BT-Drucksache 18/1620

LKW-Maut nachhaltig und ökologisch ausrichten

Vom 4. Juni 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1620
18. Wahlperiode 04.06.2014

Antrag
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn (Dresden), Oliver
Krischer, Tabea Rößner, Matthias Gastel, Harald Ebner, Christian Kühn
(Tübingen), Markus Tressel, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia
Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Nicole Maisch, Peter Meiwald, Friedrich
Ostendorff, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

LKW-Maut nachhaltig und ökologisch ausrichten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung und das federführende Bundesverkehrsministerium unter
Führung der CSU haben bei der LKW-Maut entscheidende Fehler zu verantworten:
Schon in der vergangenen Wahlperiode sollten neue Mautsätze festgelegt werden,
aber das Bundesministerium schaffte es nicht, das dafür notwendige Gutachten
rechtzeitig fertig stellen zu lassen. Es hätte viel früher auf die nun erfolgenden
Mindereinnahmen bei der LKW-Maut reagieren und Änderungen auf europäischer
Ebene anregen können. Auch eine Entscheidung über die Zukunft des Mautbetrei-
bers wird seit Jahren verzögert, so dass jetzt eine Neuausschreibung des Systems
ohne komplette Mautausfälle ab 2018 kaum noch möglich ist. Statt sich zwischen
verschiedenen Angeboten von Mautbetreibern für das Beste entscheiden zu kön-
nen, besteht jetzt im Prinzip nur noch die Möglichkeit einer Übernahme vom der-
zeitigen Betreiber Toll Collect durch den Bund. Mögliche Effizienzgewinne mit
einem neuen Mautsystem sind durch politische Handlungsunfähigkeit verloren
gegangen. Zudem ist die notwendige Ausweitung der LKW-Maut für Fahrzeuge ab
7,5 Tonnen auf allen Bundestraßen jetzt erst nach 2018 möglich. Das Versagen der
CSU-Bundesminister Ramsauer und Dobrindt kostet die Steuerzahler Milliarden.

Nach dem neuen Wegekostengutachten muss die LKW-Maut wegen niedriger
Zinssätze sinken – obwohl die Kosten zum Erhalt der Straßen steigen. Die LKW-
Maut wurde 2005 eingeführt, um die größten Verursacher von Straßenschäden
stärker an der Finanzierung der Verkehrswege zu beteiligen. Gleichzeitig sollte
damit eine ökologische Lenkungswirkung entfaltet werden. Denn LKWs verschlei-
ßen Straßen etwa 60 000 mal stärker als PKWs und 98 Prozent der Straßen- und
Brückenschäden sind damit auf den Gütertransport zurückzuführen. Die externen
Kosten für Schäden durch den LKW-Verkehr werden jedoch zum größten Teil von
der Gesamtgesellschaft – und nicht von den eigentlichen Verursachern – getragen.
Das muss sich ändern. Der LKW-Verkehr darf nicht mehr künstlich verbilligt wer-
den, sondern soll für die Kosten aufkommen, die er verursacht. Mit einer verursa-
chergerechten Kostenbeteiligung hätte auch der umweltfreundlichere Schienengü-
tertransport bessere Wettbewerbschancen gegenüber dem Straßentransport. Der

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ökonomische Druck zur Verlagerung der Transporte auf die ökologisch vorteilhaf-
tere Schiene bzw. Binnenschiffe könnte damit erhöht werden.

Das eigentliche Ziel der LKW-Maut ist es, ausreichend Mittel zum Bau und Erhalt
der Bundesfernstraßen zur Verfügung zu stellen und dabei eine ökologische und
ökonomische Lenkungswirkung zu entfalten. Diese Ziele werden durch die emp-
fohlenen Mautsätze nicht mehr erreicht. Zwar ist es positiv, dass zukünftig Kosten
durch Lärm und Luftschadstoffe von Verursachern mitgetragen werden sollen,
jedoch gehen die tatsächlich verursachten externen Kosten weit darüber hinaus. In
Deutschland betragen die jährlichen externen Kosten für Unfälle, Lärm, Luftver-
schmutzung, Klimawandel und indirekte Auswirkungen (sogenannte Up- und
Downstream-Effekte) geschätzte 88 Mrd. Euro pro Jahr1, die zum absolut überwie-
genden Teil von der Gesamtgesellschaft – und nicht von den Verursachern – getra-
gen werden müssen. Die LKW-Maut muss daher auf eine neue Grundlage gestellt
und dabei nachhaltig und ökologisch ausgerichtet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Berechnung der LKW-Mautsätze auf eine neue Grundlage mit höherer
ökologischer Lenkungswirkung zu stellen und

