BT-Drucksache 18/157

Möglichkeit zur Stärkung der Artenvielfalt durch Novellierung des Saatgutrechts der Europäischen Union

Vom 9. Dezember 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/157
18. Wahlperiode 09.12.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Renate Künast, Friedrich Ostendorff,
Bärbel Höhn, Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Möglichkeit zur Stärkung der Artenvielfalt durch Novellierung des Saatgutrechts
der Europäischen Union

Die Europäische Kommission hat mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung des
Europäischen Parlaments und des Rates über die Erzeugung von Pflanzenver-
mehrungsmaterial und dessen Bereitstellung auf dem Markt (Rechtsvorschriften
für Pflanzenvermehrungsmaterial (COM(2013) 262 final) eine umfassende
Neuregelung des europäischen Saatgutrechts vorgelegt.
Verschiedene Verbände und Organisationen in Deutschland und Europa be-
fürchten, dass trotz anders lautender Zielsetzung der Europäischen Kommission
der vorgelegte Verordnungsentwurf weder zu einer nennenswerten Stärkung der
Arten- bzw. Sortenvielfalt und kleiner Züchtungsunternehmen führen noch
Erleichterungen für die Initiativen, die sich dem Erhalt von alten und regionalen
Sorten verpflichtet haben, bringen wird.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung der Agrobiodiversität

seit dem Jahr 1970?
2. Welche Auswirkungen hatte nach Ansicht der Bundesregierung das derzeit

bestehende Sortenrecht auf die Entwicklung der Agrobiodiversität, insbeson-
dere auf die Verfügbarkeit vielfältiger Sorten auf dem Saatgutmarkt?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Situation für Ökozüchter und
Erhaltungsinitiativen auch im Hinblick auf die Populationssortenzüchtung,
und welchen Einschränkungen beim Zugang zu Märkten sind diese ausge-
setzt?

4. Unterstützt die Bundesregierung angesichts der vielen bereits bestehenden
nationalen Regelungen das Ansinnen der Europäischen Kommission, bei der
Zusammenführung der zwölf bestehenden Richtlinien zu Pflanzenvermeh-
rungsmaterialien die Rechtsform in eine Verordnung zu ändern, und wie be-
gründet sie diese Haltung?

5. Inwieweit wird nach Einschätzung der Bundesregierung eine Verordnung im
Sinne des vorliegenden Entwurfs die bisher bestehenden nationalen Rege-
lungsfreiräume einschränken?

6. Hält die Bundesregierung den von der Europäischen Kommission vorge-
legten Verordnungsentwurf für geeignet, das Ziel, die Sortenvielfalt in der
Landwirtschaft für vielfältige Verwendungsformen zu steigern sowie alte und
regionale Sorten zu erhalten, zu erreichen, und wie begründet sie diese Ein-
schätzung?

Drucksache 18/157 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
7. Wird sich die Situation für Ökozüchter mit dem neuen EU-Sortenrecht ver-
ändern?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Veränderungen?

8. Wird sich die Situation für Erhaltungsinitiativen mit dem neuen EU-Sorten-
recht verändern?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Veränderungen?

9. Wo sieht die Bundesregierung im Sinne der Arten- und Sortenvielfalt
Nachbesserungsbedarf am vorgelegten Verordnungsentwurf, und welche
Vorschläge wird sie in den Diskussionsprozess auf europäischer Ebene
einbringen?

10. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorschlag der Europäischen Kommission, wesentliche Regelungs-
inhalte in sogenannte delegierte Rechtsakte zu verlagern?

11. Welche im Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission definier-
ten Regelungen stellen aus Sicht der Bundesregierung im Vergleich zu den
bisher in Deutschland gültigen Bestimmungen (z. B. Saatgutverkehrsgesetz,
Erhaltungssortenverordnung) Einschränkungen bzw. Verschärfungen für
Erzeuger, Vermehrer, Händler oder Nutzer von Saatgut dar, und inwieweit
unterstützt die Bundesregierung diese Einschränkungen bzw. setzt sie sich
für Erleichterungen in diesen Punkten ein, insbesondere bezüglich der Be-
stimmungen zu Erhaltungs- und Amateursorten und Sorten für den ökologi-
schen Landbau?

12. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Erleichterungen für die
Prüfung und Zulassung von Nischensorten nicht auf die Unternehmens-
größe (Umsatz, Zahl der Mitarbeiter), sondern auf die Saatgutmenge der auf
den Markt zu bringenden Sorte zu beziehen und damit auch etablierten
Züchtern die Möglichkeit zu geben, Nischensorten zu entwickeln bzw. sich
an der Entwicklung von Nischensorten durch Mikrounternehmen zu be-
teiligen, und wie begründet sie diese Entscheidung?

13. Welche Kriterien hält die Bundesregierung für die Züchtung von Sorten für
den Ökolandbau für zweckmäßig, geeignet und wichtig?

14. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung für alternative Sortenzulassungs-
verfahren für den ökologischen Landbau ein, insbesondere für Gesichts-
punkte, die im Vergleich zu den etablierten DUS-Kriterien (DUS: Distinct-
ness (Unterscheidbarkeit), Uniformity (Homogenität), Stability (Beständig-
keit)) weniger auf Uniformität fokussiert sind?

15. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass für Populationssorten ein Zu-
lassungsverfahren mit reduzierten Homogenitätsanforderungen bei verein-
fachter Registerprüfung ohne zwingende Wertprüfung und einem Verzicht
auf den Sortenschutz ermöglicht wird, und wenn nein, warum nicht?

16. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass ORD-Material (ORD: of-
ficially recognized description) einen Marktzugang erhält, sofern eine ver-
bindliche Beschreibung des Materials und seiner Herkunft vorliegt und
mindestens ein registrierter Inverkehrbringer existiert, wobei eine Mengen-
begrenzung über Verpackungsgrößen zu gewährleisten ist und auf Sorten-
schutz verzichtet wird?
Wenn nein, warum nicht?

17. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass heterogenes Material, das
durch einen registrierten Inverkehrbringer beschrieben und dessen Pflan-
zengesundheitsstatus geprüft ist, mit Mengenbeschränkungen beim Vertrieb
für den kommerziellen Anbau auf den Markt gebracht werden kann?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/157
18. Unterstützt die Bundesregierung das Ansinnen der Europäischen Kommis-
sion, die bisherige Kennzeichnungspflicht für F1-Hybridsaatgut aufzu-
heben, und auf welcher Begründung basiert diese Entscheidung?

19. Setzt sich die Bundesregierung gerade auch vor dem Hintergrund der
aktuellen Debatte um die umstrittene auf Zellfusionstechnik basierende
CMS-Technologie (CMS: Cytoplasmatisch-männliche Sterilität) dafür ein,
dass Saatgutzüchter und -vermehrer verpflichtend Angaben zur verwen-
deten Züchtungsmethode machen müssen, und wenn nein, wieso nicht?

20. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass durch die vorgesehene
Möglichkeit für Zuchtunternehmen, die Sortenprüfung selbst durchzufüh-
ren, Transparenz für Nutzer und Verbraucher verloren geht, und wie begrün-
det sie ihre Position?

21. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass durch die vorgesehene
Möglichkeit zur unternehmensinternen Durchführung der Sortenprüfung
einerseits und den Anspruch kostendeckender Zulassungsgebühren bei
staatlicher Sortenprüfung andererseits vor allem kleine Züchtungsunterneh-
men und Sorten mit geringerem Verbreitungspotential benachteiligt werden
könnten, und wie will sie dem vorbeugen?

22. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass Sorten, deren Sortenschutz
ausgelaufen ist, weiter erhältlich bleiben?

23. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Vorschlag der Europäischen Kommission, die Landwirte als Unter-
nehmer einzustufen, und wie will sie sich dafür einsetzen, dass zukünftig
das Landwirteprivileg erhalten bleibt?

Berlin, den 9. Dezember 2013

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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