BT-Drucksache 18/1456

Berufliche Bildung sichern - Jungen Menschen Zukunftschancen bieten

Vom 21. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1456
18. Wahlperiode 21.05.2014

Antrag
der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Brigitte Pothmer, Kai
Gehring, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Ulle Schauws, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Berufliche Bildung sichern – Jungen Menschen Zukunftschancen bieten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die statistischen Zahlen zum deutschen Ausbildungsmarkt vermitteln auf den ers-
ten Blick einen soliden Eindruck. Die inzwischen mehrere Jahre andauernde stabile
wirtschaftliche Entwicklung, die demographische Entwicklung und das lobenswer-
te Engagement derjenigen Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten, haben zu
prinzipiell günstigen Rahmenbedingungen auf dem Ausbildungsmarkt geführt. Vor
diesem Hintergrund ist unumstritten, dass sich das duale Ausbildungssystem der
Bundesrepublik Deutschland in seinen Grundzügen bewährt hat.

Es ist erfreulich, dass ein beträchtlicher Teil der jungen Menschen in der Bundes-
republik Deutschland ein für sie passendes Bildungsangebot findet, motiviert ist
und sich qualifizieren möchte und hierfür auch die entsprechende Unterstützung
findet. Gerade mit Blick auf die teils schockierende Höhe der Jugendarbeitslosig-
keit in zahlreichen Ländern der EU kann ein großer Teil unserer jungen Generation
mit Zuversicht in ihre berufliche Zukunft blicken. Dies entbindet uns jedoch nicht
von der solidarischen Verantwortung für die Perspektiven der Jugend in Europa.
Und es darf auch nicht den Blick auf die Herausforderungen im eigenen Land ver-
stellen:

Die Zahlen des Berufsbildungsberichts 2014 bestätigen gleich in mehreren zentra-
len Bereichen bedenkliche Entwicklungen der letzten Jahre. Verschiedene negative
Trends auf dem Ausbildungsmarkt haben sich verfestigt, da es in den letzten Jahren
verpasst wurde, das erfolgreiche duale System an den durchaus bestehenden
Schwachpunkten zu modernisieren und zu verbessern.

So ist im vergangenen Jahr der Anteil der überhaupt noch ausbildenden Unterneh-
men mit 21,3 Prozent erneut auf einen historischen Tiefstand gefallen. Eine be-
drohliche Situation, berücksichtigt man die von Seiten der Wirtschaft immer lauter
vorgebrachten Warnungen vor den Konsequenzen des Fachkräftemangels in eini-
gen Branchen. Wenn nur noch ein gutes Fünftel der Unternehmen in Deutschland
ausbildet, führt dies einerseits dazu, dass immer weniger ausbildungswillige Unter-
nehmen alleine die Gemeinwohlverpflichtung der Ausbildung des Nachwuchses
schultern. Andererseits müssen sich die jungen BewerberInnen an die Anforderun-
gen von immer weniger Unternehmen anpassen – und werden dabei nicht selten

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mit Anforderungen konfrontiert, die sie aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen
können. Gerade hier wirkt sich die regional höchst unterschiedliche Verteilung von
Ausbildungsangeboten massiv auf die jeweiligen Zugangschancen von jungen
Menschen aus.

Es ist daher nötig, Strukturen zu schaffen, in denen gerade kleine Unternehmen
und Unternehmen ohne gewachsene Ausbildungstradition für die berufliche Aus-
bildung gewonnen werden können. Insbesondere in Unternehmen ohne Ausbil-
dungstradition sollte für ein Engagement geworben und entsprechende Aktivitäten
gefördert und unterstützt werden.

