BT-Drucksache 18/1468

Mögliche Mängel an Wasserwerfer WaWe 10000

Vom 8. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1468
18. Wahlperiode 08.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Halina Wawzyniak, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Mängel an Wasserwerfer WaWe 10000

Bei einem Test eines neuen Wasserwerfers vom Typ WaWe 10000 durch die
Thüringer Polizei wurde das 33 Tonnen schwere und rund 900 000 Euro teure
Fahrzeug durch Würfe von Eiern, Tennisbällen und halbgefüllten 0,5 Liter-Plas-
tikflaschen beschädigt. Steine oder Brandsätze wurden von den in der Simula-
tion als „gewaltbereite Demonstranten“ fungierenden Bereitschaftspolizisten
nicht geworfen. Durch die Wurfgeschosse entstanden an der aus Polycarbonat
gefertigten Panzerverglasung des Fahrzeugs drei faustgroße Schäden. Eine ent-
sprechende Schadensmeldung ging dem Bundesministerium des Innern zu, das
für die Beschaffung des WaWe 10000 für die Länder zuständig ist. Die Bundes-
regierung hat beim österreichischen Hersteller um eine Stellungnahme gebeten
(www.spiegel.de/panorama/polizei-beschaedigt-wasserwerfer-mit-eiern-und-
tennisbaellen-a-965429.html). Ein Musterfahrzeug wurde im Jahr 2009 für die
Bereitschaftspolizeien der Länder beschafft, im Jahr 2010 erprobt und dann zur
Herstellerfirma zurückgeschickt „zur Beseitigung von während der Erprobung
festgestellter Schwachstellen“ (Sachinformation des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages vom 5. Oktober 2010). Für die Bereitschaftpolizeien
der Länder sollten dann noch im selben Jahr zwei weitere beschafft, im Jahr
2011 drei weitere ausgeliefert und auf die Länder Hamburg, Berlin, Baden-
Württemberg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen verteilt werden (ebd.). Nach
Herstellerangaben soll die Kabine dieses Typs „höchste Schutzwirkung bei
Durchstich sowie Steinbewurf aufweisen. Selbst bei einem Versuch des Wurfs
mit einer Gehwegplatte aus dem dritten Stockwerk […] war […] die Sicherheit
[…] gewährleistet“ (Feuerwehrmagazin vom 27. November 2009).
Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2005 werden
die bislang bei Bundes- und Länderpolizeien eingesetzten Wasserwerfer des
Typs WaWe 9000 durch neue Wasserwerfer vom Typ WaWe 10000 COBRA der
österreichischen Firma Rosenbauer International AG ersetzt. Konkret sollen
20 Wasserwerfer der Bundespolizei in den Jahren 2012 bis 2019 und 58 Wasser-
werfer der Länderpolizeien zwischen den Jahren 2009 und 2019 durch neue
Fahrzeuge ersetzt werden (Bundestagsdrucksache 17/3977).
Gemäß § 12 des am 18. November 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Firma Rosenbauer International AG geschlossenen Vertrages über
die Lieferung von Wasserwerfern kann die Bundesrepublik Deutschland von
dem Vertrag jederzeit aus einem wichtigen Grund, der auch in der mehrfachen
Lieferung mängelbehafteter Fahrzeuge bestehen kann, zurücktreten (Bundes-
tagsdrucksache 17/3977).
Während Wasserwerfer polizeirechtlich nur als „Hilfsmittel der körperlichen
Gewalt“ eingestuft werden, kommt es durch ihren Einsatz immer wieder zu

