BT-Drucksache 18/1514

Jugendgarantie in Europa und Deutschland

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1514
18. Wahlperiode 21.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Brigitte Pothmer,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Kai Gehring, Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Elisabeth Scharfenberg,
Ulle Schauws, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Doris Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jugendgarantie in Europa und Deutschland

Am 22. April 2013 verabschiedete der Rat der Europäischen Union die Empfeh-
lung zur Einführung einer Jugendgarantie (2013/C 120/01). Dieses Papier wurde
als Reaktion auf die teilweise dramatisch gestiegenen Jugendarbeitslosigkeits-
quoten in einigen Mitgliedstaaten verabschiedet. Die Notwendigkeit staatlichen
Eingreifens ist vor allem durch die besondere Lebenssituation von jungen Men-
schen gegeben. Diese stehen in ihren Lebensläufen vor weitreichenden Ent-
scheidungen und benötigen klare Perspektiven für den weiteren beruflichen
Werdegang. Gerade in jungem Alter kann Arbeitslosigkeit zu bleibenden Pro-
blemen im weiteren Lebenslauf führen. Neben monetären Problemen müssen
Jugendliche und junge Erwachsene gerade in einer Phase der Orientierung und
persönlichen Entwicklung psychische und emotionale Belastungen tragen. Zu-
dem müssen die Betroffenen lebenslang mit geringeren Arbeitsplatzchancen
und Einkommen und einem höheren Risiko, arbeitslos zu werden, rechnen. Es
ist daher der Ansatz der europäischen Jugendgarantie, jungen Menschen binnen
vier Monaten nach Verlust einer Arbeit oder dem Verlassen der Schule eine
hochwertige Arbeitsstelle bzw. weiterführende Ausbildung oder einen hochwer-
tigen Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz anzubieten.
Dabei sind unterschiedliche Ausgangslagen zu berücksichtigen: Arbeitslosig-
keit trotz guter Qualifikation einerseits und Perspektivlosigkeit nach Verlassen
der Schule andererseits. Während erstere die Suche nach qualifizierten Beschäf-
tigungsmöglichkeiten meint, geht es beim Zweiten um eine Qualifizierungs-
möglichkeit, d. h. vorrangig um einen Studienplatz oder um eine berufliche Aus-
bildung, nachrangig um ein Praktikum. Diese Wege müssen sowohl vor Ort als
auch durch innereuropäische Mobilität unterstützt werden.
Am 8. April 2014 legte die Bundesregierung den nationalen Implementierungs-
plan zur Umsetzung der EU-Jugendgarantie in Deutschland vor (Bundestags-
drucksache 18/1108). Am 8. und 28. April 2014 führte die Europäische Kom-
mission Konferenzen zur Umsetzung der Jugendgarantie bzw. zu den Beschäf-
tigungsbedingungen in der EU durch. Für den Juli 2014 ist eine weitere Konfe-
renz zum Thema Jugendarbeitslosigkeit in Turin geplant, bei der auch die
Umsetzung der Jugendgarantie im Fokus stehen wird.

Drucksache 18/1514 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Jugendarbeitslosigkeit

in den EU-Mitgliedstaaten seit Einführung der Jugendgarantie entwickelt
(bitte Darstellung der Veränderung in den einzelnen Mitgliedstaaten, jeweils
absolut und prozentual und nach höchstem Bildungsabschluss aufgliedern)?

2. Inwieweit hält die Bundesregierung den aktuellen Umsetzungsstand der
Jugendgarantie in Europa für ausreichend?
Welches sind nach ihrer Ansicht die Ursachen dafür?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Verteilung der För-
dermittel aus der Jugendbeschäftigungsinitiative und aus weiteren Förderin-
strumenten gegen die Jugendarbeitslosigkeit (bitte nach den einzelnen Emp-
fängerländern und den jeweiligen Förderinstrumenten aufgliedern), und wel-
che Mittel sind bisher tatsächlich abgeflossen?

4. Wie verläuft nach Wissen der Bundesregierung das Verfahren zum Abruf der
Mittel (bitte einzelne Antrags- und ggf. Vorfinanzierungsschritte darstellen)?
Wie bewertet die Bundesregierung das durch andere Mitgliedstaaten bereits
früh artikulierte Problem der notwendigen Vor- und Mitfinanzierung der Mit-
tel der Jugendbeschäftigungsinitiative durch die Empfängerländer, und in
welcher Form hat sich die Bundesregierung für eine Behebung dieses Pro-
blems eingesetzt?

5. Welche Erkenntnisse über diese Finanzströme und die Verwendung der Mit-
tel haben die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bewogen, in ihrer Rede im
Deutschen Bundestag am 9. April 2014 darzulegen, dass die Mittel bei ge-
nauerem Hinsehen gar nicht abgerufen würden?
Worin sieht die Bundesregierung die Ursache hierfür, und welche Vorschläge
hat sie, um diesen Zustand zu beheben?

6. Ist es nach Sichtung der vorliegenden Implementierungspläne der Mitglied-
staaten für die Bundesregierung ersichtlich, auf welche Bereiche des Arbeits-
markts für Jugendliche in den jeweiligen Mitgliedstaaten der Fokus der In-
strumente gesetzt wird?