Auch wenn die deutsche Wirtschaft laut nach Nachwuchs ruft, bleiben viel zu viele
Jugendliche, die sich um einen Ausbildungsvertrag bemühen, im ersten Jahr ihrer
Suche erfolglos. Allein 2013 landeten 257 626 Jugendliche im Übergangssystem
statt in einer Ausbildung. Dabei ist inzwischen bekannt, dass das Übergangssystem
keine gesicherte Zukunftsperspektive eröffnet. Denn es führt nicht zielstrebig auf
einen Berufsabschluss hin – in zehntausenden Fällen durchlaufen junge Menschen
sogar faktisch Übergangsschleifen, die sie dem Ziel einer abgeschlossenen Berufs-
ausbildung und entsprechender Berufsperspektiven keinen Schritt näher bringen.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU greift den Bereich der
beruflichen Bildung zwar vielfach auf. Allerdings bleibt völlig unklar, wohin die
Reise gehen soll. Statt messbare Ziele wurden lediglich Prüfaufträge vereinbart. Zu
der im Koalitionsvertrag erwähnten „Ausbildungsgarantie“ sind nach Aussage der
Bundesregierung „konkretere Angaben (…) im jetzigen Stadium nicht möglich“
(Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 34 und 35 der Kleinen Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 03.03.2014). Selbst das in vielen Bun-
desländern erfolgreich eingesetzte Element einer Jugendberufsagentur will die
Bundesregierung offenbar nur ideell unterstützen. Auch die bisher vorliegenden
Entwürfe für den Bundeshaushalt 2014 lassen überhaupt kein Engagement der
Koalition im Rahmen der einschlägigen Programme erkennen.

Bisher ist also nicht absehbar, wie die Große Koalition die Herausforderungen in
der beruflichen Bildung angehen will. Die genannte „Ausbildungsgarantie“ droht
so eine leere Floskel ohne tatsächliche Verbesserungen für die Jugendlichen zu
bleiben. Im Gegensatz dazu hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits
in den letzten Legislaturperioden mit dem Konzept DualPlus einen konkreten Weg
dahin aufgezeigt.

Die Herausforderungen in der beruflichen Bildung sind jedoch seit langem bekannt
und benannt. Immer noch verfügen knapp 1,4 Millionen Menschen zwischen 20
und 29 Jahren über keinen formalen beruflichen Abschluss (13,5 Prozent). Daher
ist rasches Handeln nun nötig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. endlich die notwendigen Strukturreformen zur Modernisierung und Öffnung
der beruflichen Bildung umzusetzen, die wenig effizienten Maßnahmen des
bisherigen Übergangssystems in eine effektive Förderung zu überführen, die
betriebliche Ausbildung konjunkturunabhängiger zu machen, individuelle
Lern- und Ausbildungspfade zu ermöglichen und Ausbildungsbetriebe besser
zu unterstützen. Dabei müssen die Qualität des bewährten dualen Berufsbil-
dungssystems und die Gliederung in Berufsbildern gewährleistet bleiben. Ins-
besondere ist es notwendig,

a) das Berufsbildungssystem durchlässiger zu gestalten und Übergänge zu er-
leichtern, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden und die Motivation von
Auszubildenden zu stärken. Hierfür soll die Berufsausbildung so organi-

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siert werden, dass die Anerkennung und Anrechnung von Ausbildungs-
bausteinen erleichtert wird;

b) das Risiko der Auflösung von Ausbildungsverträgen durch eine bessere
Ausbildungsberatung und durch mehr ausbildungsbegleitende Unterstüt-
zungsangebote, sowohl für die Jugendlichen wie auch für ausbildende Be-
triebe, nachhaltig zu verringern;

c) die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe nachhaltig zu stärken, indem die
Lernortkombination vorangetrieben und insbesondere Unternehmen ohne
Ausbildungstradition, kleineren Betrieben und sehr spezialisierten Betrie-
ben die Möglichkeit eröffnet wird, betriebliche Ausbildung in Form von
einzelnen Ausbildungsbausteinen innerhalb eines Berufsbildes anzubieten;

d) überbetriebliche Ausbildungsstätten (ÜBS) als zusätzliche Träger der
Ausbildung auf- bzw. auszubauen und zusätzliche Ausbildungsplätze nach
dem dualen Prinzip mit hohen betrieblichen Anteilen anzubieten;

