BT-Drucksache 18/1623

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zu den Ergebnissen des Informellen Abendessens der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten am 27. Mai 2014 in Brüssel sowie zum G7-Gipfel am 4./5. Juni 2014 in Brüssel

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1623
18. Wahlperiode 04.06.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz,
evi Da delen, Dr. Diether Deh , Annette Groth, eike nsel,
Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin

zu den Ergebnissen des Informellen Abendessens der Staats- und
Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten am 27. Mai 2014 in
Brüssel sowie zum G7-Gipfel am 4./5. Juni 2014 in Brüssel

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Beratungen im G8-Format hatten bereits in der Vergangenheit keine demokra-
tische Legitimation. Aus G8 ist über Nacht G7 geworden. Russland wurde mit der
Nichteinladung zu diesem Gipfeltreffen abgestraft. Sanktionen und die Isolierung
Russlands sind nicht tauglich, um den Ukraine-Konflikt zu lösen. Alle Konfliktpar-
teien, so zum Beispiel die NATO, die Europäische Union (EU), die US-Adminis-
tration und die russische Regierung, müssen jegliche weitere Eskalation des Konf-
liktes vermeiden.
Die blutige Eskalation im Osten und Süden der Ukraine im Mai 2014 hat zu einem
Kriegszustand geführt. Berichte sprechen von Hunderten von Toten, darunter viele
Zivilisten. Der neue Präsident der Ukraine Poroschenko setzt auf eine gewaltsame
Lösung des Konflikts in der Ukraine. Er wird darin von Verantwortlichen der Bun-
desregierung, der EU und der NATO unterstützt.
Der so genannte Antiterroreinsatz und der Einsatz der ukrainischen Armee, bei
dem schon viele Menschen getötet worden sind, müssen beendet und die National-
garde sofort aufgelöst werden. Nur Verhandlungen und die friedliche Einigung auf
gemeinsame Lösungen können die Konflikte deeskalieren.
Mit dem mörderischen Anschlag auf das Gewerkschaftshaus in Odessa am 2. Mai
2014, bei dem mindestens 46 Menschen getötet wurden, hat die Gewalt rechtsge-
richteter Gruppen in der Ukraine gegen Mitglieder linker und antifaschistischer
Organisationen einen neuen Höhepunkt erreicht. Linke Aktivistinnen und Aktivis-
ten müssen um ihr Leben fürchten und können sich in Kiew und der Westukraine
nicht mehr frei bewegen. Gegen die Kommunistische Partei der Ukraine wurde ein
Verbotsantrag im ukrainischen Parlament eingereicht.

Drucksache 18/1623 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der Bundestag verurteilt die gewaltsamen Übergriffe und die Eingriffe in politi-
sche Betätigungsrechte der Opposition und erklärt seine Solidarität mit allen de-
mokratischen und antifaschistischen Kräften in der Ukraine.
Die Beteiligung von Faschisten an der ukrainischen Regierung hat international
heftige Kritik ausgelöst. Die Zusammenarbeit mit faschistischen, neofaschistischen
und rechtspopulistischen Parteien darf nicht enttabuisiert werden. Es darf keine
Finanzhilfen von der Bundesregierung und aus der EU geben, solange Faschisten
an der Regierung beteiligt sind.
Die Interessen der USA, Russlands und der Europäischen Union im Konflikt um
die Ukraine sind nicht identisch mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger
dort. Alle Konfliktparteien, auch die NATO, die Bundesregierung, die EU, die US-
Administration und die russische Regierung, sind aufgefordert, auf eine weitere
Eskalation zu verzichten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Anwendung von Gewalt auszuschließen und auch bei ihren Bündnispart-
nern dafür zu werben, dass auf militärische Drohungen verzichtet wird;

2. auf die ukrainische Regierung einzuwirken, damit sie den Einsatz der Natio-
nalgarde und des Militärs im Ostteil der Ukraine sofort beendet;

3. auf die US-Regierung einzuwirken, die Lieferung von Waffen an die Ukraine
zu beenden;

