BT-Drucksache 18/1428

Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gülen-Bewegung

Vom 14. Mai 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/1428
18. Wahlperiode 14.05.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Andrej Hunko und der
Fraktion DIE LINKE.

Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gülen-Bewegung

Nach Medienberichten über „Gehirnwäsche, Mobbing und Gewalt an Bildungs-
einrichtungen“, die der Gülen-Bewegung in Deutschland nahestehen sollen,
sprachen sich mehrere Landes- und Bundespolitikerinnen und -politiker für eine
Überprüfung und mögliche Neubewertung dieser bislang nicht als verfassungs-
feindlich eingestuften türkisch-islamischen Strömung aus. So forderte der rhein-
land-pfälzische Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur, Roger Lewentz,
in einem Brief an den Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, dass
sich die Innenministerkonferenz mit der Thematik befassen solle (www.spiegel.
de/politik/ausland/guelen-bewegung-politiker-fordern-aufklaerung-ueber-
islamische-gemeinde-a-952152.html). Im April 2014 wurde nach Angaben von
Roger Lewentz eine offene Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter rheinland-pfälzi-
schem Vorsitz eingerichtet, um die Gülen-Bewegung auf eine mögliche verfas-
sungsschutzrechtliche Relevanz zu prüfen (www.rlp.de/no_cache/einzelansicht/
archive/2014/april/article/guelen-bewegung-pruefen/).
Als offizieller Ansprechpartner der sich selbst als Hizmet-Bewegung bezeich-
nenden Gülen-Bewegung tritt in der Bundesrepublik Deutschland die Stiftung
Dialog und Bildung auf. Daneben rechnen Beobachter wie die Evangelische
Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und die Stiftung Wissenschaft und Po-
litik (SWP) der Gülen-Bewegung mehr als 20 Privatschulen, rund 300 Nachhil-
fezentren, den Bundesverband der Unternehmervereinigungen e. V. (BUV) mit
20 Mitgliedsvereinen und 5 000 Unternehmen, die World Media Group AG mit
der größten türkischsprachigen Tageszeitung „ZAMAN“ und eine Reihe soge-
nannter Dialogvereine zu (www.ekd.de/ezw/Lexikon_2487.php; Günter Seufert:
„Überdehnt sich die Bewegung von Fethullah Gülen? Eine türkische Religions-
gemeinde als nationaler und internationaler Akteur“, SWP-Studien 2013).
In der Türkei ist im vergangenen Jahr ein offener Machtkampf zwischen der
regierenden islamisch-konservativen AK-Partei von Ministerpräsident Recep
Tayyip Erdoğan und der zuvor jahrelang mit ihm verbündeten Bewegung um
den in Pennsylvania lebenden pensionierten Imam Fethullah Gülen aus-
gebrochen. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Fethullah Gülen
wegen des Vorwurfs eines „versuchten Staatsstreichs“ und der Gründung und
Leitung einer „illegalen Organisation“ aufgenommen. Es lägen „schwere Vor-
würfe, insbesondere Spionage“ gegen Fethullah Gülen vor, sagte der türkische
Kulturminister Ömer Celik dem Sender „n-tv“. Fethullah Gülen und seine
Bewegung hätten „einen Staat im Staate“ errichtet und Zugang zu den „vertrau-
lichsten Regierungstreffen“ gehabt. So sollen Fethullah Gülens Anhänger in
Polizei und Justiz Tausende Telefonate und vertrauliche Gespräche hochrangi-
ger AKP-Politiker und Sicherheitsbehörden einschließlich des Ministerpräsi-

Drucksache 18/1428 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
denten Recep Tayyip Erdoğan, des Außenministers Ahmet Davutoglu und des
Geheimdienstchefs Hakan Fidan, aber auch Journalistinnen und Journalisten,
Geschäftsleute und die Zentrale der oppositionellen Republikanischen Volks-
partei (CHP) abgehört haben (www.taz.de/Ermittlungen-gegen-Fethullah-Guelen/
!137667/, www.taz.de/!133703/, www.faz.net/aktuell/politik/tuerkei-erdogan-will-
guelen-aus-usa-ausliefern-lassen-12915934.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wird die Gülen-Bewegung Thema der Frühjahrskonferenz der Innenminister

vom 11. bis 13. Juni 2014 in Bonn sein, wie vom rheinland-pfälzischen
Innenminister, Roger Lewentz, angeregt?
a) Wenn ja, auf welchen Antrag, und mit welcher Zielstellung?
b) Wenn nein, warum wurde der entsprechende Vorschlag des rheinland-

pfälzischen Innenministers, Roger Lewentz, abgelehnt?
2. Welche Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder befassen

sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit mit der Gülen-Bewegung?
3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine offene Bund-Länder-

