BT-Drucksache 18/1522

Zukunft der maritimen Ausbildung in Deutschland

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1522
18. Wahlperiode 21.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Beate Walter-Rosenheimer,
Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der maritimen Ausbildung in Deutschland

Die Ausbildungssituation maritimer Berufe, insbesondere der Nautik, befindet
sich seit mehreren Jahren in der Krise. Dennoch ist davon auszugehen, dass die
Ausbildungsnachfrage wieder steigen wird; es bedarf jedoch aufgrund veränder-
ter Strukturen eines neuen Konzepts für die maritime Ausbildung. Seit Beginn
der Schifffahrtskrise 2007/2008 nehmen die Studienanfängerzahlen an Seefahrt-
hochschulen stetig ab (vgl. www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/
nordwestradio_journal/wenigernautikstudenten102.html). Dies liegt unter ande-
rem daran, dass die Reeder weniger Praktikantenplätze zur Verfügung stellen als
zuvor und dass sie weniger Personal an Bord von Schiffen einstellen.
Seit dem Jahr 2012 ist die deutsche Handelsflotte von knapp 3 800 Schiffen auf
inzwischen 3 238 Schiffe (Stand 30. April 2014, Eigentum) * zurückgegangen.
Die Entwicklung auf den internationalen Chartermärkten hatten deutsche
Reeder besonders in Mitleidenschaft gezogen. Dadurch ist ihr Engagement deut-
lich gesunken, neue Seeleute an Bord der Handelsschiffe einzustellen.
Um die hohe Qualität des maritimen Standortes Deutschland aufrechtzuerhalten,
müssen Wege und Lösungen gefunden werden, wie die maritime Branche wie-
der für junge Menschen attraktiv gemacht werden kann. Langfristig müssen
Strategien entwickelt werden, wie Deutschland seine Position als größter Logis-
tikstandort der Welt nachhaltig aufrechterhalten kann.
Vor knapp über zehn Jahren wurde das Maritime Bündnis für Ausbildung und
Beschäftigung zwischen Bundesregierung, Küstenländern, Reedern und Ge-
werkschaften geschlossen. Dabei haben sich die Vertragsparteien verpflichtet,
auch die Ausbildung langfristig zu sichern. Die Küstenländer sind dabei für die
Bereitstellung von Hochschul- und Berufsschulkapazitäten zuständig, der Bund
für die Erteilung der Befähigungszeugnisse gemäß dem internationalen STCW-
Übereinkommen (STCW: Internationales Übereinkommen über Normen für die
Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von
Seeleuten). Trotz der Ankündigungen im Koalitionsvertrag ist unklar, welche
Richtung die Bundesregierung in der maritimen Ausbildung einschlägt.

* Zahlen: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Hamburg.

Drucksache 18/1522 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Welche maritimen Ausbildungsgänge (nautisch, technisch, kaufmännisch

bzw. Kombinationen) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit
in Deutschland an welchen Standorten, mit welcher Ausbildungs-/Studien-
dauer und anschließender Fahrtzeit?

b) Welche maritimen Studiengänge (nautisch, technisch, kaufmännisch bzw.
Kombinationen) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in
Deutschland an welchen Standorten, mit welcher Ausbildungs-/Studien-
dauer und anschließender Fahrtzeit?

2. Welche Bildungswege sind nach den derzeit gültigen nationalen und inter-
nationalen Regularien möglich, um in Deutschland zum staatlich geprüften
Nautiker/nautischen Wachoffizier/Kapitän ausgebildet zu werden?

3. Gibt es eine besondere Durchlässigkeit zwischen den in Frage 1 erfragten
einschlägigen Ausbildungen und Studiengängen (während der Ausbildung
sowie zwischen Ausbildung und Studium)?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

4. Welche Ausbildungs- bzw. Studiengänge der in Frage 1 erfragten finden nach
Kenntnis der Bundesregierung in der Praxis die höchste Nachfrage von den
maritimen Arbeitgebern (Reedereien) und bringen daher die höchste Chance
der Einstellung nach dem Ausbildungsabschluss für die Absolventinnen und
Absolventen?

5. a) Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Ausbildungszah-
len bzw. Studierendenzahlen in den in Frage 1 erfragten Berufen seit dem
Jahr 2003 bis heute entwickelt (bitte nach Jahren und Studien- bzw. Aus-
bildungsgang aufschlüsseln)?
Welches sind nach Auffassung der Bundesregierung die Gründe hierfür?

b) Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, welche Zukunfts-
fähigkeit den in Frage 1 erfragten Ausbildungswegen im internationalen
Vergleich zugeschrieben wird?
Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

6. Ist die Bundesregierung in Bezug auf die Ausbildungssituation im maritimen
Bereich mit den Bundesländern und weiteren Beteiligten im Gespräch?
Wenn ja, mit welchen Zielen und Ergebnissen (bitte auch unter Angabe von
Datum und Teilnehmern der jeweiligen Sitzungen zwischen Bund und Küs-
tenländern), und wenn nein, warum nicht?

7. Wie entwickelte sich in den letzten Jahren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung das Verhältnis zwischen fertig Ausgebildeten bzw. Hochschulabgängern
im maritimen Bereich einerseits und den durch die Reeder bzw. durch den
Staat zur Verfügung gestellten Arbeitsplätzen andererseits pro Jahr (bitte auf-
schlüsseln für die Jahre seit 2003)?

8. Wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung der Nachwuchsbedarf
im Bereich der See- und Hafenlotsen entwickeln, und wie werden die
Bundesregierung bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Küstenländer
auf ein Defizit bzw. einen Überschuss reagieren?

9. Bis wann wird nach Auffassung der Bundesregierung wieder mit einem
Anstieg der Neueinstellungen fertig Ausgebildeter im gesamten maritimen
bzw. insbesondere im nautischen Bereich in Deutschland zu rechnen sein?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1522
10. Wie bewertet die Bundesregierung das Qualifikationsniveau und die
Berufsperspektiven der Absolventen der in Frage 1 erfragten Ausbildungs-
gänge im internationalen Umfeld, und welche Herausforderungen sieht die
Bundesregierung im Vergleich mit der maritimen Ausbildung anderer Staa-
ten?

11. a) Welchen durch wen ermittelten maritimen Ausbildungsbedarf für Berufe
der in Frage 1 erfragten gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in
den Jahren 2003 bis 2013 (bitte jeweils für die einzelnen Jahre angeben)?

b) Mit welchem durch wen ermittelten maritimen Ausbildungsbedarf für
Berufe der in Frage 1 erfragten ist bis zum Jahr 2025 nach Kenntnis der
Bundesregierung zu rechnen (bitte jeweils für die einzelnen Jahre ange-
ben)?

12. Streben Bund bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Küstenländer
eine Reform der maritimen Ausbildung an, und wenn ja, bis wann und in
welcher Form, und wenn nein, warum nicht, und was sind nach Auffassung
der Bundesregierung die Alternativen dazu?

13. a) Inwieweit und bis wann möchte die Bundesregierung die Flaggenstaats-
verwaltung „grundlegend modernisieren und vereinheitlichen“ (siehe
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD von 2013), und welche
Auswirkungen hätte eine solche Reform auf die maritime Ausbildung?

b) Inwieweit und bis wann möchte die Bundesregierung das Schifffahrts-
recht modernisieren (siehe Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
SPD von 2013), strebt sie in diesem Zusammenhang eine Zusammenfüh-
rung sämtlicher maritimen Gesetze an, und wenn nein, warum nicht?

14. Inwieweit wären nach Auffassung der Bundesregierung übergangsweise
bzw. befristete Regelungen, die die Personalkosten auf Schiffen kurzfristig
senken könnten, vorstellbar?

15. Welche Möglichkeiten kämen nach Auffassung der Bundesregierung in
Betracht, um die Mehrkosten für Praktikantenplätze an Bord von Handels-
schiffen zu decken, und welche Rolle könnte dabei zum Beispiel die seit
Dezember 2012 bestehende „Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland“
übernehmen?

16. Wie können nach Auffassung der Bundesregierung fertig ausgebildete
Hochschulabgänger ohne Beschäftigung zum Erhalt ihres Patents regelmä-
ßig Fahrtzeiten auf See anerkennen lassen, wenn ihnen dazu nur einge-
schränkte Möglichkeiten (begrenzte Praxisplätze auf See) zur Verfügung
stehen?

17. Durch welche Maßnahmen wird die Bundesregierung im Rahmen der Pla-
nungen der nächsten Maritimen Konferenz in Bremen im Jahr 2015 zusam-
men mit den Bündnispartnern des Maritimen Bündnisses Lösungsmöglich-
keiten für die aktuellen Probleme in der maritimen Ausbildung finden, und
welche möglichen Konzepte zur nachhaltigen Nachwuchsförderung sind in
diesem Zusammenhang in der Diskussion?

18. a) Wie viele Schiffe unter deutscher Flagge (im sog. Monitoringbestand)
gab es von 2003 bis 2014 (bitte jeweils für die einzelnen Jahre angeben)?

b) Wie hat sich die deutsche Flotte (Eigentum bzw. Flagge) in den Jahren
von 2003 bis 2013 entwickelt (bitte jeweils für die einzelnen Jahre ange-
ben)?

c) Wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung die deutsche
Flotte (Eigentum bzw. Flagge) in den Jahren von 2014 bis 2020 voraus-
sichtlich entwickeln (bitte jeweils für die einzelnen Jahre angeben)?

Drucksache 18/1522 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
d) Welchen Zusammenhang stellt die Bundesregierung fest zwischen der
Größe der deutschen Handelsflotte (Eigentum bzw. Flagge) und den
direkt an Bord beschäftigten Personen (bitte auch für an Bord Beschäf-
tigte deutscher Herkunft angeben)?

19. a) Wie hat sich die Zahl der in Deutschland bereederten Schiffe (gemäß
§ 5a des Einkommensteuergesetzes – EStG/Tonnagebesteuerung) von
2003 bis 2013 entwickelt (bitte jeweils für die einzelnen Jahre angeben)?

b) Wie wird sich nach Einschätzung der Bundesregierung die Zahl der in
Deutschland bereederten Schiffe (gemäß § 5a EStG/Tonnagebesteue-
rung) von 2014 bis 2020 voraussichtlich entwickeln (bitte jeweils für die
einzelnen Jahre angeben)?

20. Wie hoch ist die Zahl der an Land beschäftigten Mitarbeiter in der See-
verkehrswirtschaft in Deutschland aktuell, und wie wird sich nach Ein-
schätzung der Bundesregierung die Zahl von 2014 bis 2020 voraussichtlich
entwickeln?

Berlin, den 21. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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