sich umgehend auf europäischer Ebene für die im Herbst 2014 anstehende
Revision der Eurovignettenrichtlinie (1999/62/EG) mit dem Ziel einzuset-
zen, Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr herzustellen;
dazu ein allgemein anwendbares, transparentes und nachvollziehbares
Modell zur Bewertung aller externen Kosten einzuführen;
hierbei neben Lärm und Luftverschmutzung insbesondere auch Kosten für
Unfälle, Klimawandel sowie Up- und Downstream-Effekte zu berücksich-
tigen;
dabei zu prüfen, inwiefern Staukosten in eine Berechnung einfließen kön-
nen, um den Druck zur Verlagerung auf die umweltfreundlichen Verkehrs-
träger Schiene und Binnenschiff zu erhöhen;
die Einbeziehung von externen Kosten nicht wie in der gültigen Richtlinie
zu begrenzen, sondern an der Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr zu
orientieren;
die empfohlene Differenzierung der Mauthöhe zwischen Autobahnen und
Bundestraßen zu prüfen und Maßnahmen zu entwickeln, damit sich nach-
teilige Standortfaktoren für Unternehmen in entfernten Regionen ohne Au-
tobahnanschluss nicht zusätzlich verstärken;

2. endlich Klarheit über die Zukunft von Toll Collect durch das Ziehen der Call
Option zu schaffen und

die angekündigte Ausweitung der Maut für LKWs ab 7,5 Tonnen auf allen
Bundestraßen vom Betreiber des Maustsystems so schnell wie möglich
umzusetzen und die dafür notwendige technische Erweiterung des Systems
vorzunehmen;
sicherzustellen, dass es nach dem spätesten Auslaufen des aktuellen Be-
treibervertrages am 31.08.2018 in keinem Fall zu Einnahmeverlusten für
den Bund kommen kann;
dabei die rechtlichen und technischen Möglichkeiten zu schaffen, um mit-
telfristig eine LKW-Maut für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen auf allen Straßen
erheben zu können;

1 Becker/ Becker/ Gerlach (2012): Externe Autokosten in der EU-27

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3. zügig ein Eisenbahnregulierungsgesetz vorzulegen und
damit den Schienenverkehrsunternehmen den gleichen Anspruch auf
Transparenz bei der Berechnung der Nutzerentgelte einzuräumen wie
Straßengüterverkehrsunternehmen durch das Wegekostengutachten;
dabei festzulegen, dass die Einnahmen aus Trassen- und Stationsentgelten
die Infrastrukturkosten nicht übersteigen dürfen und so zur reinen Ein-
nahmegenerierung missbraucht werden, wie es bereits für den Straßengü-
terverkehr in der Eurovignettenrichtlinie vorgegeben ist;
damit auch die Möglichkeit für sinkende Trassen- und Stationspreise im
Schienenverkehr zu schaffen, um die durch die Einbeziehung des Schie-
nenverkehrs in die EEG-Umlage erfolgte Benachteiligung gegenüber dem
Straßengüterverkehr abmildern zu können;

4. dem Bundestag weitere Vorschläge zu unterbreiten, mit welchen von den
Kommissionen zur "Nachhaltigen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung" unter-
breiteten Maßnahmemöglichkeiten die Verkehrsinfrastruktur saniert und be-
trieben werden kann,

hierbei auch Lösungen für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in
Ländern und Kommunen zu erarbeiten;
darzustellen, welche Konsequenzen für die Volkswirtschaft zu erwarten
sind, wenn die Baulastträger Bund, Länder und Kommunen nicht die von
den Kommissionen als notwendig angesehenen Mittel in Höhe von 7,2
Mrd. Euro pro Jahr aufbringen können und
gegebenenfalls darzustellen, inwiefern die Bundesregierung beabsichtigt,
bestehende Straßen, Schienen und Wasserstraßen zurückzubauen, wenn
die Mittel für Erhalt, Betrieb und Sanierung des Verkehrsnetzes nicht auf-
gebracht werden können.

Berlin, den 3. Juni 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Zu 1.) Die Höhe der LKW-Maut beruht auf dem Gutachten zur Berechnung der Wegekosten für das Bundes-
fernstraßennetz. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur werden darin die
Kosten für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen errechnet. Das Gutachten für den
Zeitraum 2013 bis 2017 kommt zu dem Schluss, dass die niedrigeren prognostizierten Zinsen der Bundes-
wertpapiere, die Deutschland wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich zugutekommen, an die mautpflichti-
gen Nutzer in Form von abgesenkten Mautpreisen weitergegeben werden sollen. Trotz Berücksichtigung von
Lärm und Luftverschmutzung führen die empfohlenen Mautsätze aufgrund der niedrigen Zinsen zu Minder-
einnahmen in Höhe von etwas 500 Mio. Euro jährlich.

