BT-Drucksache 18/1566

Neuregelung der Industrieausnahmen im Erneuerbare-Energien-Gesetz

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1566
18. Wahlperiode 21.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Neuregelung der Industrieausnahmen im Erneuerbare-Energien-Gesetz

Am 7. Mai 2014 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Reform der
Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unter-
nehmen verabschiedet. Darin regelt sie die Befreiungstatbestände für verschie-
dene Industriezweige. Auf Grundlage der Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien
2014 bis 2020 von der Europäischen Kommission sind demnach zukünftig
219 Branchen generell antragsberechtigt, von Ausnahmen bei der Umlage des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu profitieren, sofern sie bestimmte An-
forderungen an Stromkosten- und Außenhandelsintensität erfüllen. Zu diesen
antragsberechtigten Branchen zählen unter anderem Fantasieschmuckhersteller,
Hersteller von Waffen und Munition sowie Hersteller von militärischen Kampf-
fahrzeugen, wie Panzern.
Laut Gesetzentwurf müssen begünstigte Unternehmen zudem ein zertifiziertes
Energiemanagementsystem oder alternativ auch ein Umweltmanagementsystem
betreiben. Der Entwurf sieht jedoch keinen verpflichtenden Nachweis wirt-
schaftlich sinnvoller und technologisch machbarer Fortschritte bei der Energie-
effizienz vor.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Branchen der deutschen Wirtschaft sind, über die 219 Branchen

hinaus, nach Informationen der Bundesregierung zukünftig nicht antragsbe-
rechtigt im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung?

2. Auf welcher Berechnung basiert die Aussage der Bundesregierung im Ge-
setzentwurf, dass die Neuregelung der Besonderen Ausgleichsregelung ge-
genüber der bisherigen Regelung „weder kostensteigernd noch signifikant
kostensenkend“ wirkt, und von welcher quantitativen Wirkung auf die EEG-
Umlage geht sie konkret aus?

3. Welchen Nutzen sieht die Bundesregierung auf der Grundlage des Gesetzent-
wurfs für die nichtprivilegierten Stromverbraucher durch die Neuregelung
der Industrieausnahmen vor allem im Hinblick auf die vom Bundesminister
für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, in Aussicht gestellte Entlastung
dieser Verbraucher in Höhe von bis zu 1 Mrd. Euro (www.tagesschau.de vom
12. Februar 2014 „Gabriel hält an Industrie-Rabatten fest“)?

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4. Wie will die Bundesregierung die öffentliche Akzeptanz der Besonderen
Ausgleichsregelung für tatsächlich notwendige Industriebefreiungen (etwa
für die Stahl- und Aluminiumindustrie) sicherstellen, wenn zukünftig mög-
licherweise ein Großteil der deutschen Industrie auf Kosten der Haushalts-
stromkunden und einiger weniger nichtbefreiter Branchen von Ausnahmen
profitieren können?

5. Wie will die Bundesregierung konkret sicherstellen, dass die Zahlen zur
Bruttowertschöpfung – um damit von den Ausnahmen zu profitieren – nicht
so zusammengerechnet werden, dass ein Missbrauch, etwa durch gewöhn-
liche Werksverträge (wodurch sich die Energiekostenintensität an der
Bruttowertschöpfung erhöht) oder durch Ausgliederung von Firmenteilen,
geschieht?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die in der Besonderen Aus-
gleichsregelung im EEG angelegte „Bruttowertschöpfung zu Faktoren“ im
Vergleich zur bisher gültigen „Bruttowertschöpfung“ den Schwellenwert
für Unternehmen zur Inanspruchnahme der Ausgleichsregelung herabsetzt,
und welche diesbezüglichen Auswirkungen erwartet die Bundesregierung
auf den Kreis potenziell anspruchsberechtigter Unternehmen?

7. Auf welcher konkreten Berechnungsgrundlage hat die Bundesregierung
den Sockelbetrag von 0,1 Cent pro Kilowattstunde für die privilegierten
Unternehmen festgelegt?

