BT-Drucksache 18/1542

Rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1542
18. Wahlperiode 21.05.2014

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Rosemarie Hein, Martina Renner, Frank Tempel,
Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft

Trotz einer Häufung rechtsextremer Vorkommnisse innerhalb der Deutschen
Burschenschaft (DB) hielt die Bundesregierung bislang an ihrer Position fest,
wonach es sich bei Burschenschaften um eine „demokratische Studentenorganisa-
tion“ handelt (Bundestagsdrucksachen 16/4141, 17/6690, 17/10249, 17/11972,
17/14249).
Dagegen haben im Zuge von Richtungskämpfen mit dem offen rechtsextrem und
völkisch auftretenden Flügel seit Mitte des Jahres 2012 fast 40 sich selbst als
liberal oder konservativ einstufende Burschenschaften den Dachverband der DB
verlassen (www.burschenschafterpacktaus.wordpress.com), der damit im April
2014 noch 66 Mitgliedsbünde in Deutschland und Österreich umfasste. Auslöser
der Austrittswelle war unter anderem die im Jahr 2011 begonnene Debatte über
einen unter Berufung auf den „Volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ in der
Verfassung der DB von einer Burschenschaft beantragten faktischen „Arier-
nachweis“ für Burschenschafter. Zuvor hatte eine Burschenschaft einen chine-
sischstämmigen Studenten aufgenommen, was auf Ablehnung der völkischen
Mitgliedsbünde der DB stieß. Auf Widerspruch liberaler ausgerichteter Bur-
schenschaften stieß auch die Wiederwahl des früheren Neonazifunktionärs
Norbert Weidner zum Chefredakteuer der Verbandszeitschrift „Burschenschaft-
liche Blätter“. Zuvor hatte Norbert Weidner in einem Leserbrief im April 2012
den von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als
„Landesverräter“ verunglimpft. Durch die Austritte der national-liberalen und
rechtskonservativen Burschenschaften wurde der rechtsextrem-völkische Flügel
der DB um die „Burschenschaftliche Gemeinschaft“ weiter gestärkt. Bis Ja-
nuar 2014 hatte die immer wieder offen antisemitisch auftretende Wiener
akademische Burschenschaft Teutonia mit personellen Überschneidungen zur
extrem rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) den Vorsitz der DB inne
(https://linksunten.indymedia.org/node/110336).
Zu den im vergangenen Jahr aus der DB ausgetretenen Bünden gehören unter
anderem die älteste Münchner Burschenschaft Arminia-Rhenania, die unter
ihren alten Herren den CSU-Innenexperten Hans-Peter Uhl zählt, sowie die Bur-
schenschaft Franco-Bavaria aus München, der der frühere Bundesminister für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer (CSU) angehört. Bei
einigen Bünden dürfte der Austrittsgrund aus der DB eher pragmatischer als
inhaltlicher Natur sein, da aufgrund einer gewachsenen öffentlichen und media-
len Kritik an rechtsextremen Tendenzen innerhalb der DB ein Verblieb in diesem
Dachverband zunehmend karriereschädigend erschien. So entließ der Berliner
Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja, im Mai 2013 Staatssekretär
Michael Büge (CDU), da dieser sich weigerte, aus der zur DB gehörenden Ber-
liner Burschenschaft Gothia auszutreten (https://linksunten.indymedia.org/node/

