung der Fragesteller
unklare Formulierung der politischen Ziele der Sanktionen konterkariert
(www.dw.de/schlagkraft-oder-gerede-die-dritte-stufe-der-sanktionen-gegen-
russland/a-17627998)?

13. Inwiefern würden Sanktionen der „dritten Stufe“ laufende Verträge zwischen
deutschen und russischen Unternehmen berühren?

14. Inwieweit dürften Produktionsstandorte von deutschen Konzernen in Russ-
land von den Sanktionen betroffen sein?

15. Gegen welche Sektoren der russischen Wirtschaft könnten sich laut Kennt-
nis der Bundesregierung so genannte sektorale Sanktionen richten?
a) Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass sich die „sektoralen Sank-

tionen“ gegen den russischen Maschinenbausektor richten sollen?
b) Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass sich die „sektoralen Sank-

tionen“ gegen den russischen Energiesektor richten sollen?
16. Inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, ob im Rahmen der EU ein

Importbann auf Produkte von der Krim besprochen wurde?
Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus diesen Diskussionen?

17. Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem verstärkten Anfordern von
belarussischen Transitgenehmigungen durch Griechenland (www.tovima.gr/
en/article/?aid=582814)?

Drucksache 18/1685 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
18. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem zwischen
der EU und den USA angedachten Investitionsschutzabkommen TTIP – die
so genannte Wirtschafts-NATO (www.welt.de/wirtschaft/article113604113/
Deutsche-Exporteure-warnen-vor-Wirtschafts-Nato.html) – und den Sank-
tionen der USA und EU gegen Russland?

19. Erwartet die Bundesregierung, mögliche Einbrüche in der deutschen Export-
industrie durch verschärfte Sanktionen gegen Russland durch vereinfachte
Handelsbeziehungen mit den USA oder Kanada ausgleichen zu können?

20. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung von den Sanktionen
gegen Russland in Bezug auf den wirtschaftlich eng verflochtenen Raum
der Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten?

21. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Sprechers der ostdeutschen Par-
lamentarier im Europaparlament, Hermann Winkler (CDU), dass vor allem
ostdeutsche Unternehmen unter den Sanktionen gegen Russland leiden
würden (www.weser-kurier.de/news/politik3_artikel,-CDU-Europapolitiker-
warnt-vor-weiteren-Sanktionen-gegen-Russland-_arid,843016.html)?

22. Welche Sanktionen der Schweiz und Liechtensteins gegen Russland haben
Vertreter der Bundesregierung im Rahmen der regelmäßig stattfindenden so
genannten Vierertreffen (Deutschland, Liechtenstein, Österreich und die
Schweiz) besprochen?

23. Welche weiteren Staaten haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung
den Sanktionen gegen die Russische Föderation im Zuge der Ukrainekrise
angeschlossen?

24. Welche EG-Strafmaßnahmen wurden seinerzeit gegen Politiker der balti-
schen Sowjetrepubliken verhängt, als Estland, Lettland und Litauen im Jahr
1990 ihre staatliche Unabhängigkeit erklärten und damit gegen Gesetze der
UdSSR verstießen?

25. Auf welche Quellen stützen sich die Vorwürfe des Rates der Europäischen
Union gegen Igor Bezler, gegen den die EU im Beschluss 2014/265/GASP
Sanktionen verhängt hat?
a) Stützen sich die Vorwürfe einzig und allein auf die Angaben des ukraini-

schen Geheimdienstes SBU?
b) Wenn ja, ist es üblich, dass sich die EU derartige Vorwürfe eines Geheim-

dienstes eines Landes, welches nicht Mitglied der EU ist und nicht des-
sen Standards folgt, zu eigen macht?

c) Sind der Bundesregierung die auch gegenüber den Fragestellern artiku-
lierten Vorwürfe gegen die Arbeitsweise des SBU – wie Korruption, Fol-
ter und Einschüchterung von Medien – bekannt?

d) Liegen nach Kenntnis der Bundesregierung eigene Erkenntnisse der EU
zu den Vorwürfen des SBU gegen Igor Bezler vor?

e) Wenn ja, warum werden diese nicht erwähnt?
26. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung der einzige Vorwurf, der gegen Oleg

Zarjow erhoben wird und der nun als Grundlage für Sanktionen gegen seine
Person dient, sein öffentliches Eintreten für die Gründung einer „Födera-
tiven Republik Novorossija“?

27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Umstand, dass die USA seit 66 Jahren diverse Sanktionen gegen die
Sowjetunion bzw. Russland verhängt haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/1685
28. Welche grundsätzliche Haltung nimmt die Bundesregierung zu Sanktionen
gegenüber Russland ein, angesichts der Tatsache, dass die USA seit 66 Jah-
ren diverse Sanktionen gegen die Sowjetunion bzw. Russland verhängt
haben?

29. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben sich seit
Ende Februar 2014 mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Wirt-
schaft getroffen, um die Sanktionen gegen Russland zu besprechen (bitte
nach Vertretern der Bundesregierung, Vertretern der deutschen Wirtschaft
und deren Organisation und Datum auflisten)?
a) Bei welchen Gesprächen sind von welchen Vertretern der deutschen

Wirtschaft Sanktionen gegen Russland als nicht zielführend abgelehnt
worden?

b) Welche Aspekte der Sanktionsstufen gegen Russland sind von welchen
Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Wirtschaft gegenüber der
Bundesregierung kritisiert worden?

Berlin, den 2. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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