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schweren Verletzungen oder sogar Todesfällen von Demonstrantinnen und De-
monstranten. Für Kritik sorgte insbesondere ein Wasserwerfereinsatz anlässlich
einer Großdemonstration gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21,
bei der am 30. September 2010 zahlreiche friedliche Demonstrantinnen und
Demonstranten verletzt wurden und ein Rentner ein Auge verlor. Der mehrere
Opfer des Wasserwerfereinsatzes behandelnde Chefarzt der Stuttgarter Augen-
klinik, Professor Egon Georg Weidle, bezeichnete Wasserwerfer anschließend
als „eine gefährliche Waffe […] die ein hohes Verletzungsrisiko für den Kopf-
bereich und insbesondere die Augen birgt“ (www.t-online.de/auto/neuheiten/
nutzfahrzeuge/id_43575116/wawe-10000-kritik-an-neuem-super-wasserwerfer.
html).
Offensichtlich sind wachsendes Verletzungsrisiko für Demonstrantinnen und
Demonstranten und nach Auffassung der Fragesteller bis ins Lächerliche rei-
chende gravierende technische Mängel auch bei diesem High-Tech-Fahrzeug
kein Widerspruch.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Über wie viele Wasserwerfer verfügen die Bundespolizei und nach Kenntnis

der Bundesregierung die Polizeien der Länder zurzeit (bitte nach Typ, Bau-
jahr und Landes- bzw. Bundespolizei aufgliedern)?

2. Wie viele Wasserwerfer vom Typ WaWe 10000 wurden bereits von der Bun-
despolizei und nach Kenntnis der Bundesregierung von den Länderpolizeien
angeschafft (bitte Anzahl, Beschaffungsjahr, Polizeibehörde benennen und
angeben, ob es sich um die Ersetzung alter Wasserwerfer oder die Auf-
stockung des bisherigen Bestandes handelte)?

3. Wie viele Wasserwerfer vom Typ WaWe 10000 sollen noch bis wann von
welchen Polizeibehörden des Bundes und nach Kenntnis der Bundesregie-
rung der Länder angeschafft werden (bitte Anzahl, Beschaffungsjahr, Polizei-
behörde benennen und angeben, ob es sich um die Ersetzung alter Wasser-
werfer oder die Aufstockung des bisherigen Bestandes handelte)?

4. Was passiert nach Kenntnis der Bundesregierung mit den alten Wasserwer-
fern (bitte jeweils nach Polizeibehörde, Modell und Anschaffungsjahr auflis-
ten)?

5. Wie viele Beförderungen oder Neueinstellungen von Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten jeweils des einfachen, mittleren, gehobenen und höheren
Dienstes ließen sich mit 70,2 Mio. Euro vornehmen?

6. Welche „Schwachstellen“ ergaben sich bei dem im Jahr 2010 durchgeführten
Test des neuen Wasserwerfers, wurden sie vollständig behoben, und wer hat
den damaligen Test für das Bundesministerium des Innern verantwortlich
durchgeführt?

7. Wurde nach der gemeldeten Behebung der „Schwachstellen“ der Test wie-
derholt?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

8. Wann, wo und unter welchen Umständen fand nach Kenntnis der Bundesre-
gierung der Test des WaWe 10000 durch die Thüringer Polizei statt, bei der
das Fahrzeug beschädigt wurde, und mit welchen Gegenständen wurde aus
welcher Entfernung auf das Fahrzeug geworfen?

9. Zu welchen Schäden ist es nach Kenntnis der Bundesregierung bei dem Test
des Wasserwerfers WaWe 10000 durch die Thüringer Polizei im Einzelnen
gekommen?

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10. Welche Erklärungen liegen der Bundesregierung vonseiten der Thüringer
Polizei bzw. des Thüringer Innenministeriums vor, wie es zu dem Schaden
am WaWe 10000 durch den Test gekommen ist?

11. Wer hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Versuchsanordnung
(mit Eiern bewaffnete Bereitschaftspolizisten vs. einen Wasserwerfer) aus-
gedacht, und wurden die für die Beschädigung Verantwortlichen ermittelt
und ggf. bereits zur Rechenschaft gezogen?

12. Hat die Bundesregierung die Video- bzw. Festplattenaufzeichnung des Pro-
beeinsatzes, die dieser Typ WaWe technisch ermöglicht, angefordert und ge-
prüft?
Wenn nein, warum nicht?