e) die individuelle Förderung von Auszubildenden zu verbessern und für
Leistungsschwächere eine zusätzliche Förderung insbesondere durch
überbetriebliche Ausbildungsstätten zu ermöglichen. Leistungsschwächere
sollen mehr Lernzeit bekommen, um Ausbildungsbausteine abzulegen
oder einen passgenauen Förderkurs zu absolvieren. Für leistungsstarke
Auszubildende sollen zusätzlich allgemeinbildende Module angeboten
werden, die auch zur Fachhochschulreife führen können;

f) sich im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention dafür einzusetzen,
dass Menschen mit Behinderungen regelmäßig die Ausbildung in aner-
kannten Ausbildungsberufen ermöglicht wird. Dazu müssen auch mehr
bundesweite Musterregelungen zur Qualitätssicherung angepasster Aus-
bildungsgänge für Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinde-
rung keine vollständige Ausbildung in einem anerkannten Beruf machen
können, geschaffen werden;

2. zu mehr Qualitätssicherung in der Ausbildung beizutragen, etwa indem die
Kammern angehalten werden, Qualitätsanforderungen in der Ausbildung stär-
ker zu überprüfen, und Verstöße gegen gesetzliche Rahmenbedingungen wie
etwa das Jugendarbeitsschutzgesetz umgehend zu sanktionieren;

3. die Beratung bei der BA zu verbessern, indem die Kooperation mit den jewei-
ligen Verantwortlichen der Jugend- und Bildungsarbeit gefördert, verstärkt und
institutionalisiert wird. Auf die Erfolge und Erfahrungen von Initiativen, wie
beispielsweise der Jugendberufsagenturen, soll dabei zurückgegriffen werden.
Bei der Wahl der Ausbildung muss die individuelle Beratung und Förderung
einen höheren Stellenwert erhalten und etwa auch das Überwinden geschlech-
terstereotypen Berufswahlverhaltens unterstützt werden. Auch die Ergebnisse
der Kompetenzfeststellungen aus den Maßnahmen der Berufsorientierung
müssen bei der Beratung stärker berücksichtigt werden; hierfür soll die Bun-
desregierung Vorschläge unterbreiten, welche gesetzlichen Vorschriften für
derartig institutionalisierte Kooperationen ggf. notwendig sind. Zu berücksich-
tigen sind dabei die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Gebiets-
körperschaften mit jeweils unterschiedlichen Herausforderungen und Aus-
gangslagen;

4. für mehr Transparenz und Klarheit in den Statistiken der BA zu sorgen, um die
notwendigen Schlüsse für das Übergangsmanagement zwischen Schule und
Ausbildung ziehen zu können. Vor allem sind nur diejenigen Bewerberinnen
und Bewerber als „versorgt“ zu zählen, die nicht auf Ausbildungsplatzsuche
sind und deren Vermittlungsauftrag beendet wurde. Die „Bewerber mit Alter-
native zum 30.09.“, die weiter auf Ausbildungssuche sind, sollten nicht als
„versorgte Bewerber“ bezeichnet werden. Um die Gruppe der „unbekannt ver-

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bliebenen Bewerber“ zu reduzieren und sie entsprechend als „versorgt“ oder
„unversorgt“ erfassen zu können, müssen die Anstrengungen erhöht werden,
den weiteren Verbleib dieser Jugendlichen festzustellen. Die Statistiken sollten
ein möglichst reales Abbild widergeben, statt die Lage tendenziell zu beschö-
nigen;

5. die Vielzahl der Programme und Initiativen im Bereich des Übergangsmana-
gements der verschiedenen Ressorts auf Bundes- und Länderebene, die das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Jahr 2010 erfasst hat, unter Be-
teiligung der Länder zügig zu straffen und ihre Wirksamkeit zu verbessern. Die
im Koalitionsvertrag angekündigte Evaluation muss hierbei Grundlage eines
umfassenden Prozesses sein, um für eine effizientere und mehr auf Anschluss-
fähigkeit der Maßnahmen ausgerichtete Verwendung der Mittel zugunsten der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu sorgen;