7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung belastbare Daten darüber, ob in
den Staaten, die Finanzmittel erhalten, tatsächlich neue, qualitativ hochwer-
tige Beschäftigung für Jugendliche und junge Erwachsene geschaffen werden
kann?
Wenn ja, um welche Daten handelt es sich, und wie hoch sind die prognosti-
zierten Beschäftigtengewinne?
Und wenn nein, warum gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung diese Da-
ten nicht?
Ist in letzterem Falle nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, diese Da-
tenlücke zu schließen, und wenn nein, warum nicht?

8. Sind nach Einschätzung der Bundesregierung die gegenwärtig zur Verfügung
gestellten Mittel und Instrumente zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit
in Europa ausreichend?
Welche Finanzmittel hält die Bundesregierung EU-weit für nötig, um es allen
Mitgliedstaaten der EU zu ermöglichen, die Jugendgarantie umsetzen zu
können?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1514
9. In welchen Bereichen unterstützt die Bundesregierung die anderen europä-
ischen Mitgliedstaaten – über die Mittelbereitstellung zur Umsetzung der
europäischen Jugendgarantie und die inzwischen bekanntermaßen für das
Jahr 2014 gestoppte Initiative MobiPro-EU hinausgehend – in ihrem Kampf
gegen die dortige Jugendarbeitslosigkeit?

10. Gibt es eine Initiative der Bundesregierung, um deutsche Unternehmen an
ihren Standorten in EU-Staaten mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zum Auf-
bau zusätzlicher Ausbildungs- oder Trainee-Programme zu motivieren?
Falls ja, wie ist diese Initiative ausgestaltet?
Falls nein, warum nicht?
Liegen der Bundesregierung Informationen über entsprechende Aktivitäten
vonseiten der deutschen Wirtschaft und deren Verbänden und Organisatio-
nen vor?
Wenn ja, welche sind diese?

11. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung von Teilnehmern
der April-2014-Konferenzen zur Jugendgarantie, wonach diese auf junge
Arbeitnehmer zwischen 25 und 30 Jahren ausgedehnt werden soll?

12. Welche konkreten Beschlüsse und Erkenntnisse sind aus Sicht der Bundes-
regierung auf der Konferenz zum Thema Jugendarbeitslosigkeit am 11. Juli
2014 in Italien zu erwarten?
Mit welchen Positionen wird sich die Bundesregierung an dieser Konferenz
beteiligen?

13. Wann sind nach Ansicht der Bundesregierung auch nicht entlohnte Praktika
als „hochwertige Praktika“ im Sinne der Jugendgarantie anzusehen?
Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für geeignet, um einen mög-
lichen Missbrauch von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als kosten-
lose und ggf. auch noch staatliche bezuschusste Arbeitskräfte zu verhin-
dern?

14. Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung in ihrem nationalen Imple-
mentierungsplan zur Umsetzung der EU-Jugendgarantie in Deutschland da-
von spricht, die Empfehlungen der Jugendgarantie seien in Deutschland
„bereits weitgehend erfüllt“, welche Aspekte der Jugendgarantie sieht die
Bundesregierung in Deutschland als bisher nicht erfüllt an?
Welche konkreten Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um die
entsprechenden Probleme zu beheben?

15. Inwiefern sieht die Bundesregierung das im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und SPD vorgesehene Ziel einer Ausbildungsgarantie als Bei-
trag zur Jugendgarantie in Deutschland an?
Wie müsste aus Sicht der Bundesregierung eine solche Garantie ausgestaltet
sein, um – wie in der Jugendgarantie vorgesehen – allen Jugendlichen und
jungen Erwachsenen unabhängig von ihrem bisherigen Bildungsstand eine
hochwertige Arbeitsstelle, eine weiterführende Ausbildung oder einen
hochwertigen Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz zu garantieren?

16. Inwiefern hält die Bundesregierung Maßnahmen im Übergangssektor zwi-
schen Schule und Ausbildung, in denen sich Jugendliche und junge Erwach-
sene teils mehrere Jahre in Warteschleifen befinden, für geeignet, um dem
Anspruch der Jugendgarantie gerecht zu werden, dass Schulungsangebote
im Sinne der Jugendgarantie zu einer anerkannten Berufsqualifikation füh-
ren sollen?

Drucksache 18/1514 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
17. Aus welchen Gründen hält es die Bundesregierung angesichts der bis-
herigen Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa für gerecht-
fertigt, das Programm MobiPro-EU – wie im Ausschuss für Arbeit und
Soziales des Deutschen Bundestages am 7. Mai 2014 von der Bundesminis-
terin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles angekündigt – ab dem Jahr
2015 auf maximal 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer jährlich zu be-
grenzen?

18. Wie ist in diesem Zusammenhang die Äußerung eines Sprechers des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu verstehen, die weitere Pla-
nung von MobiPro-EU orientiere sich „vorrangig nicht an einem Bedarf
bezüglich der ausbildungsinteressierten Menschen“, sondern „an den zur
Verfügung stehenden Haushaltsmitteln“ (vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/
soziales/jobprogramm-fuer-jugendliche-regierung-kuerzt-programm-
mobiproeu-a-968074.html), und umfasst dieses Statement auch die Haltung
der Bundesregierung zur Jugendgarantie?

19. Spielt die europäische Jugendarbeitslosigkeit und das Ziel ihrer Senkung
eine Rolle bei den Gesprächen der Bundesregierung zur Vereinbarung einer
Allianz für Aus- und Weiterbildung, die im Koalitionsvertrag vereinbart ist?
Wenn ja, wie?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 21. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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