13. Liegt der Bundesregierung bereits die erbetene Stellungnahme der Firma
Rosenbauer International AG vor, und wenn ja, wie erklärt die Hersteller-
firma die Beschädigung des WaWe 10000 durch Eier, Plastikflaschen und
Tennisbälle?
Welche weiteren Erklärungen hat die Bundesregierung für diese Schäden?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein High-Tech-Wasserwerfer,
dessen Frontscheibe bereits beim Bewurf durch Eier, Tennisbälle und halb-
volle Plastikflaschen beschädigt wird, diensttauglich für die Zwecke ist, für
die er bei der Bundespolizei und den Landespolizeien angeschafft wurde?

15. Gibt es auch eine Sonderausstattung des WaWe 10000, die die Schäden,
Beulen oder Schrammen verhindert, und wenn ja, wie viel mehr hätte diese
gekostet, und warum hat die Bundesregierung von einer Anschaffung der-
selben abgesehen?

16. Welche möglichen weiteren Mängel des WaWe 10000 sind der Bundes-
regierung aufgrund von weiteren Tests sowie der Einsatzpraxis durch die
Bundespolizei und die Polizeien der Länder bekannt geworden?

17. Gedenkt die Bundesregierung, den WaWe 10000 erneut zu testen, und wenn
ja, wann, und in welcher Form?

18. Inwieweit besteht bei der Bundesregierung die Absicht, aufgrund von
Mängeln am WaWe 10000 vom Vertrag mit der Firma Rosenbauer Interna-
tional AG zurückzutreten?

19. Wie bewertet die Bundesregierung das Sicherheitsrisiko der eingesetzten
Beamten im Inneren des Wasserwerfers, wenn dieser mit beschädigter
Frontscheibe weiterhin zu Einsätzen geschickt wird, auch vor dem Hinter-
grund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten?

20. Müssen die Beamten im WaWe 10000, aufgrund der offenbar zerbrech-
lichen Außenhöhle des Fahrzeugs, bei Einsätzen in voller Schutzkleidung
(Kampfmontur) und behelmt Platz nehmen, und wenn ja, ist dies aus Sicht
der Bundesregierung ein ausreichender Schutz?

21. Welche Ergebnisse hat die ab dem Jahr 2012 zugesagte retrospektive Erfas-
sung und Bewertung der Einsatzdaten von Wa-We-Einsätzen im Zuständig-
keitsbereich der Länder (siehe Sachinformation für den Haushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages) erbracht?

22. In wie vielen und welchen Fällen kamen seit dem Jahr 2011 Wasserwerfer
der Bundespolizei und nach Kenntnis der Bundesregierung der Länderpoli-
zeien zum Einsatz (bitte einzeln aufzählen und vermerken, ob die Wasser-
werfer dabei nur in Bereitschaft standen, ob Wasserstöße abgegeben wurden
und in welchen Fällen Reizgase dem Wasser beigemischt wurden. Dabei
bitte auch Einsätze berücksichtigen, die von der Bundespolizei unter Kom-
mando einer Landespolizei durchgeführt worden waren sowie in wie vielen
Fällen dabei der WaWe 10000 zum Einsatz kam)?

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23. In wie vielen und welchen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Zusammenhang mit Wasserwerfereinsätzen seit dem Jahr 2011
Demonstrationsteilnehmende, Polizeibeamte oder Unbeteiligte verletzt
(bitte einzeln aufzählen und Art der Verletzung sowie die jeweilige Be-
teiligung des WaWe 10000 angeben)?

24. Inwieweit erscheint der Bundesregierung die Einstufung von Wasser-
werfern als bloßes „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ und damit sehr
niedrigschwelligen Einsatzvoraussetzungen, angesichts der technischen
Hochrüstung der Fahrzeuge und angesichts der Vielzahl schwerer Verlet-
zungen schon durch den Einsatz der Vorläufertypen in den letzten Jahr-
zehnten, noch für gerechtfertigt?

Berlin, den 7. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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