6. den Ankündigungen des Koalitionsvertrags eine neue „Allianz für Aus- und
Weiterbildung“ zu gründen schnell Taten folgen zu lassen. Dabei sollen – an-
ders als beim bisherigen Ausbildungspakt – alle relevanten Akteure beteiligt
werden: die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kultusministerkonferenz so-
wie die Integrationsbeauftragte, die Behindertenbeauftragte und die Träger der
beruflichen Bildung. Ziel der Allianz muss die zügige Weiterentwicklung der
beruflichen Bildung durch eine umfassende und konsistente Verbesserung der
Übergänge von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in die
Beschäftigung oder das Studium sein;

7. das Kooperationsverbot in der Bildung aufzuheben, wodurch dem Bund er-
möglicht werden soll:

a) im Bereich der beruflichen Bildung gemeinsam mit den Ländern auch die
beruflichen Schulen und die sie unterstützenden Angebote wie etwa Über-
betriebliche Ausbildungsstätten kontinuierlich und nachhaltig zu fördern;

b) Maßnahmen zur Sprachbildung als individuelle Förderung von Deutsch als
Bildungssprache von der frühkindlichen Bildung über die Schulzeit bis in
die berufliche Ausbildung zu unterstützen und damit den Ausbildungser-
folg von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshinter-
grund nachhaltig zu verbessern;

c) gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Transformation des derzeiti-
gen beruflichen Bildungssystems zu einem inklusiven System, das auch
den Belangen von Jugendlichen aus sozialen, finanziellen oder bildungser-
schwerenden Risikolagen sowie von behinderten Auszubildenden gerecht
wird, anzugehen und nicht nur Berufsbildungswerke, sondern auch die be-
ruflichen Schulen sowie die Betriebe und Kammern dabei zu unterstützen;

d) gemeinsam mit den Ländern Angebote wie die Programme zu Bildungs-
ketten und Berufsorientierung so auszugestalten und auszustatten, dass alle
Schulen unabhängig von der Schulform, spätestens ab Klasse 7 davon pro-
fitieren können;

8. den wiederholten Ankündigungen, die Durchlässigkeit des Bildungssystems im
Bereich der Studienabbrecher zu verbessern, endlich Taten folgen zu lassen.
Junge Menschen, die nach einem Studienabbruch in die berufliche Bildung
streben, sollen ihre an einer Hochschule erbrachten Leistungen für die berufli-
che Aus-, Fort- und Weiterbildung anrechnen lassen können. Für eine entspre-
chende Umsetzung in den Ausbildungsordnungen und Curricula soll das Bun-
desministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit den Sozialpartnern
und Ländern sorgen;

9. bei der Bekämpfung der historisch hohen Jugendarbeitslosigkeit in zahlreichen
Ländern der EU aktiv Verantwortung zu übernehmen und die europäische So-

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lidarität zu stärken. Es muss sichergestellt werden, dass die Mittel des EU-
finanzierten Sonderfonds, die in Regionen mit sehr hoher Jugendarbeitslosig-
keit eingesetzt werden, auch tatsächlich zu einer Verbesserung der Lage der
jungen Menschen führen. Hierzu ist die Wirksamkeit der Maßnahmen zu kon-
trollieren. Der EU-Fonds muss bei Bedarf erhöht werden, falls die Mittel für
nachweisbar wirksame Aktivitäten in den betroffenen Mitgliedstaaten nicht
ausreichen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung ihre Programme des in-
ternationalen Austauschs und der Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung
stärken.

Berlin, den 20. Mai 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Am 8. April 2014 wurde der Berufsbildungsbericht 2014 vom Bundeskabinett beschlossen. Die Erkenntnisse
des Berichts bestätigen die Trends der letzten Jahre: weniger Ausbildungsverträge (530 700 bzw. -3,7 Pro-
zent), eine geringere Ausbildungsquote bei Unternehmen (21,3 Prozent bzw. -0,4 Prozentpunkte), ein immer
noch viel zu großer Übergangssektor (257 626 Neuzugänge) und ein zunehmendes Passungsproblem zwi-
schen Bewerbern und Anbietern. Gerade daher besteht innerhalb des Systems der dualen Ausbildung be-
schriebener Handlungsbedarf.