Drucksache 18/1542 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

110336). Der SPD-Bundesparteitag hat am 14. November 2013 beschlossen,
einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der DB herbeizuführen. Der Parteivor-
stand der SPD wurde dazu aufgefordert, die Mitgliedschaft in Burschenschaften,
die der DB angehören, mit einer Mitgliedschaft in der SPD für unvereinbar zu
erklären (www.jusohochschulgruppen.de/files/d1_2013_2.pdf).
In einigen Bundesländern werden zumindest einzelne Mitgliedsburschenschaf-
ten der DB vom Verfassungsschutz beobachtet. So stuft der Bayerische Verfas-
sungsschutz auch im Jahresbericht 2013 die studentische Aktivitas der Bur-
schenschaft Danubia München als rechtsextrem ein (Landesamt für Verfas-
sungsschutz Bayern: Verfassungsschutzbericht 2013, S. 114). Im Hamburger
Verfassungsschutzbericht heißt es über die „Pennale Burschenschaft Chattia
Friedberg zu Hamburg“, in ihr wirkten Personen mit, „die Beziehungen in die
rechtsextremistische Szene unterhalten, unter anderem für die NPD aktiv sind
oder waren und die deutliche Sympathien für den Nationalsozialismus zu erken-
nen geben“ (Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: Verfassungsschutz-
bericht 2013, S. 176 f.). Zustimmung erfährt die DB aus der NPD. So brachte die
rechtsextreme Partei für den 26. März 2014 in den Eisenacher Stadtrat eine Re-
solution mit dem Titel „Eisenach begrüßt die Deutschen Burschenschaften – De-
mokratie statt Kommunismus“ auf die Tagesordnung. Darin wird unter anderem
gefordert, dass die Oberbürgermeisterin Katja Wolf den zum frühestmöglichen
Zeitpunkt für das Jahr 2018 gekündigten Mietvertrag der Stadt Eisenach mit der
DB für die Nutzung der Werner-Aßmann-Halle für den jährlichen Burschentag
verlängern solle (http://burschenschafterpacktaus.wordpress.com/2014/03/19/
npd-startet-kampagne-fur-deutsche-burschenschaft/).
Dass mit dem Abschied aus dem gemeinsamen Dachverband offenbar nicht in
jedem Fall eine vollständige Distanzierung der ausgetretenen Bünde von rechts-
extremen Burschenschaften verbunden ist, zeigt der Münchner Burschenschaf-
terball am 26. April 2014 im Münchner Künstlerhaus. Dieser wurde gleicher-
maßen von der aus der DB ausgetretenen Burschenschaft Franco-Bavaria und
der im bayerischen Verfassungsschutzbericht gelisteten Burschenschaft Danu-
bia beworben. In einer Einladung zu dem Fest sind als Veranstalter „die Münch-
ner Burschenschaften“ und eine „Vereinigung alter Burschenschafter“ (VAB)
genannt, wobei letzere im Impressum ihrer Internetseite die Adresse des Danu-
ben-Hauses in der Münchner Möhlstrasse angibt. Der Ball zeige, „dass die Ab-
grenzung vergleichsweise liberaler Burschenschaften von extrem rechten nicht
funktioniert“, kommentierte die „Süddeutsche Zeitung“ (www.sueddeutsche.de/
muenchen/burschenschafterball-in-muenchen-kuenstlerhaus-wehrt-sich-gegen-
rechte-1.1942318). Und auf dem Blog „Burschenschafter packt aus“, der sich
mit rechtsextremen Tendenzen der Deutschen Burschenschaft befasst, wird
gefragt: „Vor Journalisten zu Rechten auf Distanz, hinter geschlossenen Tü-
ren mit Rechten dann zum Tanz – wird das die ,neue‘ Strategie auch der li-
beral konservativen Burschenschaften Münchens im Umgang mit den ganz
Rechten?“ (http://burschenschafterpacktaus.wordpress.com/2014/04/30/nach-
burschenschafterball-munchens-ob-warnt-vor-rechten-mietern/).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Einschätzung, wonach es

sich bei der Deutschen Burschenschaft um einen „demokratischen Studenten-
verband“ handelt?
a) Wenn ja, wie begründet sie diesen Standpunkt angesichts der Tatsache,

dass seit Mitte des Jahres 2012 fast 40, sich als liberal oder konservativ ver-
ortende Bünde die DB aufgrund der darin vorherrschenden Werte verlassen
haben?

b) Wenn nein, wie lautet die neue Beurteilung der DB durch die Bundes-
regierung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1542

2. Kann die Bundesregierung Veränderungen in der politischen Ausrichtung
und dem Gesamtbild der DB sowie der internen Kräfteverhältnisse nach dem
Austritt von fast 40, sich als liberal oder konservativ verstehenden Bünden
seit Mitte des Jahres 2012 erkennen, und wenn ja, welche?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über weitere Kontakte zwi-
schen einzelnen aus der DB ausgetretenen Burschenschaften und den weiter-
hin in diesem Dachverband organisierten Bünden einschließlich der offen
rechtsextrem oder völkisch austretenden Verbände, wie der Münchner Bur-
schenschaft Danubia, etwa bei Burschenschaftertreffen und Feierlichkeiten?

4. Inwieweit bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte zwischen
der DB oder einzelnen ihrer Bünde mit der NPD oder anderen Rechtsextre-
men?
a) Welche Vorträge von NPD-Mitgliedern oder anderen Rechtsextremen fan-

den nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 auf Einladung
oder in den Räumlichkeiten von Mitgliedsbünden der DB statt (bitte ver-
anstaltende Burschenschaft, Ort, Datum, Namen des rechtsextremen Re-
ferenten und Thema des Vortrags oder der Podiumsdiskussion nennen)?

b) Welche Artikel von oder Interviews mit NPD-Mitgliedern oder anderen
Rechtsextremen erschienen nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem
Jahr 2012 in den „Burschenschaftlichen Blättern“?

c) Welche Artikel von oder Interviews mit führenden Vertretern der DB oder
ihrer Mitgliedsbünde sind seit dem Jahr 2012 in rechtsextremen Publika-
tionen (einschließlich Internet) erschienen (bitte Publikation, Datum und
Autor nennen)?

d) Inwieweit beteiligten sich nach Kenntnis der Bundesregierung Mitglieds-
bünde der DB oder führende Mitglieder von solchen an Veranstaltungen
oder Aufzügen der NPD oder anderer Rechtsextremer seit dem Jahr 2012
(bitte Burschenschaft, Ort, Datum und Art der Veranstaltung sowie veran-
staltende Organisation benennen)?

e) Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Funktionäre der NPD
oder anderer rechtsextremer Vereinigungen Mitglieder oder Funktionäre
in der DB oder ihren Mitgliedsbünden oder gehören deren „Alten Herren“
an (bitte genau benennen)?

f) Wie viele Führungspersonen, Amts- und Mandatsträger und Kandidaten
für Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europaparlamente der NPD und
anderer rechtsextremer Vereinigungen sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung Mitglieder der DB bzw. einer ihrer Mitgliedsbünde?

g) Welche Versuche der NPD und anderer rechtsextremer Vereinigungen
sind der Bundesregierung bekannt, ihrerseits Einfluss auf die DB bzw. ein-
zelnen ihrer Mitgliedsbünde zu erlangen?

5. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte zwischen der DB
oder einzelnen ihrer Bünde zu Rechtsextremen im Ausland, und wenn ja,
welcher Art, und zwischen welchen Gruppierungen sind diese Kontakte?

6. Inwieweit sind der Bundesregierung rechtsextreme Tendenzen der Burschen-
schaftlichen Gemeinschaft (BG) und ihrer Mitgliedsbünde bekannt?

7. Inwieweit sind der Bundesregierung volksverhetzende Äußerungen in münd-
licher oder schriftlicher Form durch Funktionäre oder Mitglieder der DB oder
eines ihrer Mitgliedsbünde bekannt?
a) Inwieweit sind der Bundesregierung fremdenfeindliche, rassistische oder

antisemitische Äußerungen in mündlicher oder schriftlicher Form durch
Funktionäre oder Mitglieder der DB oder eines ihrer Mitgliedsbünde be-
kannt?

Drucksache 18/1542 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
b) Inwieweit sind der Bundesregierung Äußerungen in mündlicher oder
schriftlicher Form durch Funktionäre oder Mitglieder der DB oder eines
ihrer Mitgliedsbünde bekannt, die eine Nichtanerkennung der bestehenden
deutschen Grenzen – insbesondere der Oder-Neiße-Grenze – beinhalten?

c) Inwieweit sind der Bundesregierung Äußerungen in mündlicher oder
schriftlicher Form durch Funktionäre oder Mitglieder der DB oder eines
ihrer Mitgliedsbünde bekannt, die auf eine Relativierung oder Leugnung
der deutschen Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg oder deutscher Kriegs-
verbrechen zielen?

8. Inwieweit sind die DB oder einzelne ihrer Mitgliedsburschenschaften Be-
obachtungsobjekt durch das Bundesamt oder – nach Kenntnis der Bundes-
regierung – eines Landesamtes für Verfassungsschutz?
a) Welche Landesämter für Verfassungsschutz beobachten nach Kenntnis

der Bundesregierung die DB oder einzelne ihrer Mitgliedsverbände?
b) Welche in der DB organisierten Burschenschaften werden nach Kenntnis

der Bundesregierung in Verfassungsschutzberichten der Länder als
rechtsextrem oder rechtsextrem beeinflusst aufgeführt (auch Verdachts-
fälle)?

c) Gab es bezüglich der Entwicklung innerhalb der DB Konsultationen
zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und einzelnen Landes-
ämtern für Verfassungsschutz?
Wenn ja, wann, und mit welchen Landesämtern?
Und wenn nein, warum nicht?

9. Wertet das Bundesamt für Verfassungsschutz die „Burschenschaftlichen
Blätter“ nach Äußerungen aus, die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche
Bestrebungen sein könnten?
Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?
Und wenn nein, warum nicht?

10. Inwieweit und mit welcher Begründung bleibt die Bundesregierung bei
ihrer auf Bundestagsdrucksachen 16/4141 und 17/6690 bezüglich der DB-
Mitgliedsverbände getätigten Auffassung, wonach sie keine Bewertung und
Beobachtung von Personenzusammenschlüssen vornehmen will, da dies
aufgrund einer „rein regionalen Ausprägung“ in die Zuständigkeit der Län-
der falle, angesichts der Tatsache, dass es sich bei der DB um einen bundes-
weiten – und sogar nach Österreich reichenden – Dachverband handelt?

11. Inwieweit sind seit dem Jahr 2012 nach Kenntnis der Bundesregierung di-
rekt oder indirekt Fördermittel des Bundes oder der Länder an die DB oder
einzelne ihrer Mitgliedsbünde geflossen?

12. Welche und wie viele Angehörige der Bundesregierung waren in der Ver-
gangenheit bzw. sind derzeit noch Mitglieder der DB bzw. eines ihrer Mit-
gliedsbünde (bitte möglichst mit Eintritts- und ggf. Austrittsdaten angeben)?

13. Inwieweit waren die Entwicklungen innerhalb der DB Thema von Erör-
terungen im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus
(GAR) und dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzen-
trum (GETZ), und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Berlin, den 21. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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