BT-Drucksache 18/1588

Finanzierung von Palmöl-Projekten durch die Weltbank, regionale Entwicklungsbanken und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Vom 28. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1588
18. Wahlperiode 28.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Finanzierung von Palmöl-Projekten durch die Weltbank, regionale
Entwicklungsbanken und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Palmöl ist weltweit seit langem ein stark nachgefragter Rohstoff für die Nah-
rungsmittelindustrie und für die Herstellung von Waschmitteln. Zusätzlich hat
sich die Nachfrage in den letzten Jahren weiter erhöht, weil Palmöl auch als
Ausgangsstoff für die Produktion von Biosprit dient, die unter anderem auch als
Folge der EU-Direktive zu E10-Treibstoff (Directive 2009/28/EC) ausgebaut
wurde.
Der Anbau von Palmöl in Plantagen bringt allerdings erhebliche ökologische,
soziale und menschenrechtliche Probleme mit sich. Die Plantagen verdrängen
in vielen Fällen schutzwürdigen Primärwald, bedrohen die Biodiversität und
missachten die Landrechte von Kleinbauern und Indigenen. Dokumentiert sind
auch Fälle von Zwangsvertreibungen, bei denen teilweise Dörfer niederge-
brannt und Menschen unter Androhung von Waffengewalt an anderen Orten
angesiedelt wurden (vgl. www.forestpeoples.org/sites/fpp/files/publication/2014/
04/klkcasestudy2014low.pdf, www.forestpeoples.org/sites/fpp/files/news/2014/03/
Conflict%20in%20the%20PT%20Asiatic%20Persada%20Concession%20leads
%20to%20a%20casualty.pdf).
Die Weltbank hat u. a. über die International Finance Corporation (IFC) in den
letzten Jahren zahlreiche Palmölprojekte finanziert. Dazu zählt auch die Fi-
nanzierung der Wilmar Group in West-Kalimantan/Indonesien. Aufgrund der
massiven Verletzung von Landrechten, nationaler Gesetzgebungen und der
Umwelt und Sozialstandards der Weltbank kam es in diesem Fall zu einer Be-
schwerde beim Compliance Advisor Ombudsmann (CAO) der Weltbank
(www.cao-ombudsman.org/cases/case_detail.aspx?id=76). Im Laufe der Unter-
suchung wurden derart schwerwiegende Probleme in diesem Agrobusiness-
Sektor festgestellt, dass der damalige Weltbank-Präsident Robert Zoellick ein
Moratorium über die weitere Finanzierung von Palmöl-Projekten erließ. Vor
der weitern Finanzierung solcher Projekte sollte eine neue Strategie entwickelt
werden, um die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Finanzierungen zu ga-
rantieren.
Die neue Strategie wurde in Konsultationen mit Regierungen, der Industrie und
der Zivilgesellschaft erarbeitet. Allerdings wurden wichtige Forderungen der
Zivilgesellschaft, wie z. B. die Anerkennung der Landrechte von lokalen Grup-
pen, nicht ausreichend übernommen. Deshalb halten Beschwerden von betroffe-
nen Menschen und Gemeinschaften an. Derzeit prominentester Fall ist die Zu-
sammenarbeit der Weltbank mit dem Palmöl- und Nahrungsmittelunternehmen
Corporation DINANT in Honduras, das an der Ermordung von Gewerkschaftern

Drucksache 18/1588 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
und Kleinbauern beteiligt gewesen sein soll (www.cao-ombudsman.org/cases/
case_detail.aspx?id=188). Die IFC hat in Gesprächen mit der Zivilgesellschaft
und auch gegenüber dem Verwaltungsrat der Weltbank (Board of Executive
Directors) sogar zugegeben, dass ihre Standards in diesem Fall nicht gegriffen
haben und ihre eigene Prüfung (due diligence) versagt hat (www.ifc.org/wps/
wcm/connect/557c4180438e1ed48f72bf869243d457/IFC_EnvironmentalSocial
LessonsLearned-042014.pdf?MOD=AJPERES).
Die Bundesregierung ist nicht nur über die Weltbank und andere supranationale
Entwicklungsbanken, sondern auch über die deutsche Entwicklungsbank KfW
Bankengruppe sowie deren Tochterunternehmen IPEX-Bank GmbH und Deut-
sche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) in die Finanzie-
rung von Palmölprojekten involviert. Bei all diesen Projekten trägt sie damit
auch eine Mitverantwortung für deren mögliche negative soziale und ökologi-
sche Konsequenzen.
So ist die DEG beispielsweise an der Palmölfirma Okomu Oil Palm Plc. beteiligt,
deren Ausweitung der Ölpalmenplantage in Nigeria mit der Vertreibung dreier
lokaler Gemeinschaften einherging. Die in dem betroffenen Gebiet verbleibende
Gemeinschaft (Makilolo Community) ist mit der Militarisierung der Region und
der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen konfrontiert (siehe beispielsweise World
Rainforest Movement Bulletin 199 & 200, 2014).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche aktuellen Beschwerdefälle zu Palmöl-Projekten beim Compliance

Advisor Ombudsmann (CAO) sind der Bundesregierung bekannt (bitte nach
Fall und Beschwerdegründen auflisten)?