8. Wie hoch ist die aktuell teilprivilegierte Strommenge, die Unternehmen zu-
geordnet werden kann, deren Branchen weder auf Liste 1 noch auf Liste 2
der EU vertreten sind, aber unter die Härtefallregelung fallen, und um wie
viele Unternehmen handelt es sich nach Berechnungen der Bundesregie-
rung?

9. Wie hoch ist die teilprivilegierte Strommenge von Unternehmen, die keiner
Branche eindeutig zugeordnet werden kann, und um wie viele Unternehmen
handelt es sich?

10. Wie hoch ist die Strommenge der vollprivilegierten Unternehmen, die zu-
künftig unter die Härtefallregelung fallen, und um wie viele Unternehmen
handelt es sich?

11. Sieht die Bundesregierung eine Wettbewerbsverzerrung durch die weitere
Befreiung von Unternehmen im Rahmen der Härtefallregelung, die bisher
von der Besonderen Ausgleichsregelung profitiert haben, und für Unterneh-
men, die bisher von der Besonderen Ausgleichsregelung keinen Gebrauch
gemacht haben, aber die Kriterien erfüllt hätten (bitte begründen)?

12. Sieht die Bundesregierung eine Wettbewerbsverzerrung durch die weitere
Befreiung von Unternehmen im Rahmen der Härtefallregelung, die bisher
von der Besonderen Ausgleichsregelung profitiert haben, und für Unterneh-
men, die zwar die EEG-2012-Kriterien erfüllen würden, aber erst im Jahr
2015 gegründet werden (bitte begründen)?

13. Wie beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen der laufenden EEG-Re-
form die Vereinbarung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und
SPD, dass künftig begünstigte Unternehmen auch wirtschaftlich sinnvolle
und technologisch machbare Fortschritte bei der Energieeffizienz erzielen
müssen, konkret umzusetzen?

14. Welche konkreten, im bisherigen Gesetzentwurf nicht vorgesehenen Rege-
lungen beabsichtigt die Bundesregierung zu prüfen, um sicherzustellen,
dass privilegierte Unternehmen Maßnahmen zur Energieeffizienz ergreifen,
und welcher Zeitrahmen ist für diese Prüfung vorgesehen?

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15. Wie gestaltet sich diese Prüfung im Einzelnen, und ist eine Vergabe an ex-
terne Gutachter vorgesehen oder bereits erfolgt, und wenn ja, an wen, und
wann sollen diese Gutachten veröffentlicht werden?

16. Was versteht die Bundesregierung unter „wirtschaftlich sinnvollen“ Maß-
nahmen, bzw. welche Kriterien sollten bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung
bezüglich Energieeffizienzmaßnahmen nach Ansicht der Bundesregierung
angesetzt werden (z. B. Amortisationszeit, interne Verzinsung, Kapital-
wert)?

17. Inwieweit soll dieses Wirtschaftlichkeitsverständnis bei der Formulierung
von weiteren Anforderungen an die begünstigten Unternehmen in der Be-
sonderen Ausgleichsregelung Berücksichtigung finden?

18. Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Auskunft der begünstigten Un-
ternehmen über mögliche und umgesetzte effizienzsteigernde Maßnahmen
nach § 65 des aktuellen Gesetzentwurfs zur Weiterentwicklung der Effi-
zienzanforderungen in der Besonderen Ausgleichsregelung im Evaluie-
rungsverfahren zu nutzen?

19. Wann beabsichtigt die Bundesregierung eine solche Auskunft erstmals an-
zufordern, und in welchen Abständen soll eine solche Auskunft angefordert
werden?

20. Erachtet die Bundesregierung die Berücksichtigung von Energieaspekten
bei Umweltmanagementsystemen als gleichwertig mit Anforderungen
hierzu bei einem Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001, und
wenn nein, womit rechtfertigt sich die Anerkennung der Umweltmanage-
mentsysteme als Gegenleistung der begünstigten Unternehmen?

21. Wie sieht die Bundesregierung durch den Gesetzentwurf sichergestellt, dass
bestehende Anreize zum Mehrverbrauch von Strom, um beispielsweise die
Eintrittsschwelle nach § 61 des Gesetzentwurfs zu erreichen, beseitigt wer-
den?

Berlin, den 21. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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