BT-Drucksache 18/1540

Förderung und Forschung für Urananreicherung in Deutschland

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1540
18. Wahlperiode 21.05.2014

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Caren Lay, Eva Bulling-Schröter,
Sabine Leidig, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Förderung und Forschung für Urananreicherung in Deutschland

Schon seit den 50er-Jahren wurde auch in Deutschland an der Technologie zur
Urananreicherung geforscht, vor allem durch die Firma Degussa Goldhandel
GmbH. Im Vordergrund stand dabei vor allem die Zentrifugen-Technologie, die
u. a. von Dr. Gernot Zippe entwickelt worden war. In den 60er-Jahren wurde die
Erforschung und Entwicklung durch die Bundesregierung zentral in Jülich am
Forschungszentrum Jülich in staatlicher Regie gebündelt, bevor sie sowohl
sachlich wie auch personell in die private URANIT GmbH (heute E.ON SE und
RWE AG) mit Firmensitz in Jülich eingebracht wurde. Die URANIT GmbH
wiederum bekam das deutsche Drittel der 1971 gegründeten Urananreiche-
rungsfirma URENCO Deutschland übertragen und war damit einer der Gründer-
firmen der URENCO. URENCO ist heute mit 31 Prozent Weltmarktanteil nach
ROSATOM State Atomic Energy Corporation der zweitgrößte Urananreicherer
weltweit (www.urenco.com, Jahresbericht 2013).
Die deutsch-niederländisch-britische URENCO geht auf den Staatsvertrag von
Almelo 1970 zurück. 1978/1979 wurde in Deutschland der Standort Gronau aus-
gewählt, wo im Jahr 1985 die einzige deutsche Urananreicherungsanlage in Be-
trieb ging. In Jülich verblieb die Forschung und Entwicklung der URENCO-
Zentrifugen – unmittelbar neben dem Forschungszentrum Jülich. Im Jahr 2005
wurden die Zentrifugen-Forschung, -Entwicklung und Herstellung bei URENCO
ausgegliedert und in das Joint Venture ETC (Enrichment Technology Company)
eingebracht, das zu jeweils 50 Prozent URENCO und AREVA GmbH gehört
(www.enritec.com).
Die Bundesrepublik Deutschland hat schon frühzeitig mit staatlichen Mitteln die
Erforschung und Entwicklung der Gasultrazentrifugen sowie den Aufbau einer
eigenen Urananreicherung unterstützt. Ohne diese staatliche Finanzierung wäre
der Aufbau einer eigenen Urananreicherung nicht möglich gewesen. Nach einem
Bericht des Magazins „DER SPIEGEL“ waren der URANIT GmbH in den 70er-
und 80er-Jahren allein 540 Mio. DM Fördergelder für die Entwicklung der Zen-
trifugenanreicherung seitens des Bundesforschungsministeriums zugesagt wor-
den (vgl. z. B. DER SPIEGEL 2/1989). Weitere 70 Mio. DM wurden nach die-
sem Bericht in die Laserforschung zur Urananreicherung gesteckt. Empfänger
war ebenfalls die URANIT GmbH.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann und warum hat die Bundesregierung in den 60er-Jahren die Forschung

und Entwicklung der Gasultrazentrifugen genau von wem übernommen?

Drucksache 18/1540 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

2. Welche Summe wurde dabei an wen bezahlt (bitte nach Zeitpunkt und Emp-
fänger aufschlüsseln)?

3. Wie viel Geld hat die Bundesrepublik Deutschland direkt oder indirekt über
bundeseigene Institutionen/Forschungseinrichtungen (oder Einrichtungen,
an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist) für die Forschung,
Entwicklung und Herstellung von Gaszentrifugen in Jülich ausgegeben
(bitte nach Jahr, Betrag, Geldgeber, Empfänger, Verwendungszweck und
Fachetat aufschlüsseln)?

4. Wann wurde die URANIT GmbH nach Kenntnis der Bundesregierung als
private GmbH gegründet, und von wem?

5. Wann und warum fand die Übertragung der staatlichen Forschung und Ent-
wicklung der Gasultrazentrifugen an die private URANIT GmbH statt?

6. Welche Summe hat die Bundesrepublik Deutschland bei der Gründung der
URANIT GmbH für die Einbringung der staatlichen Forschung am For-
schungszentrum Jülich von den neuen privaten Eigentümern erhalten (bitte
nach Zeitpunkt, Gesamtsumme und Geldgeber aufschlüsseln)?

7. Auf welche Weise hat die Bundesrepublik Deutschland die URANIT GmbH,
die URENCO oder die ETC seit ihrer Gründung finanziell und personell
direkt oder indirekt über bundeseigene Institutionen/Forschungseinrichtun-
gen (oder Einrichtungen, an denen die Bundesrepublik Deutschland betei-
ligt ist) unterstützt (bitte nach Jahr, Betrag, Geldgeber, Maßnahme/Projekt,
Projektergebnis aufschlüsseln)?

8. Auf welche Weise hat die Bundesrepublik Deutschland andere Zweige der
Urananreicherungsforschung finanziell und personell unterstützt, z. B. durch
die Erforschung von Alternativen zur Gaszentrifugentechnik (z. B. die La-
serforschung, bitte nach Jahr, Betrag, Geldgeber, Empfänger, Maßnahme/
Projekt, Projektergebnis aufschlüsseln)?