2. Sind bei diesen Beschwerdefällen zu Palmöl-Projekten nach Kenntnis der
Bundesregierung auch Firmen involviert, mit denen deutsche Firmen Han-
delsbeziehungen unterhalten oder an diesen Firmen direkt oder indirekt be-
teiligt sind (bitte um Auflistung der Firmen und der jeweiligen Fälle)?

3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Anzahl der Beschwerdefälle zu Palmöl-Projekten beim CAO und an-
deren Beschwerdeinstanzen?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die ökologischen und sozialen Folgen von
großflächigen Palmöl-Projekten für die betroffenen Kleinbäuerinnen und
Kleinbauern?

5. Welche konkreten Fälle von Landvertreibungen und großflächigem Landver-
kauf aufgrund von Palmöl-Projekten sind der Bundesregierung bekannt?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die ökologischen und klimapolitischen
Auswirkungen von großflächigen Palmöl-Projekten für die Klimabilanz der
betroffenen Staaten?

7. Welche deutschen Unternehmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung
direkt oder indirekt an großflächigen Palmöl-Projekten beteiligt (bitte nach
Unternehmen, Größe der Landflächen und betroffenen Ländern auflisten)?

8. Inwieweit hält die Bundesregierung die neue Palmöl-Strategie von IFC und
Weltbank für effektiv, und welche Indizien sieht sie dafür, dass sich dadurch
die Umwelt- und Sozialverträglichkeit der Projekte verbessert hat?

9. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in der die Weltbankgruppe
über Finanzdienstleister (financial intermediaries) Palmöl-Projekte fördert
(bitte um Aufzählung der Finanzdienstleister sowie der geförderten Projekte
und Unternehmen)?

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10. Was hat die Bundesregierung in den Entwicklungsbanken (Weltbank-
Gruppe, Asian Development Bank – ADB, African Development Bank –
AfDB, Inter-American Development Bank – IDB, European Bank for Re-
construction and Development – EBRD, European Investment Bank – EIB)
aktiv dazu beigetragen, damit die bekannten Probleme (Umweltzerstörung,
Landrechtskonflikte etc.) angegangen und für die Zukunft ausgeschlossen
werden?

11. An welchen Projekten im Bereich Palmöl haben sich KfW, IPEX und die
DEG in den letzten acht Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung durch
Beratung oder Finanzierung beteiligt (bitte aufschlüsseln nach Projekten,
Träger und Summen)?

12. An welchen Firmen im Bereich Palmöl ist die DEG nach Kenntnis der Bun-
desregierung über Beteiligungen oder Mezzanine-Finanzierungen beteiligt
(bitte mit Firmennamen und Höhe der Finanzierung aufschlüsseln)?

13. Welche Private Equity Fonds, an denen die DEG beteiligt ist, investieren
momentan oder haben in den letzten zwei Jahren nach Kenntnis der Bundes-
regierung in Palmöl-Projekte oder Palmölfirmen investiert (bitte nach Fond,
Beteiligungshöhe der DEG und Name des Palmöl-Projekts oder Firma auf-
schlüsseln)?

14. Welche Regelungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für die
KfW Bankengruppe, speziell die KfW Entwicklungsbank, die DEG und die
IPEX Bank, damit bei entsprechenden Projektfinanzierungen die beschrie-
benen Probleme nicht auftreten bzw. sie aktiv im Projektdesign angespro-
chen und bearbeitet werden?

15. Hat es nach Wissen der Bundesregierung in den vergangenen acht Jahren
Hermes-Garantien für Palmöl- oder andere Agrobusiness-Vorhaben gege-
ben (bitte aufschlüsseln nach Projekten, Träger und Summen)?

16. Wie gestaltet sich die interne Prüfung von Palmöl- und anderen Agro-
business-Projekten im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ) und in den deutschen Vertretungen bei den
Entwicklungsbanken?
Welche Referate des BMZ und anderer Bundesministerien werden in die
Projektanalyse und die Beurteilung einbezogen?

17. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um auch in der bila-
teralen Entwicklungszusammenarbeit die Probleme der Umweltzerstörung,
Menschenrechtsverletzungen und Landrechtskonflikte im Palmöl- und ge-
nerell im Agrobusiness-Bereich anzugehen?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Problematik der fortschreitenden
Entwaldung durch Palmöl-Plantagen, z. B. in Indonesien, im Zusammen-
hang mit ihren Bemühungen, durch Waldschutzprogramme in den Tropen
den Klimawandel aufzuhalten und die Biodiversität zu schützen?

19. Inwieweit ist die Bundesregierung direkt oder indirekt aktiv am „Forum
Nachhaltiges Palmöl“ beteiligt?

20. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den Stand des Kon-
fliktes zwischen der Palmölfirma Okomu Oil Palm, an der die DEG beteiligt
ist, und der Makilolo Community vor?

21. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Konflikte zwischen
Okomu Oil Palm und lokalen Gemeinschaften im Risikoscreening der DEG
berücksichtigt, bevor sie sich zu einer Beteiligung entschloss, und wenn ja,
wie?

Drucksache 18/1588 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
22. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über mögliche Auflagen,
die die DEG ihrem Engagement bei Okomu Oil Palm zugrunde legte, um
die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards zu garantieren?

23. Wie geht die DEG nach Kenntnis der Bundesregierung mit dem aktuellen
Konflikt von Okomu Oil Palm mit der Makilolo Community um?

Berlin, den 28. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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