Arbeitsgruppe zur Gülen-Bewegung?
a) Auf wessen Anregung hin wurde wann die Arbeitsgruppe gebildet?
b) Welche Personen, Behörden und Institutionen aus welchen Bundes-

ländern und dem Bund gehört dieser Arbeitsgruppe an?
c) Wurden Personen, Behörden und Institutionen zur Mitarbeit in der

Arbeitsgruppe aufgefordert, die dieser Aufforderung nicht nachkamen,
und wenn ja, welche, und mit welcher Begründung?

d) Wer hat den Vorsitz in dieser Arbeitsgruppe?
e) Welches Ziel verfolgt diese Arbeitsgruppe?
f) In welchem Rhythmus soll sich diese Arbeitsgruppe treffen, bzw. wie soll

die Kommunikation innerhalb der Arbeitsgruppe organisiert sein?
g) Sollen die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe veröffentlicht werden, und

wenn ja, wann, und in welcher Form?
h) Besteht die Absicht der Arbeitsgruppe, Expertinnen und Experten zur

Gülen-Bewegung aus den Medien oder der Wissenschaft anzuhören, und
wenn ja, wen, wann, und zu welchem Thema genau?

i) Besteht die Absicht der Arbeitsgruppe, zur Hizmet-Bewegung gehörende
Institutionen bzw. Vertreterinnen und Vertreter der Hizmet-Bewegung
anzuhören, und wenn ja, welche, zu welchem Thema genau, und wann?

j) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu türkischen Behörden
bzw. sollen solche Kontakte aufgenommen werden, und wenn ja, zu
welchen Behörden, und mit welcher Zielsetzung?

k) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern und Expertinnen und Experten zur Thematik der
Gülen-Bewegung aus der Türkei, bzw. sollen solche Kontakte aufgenom-
men werden, und wenn ja, zu wem, und mit welcher Zielsetzung?

l) Inwieweit bestehen Kontakte der Arbeitsgruppe zu Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern und Expertinnen und Experten zur Thematik der
Gülen-Bewegung aus dem Ausland (außer Türkei), bzw. sollen solche
Kontakte aufgenommen werden, und wenn ja, zu wem, und mit welcher
Zielsetzung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/1428
m) Auf welche wissenschaftlichen Studien zur Gülen-Bewegung greift die
Arbeitsgruppe zurück (bitte Titel und Autorinnen, Autoren bzw. Institu-
tionen benennen)?

n) Bis wann soll eine Bewertung der Gülen-Bewegung durch die Arbeits-
gruppe vorliegen?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche illegale Abhör-
praktiken einschließlich der Telefonüberwachung und des Abhörens ver-
traulicher Besprechungen von türkischen Regierungspolitikern und Sicher-
heitsbehörden durch Angehörige der Gülen-Bewegung in der Türkei?
a) Wurden die von der türkischen Regierung behaupteten Lauschangriffe

aus den Reihen der Gülen-Bewegung in bilateralen Gesprächen zwischen
der Bundesregierung und der türkischen Regierung thematisiert, und
wenn ja, wann, mit wem, und mit welchem Inhalt?

b) Inwieweit bemüht sich die Bundesregierung, über Kontakte zu türki-
schen Behörden und Regierungsstellen, Informationen über mögliche
Abhörpraktiken der Gülen-Bewegung zu erlangen?

c) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse, dass auch Telefonate
oder sonstige Gespräche von deutschen Behörden, deutschen Regie-
rungsvertreterinnen und -vertretern und generell Bundesbürgerinnen und
-bürgern mit Gesprächspartnerinnen und -partnern in der Türkei von An-
gehörigen der Gülen-Bewegung abgehört wurden?

d) Inwiefern sieht die Bundesregierung die laut türkischer Regierung von
Angehörigen der Gülen-Bewegung praktizierten illegalen Abhörprakti-
ken als eine Gefahr für die Beziehungen zwischen der Bundesregierung
und der türkischen Regierung oder Behörden beider Länder an?

e) Sieht die Bundesregierung die Gefahr illegaler Abhörpraktiken durch
Angehörige der Gülen-Bewegung in Deutschland, und wenn ja, wie ge-
denkt sie die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger dagegen zu schüt-
zen?

f) Inwieweit ergreift die Bundesregierung bei ihren auf Bundestagsdruck-
sache 18/829 genannten Kontakten und Kooperationen zu Gülen-nahen
Institutionen, wie dem Bundesverband der Unternehmerverbände e. V.
(BUV) oder der Journalisten- und Schriftstellerstiftung in Ankara, be-
sondere Schutzmaßnahmen, um möglichen illegalen Abhörpraktiken
vorzubeugen?

Berlin, den 14. Mai 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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