4. auf die russische Regierung einzuwirken, die Lieferung von Waffen und den
Zustrom von „Freiwilligen“ über die russisch-ukrainische Grenze in die Ost-
ukraine zu unterbinden;

5. die Truppenverstärkung von Bundeswehr und NATO in ehemaligen Mitglied-
staaten des Warschauer Vertrags, großangelegte Manöver in diesen Ländern
und weitere Schritte zur Aufrüstung auszuschließen;

6. darauf hinzuwirken, dass die Stationierung von Einheiten der NATO und der
Bundeswehr in Nachbarstaaten Russlands rückgängig gemacht wird und auf
die Installierung des Raketenabwehrschirms in Europa verzichtet wird;

7. sich für eine Verhandlungslösung im Konflikt um die Ukraine einzusetzen, an
der auf internationaler Ebene neben den Ländern des „Budapester Memoran-
dums“, USA, Großbritannien, Russland und Frankreich auch Polen und
Deutschland beteiligt werden und in deren Rahmen verbindlich festgehalten
wird, dass weder Georgien noch die Ukraine als Mitglieder in die NATO auf-
genommen werden;

8. durch eine neue Ost- und Entspannungspolitik die Voraussetzungen für eine
Überwindung der Konfrontation und für ein neues kollektives Sicherheitssys-
tem unter Beteiligung Russlands zu schaffen, das die NATO überwindet und
auf Abrüstung zielt;

9. sich für eine neue Helsinki-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa und die Stärkung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE) einzusetzen. Die bindende Wirkung des Völkerrechtes für
alle Staaten muss nach den Völkerrechtsbrüchen bei der Abtrennung des Ko-
sovo von Serbien, den militärischen Interventionen im Irak und in Libyen und
beim russischen Vorgehen zur Aufnahme der Krim in die Russische Föderati-
on wiederhergestellt werden;

10. sich für die Freilassung der festgesetzten OSZE-Mitarbeiter und für die siche-
re und ungestörte Arbeit der OSZE-Teams einzusetzen;

11. sich gegenüber der ukrainischen Regierung für die Einbeziehung der „Auf-
ständischen“ in der Südostukraine und der demokratischen Kräfte des Maidan

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1623

in die Suche nach Lösungen des Konflikts und für den Ausschluss faschisti-
scher Kräfte wie der Partei Swoboda und des „Rechten Sektors“ einzusetzen;

12. Verhandlungen über internationale Abkommen mit der Ukraine erst nach der
Bildung einer legitimen Regierung zu führen;

13. finanzielle Hilfen für die Ukraine vom Ausscheiden der Faschisten und des
„Rechten Sektors“ aus der Übergangsregierung, von der Beendigung der mili-
tärischen Offensive sowie von der Einstellung des Verbotsverfahrens gegen
die Kommunistische Partei abhängig zu machen;

14. bei der Bearbeitung der sozialen Probleme der Ukraine die Heranziehung des
Vermögens sämtlicher Oligarchen anzuregen, die mit ihrer Politik der rück-
sichtslosen Bereicherung großen Anteil an der Verelendung weiter Teile der
Bevölkerung hatten;

15. auf der Umsetzung der Kernpunkte des Abkommens vom 21. Februar 2014 zu
bestehen;

16. bei Finanzhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) bzw. bei
einer Streichung von Auslandsschulden keine Konditionen zuzulassen, die in
Richtung Sozialabbau gehen;

17. im Rahmen der Konfliktlösung auf das Verbot von faschistischen Organisati-
onen in der Ukraine, die Entwaffnung aller inoffiziellen bewaffneten Formati-
onen und die Auflösung der Nationalgarde zu drängen;

18. auf der sorgfältigen und transparenten Aufklärung der Gewaltakte im Zu-
sammenhang mit den Maidan-Protesten, dem Massaker von Odessa und den
Tötungen in Mariupol durch eine unabhängige, internationale Untersuchungs-
kommission zu bestehen.

Berlin, den 3. Juni 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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