9. Welche gemeinsamen Forschungsprojekte oder sonstigen Projekte in Zu-
sammenhang mit der Zentrifugenforschung und der Urananreicherung hat
es zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen gegeben (bzw.
zwischen Institutionen/Forschungseinrichtungen des Bundes oder des Lan-
des, an denen jeweils eine der beiden Parteien beteiligt war/ist, bitte nach
Jahr, Projekt, Projektbeteiligte, Geldgeber, Projektumfang, Projektsumme,
Projektergebnis aufschlüsseln)?

10. Auf welche Weise hat das Forschungszentrum Jülich (bzw. ihre Vorgänger)
die URANIT GmbH, die URENCO oder die ETC finanziell oder personell
bei ihrer Arbeit unterstützt oder mit den genannten Unternehmen kooperiert
(bitte nach Jahr, Betrag, Maßnahme/Projekt, Projektergebnis aufschlüsseln)?

11. Auf welche Weise hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Rheinisch-
Westfälische Technische Hochschule (RWTH Aachen) die URANIT GmbH,
die URENCO oder die ETC finanziell oder personell bei ihrer Arbeit un-
terstützt oder mit den genannten Unternehmen kooperiert (bitte nach Jahr,
Betrag, Maßnahme/Projekt, Projektergebnis aufschlüsseln)?

12. Auf welche Weise kooperieren das Forschungszentrum Jülich und die RWTH
Aachen heute mit der URENCO, ETC oder der URANIT GmbH (bitte nach
Projektbeschreibung, Art der Kooperation, mögliche finanzielle Belastun-
gen oder Einnahmen für das Forschungszentrum Jülich bzw. die RWTH
Aachen aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1540

13. Welche Kooperationen gibt es zwischen der ETC bzw. der URENCO und
anderen bundeseigenen Institutionen/Forschungseinrichtungen oder sol-
chen, an denen der Bund beteiligt ist (bitte nach Projektpartner, Projekt-
beschreibung, Art der Kooperation, finanzielles Volumen, Finanzierungs-
quelle aufschlüsseln)?

14. Auf welche Weise findet nach Kenntnis der Bundesregierung ein Austausch
von Forschern, Forschungsprojekten und Forschungsergebnissen zwischen
der ETC, der URENCO sowie dem Forschungszentrum Jülich, der RWTH
Aachen oder anderen Universitäten und Forschungseinrichtungen statt
(bitte nach Einzelmaßnahmen/-projekten, Projektbeschreibung, finanzielles
Volumen, Finanzierungsquelle aufschlüsseln)?

15. Auf welche Weise hat die Bundesrepublik Deutschland den Bau der Uran-
anreicherungsanlagen in Gronau, Almelo (Niederlande), Capenhurst (Groß-
britannien) und Eunice (USA) direkt oder indirekt finanziell unterstützt
(bitte nach Gesamtsumme, Empfänger und Zeitraum je Urananreicherungs-
anlage aufschlüsseln)?

16. Welche in der Vergangenheit gewährten Förderbeträge haben das For-
schungszentrum Jülich (bzw. ihre Vorgänger), die URANIT GmbH oder die
URENCO bis heute an die Bundesrepublik Deutschland zurücküberwiesen
(bitte nach Jahr, Betrag und Grund der jeweiligen Rücküberweisungen auf-
schlüsseln)?

17. Besteht ein Anspruch der Bundesrepublik Deutschland, in der Vergangen-
heit geleistete Fördermaßnahmen mit den jetzigen Gewinnen der URENCO
zu verrechnen und sich so wieder zurückerstatten zu lassen?
Wenn nein, warum nicht?

18. Wurden der URENCO, der ETC oder der URANIT GmbH in der Vergangen-
heit für konkrete Vorhaben (z. B. Neubau/Ausbau einer Urananreicherungs-
anlage) seitens der Bundesregierung Bürgschaften gewährt (ggf. nach Art
der Maßnahme, Zeitraum der Maßnahme, Bürgschaftssumme aufschlüsseln)?

19. Gibt es laufende Bürgschaften des Bundes für Projekte/Bauvorhaben der
URENCO, ETC oder der URANIT GmbH (bitte nach Bürgschaft, Projekt-
beschreibung, Laufzeit, Geldsumme aufschlüsseln)?

20. Ist die Bundesrepublik Deutschland über die Europäische Atomgemein-
schaft (Euratom) an Forschungsprojekten zur Urananreicherung oder Zen-
trifugenentwicklung beteiligt?
Wenn ja, welche sind das konkret (bitte nach Projektbeschreibung, Projekt-
partner, Laufzeit, Geldsumme, ggf. Projektergebnis aufschlüsseln)?

21. Gab bzw. gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland oder
der EU Forschungsvorhaben zur sicheren Endlagerung von abgereichertem
Uranhexafluorid (UF6) und/oder Uranoxid (U308)?
Wenn ja, welche sind das konkret (bitte nach Projektbeschreibung, Projekt-
partner, Laufzeit, Geldsumme, ggf. Projektergebnis aufschlüsseln)?
Wenn nein, warum nicht?

22. Gibt es eine regelmäßige Kontrolle der URENCO-/ETC-Forschung und -ent-
wicklung durch Bundesbehörden mit Blick auf die Nichtverbreitung von
Atomwaffentechnologie?
Wenn ja, wie sieht dies konkret aus, und wer führt diese durch?
Wenn nein, warum gibt es keine regelmäßigen Kontrollen?

Drucksache 18/1540 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Gab es bis heute schon einmal Kontrollen der URENCO-/ETC-Forschung
und -entwicklung durch Bundesbehörden, die zu Beanstandungen geführt
haben?
Wenn ja, welche Beanstandungen waren das konkret, und welche Konse-
quenzen hatten die Beanstandungen?

Berlin, den 21. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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