Das duale System wird als Referenzmodell in Europa und der Welt bezeichnet. Im europäischen Kontext
wird der Export der dualen Ausbildung angeregt. Dies darf jedoch nicht den Blick auf die eigenen Herausfor-
derungen verstellen. Bedauerlicherweise ist es nämlich eben nicht so, dass das duale System in der gegenwär-
tigen Form ohne Mängel und Probleme wäre. Nicht nur der Berufsbildungsbericht 2014, sondern auch exter-
ne Untersuchungen unterstreichen diese Bewertung erneut. So kritisiert eine McKinsey-Studie vom Januar
2014 vor allem die immer noch geringe Beratungszufriedenheit von Jugendlichen hinsichtlich ihrer Berufs-
perspektiven in Deutschland. Demnach würden gerade einmal 32 Prozent der jungen Menschen noch einmal
den von ihnen eingeschlagenen Ausbildungszweig wählen. Diese Bewertung birgt das Potenzial für lebens-
lange Unzufriedenheit mit der beruflichen Zukunft. Es ist höchste Zeit, dass das Sammelsurium an Program-
men und Angeboten gelichtet wird, um effizientere und flächendeckende Strukturen zu schaffen. Hier ist
jahrelange nichts geschehen.

Leider gehört es immer noch zur Lebensrealität vieler junger Menschen, dass ihre berufliche Laufbahn eben
nicht in geraden und abschlussorientierten Bahnen läuft, sondern durch verschiedene Hürden und Umwege
gekennzeichnet ist. Vielfach finden Jugendliche nach dem Schulabschluss keine für sie geeignete Ausbil-
dungsstelle. Immer wieder unterstellen potenzielle Ausbildungsbetriebe den Jugendlichen eine „fehlende
Ausbildungsfähigkeit“. Derartige Äußerungen sind jedoch mehr ein Ausdruck der Hilflosigkeit und ein Hin-
weis auf systemische Probleme, als ein Beitrag zur Lösung des Problems zu sein. Denn immerhin verfügten
51,4 Prozent der jungen Menschen im Übergangsbereich über einen Hauptschul- und 25,3 Prozent sogar über
einen Realschul- oder gleichwertigen Abschluss.

Die schwarz-rote Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag eine neu aufgestellte Allianz für Aus- und Weiter-
bildung angekündigt. Darin sollen endlich auch die bereits seit langem bekannten Fehlentwicklungen im
bisherigen Ausbildungspakt aufgegriffen werden. So ist eine Beteiligung aller relevanten Akteure, insbeson-
dere der Gewerkschaften, dringend geboten. Entscheidend wird jedoch sein, welche messbaren Verbesserun-
gen die neue Allianz erwirken kann.

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Es muss verhindert werden, dass die Ankündigung einer wie auch immer gearteten Ausbildungsgarantie zu
einem Papiertiger wird. Bisher liegen hierzu überhaupt keine Konzepte der Bundesregierung vor. Entschei-
dend für die jungen Menschen ist nämlich nicht, durch schöne Worte hohe Erwartungen zu wecken. Viel-
mehr geht es darum, jungen Menschen eine verbindliche Perspektive zu geben. Statt sie in oft sinnlose War-
teschleifen zu schicken, muss die Politik dafür sorgen, dass tatsächlich keine und keiner verloren geht. Hier-
für müssen grundlegende Reformen angestoßen werden, wie sie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
auch schon in den letzten Legislaturperioden mit dem Konzept „DualPlus“ vorgeschlagen hat.

Auch im Bereich der Durchlässigkeit der Bildungspolitik darf sich die Große Koalition nicht die Ankündi-
gungspolitik von Schwarz-Gelb zu Eigen machen. Das aus dem Haus von Bundesministerin Wanka ange-
kündigte „Konzept“ zur Eingliederung von Studienabbrechern in die berufliche Ausbildung besteht weiterhin
nur aus wiederholten Absichtserklärungen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Bundesre-
gierung daher auf, endlich konkret zu werden und die dann notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Es ist Zeit, den Stillstand im System der beruflichen Bildung zu beenden und tatsächlich einen entsprechen-
den Politikwechsel voranzutreiben. Hin zu mehr Verantwortung, tatsächlich allen jungen Menschen berufli-
che Zukunftsperspektiven zu eröffnen.

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