Neben der Senkung der Mautsätze empfiehlt das Gutachten eine Differenzierung der Mautsätze zwischen
Autobahnen und Bundestraßen. Da einfache Bundestraßen zusammen mit gut ausgebauten vierspurigen Stra-
ßen in die Berechnung einfließen und weniger Fahrzeuge auf entlegenen Straßen höhere Kosten pro Fahrzeug
bedeuten, sollen die Gebühren für Bundesstraßen teilweise mehr als doppelt so hoch wie auf Autobahnen
ausfallen. Es sind negative ökonomische Auswirkungen durch diese Differenzierung der Mauthöhe zwischen
Bundesstraßen und Autobahnen zu erwarten, weil die Kosten für Unternehmen in entfernten Regionen ohne
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Autobahnanschluss ansteigen und damit einen nachteiligen Standortfaktor für die lokale Wirtschaft zusätzlich
verstärken. Als zusätzlicher Effekt ist es möglich, dass entfernte Regionen verstärkt fordern, an eine Auto-
bahn angeschlossen zu werden.

Zu 2.) Theoretisch hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur drei Möglichkeiten bei
der Zukunft von Toll Collect: Der Vertrag kann um bis zu drei Jahre verlängert werden, das System kann
vollständig neu ausgeschrieben oder das Unternehmen kann mit der sogenannten Call Option übernommen
werden. Für die ersten beiden Optionen besteht jedoch das hohe Risiko, dass spätestens nach Ablauf der Ver-
tragsverlängerung kein funktionstüchtiges Mautsystem zur Verfügung steht und es zu Einnahmeausfällen in
Milliardenhöhe kommt. Die Call Option ist damit die einzig verbliebene Option, mit der die von der Koaliti-
on beabsichtigte Ausweitung der Maut auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen auf allen Bundesfernstraßen so schnell
wie möglich umgesetzt werden kann.

Zu 3.) Durch die Vorgaben der Eurovignettenrichtline und das Wegekostengutachten besteht breite Transpa-
renz über die Berechnung der Mauthöhe für LKWs. Diese Transparenz besteht für den Schienengüterverkehr
nicht. Die Höhe der Trassen- und Stationspreise kann ohne jede Transparenz von der DB Netz AG als natür-
lichem Monopolisten der Schieneninfrastruktur festgelegt werden. In den letzten Jahren sind die Trassen- und
Stationspreise kontinuierlich gestiegen, so dass der Anteil der Regionalisierungsmittel, die für den eigentli-
chen Betrieb im Schienenpersonennahverkehr genutzt werden können, zwischen 2002 und 2012 von 42 auf
30,5 Prozent zurückgegangen ist2. Hier liegt der Verdacht nahe, dass die Trassen- und Stationsentgelte zur
Einnahmegenerierung durch die DB Netz AG genutzt werden – für LKWs ist das nach der Eurovignetten-
richtline unzulässig. Deswegen muss durch die Bundesregierung zügig ein Eisenbahnregulierungsgesetz vor-
gelegt werden, dass u.a. für Transparenz bei der Berechnung der Trassen- und Stationsentgelte sorgt.

Zu 4.) Die zwei Kommissionen zur „Nachhaltigen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter der Leitung von
Kurt Bodewig bzw. Karl-Heinz Daehre haben zahlreiche Vorschläge gemacht, mit welchen Maßnahmen die
Verkehrsinfrastruktur zukünftig betrieben und finanziert werden kann. Im jetzigen System stehen nicht genü-
gend Erhaltungsmittel zur Verfügung, wodurch sich der Wert der Analgen jährlich um etwa 2,5 Mrd. Euro
verringert. Obwohl mehrere Mitglieder der Kommission auch den Koalitionsvertrag ausgehandelt haben,
wurden die meisten Vorschläge nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Die Bundesregierung soll da-
her auf Grundlage der Kommissionsberichte darlegen, welche Instrumente sie für geeignet hält. Falls die
Bundesregierung keines der Instrumente nutzen möchte und auch keine Alternativen vorschlagen kann, soll
dargelegt werden, welche Verkehrsinfrastruktur zukünftig noch mit den zu geringen Mittel erhalten werden
kann. Es müssten für diesen Fall Vorschläge unterbreitet werden, welche Verkehrsinfrastruktur vernachläs-
sigt bzw. zurückgebaut werden soll, um nachfolgenden Generationen im Sinne der Nachhaltigkeit keine wei-
teren Lasten aufzuerlegen.

2 Wettbewerberreport 2012-2013, Seite 44

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